Unterzeichnet im Haag am 18. Oktober 1907
Die zweite internationale Friedenskonferenz, die zuerst von dem Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vorgeschlagen und sodann auf die Einladung Seiner Majestät des Kaisers aller Reussen von Ihrer Majestät der Königin der Niederlande einberufen worden war, ist im Haag am 15. Juni 1907 im Rittersaale zusammengetreten mit der Aufgabe, den Grundsätzen der Menschlichkeit, die dem Werke der ersten Konferenz von 1899 zur Grundlage gedient haben, eine weitere Entwicklung zu geben.
Folgende Mächte haben an der Konferenz teilgenommen und dazu die nachstehend aufgeführten Delegierten ernannt:
(Es folgen die Namen der Delegierten)
In einer Reihe von Sitzungen während der Zeit vom 15. Juni bis zum 18. Oktober 1907, in denen die genannten Delegierten beständig von dem Wunsche beseelt waren, in möglichst weitem Masse die hochherzigen Gedanken des Erlauchten Veranstalters der Konferenz und die Absichten ihrer Regierungen zu verwirklichen, hat die Konferenz den Wortlaut der Abkommen und der Erklärung festgestellt, die nachstehend aufgezählt und dieser Akte als Anlage beigegeben sind, um den Bevollmächtigten zur Unterzeichnung unterbreitet zu werden:
- I.
- Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle6;
- II.
- Abkommen betreffend die Beschränkung der Anwendung von Gewalt bei der Eintreibung von Vertragsschulden7;
- III.
- Abkommen über den Beginn der Feindseligkeiten8;
- IV.
- Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs9;
- V.
- Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs10;
- VI.
- Abkommen über die Behandlung der feindlichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der Feindseligkeiten11;
- VII.
- Abkommen über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe12;
- VIII.
- Abkommen über die Legung von unterseeischen, selbsttätigen Kontaktminen13;
- IX.
- Abkommen betreffend die Beschiessung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten14;
- X.
- Abkommen über die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens auf den Seekrieg15;
- XI.
- Abkommen über gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekrieg16;
- XII.
- Abkommen über die Errichtung eines internationalen Prisenhofs17;
- XIII.
- Abkommen betreffend die Rechte und die Pflichten der neutralen Mächte im Falle eines Seekrieges18;
- XIV.
- Erklärung betreffend das Verbot des Werfens von Geschossen und Sprengstoffen aus Luftschiffen19.
Diese Abkommen und diese Erklärung sollen ebenso viele besondere Urkunden bilden. Diese Urkunden sollen das Datum des heutigen Tages tragen und können bis zum 30. Juni 1908 im Haag von den Bevollmächtigten der auf der zweiten Friedenskonferenz vertretenen Mächte unterzeichnet werden.
Die Konferenz hat im Geiste der Verständigung und der gegenseitigen Zugeständnisse, der das Wesen der Friedenskonferenzen ist, die nachstehende Erklärung beschlossen, die zwar jeder der vertretenen Mächte die Wahrung ihres eigenen Standpunktes vorbehält, ihnen allen aber gestattet, die Grundsätze, die sie als einstimmig anerkannt ansehen, zu bestätigen:
Sie ist einstimmig:
- 1.
- in der grundsätzlichen Anerkennung der obligatorischen Schiedssprechung;
- 2.
- in der Erklärung, dass gewisse Streitigkeiten, insbesondere solche über die Auslegung und Anwendung internationaler Vertragsabreden, geeignet sind, der obligatorischen Schiedssprechung ohne jede Einschränkung unterworfen zu werden.
Sie ist endlich einstimmig darin, auszusprechen, dass, wenn es ihr auch nicht gelungen ist, schon jetzt ein Abkommen in diesem Sinne zustandezubringen, doch die hervorgetretenen Meinungsverschiedenheiten die Grenzen einer juristischen Auseinandersetzung nicht überschritten haben, und dass alle Mächte der Welt während ihres hiesigen viermonatigen Zusammenarbeitens nicht nur gelernt haben, einander besser zu verstehen und einander näher zu treten, sondern auch verstanden haben, während dieses langen Zusammenwirkens ein sehr hohes Gefühl für das Gemeinwohl der Menschheit zur Entwicklung zu bringen.
Ausserdem hat die Konferenz mit Einstimmigkeit folgenden Beschluss gefasst:
Die zweite Friedenskonferenz bestätigt den auf der Konferenz von 1899 in Ansehung der Beschränkungen der Militärlasten angenommenen Beschluss20 und erklärt im Hinblick darauf, dass die Militärlasten seit jenem Jahre in fast allen Ländern erheblich gewachsen sind, es für höchst wünschenswert, dass die Regierungen das ernstliche Studium dieser Frage wieder aufnehmen.
Sie hat ferner folgende Wünsche ausgesprochen:
- 1.
- Die Konferenz empfiehlt den Signatarmächten die Annahme des anliegenden Entwurfs eines Abkommens über die Errichtung eines Schiedsgerichtshofes und seine Inkraftsetzung, sobald eine Einigung über die Auswahl der Richter und die Zusammensetzung des Gerichtshofes erfolgt ist.21
- 2.
- Die Konferenz spricht den Wunsch aus, dass im Kriegsfalle die zuständigen Zivil‑ und Militärbehörden es sich zur ganz besonderen Pflicht machen, den Fortbestand des friedlichen Verkehrs und namentlich der kaufmännischen und industriellen Beziehungen zwischen der Bevölkerung der kriegführenden Staaten und den neutralen Ländern zu sichern und zu schützen.
- 3.
- Die Konferenz spricht den Wunsch aus, dass die Mächte durch besondere Abkommen die Lage der auf ihren Gebieten ansässigen Ausländer in Ansehung der Militärlasten regeln.
- 4.
- Die Konferenz spricht den Wunsch aus, dass die Ausarbeitung einer Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Seekriegs in das Programm der nächsten Konferenz aufgenommen werde und dass jedenfalls die Mächte die Grundsätze des Abkommens über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs22 soweit wie möglich auf den Seekrieg anwenden.
Endlich empfiehlt die Konferenz den Mächten, die Zusammenberufung einer dritten Friedenskonferenz, deren Zusammentritt nach Ablauf eines Zeitraums, etwa so wie er seit der vorigen Konferenz verstrichen ist, zu einer zwischen den Mächten zu vereinbarenden Zeit stattzufinden hätte; sie lenkt ihre Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, die Arbeiten dieser dritten Konferenz im voraus so rechtzeitig vorzubereiten, dass deren Beratungen mit der unerlässlichen Würde und Schnelligkeit Fortgang nehmen.
Zur Erreichung dieses Zweckes hält es die Konferenz für sehr wünschenswert, dass etwa zwei Jahre vor dem voraussichtlichen Zusammentritt der Konferenz ein Vorbereitungsausschuss von den Regierungen damit beauftragt werde, die verschiedenen der Konferenz zu unterbreitenden Vorschläge zu sammeln, die für eine demnächstige internationale Regelung geeigneten Gegenstände auszusuchen und ein Programm vorzubereiten, das die Regierungen zeitig genug festzustellen hätten, um seine eingehende Prüfung in jedem Lande zu ermöglichen. Dieser Ausschuss würde ausserdem berufen sein, Vorschläge für die Art der Organisation und des Verfahrens der Konferenz selbst zu machen.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diese Akte unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
Geschehen Im Haag, am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen Ausfertigung, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften allen auf der Konferenz vertretenen Mächten übergeben werden sollen.
(Es folgen die Unterschriften)