0.732.441
AS 2022 63; BBl 2007 5397
Gemeinsames Protokoll
über die Anwendung des Wiener Übereinkommens
und des Pariser Übereinkommens
Abgeschlossen in Wien am 21. September 19881
Von der Bundesversammlung genehmigt am 13. Juni 20082
Ratifikationsurkunde von der Schweiz hinterlegt am 7. Januar 2022
In Kraft getreten für die Schweiz am 7. April 2022
(Stand am 7. April 2022)
Übersetzung
Die Vertragsparteien
eingedenk des Wiener Übereinkommens vom 21. Mai 19633 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden;
eingedenk des Pariser Übereinkommens vom 29. Juli 19604 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der durch das Zusatzprotokoll vom 28. Januar 1964 und das Protokoll vom 16. November 1982 geänderten Fassung;
in der Erwägung, dass das Wiener Übereinkommen und das Pariser Übereinkommen inhaltlich ähnlich sind und zur Zeit kein Staat Vertragspartei beider Übereinkommen ist;
überzeugt, dass die Zugehörigkeit von Vertragsparteien des einen Übereinkommens zu dem anderen Übereinkommen zu Schwierigkeiten führen könnte, die sich aus der gleichzeitigen Anwendung beider Übereinkommen auf ein nukleares Ereignis ergeben;
in dem Wunsch, zwischen dem Wiener Übereinkommen und dem Pariser Übereinkommen durch wechselseitige Ausdehnung der Vorteile der in den jeweiligen Übereinkommen festgelegten Sonderregelung der zivilrechtlichen Haftung für nukleare Schäden eine Verbindung herzustellen und Konflikte aufgrund der gleichzeitigen Anwendung beider Übereinkommen auf ein nukleares Ereignis zu beseitigen,
sind wie folgt übereingekommen:
In diesem Protokoll bedeutet:
- a)
- «Wiener Übereinkommen» das Wiener Übereinkommen vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden sowie jede für eine Vertragspartei des Protokolls in Kraft befindliche Änderung des Übereinkommens;
- b)
- «Pariser Übereinkommen» das Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie sowie jede für eine Vertragspartei des Protokolls in Kraft befindliche Änderung des Übereinkommens.
Im Sinne dieses Protokolls
- a)
- haftet der Inhaber einer im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei des Wiener Übereinkommens gelegenen Kernanlage nach diesem Übereinkommen für nukleare Schäden, die im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei sowohl des Pariser Übereinkommens als auch des Protokolls entstanden sind;
- b)
- haftet der Inhaber einer im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei des Pariser Übereinkommens gelegenen Kernanlage nach diesem Übereinkommen für nukleare Schäden, die im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei sowohl des Wiener Übereinkommens als auch des Protokolls entstanden sind.
(1) Auf ein nukleares Ereignis findet entweder das Wiener Übereinkommen oder das Pariser Übereinkommen unter Ausschluss des jeweils anderen Übereinkommens Anwendung.
(2) Tritt in einer Kernanlage ein nukleares Ereignis ein, so ist das Übereinkommen anwendbar, dessen Vertragspartei der Staat ist, in dessen Hoheitsgebiet die betreffende Anlage gelegen ist.
(3) Tritt ausserhalb einer Kernanlage im Verlauf einer Beförderung von Kernmaterialien ein nukleares Ereignis ein, so ist das Übereinkommen anwendbar, dessen Vertragspartei, der Staat ist, in dessen Hoheitsgebiet die Kernanlage, deren Inhaber entweder nach Artikel II Absatz 1 Buchstabe b und c des Wiener Übereinkommens oder nach Artikel 4 Buchstabe a und b des Pariser Übereinkommens haftet, gelegen ist.
(1) Die Artikel I bis XV des Wiener Übereinkommens finden auf die Vertragsparteien dieses Protokolls, die Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens sind, in gleicher Weise Anwendung wie zwischen den Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens.
(2) Die Artikel 1 bis 14 des Pariser Übereinkommens finden, auf die Vertragsparteien dieses Protokolls, die Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens sind, in gleicher Weise Anwendung wie zwischen den Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens.
Dieses Protokoll liegt vom 21. September 1988 bis zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens für alle Staaten, die entweder das Wiener Übereinkommen oder das Pariser Übereinkommen unterzeichnet oder ratifiziert haben oder einem der beiden Übereinkommen beigetreten sind, am Sitz der Internationalen Atomenergie-Organisation zur Unterzeichnung auf.
(1) Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder des Beitritts. Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden nur von Staaten angenommen, die Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens oder des Pariser Übereinkommens sind. Jeder dieser Staaten, der das Protokoll nicht unterzeichnet hat, kann ihm beitreten.
(2) Die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation hinterlegt, der hiermit zum Verwahrer5 dieses Protokolls bestimmt wird.
(1) Dieses Protokoll tritt drei Monate nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden von mindestens fünf Staaten die Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens sind, und fünf Staaten, die Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens sind, in Kraft. Für jeden Staat, der nach Hinterlegung der genannten Urkunden das Protokoll ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt es drei Monate nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.
(2) Dieses Protokoll bleibt so lange in Kraft, wie sowohl das Wiener Übereinkommen als auch das Pariser Übereinkommen in Kraft sind.
(1) Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll durch schriftliche Notifikation an den Verwahrer6 kündigen.
(2) Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer7 wirksam.
(1) Jede Vertragspartei, die aufhört, Vertragspartei des Wiener Übereinkommens oder des Pariser Übereinkommens zu sein, notifiziert dem Verwahrer8, dass sie die Anwendung des jeweiligen Übereinkommens für sich beendet, und den Zeitpunkt, zu dem diese Beendigung wirksam wird.
(2) Dieses Protokoll tritt für eine Vertragspartei, welche die Anwendung des Wiener Übereinkommens oder des Pariser Übereinkommens beendet hat, zu dem Zeitpunkt ausser Kraft, zu dem diese Beendigung wirksam wird.
Der Verwahrer9 notifiziert den Vertragsparteien und den zu der Konferenz über das Verhältnis zwischen dem Pariser Übereinkommen und dem Wiener Übereinkommen eingeladenen Staaten sowie dem Generalsekretär der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung umgehend
- a)
- jede Unterzeichnung dieses Protokolls;
- b)
- jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde zu dem Protokoll;
- c)
- das Inkrafttreten des Protokolls;
- d)
- jede Kündigung;
- e)
- jede nach Artikel IX eingegangene Information.
Die Urschrift dieses Protokolls, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, wird beim Verwahrer hinterlegt; dieser übermittelt den Vertragsparteien und den zu der Konferenz über das Verhältnis zwischen dem Pariser Übereinkommen und dem Wiener Übereinkommen eingeladenen Staaten sowie dem Generalsekretär der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beglaubigte Abschriften.
Zu Urkund dessen haben die hierzu von ihren Regierungen gehörig befugten Unterzeichneten dieses Gemeinsame Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Wien am 21. September 1988.
(Es folgen die Unterschriften)
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Vertragsstaaten | Ratifikation Beitritt (B) | | Inkrafttreten | |
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Ägypten a | 10. August | 1989 | 27. April | 1992 |
Benin a | 18. September | 2019 B | 18. Dezember | 2019 |
Bulgarien a | 24. August | 1994 B | 24. November | 1994 |
Chile a | 23. November | 1989 | 27. April | 1992 |
Deutschland b | 13. Juni | 2001 | 13. September | 2001 |
Dänemark b c | 26. Mai | 1989 | 27. April | 1992 |
Estland a | 9. Mai | 1994 B | 9. August | 1994 |
Finnland b | 3. Oktober | 1994 | 3. Januar | 1995 |
Frankreich* b | 30. April | 2014 | 30. Juli | 2014 |
Ghana a | 30. Juli | 2020 B | 30. Oktober | 2020 |
Griechenland b | 16. Mai | 2001 | 16. August | 2001 |
Italien b | 31. Juli | 1991 | 27. April | 1992 |
Kamerun a | 28. Oktober | 1991 | 27. April | 1992 |
Kroatien a | 10. Mai | 1994 B | 10. August | 1994 |
Lettland a | 15. März | 1995 B | 15. Juni | 1995 |
Litauen a | 20. September | 1993 B | 20. Dezember | 1993 |
Montenegro a | 14. Februar | 2019 B | 14. Mai | 2019 |
Niederlande b d | 1. August | 1991 | 27. April | 1992 |
Norwegen b | 11. März | 1991 | 27. April | 1992 |
Polen a | 23. Januar | 1990 B | 27. April | 1992 |
Rumänien a | 29. Dezember | 1992 B | 29. März | 1993 |
Schweden b | 27. Januar | 1992 | 27. April | 1992 |
Schweiz* b | 7. Januar | 2022 | 7. April | 2022 |
Slowakei a | 7. März | 1995 B | 7. Juni | 1995 |
Slowenien b | 27. Januar | 1995 B | 27. April | 1995 |
St. Vincent und die Grenadinen a | 18. September | 2001 B | 18. Dezember | 2001 |
Tschechische Republik a | 24. März | 1994 B | 24. Juni | 1994 |
Türkei b | 26. März | 2007 | 26. Juni | 2007 |
Ukraine a | 24. März | 2000 B | 24. Juni | 2000 |
Ungarn a | 26. März | 1990 | 27. April | 1992 |
Uruguay a | 28. Juli | 2009 B | 28. Oktober | 2009 |
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Vereinigte Arabische Emirate a | 29. August | 2012 B | 29. November | 2012 |
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- Vorbehalte und Erklärungen.
- Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die englischen Texte können auf der Internetseite der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA): www.iaea.org/ > Resources > Treaties eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
- a
- Dieser Staat ist Vertragspartei des Wiener Übereinkommens vom 21. Mai 1963 über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden.
- b
- Dieser Staat ist Vertragspartei des Übereinkommens vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964, des Protokolls vom 16. November 1982 und des Protokolls vom 12. Februar 2004.
- c
- Das Protokoll gilt nicht für die Färöer.
- d
- Für das Königreich in Europa.
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Vorbehalt
Die Schweiz hat bei der Ratifikation folgenden Vorbehalt angebracht:
Die Schweizerische Eidgenossenschaft behält sich das Recht vor, bei einem nuklearen Ereignis auf ihrem Hoheitsgebiet, bei dem der Inhaber einer schweizerischen Kernanlage haftet, vorzusehen, dass der Inhaber für nukleare Schäden im Ausland bis zum Betrag haftet, den die nationale Gesetzgebung des betroffenen Staates im Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses im Verhältnis zur Schweiz vorsieht, für Staaten, die eine betragsmässig begrenzte Haftung des Inhabers vorsehen, und die Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens und des gemeinsamen Protokolls sind.