0.982.2

BS 14 356

Übersetzung1

Vereinbarung
zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Deblockierung der schweizerischen Vermögenswerte in Amerika

Abgeschlossen durch Briefwechsel vom 22. November 1946

(Stand am 22. November 1946)

1 Übersetzung des französischen Originaltextes.

Der amerikanische Schatzsekretär

hat am 22. November 1946 an den Vorsteher des eidgenössischen Politischen Departementes2 folgenden Brief gerichtet; dieser hat am 22. November den Empfang dieses Briefes bestätigt

und sich mit dessen Wortlaut einverstanden erklärt:

Herr Bundesrat,

Wie Vertretern Ihrer Regierung in kürzlichen Besprechungen erklärt wurde, ist mein Departement bereit, ein Verfahren zu schaffen, um die Sperre aufzuheben, die zur Zeit gemäss «Executive Order No. 8389» und «Trading with the enemy Act of 1917» und ihren Ergänzungen bezüglich der Schweiz und Liechtensteins gehandhabt wird. Dieses Verfahren wird dadurch in die Wege geleitet, dass die Schweiz und Liechtenstein in die Generallizenzen Nr. 94 und 95 einbezogen werden.

Die allgemeine Wirkung der durch Einbeziehung der Schweiz und Liechtensteins ergänzten Generallizenz Nr. 94 wird sein, dass alle Transaktionen der/oder zugunsten der Schweiz, Liechtensteins oder ihrer «nationals» gestattet sind, soweit die Transaktionen weder Vermögenswerte noch Erträgnisse betreffen, an denen schon am Tag der Ergänzung die Schweiz oder Liechtenstein oder eine Person in diesen Ländern ein Interesse hatten. Wie Ihrer Regierung bereits früher mitgeteilt, wird der Generallizenz Nr. 94 ein besonderer Abschnitt beigefügt, wonach die Bestimmungen der «General Ruling No. 17» so lange weiterhin auf gesperrte Vermögenswerte in Konten von in der Schweiz und in Liechtenstein domizilierten Banken und Finanz­instituten anwendbar sind, bis diese Vermögenswerte auf Grund der Generallizenz Nr. 95 zertifiziert worden sind. Die Zertifizierung von Vermögenswerten auf Grund der Generallizenz Nr. 95 wird die Anwendbarkeit der Bestimmungen von «General Ruling No. 17» auf solche Vermögenswerte ohne weiteres ausschliessen.

Die Einbeziehung der Schweiz und Liechtensteins in die Generallizenz Nr. 95 wird es Ihrer Regierung ermöglichen, unter Vorbehalt der Bedingungen jener Lizenz und dieses Briefes, die vollständige Freigabe gesperrter Vermögenswerte zu bewirken, die im Namen von Personen in der Schweiz oder in Liechtenstein verwaltet werden, soweit die Vermögenswerte zertifizierbar sind. Mein Departement wird überdies Lizenzen erteilen, damit durch Zertifizierung Vermögenswerte deblockiert werden können, die in den gemäss «General Ruling No. 17» errichteten «General Ruling No. 6»‑Konten liegen.

Die vorerwähnte Massnahme wird getroffen, sobald ich die Zusicherung habe, dass die nachstehend aufgeführten Bedingungen durch Ihre Regierung angenommen worden sind.

1.
Die schweizerische Regierung wird die volle Verantwortung für die Durchführung des in der Generallizenz Nr. 95 vorgesehenen Zertifizierungsverfahrens übernehmen. Es werden keine Vermögenswerte zertifiziert, bevor sich die schweizerische Regierung durch eine geeignete Untersuchung vergewissert hat, dass die Vermögenswerte nicht von der Generallizenz ausgeschlossen sind. Die schweizerische Regierung wird hierbei nicht nur die Eigentumsverhältnisse bei Kapitalbeteiligungen und anderen Interessen an Finanzinstituten, Holdinggesellschaften, Stiftungen, Familientrusts usw. besonders untersuchen, sondern sie wird auch die Eigentumsverhältnisse an Vermögenswerten, die im Besitze dieser Organisationen und Institutionen selber sind, eigens prüfen, da sie als Vertreter oder Strohmänner tätig sein könnten. Überdies wird die schweizerische Regierung bei Vermögenswerten, die von Zeit zu Zeit durch mein Departement besonders bezeichnet werden, sich mit meinem Departement in Verbindung setzen, bevor auf Grund der Generallizenz Nr. 95 zertifiziert wird. Es besteht Einverständnis darüber, dass wegen Fragen, die sich bei der Durchführung der in diesem Brief niedergelegten Vereinbarung von Zeit zu Zeit ergeben werden, eine Fühlungnahme stattfinden wird mit dem Ziel, zu beidseitig befriedigenden Lösungen zu gelangen und die reibungslose Durchführung des Verfahrens sicherzustellen.
2.
Bei der Feststellung, ob hier auf den Namen von Banken oder anderen Finanzinstituten in der Schweiz oder in Liechtenstein unterhaltene Dollarkonten «(cash­accounts») zertifizierbar sind, ist davon auszugehen, dass Personen, die Dollarkonten bei solchen Unternehmungen unterhalten, ein Interesse in entsprechender Höhe an den hiesigen Konten haben. Zudem sind Personen, die Kapitalbeteiligungen oder andere Interessen an einer Holdinggesellschaft, einem Investment‑Trust, einer Stiftung, einem Familientrust oder an einer ähnlichen Organisation oder Institution haben, zu behandeln, als hätten sie im entsprechenden Umfang ein direktes Interesse an den im Eigentum der Organisation oder Institution stehenden Vermögenswerten, und zwar ungeachtet der Form, in die die Interessen gekleidet sind; dieser Grundsatz bedeutet indessen nicht, dass damit die Zertifizierung von Vermögenswerten einer solchen Organisation oder Institution gestattet wird, wenn sie selber nicht zur Zertifizierung zugelassen ist.
3.
Es versteht sich, dass keine Zertifizierungen vorgenommen werden, wenn sie
a)
die Durchführung von Transaktionen erleichtern würden, die den Interessen eines Feindes der Vereinigten Staaten, wie untenstehend definiert, oder von Personen, die für den Feind tätig sind, förderlich sind; oder
b)
den Status der in den Vereinigten Staaten liegenden gesperrten Vermögenswerte ändern würden, an denen am oder seit dem Stichtag der «Order» ein Feind ein direktes oder indirektes Interesse gehabt hat.
4.
Bei Vermögenswerten einer Handelsgesellschaft «(partnership»), Vereinigung, Körperschaft oder anderen Organisationen, die unter schweizerischem oder liechtensteinischem Recht errichtet worden ist und wegen Interessen nicht in der Schweiz oder in Liechtenstein wohnhafter Personen zugleich als «national» eines anderen in der «Order» aufgeführten fremden Staates – wie in der Generallizenz Nr. 95 definiert – zu betrachten ist, wird keine Zertifizierung vorgenommen, bevor nicht von der Regierung dieses anderen Staates alle Zusicherungen erlangt worden sind, dass kein «national» Deutschlands, Japans, Bulgariens, Ungarns oder Rumäniens, ausser jemandem, der einen Anspruch auf die Vorteile der Generallizenz Nr. 95 hat, am «Eigentum» oder an der «Kontrolle» solcher Interessen beteiligt ist. Zum Zweck der Vereinfachung können indessen die schweizerischen Behörden unter ihrer eigenen Verantwortlichkeit Vermögenswerte dieser Organisationen zertifizieren, wenn solche Interessen weniger als 25 % ausmachen.
Vermögenswerte, auf die vorstehender Absatz nicht anwendbar ist, an denen jedoch ein anderer in der Generallizenz Nr. 95 aufgeführter Staat oder dessen «national» ein Interesse hat, wird die schweizerische Regierung nicht zertifizieren, bevor nicht von der anderen Regierung alle Zusicherungen erlangt worden sind, dass ein derartiges Interesse als solches gemäss der Generallizenz zertifizierbar ist. Es ist indessen nicht notwendig, solche Zusicherungen einzuholen, wenn der Wert des in Frage stehenden Vermögenswertes weniger als 1000 Dollars beträgt.
5.
Wenn Vermögenswerte, an denen ein Feindesinteresse besteht, auf Grund der Generallizenz versehentlich oder fälschlicherweise zertifiziert worden sind, so wird mein Departement konsultiert, und auf sein Verlangen wird Ihre Regierung geeignete Massnahmen treffen, um sicherzustellen, dass solche Vermögenswerte oder ihr Gegenwert auf das Konto zurückübertragen werden, in dem sie vor der Zertifizierung gelegen haben, oder auf ein anderes durch mein Departement zu bezeichnendes Konto; dies immerhin nur in dem Unfang, als ein solcher Vermögenswert oder dessen Gegenwert noch unter den Vermögenswerten des ersten Erwerbers oder des ursprüng­­lichen Eigentümers vorgefunden werden. Es besteht Einverständnis, dass eine gemeinsame Prüfung vorgenommen wird in besonderen Fällen, wo mein Departement Grund zur Annahme hat, es seien Vermögenswerte unrichtig zertifiziert worden.
6.
Unmittelbar nach der Einbeziehung der Schweiz und Liechtensteins in die Generallizenz Nr. 95 wird die schweizerische Regierung jede Bank und jedes andere Finanzinstitut in der Schweiz und Liechtenstein auffordern, auf ein spezielles gesperrtes Konto in den Vereinigten Staaten, das auf den Namen der Schweizerischen Nationalbank lautet, alle Vermögenswerte zu übertragen, die in den Konten dieser Banken oder Finanzinstitute liegen und an denen die nachfolgenden am oder seit dem Stichtag der «Order» ein Interesse haben oder gehabt haben.
a)
die Regierungen Deutschlands und Japans, die vor dem Waffenstillstand bestanden haben, und jede Amtsstelle, Behörde oder Vertretung einer dieser Regierungen;
b)
jeder Bürger oder Staatsangehörige («subject») Deutschlands oder Japans innerhalb dieser Staaten oder jede solche Person in der Schweiz oder in Liechtenstein, die heimgeschafft wird;
c)
jede Handelsgesellschaft («partnership»), Vereinigung, Körperschaft oder andere Organisation, die gemäss den Gesetzen Deutschlands oder Japans errichtet worden ist oder den Ort ihrer hauptsächlichsten Geschäftstätigkeit zu irgendeiner Zeit am oder seit dem 7. Dezember 1941 in einem Gebiet Deutschlands oder Japans gehabt hat.
Die zu übertragenden Vermögenswerte haben alle Wertschriften zu umfassen, an denen am oder seit dem 14. Juni 1941 eine solche Regierung oder Person ein Interesse gehabt hat, ferner einen Dollarbetrag, der genügt, um alle Dollarkonten voll zu decken, die in den Büchern der Bank oder eines andern Finanzinstituts zu irgend­einer Zeit am oder seit dem 14. Juni 1941 geführt worden sind und an denen eine solche Regierung oder Person ein Interesse hat oder gehabt hat, ohne Abzug von Auszahlungen, ausser den mit Bewilligung dieses Departements vorgenommenen. Im Zusammenhang mit der Ergänzung der Generallizenz Nr. 95 werden von meinem Departement Bewilligungen erteilt, um die erwähnten Übertragungen zu ermöglichen.
7.
Die schweizerische Regierung wird die notwendigen Erhebungen und Massnahmen treffen, um die Ausscheidung aller jener Wertschriften sicherzustellen, die in der Schweiz oder Liechtenstein liegen und durch die Regierung der Vereinigten Staaten, deren politische Gliederungen und durch die unter ihrer Gesetzgebung errichteten Gesellschaften «(corporations») ausgegeben worden sind, gleichviel in welcher Währung zahlbar, und die in vom Feind besetzten Ländern geraubt worden sind oder woran ein deutsches oder japanisches Interesse besteht oder seit den entsprechenden Daten bestanden hat, da die Sperrmassnahmen der Schweiz auf Deutschland und Japan ausgedehnt wurden. Ein Zertifikat wird allen Wertpapieren angeheftet, bei denen ein Anspruch auf die Vorteile der Generallizenz Nr. 95 besteht.
8.
Die schweizerische Regierung wird sich durch geeignete Massnahmen Kenntnis verschaffen über diejenigen in der Schweiz oder in Liechtenstein vorhandenen Zahlungsmittel der Vereinigten Staaten, woran ein deutsches oder japanisches Interesse besteht oder seit den entsprechenden Daten bestanden hat, da die Sperrmassnahmen der Schweiz auf Deutschland und Japan ausgedehnt wurden, und wird alle solchen Zahlungsmittel ausscheiden.
9.
Ihre Regierung wird meinem Departement vollständigen Aufschluss über alle Vermögenswerte erteilen, die in den Vereinigten Staaten auf den Namen einer Person in der Schweiz oder in Liechtenstein lauten und bei denen Grund zur Annahme besteht, dass daran ein direktes oder indirektes feind­liches Interesse besteht oder seit dem Stichtag der «Order» bestanden hat. Solche Aufschlüsse werden laufend erteilt, sobald Ihre Regierung die entsprechenden Tatsachen festgestellt hat. Sie werden vollständige Einzelheiten enthalten über die Interessen an Vermögenswerten, die in den Konten der Banken oder anderer Finanzinstitute in der Schweiz oder in Liechtenstein liegen und nach dem vorerwähnten Abschnitt 6 übertragen werden müssen. Es werden meinem Departement auch vollständige Angaben über Wertschriften oder Zahlungsmittel erteilt, die wegen eines feindlichen Interesses nach den vorstehenden Abschnitten 7 und 8 ausgeschieden worden sind. Die endgültige Verfügung über Vermögenswerte, woran ein feindliches Interesse besteht oder bestanden hat, wird in einem späteren Zeitpunkt bestimmt.
Mein Departement wird seinerseits Ihrer Regierung laufend Angaben über Personen zur Verfügung stellen, bei denen es Grund zur Annahme hat, sie könnten als Vertreter oder Strohmänner für Feinde tätig gewesen sein.
Der Begriff «Feind», wie er hier verwendet wird, bedeutet:
1.
die Regierungen Deutschlands, Japans, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens oder Italiens, die vor dem Waffenstillstand bestanden haben, und jede Amtsstelle, Behörde oder Vertretung einer dieser Regierungen;
2.
jede natürliche Person innerhalb Deutschlands, Japans, Bulgariens, Ungarns, Rumäniens oder Italiens, ausgenommen
a)
jede Person, die im Dienste der bewaffneten Kräfte einer der Vereinigten Nationen steht oder sie begleitet, oder
b)
jede Person, die nach dem entsprechenden Waffenstillstand in einen solchen Staat kam, es sei denn, sie habe sich am oder seit dem 7. Dezember 1941 ausschliesslich in solchen Staaten aufgehalten;
3.
jede natürliche Person, die ein Bürger oder Angehöriger Deutschlands oder Japans ist und zu irgendeiner Zeit am oder seit dem 7. Dezember 1941 im Gebiet Deutschlands oder Japans, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens oder Italiens oder in einem andern Gebiet gewesen ist, während es durch Deutschland oder Japan besetzt oder kontrolliert war, es wäre denn, die Person sei nicht in Deutschland, Japan, Bulgarien, Ungarn, Rumänien oder Italien und werde durch die Vertretung des amerikanischen Schatzamtes in der Schweiz als bona fide Opfer von Verfolgungen durch die deutsche nationalsozialistische oder die italienische faschistische Regierung bezeichnet;
4.
jede Handelsgesellschaft («partnership»), Vereinigung, Körperschaft oder andere Organisation, die gemäss den Gesetzen Deutschlands, Japans, Bulgariens, Ungarns, Rumäniens oder Italiens errichtet worden ist oder den Ort ihrer hauptsächlichsten Geschäftstätigkeit zu irgend­einer Zeit am oder seit dem 7. Dezember 1941 in einem der genannten Gebiete gehabt hat; und
5.
jede Handelsgesellschaft «(partnership»), Vereinigung, Körperschaft oder andere Organisation in einem fremden Staat, die wegen daran bestehender Interessen irgendeiner in diesem Abschnitt bezeichneten Regierung oder Person «national» Deutschlands, Japans, Ungarns, Rumäniens oder Bul­gariens ist.
Wie Ihnen bekannt ist, sind die Konten der schweizerischen Regierung und der Schweizerischen Nationalbank bereits deblockiert worden. Demgemäss nimmt mein Departement in Aussicht, die Generallizenz Nr. 50 nach Ablauf einer angemessenen Frist nach der Einbeziehung der Schweiz in die Generallizenzen Nrn. 94 und 95 aufzuheben. Ihre Regierung wird indessen zum voraus von einer solchen Massnahme in Kenntnis gesetzt werden.
Ich möchte auch die Gelegenheit wahrnehmen, um hervorzuheben, dass es nach Ablauf einer angemessenen Frist seit Einbeziehung der Schweiz und Liechtensteins in die Generallizenz Nr. 95 für uns notwendig sein wird, Massnahmen zu treffen bezüglich der Verfügung über alle gesperrten Vermögenswerte auf den Namen von Personen in der Schweiz oder in Liechtenstein, die durch Ihre Regierung nicht zertifiziert worden sind. Bevor solche Massnahmen getroffen werden, wird mein Departement es sich angelegen sein lassen, in einen Meinungsaustausch mit Ihrer Regierung zu treten. Um das Problem zu vereinfachen, wird vorgeschlagen, Ihre Regierung möge sofort Massnahmen treffen, um alle solchen Personen zu veranlassen, Anträge an Ihre Regierung für die Deblockierung ihrer Vermögenswerte zu stellen. Dies wird Ihrer Regierung ermöglichen, rasch festzustellen, ob die Vermögenswerte wirklich zertifizierbar sind oder ob sie meinem Departement wegen daran bestehender feindlicher Interessen gemeldet werden sollten.

Genehmigen Sie, Herr Bundesrat, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.

(Es folgt die Unterschrift)

2 Heute: Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten. Der in der AS 62 995 veröffentlichte englische Text des Briefes wird hier nicht mehr wiedergegeben.