0.142.113.721

BS 11 647; BBl 1928 I 616

Übersetzung1

Niederlassungs-
und Rechtsschutzabkommen
zwischen der Schweiz und Griechenland

Abgeschlossen am 1. Dezember 1927
Von der Bundesversammlung genehmigt am 19. Juni 19282
Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 30. November 1928
In Kraft getreten am 30. November 1928

(Stand am 1. Oktober 1996)

1 Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung.

2 AS 44 807

Der Schweizerische Bundesrat
und
der Präsident der Hellenischen Republik,

von dem Wunsche geleitet, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu fördern, haben beschlossen, ein Niederlassungs- und Rechtsschutzabkommen zu treffen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren beiderseitigen Bevollmächtigten ernannt:

(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)

die, hierzu gehörig ermächtigt, folgende Bestimmungen vereinbart haben:

Art. 1

Die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile haben das Recht, im Rahmen der Gesetze und Vorschriften über die Einreise, die Bewegungsfreiheit und den Aufenthalt aller übrigen Ausländer in das Gebiet des andern Teils einzurei­sen, sich dort zu bewegen und aufzuhalten. Hinsichtlich der für Aufenthalt oder Nieder­­lassung zu tragenden Abgaben und Lasten aller Art sollen die Staats­ange­hörigen der beiden Teile die Behandlung der meistbegünstigten Nation erfahren.

Art. 2

Unter Beobachtung der geltenden Gesetze und Verordnungen sollen die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile, die zum Aufenthalt oder zur Niederlassung auf dem Gebiete des andern Teils zugelassen sind oder inskünftig zugelassen werden, in allen Stücken hinsichtlich der Ausübung ihres Gewerbes und Berufes, des Betriebs von Handels- und Industrieunternehmungen, des erlaubten Handels und Verkehrs auf gleichem Fusse behandelt werden wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation. Sie haben dafür keine andere oder höhere Steuer, Abgabe oder Last irgendwelcher Art zu entrichten oder zu tragen als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation3.

Vorstehende Bestimmungen finden keine Anwendung auf die Wandergewerbe, den Hausierhandel und das Aufsuchen von Warenbestellungen bei Personen, die weder Gewerbe noch Handel betreiben.

3 Siehe auch das Abk. vom 16. Juni 1983 zwischen der Schweizerischen Eidgenossen­schaft und der Hellenischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (SR 0.672.937.21).

Art. 3

Die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile haben volle Freiheit, im Gebiete des andern Teils bewegliches und unbewegliches Vermögen zu besitzen und solches Vermögen durch Kauf, Schenkung, Erbfolge, letztwillige Verfügung oder auf irgendeine andere Art unter den nämlichen Bedingungen zu erwerben, wie sie nach den Gesetzen des Landes, wo sich das Vermögen befindet, für die Angehörigen irgendeines andern Staates vorgesehen sind. Sie können unter den nämlichen Bedingungen darüber verfügen wie diese letztern. In keinem der vorerwähnten Fälle unterliegen sie andern oder höhern Lasten, Steuern oder Abgaben irgendwelcher Bezeichnung als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation nach Massgabe der jeweiligen im Lande geltenden Bestimmungen.

Unter Beobachtung der Landesgesetze können die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile den Erlös aus dem Verkauf ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte überhaupt ausführen, ohne deswegen zur Entrichtung von andern oder höhern Abgaben verhalten zu sein als die Angehörigen der meistbegünstigten Nation im gleichen Falle.

Art. 4

Unter Beobachtung der Landesgesetze und Verordnungen sollen sich die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile in Ansehung ihrer Person und ihres Vermögens vollständigen Schutzes und völliger Sicherheit erfreuen. Sie haben sowohl als Kläger wie als Beklagte freien Zutritt zu allen Gerichts- und Verwaltungsstellen, und es kommen ihnen überhaupt hinsichtlich alles dessen, was sich auf die Rechtspflege bezieht, die nämlichen Rechte und Vorrechte zugute wie den Angehörigen der meistbegünstigten Nation. Sie sind auf alle Fälle befugt, nach den Landesgesetzen hierzu gehörig ermächtigte Anwälte oder Vertreter für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu wählen.

Art. 5

Die Artikel 17‒22 des Haager Abkommens vom 17. Juli 19054 über Zivilprozess sollen in Griechenland zugunsten der Schweiz und der schweizerischen Staatsangehörigen und in der Schweiz zugunsten von Griechenland und der griechischen Staatsangehörigen Anwendung finden.

4 [BS 12 277]. Siehe Anhang.

Art. 6

In keinem Falle sollen in den Häusern, Lagerräumen, Fabriken oder irgendwelchen andern Lokalen im Besitze derjenigen Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile, die im Gebiete des andern Teils niedergelassen sind, Haus­suchungen oder Durchsuchungen, eine Nachprüfung oder Durchsicht der Bücher, Papiere oder Rechnungen vorgenommen werden, es sei denn unter den von den geltenden Landesgesetzen und Verordnungen vorgeschriebenen Bedingungen und Formen.

Art. 7

Die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile können auf dem Gebiete des andern Teils hinsichtlich ihres Eigentums nicht enteignet oder, auch nur vorübergehend, in dessen Genuss beschränkt werden, es sei denn aus einem Grunde von öffentlichem Interesse und soweit dies unter den nämlichen Bedingungen für die Inländer zulässig ist. Entschädigungen, zu denen diese Enteignungen berechtigen, werden unter den Bedingungen gewährt, die zugunsten der Inländer vorgesehen sind.

Art. 8

Die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile sind im Gebiete des andern Teils in Kriegs- und Friedenszeiten vom Militärdienste jeder Art und von jeder Geld- oder Naturalleistung befreit, die an Stelle des persönlichen Dienstes tritt.

In Kriegs- und Friedenszeiten sind sie nur zu den militärischen Leistungen und Requisitionen, die den Angehörigen der meistbegünstigten Nation auferlegt sind, verhalten, und zwar in demselben Umfang und nach den nämlichen Grundsätzen wie diese letztern. Entschädigungen, zu denen diese Massnahmen berechtigen, werden unter den Bedingungen gewährt, die im gleichen Falle für die Inländer oder für die Angehörigen der meistbegünstigten Nation vorgesehen sind.

Die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile sind von allen richterlichen oder administrativen Ämtern und Verrichtungen jeder Art befreit.

Art. 95

In keinem Falle sollen die Staatsangehörigen eines jeden der vertragschliessenden Teile im Gebiete des andern Teils andern oder höhern Lasten oder Zöllen, Steuern, Abgaben oder Beitragsleistungen irgendwelcher Art unterliegen als die Ange­hörigen der meistbegünstigten Nation nach Massgabe der jeweiligen Steuerbestimmungen.

5 Siehe die Fussn. zu Art. 2 Abs. 1.

Art 10

Stirbt ein Staatsangehöriger des einen der vertragschliessenden Teile im Gebiete des andern Teils, ohne bekannte Erben oder Testamentsvollstrecker zu hinterlassen, so sollen die Behörden des Sterbeorts davon den diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Heimatlandes benachrichtigen, damit er den Beteiligten die nötigen Aufschlüsse zugehen lassen kann.

Die zuständigen Behörden des Sterbeortes oder des Ortes, wo sich Eigentum des Erblassers befindet, sollen in Ansehung dieses Vermögens alle Sicherungsmass­regeln treffen, welche die Landesgesetzgebung für die Erbschaften von Inländern vorschreibt. Sie können die Vermittlung der diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Heimatstaates des Erblassers in Anspruch nehmen, um die gesetz­mässigen Mitteilungen an die Erben an ihre Bestimmung gelangen und den Berechtigten den Erlös aus der Hinterlassenschaft zukommen zu lassen.

Für die Staatsangehörigen eines der vertragschliessenden Teile, die im Gebiete des andern Teils sterben, richtet sich die Erbfolge nach dem im Zeitpunkte des Ablebens geltenden Heimatrechte des Erblassers, soweit es sich darum handelt, festzustellen, welches die gesetzlichen Erben und ihre Anteile sind und in welchem Umfange sie auf einen Pflichtteil Anspruch haben.

Art. 11

Die Handels‑, Industrie‑, Landwirtschafts‑, und Finanzgesellschaften, einschliesslich der Transport- und Versicherungsgesellschaften, die nach den Gesetzen des einen der vertragschliessenden Teile rechtsgültig errichtet sind und auf seinem Gebiet ihren Sitz haben, werden im andern Lande rechtlich anerkannt, sofern sie keinen unerlaubten oder unsittlichen Zweck verfolgen; vorbehältlich der Erfüllung der nach den geltenden Landesgesetzen und Verordnungen dieser halb vorgeschriebenen Formalitäten können sie ihre Geschäfte dorthin ausdehnen, dort Rechte erwerben, sie ausüben und ihre wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Unter Beobachtung der Landesgesetze und Verordnungen haben sie freien und leichten Zutritt zu allen Gerichts- und Verwaltungsstellen, sei es als Kläger oder Beklagte.

Die genannten Gesellschaften sollen in allen Stücken die Behandlung erfahren, die gleichartigen Gesellschaften der meistbegünstigten Nation zuteil wird; sie unterliegen namentlich keinen andern oder höhern steuerlichen Auflagen oder Abgaben irgendwelcher Bezeichnung und Art als die Gesellschaften der meistbegünstigten Nation nach Massgabe der jeweilen geltenden steuerlichen Bestimmungen.6

6 Siehe die Fussn. zu Art. 2 Abs. 1.

Art. 127

Jeder der vertragschliessenden Teile kann Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln oder Konsularagenten ernennen, die in den Städten und Ortschaften des andern Teils, wo die Errichtung von Konsularvertretungen zulässig ist, Amtssitz haben.

Um ihr Amt antreten zu können, müssen die Generalkonsuln, Konsuln, Vizekonsuln und Konsularagenten von der Regierung des Empfangsstaates das Exequatur oder eine andere gültige Ermächtigung erhalten haben. Die Regierung, die das Exequatur oder eine sonstige entsprechende Ermächtigung erteilt hat, ist berechtigt, sie unter Angabe der Gründe zurückzuziehen.

Die Konsularbeamten der beiden Länder sollen die nämlichen Rechte, Freiheiten und Immunitäten geniessen, wie sie jetzt oder inskünftig den Konsularbeamten gleichen Grades und gleicher Art der meistbegünstigten Nation eingeräumt werden.

7 Siehe auch das Wiener Übereink. vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (SR 0.191.02).

Art. 13

Das gegenwärtige Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Athen ausgetauscht werden.

Das Abkommen tritt am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft und gilt für die Dauer eines Jahres. Wird das Abkommen von keinem der vertragschliessenden Teile mindestens sechs Monate vor Ablauf des erwähnten Zeitraums von einem Jahre gekündigt, so bleibt es weiterhin in Kraft bis zur Kündigung, wobei die Kündigung erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten wirksam werden soll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten das gegenwärtige Abkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

So geschehen, in doppelter Unterschrift, zu Athen, den 1. Dezember 1927.

Eugène Broye

A. Michalakopoulos

Schlussprotokoll8

8 Gegenstandslos geworden durch das Abk. vom 9. Juni 1954 (in der AS nicht veröffent­licht).

Anhang

(Art. 5)

Artikel 17‒22 des Haager Abkommens vom 17. Juli 19059 über Zivilprozess

9 [BS 12 277]

III. Sicherheitsleistung für die Prozesskosten

Art. 17

Treten Angehörige eines der Vertragsstaaten in einem andern dieser Staaten als Klä­ger oder Intervenienten vor Gericht auf, so darf; sofern sie in irgendeinem der Ver­tragsstaaten ihren Wohnsitz haben, ihnen wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder deswegen, weil sie keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inlande haben, eine Si­cherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Benennung es auch sei, nicht auferlegt werden.

Die gleiche Regel findet Anwendung auf die Vorauszahlung, die von den Klägern oder Intervenienten zur Deckung der Gerichtskosten einzufordern wäre.

Die Abkommen, wodurch Vertragsstaaten für ihre Angehörigen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozesskosten oder von der Vorauszahlung der Gerichtskosten vereinbart haben, finden auch weiter Anwen­dung.

Art. 18

Entscheidungen, wodurch der Kläger oder Intervenient, der nach Artikel 17 Absätze 1 und 2 oder nach dem in dem Staate der Klagerhebung geltenden Rechte von der Sicherheitsleistung, Hinterlegung oder Vorauszahlung befreit worden war, in die Prozesskosten verurteilt wird, sind, wenn das Begehren auf diplomatischem Wege gestellt wird, in jedem der andern Vertragsstaaten durch die zuständige Behörde ko­stenfrei vollstreckbar zu erklären.

Die gleiche Regel findet Anwendung auf gerichtliche Entscheidungen, durch die der Betrag der Kosten des Prozesses später festgesetzt wird.

Die vorhergehenden Bestimmungen schliessen nicht aus, dass zwei Vertragsstaaten übereinkommen, auch der beteiligten Partei selbst zu gestatten, die Vollstreckbar­keitserklärung zu beantragen.

Art. 19

Die Kostenentscheidungen werden ohne Anhörung der Parteien, jedoch unbeschadet eines späteren Rekurses der verurteilten Partei, gemäss der Gesetzgebung des Lan­des, wo die Vollstreckung betrieben wird, vollstreckbar erklärt.

Die zur Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung zuständige Behörde hat ihre Prüfung darauf zu beschränken:

1.
ob nach dem Gesetz des Landes, wo die Verurteilung erfolgt ist, die Ausfer­tigung der Entscheidung die für ihre Beweiskraft erforderlichen Vorausset­zungen erfüllt;
2.
ob nach demselben Gesetze die Entscheidung die Rechtskraft erlangt hat;
3.
ob das Dispositiv der Entscheidung in der Sprache der ersuchten Behörde oder in der zwischen den beiden beteiligten Staaten vereinbarten Sprache abgefasst ist oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet ist, die, vorbehältlich anderweitiger Übereinkunft, durch einen diplomati­schen oder konsularischen Vertreter des ersuchenden Staates oder einen be­eidigten Dolmetscher des ersuchten Staates beglaubigt sein muss.

Den Erfordernissen des Absatzes 2 Ziffern 1 und 2 wird genügt durch eine Erklä­rung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates, dass die Entscheidung die Rechtskraft erlangt hat. Die Zuständigkeit dieser Behörde ist, vorbehältlich ander­weitiger Übereinkunft, durch den höchsten Justizverwaltungsbeamten des ersu­chenden Staates zu bescheinigen. Die Erklärung und die Bescheinigung, die soeben erwähnt worden sind, müssen nach Vorschrift des Absatzes 2 Ziffer 3 abgefasst und übersetzt sein.

IV. Armenrecht

Art. 20

Die Angehörigen eines jeden der Vertragsstaaten werden in allen andern Vertrags­staaten unter denselben gesetzlichen Bedingungen und Voraussetzungen zum Ar­menrechte zugelassen, wie die Angehörigen des Staates, in dessen Gebiete die Be­willigung des Armenrechts nachgesucht wird.

Art. 21

Das Armutszeugnis oder die Erklärung des Unvermögens zur Bestreitung der Pro­zesskosten muss in allen Fällen von den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts­ortes des Ausländers, oder in Ermangelung solcher, von den Behörden seines der­zeitigen Aufenthaltsortes ausgestellt oder entgegengenommen sein. Gehören diese Behörden keinem der Vertragsstaaten an und werden von ihnen solche Bescheini­gungen oder Erklärungen nicht ausgestellt oder entgegengenommen, so genügt die Ausstellung oder Entgegennahme der Bescheinigung oder der Erklärung durch einen diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Landes, dem der Ausländer ange­hört.

Hält der Antragsteller sich nicht in dem Lande auf, wo das Armenrecht nachgesucht wird, so ist das Zeugnis oder die Erklärung des Unvermögens kostenfrei von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter des Landes zu beglaubigen, in dessen Gebiet die Urkunde vorgelegt werden soll.

Art. 22

Die zur Erteilung des Armutszeugnisses oder zur Entgegennahme der Erklärung über das Unvermögen zuständige Behörde kann bei den Behörden der andern Ver­tragsstaaten über die Vermögensverhältnisse des Antragstellers Erkundigungen ein­ziehen.

Der Behörde, die über den Antrag auf Bewilligung des Armenrechts zu entscheiden hat, bleibt in den Grenzen ihrer Amtsbefugnisse das Recht gewahrt, die ihr vorge­legten Zeugnisse, Erklärungen und Auskünfte auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen.