(Stand am 21. Februar 2003)
0.142.113.4911BS
0.142.113.491
Übersetzung2
Niederlassungsvertrag
zwischen der Schweiz und Frankreich
Abgeschlossen am 23. Februar 1882
Von der Bundesversammlung genehmigt am 27. April 18823
Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 12. Mai 1882
In Kraft getreten am 16. Mai 1882
Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und
die Regierung der Französischen Republik,
von dem Wunsche beseelt, die Freundschaftsbande zu befestigen und die freundnachbarlichen Beziehungen zu fördern, welche beide Länder verbinden, haben beschlossen, die Bedingungen für die Niederlassung der Franzosen in der Schweiz und der Schweizer in Frankreich in beidseitigem Einverständnis durch einen besondern Vertrag zu regeln, und zu diesem Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt, nämlich:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Artikel geeinigt haben:
Die Franzosen sind in jedem Kantone der Eidgenossenschaft in bezug auf ihre Person und ihr Eigentum auf dem nämlichen Fusse und auf die gleiche Weise aufzunehmen und zu behandeln, wie es die Angehörigen der andern Kantone sind oder noch werden sollten. Sie können daher in der Schweiz ab- und zugehen und sich daselbst zeitweilig aufhalten, wenn sie den Gesetzen und Polizeiverordnungen nachleben. Jede Art von Gewerbe und Handel, welche den Angehörigen der verschiedenen Kantone erlaubt ist, wird es auf gleiche Weise auch den Franzosen sein, und zwar ohne dass ihnen eine pekuniäre oder sonstige Mehrleistung überbunden werden darf.
Um in der Schweiz Wohnsitz zu nehmen oder sich dort niederzulassen, müssen die Franzosen mit einem ihre Staatsangehörigkeit bezeugenden Immatrikulationsscheine versehen sein, der ihnen von der Botschaft der Französischen Republik oder durch die von Frankreich in der Schweiz errichteten Konsulate und Vizekonsulate ausgestellt wird.
Die Schweizer werden in Frankreich die nämlichen Rechte und Vorteile geniessen, wie sie der Artikel 1 des gegenwärtigen Vertrages den Franzosen in der Schweiz zusichert.
Die Angehörigen des einen der beiden Staaten, welche im andern wohnhaft sind, stehen nicht unter den Militärgesetzen des Landes, in dem sie sich aufhalten, sondern bleiben denjenigen ihres Vaterlandes unterworfen.
Ebenso sind sie frei von jedem Dienste in der Nationalgarde sowohl in den Ortsbürgerwachen.
Die Angehörigen des einen der beiden Staaten, welche im andern wohnhaft sind und in die Lage kommen sollten, durch gesetzliche Verfügung oder gemäss den Gesetzen oder Verordnungen über die Sittenpolizei und über den Bettel, weggewiesen zu werden, sollen samt Familie jederzeit in ihrer ursprünglichen Heimat wieder aufgenommen werden, vorausgesetzt, dass sie ihre Heimatrechte beibehalten haben.
Jeder Vorteil, den einer der vertragschliessenden Teile bezüglich der Niederlassung der Bürger und der Ausübung der industriellen Berufsarten in irgendeiner Weise einem andern Staate gewährt hätte oder in Zukunft noch gewähren sollte, wird in gleicher Weise und zu gleicher Zeit auch gegenüber dem andern Kontrahenten zur Anwendung kommen, ohne dass hiefür der Abschluss einer besondern Übereinkunft nötig wäre.
Die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages sind auch auf Algerien7 anwendbar.
Was die andern überseeischen Besitzungen Frankreichs betrifft, so sind dieselben Bestimmungen dort ebenfalls anwendbar, mit denjenigen Beschränkungen jedoch, welche die besondere Verwaltung, welcher diese Besitzungen unterstellt sind, mit sich bringt.
Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem 16. Mai 1882 in Kraft und bleibt vollziehbar bis zum 1. Februar 1892.
Für den Fall, dass keiner der hohen vertragschliessenden Teile zwölf Monate vor Ablauf des genannten Zeitraumes seine Absicht kundgegeben hat, vom Vertrage zurückzutreten, bleibt dieser von dem Tage ab, an welchem einer der hohen vertragschliessenden Teile ihn gekündigt hat, noch ein weiteres Jahr lang verbindlich.8
Der gegenwärtige Vertrag ist zu ratifizieren, und die Ratifikationsurkunden sind vor dem 12. Mai 1882 gleichzeitig mit denjenigen des unter dem heutigen Datum abgeschlossenen Handelsvertrages9 in Paris auszuwechseln.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und demselben ihre Siegel beigedrückt.
So geschehen in doppelter Ausfertigung zu Paris, am 23. Februar 1882.
Kern | C. de Freycinet |
Lardy | P. Tirard |
| M. Rouvier |