732.44

Kernenergiehaftpflichtgesetz

(KHG)

vom 13. Juni 2008 (Stand am 1. Januar 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 90 der Bundesverfassung1,
in Ausführung des Übereinkommens vom 29. Juli 19602 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls
vom 28. Januar 1964, des Protokolls vom 16. November 1982 und des Protokolls vom 12. Februar 2004 (Pariser Übereinkommen),
des Zusatzübereinkommens vom 31. Januar 19633 zum Pariser Übereinkommen vom 29. Juli 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 1964, des Protokolls vom 16. November 1982 und des Protokolls vom 12. Februar 2004 (Brüsseler Zusatzübereinkommen) und
des Gemeinsamen Protokolls vom 21. September 19884 über die Anwendung des Wiener Übereinkommens und des Pariser Übereinkommens (Gemeinsames Protokoll),
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 8. Juni 20075,

beschliesst:

1. Kapitel: Gegenstand und Begriffe

Art. 1 Gegenstand

1 Dieses Gesetz regelt in Ergänzung der im Ingress genannten Übereinkommen die Haftung für nukleare Schäden, die durch Kernanlagen oder beim Transport von Kernmaterialien verursacht werden, sowie deren Deckung.

2 Bei einer Beendigung oder Suspendierung des Pariser Übereinkommens gelten dessen direkt anwendbaren Bestimmungen (Art. 1–15) als innerstaatliches Recht weiter. Abweichende Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 19876 über das Internationale Privatrecht sind vorbehalten.

3 Soweit die im Ingress genannten Übereinkommen und dieses Gesetz keine abweichenden Bestimmungen enthalten, gelten die Vorschriften des Obligationenrechts7.

Art. 2 Begriffe

Die Begriffsbestimmungen nach Artikel 1 Absatz (a) des Pariser Übereinkommens gelten mit folgenden Präzisierungen:

a.
Als eine einzige Kernanlage gelten auch zwei oder mehrere Kernanlagen eines einzigen Inhabers, die sich auf demselben Gelände befinden oder Kernanlagen und andere Anlagen eines einzigen Inhabers auf demselben Gelände, in denen sich Kernbrennstoffe, radioaktive Erzeugnisse oder Abfälle befinden (Ziff. (ii)).
b.
Inhaber einer Kernanlage ist, wer in der Betriebs- oder Transportbewilligung ausdrücklich als solcher bezeichnet ist (Ziff. (vi)). Bei geologischen Tiefenlagern, die nicht mehr der Kernenergiegesetzgebung unterstehen, gilt der Bund als Inhaber.

2. Kapitel: Haftpflicht

Art. 3 Grundsatz

1 Der Inhaber einer Kernanlage haftet ohne betragsmässige Begrenzung für nukleare Schäden.

2 Er haftet auch für nukleare Schäden, die unmittelbar auf bewaffnete Konflikte, Feindseligkeiten, Bürgerkriege, Aufstände oder terroristische Gewaltakte zurückzuführen sind.

3 Ist für den Transit von Kernmaterialien die Haftung nach ausländischem Recht summenmässig begrenzt, so setzt der Bundesrat den Höchstbetrag der Haftung des betreffenden ausländischen Inhabers einer Kernanlage dem Risiko des Transports entsprechend hinauf, wenn der Betrag nach ausländischem Recht die Risiken eines nuklearen Ereignisses im Verlaufe des Transits nicht angemessen deckt.

4 Die Kosten für Vorsorgemassnahmen sowie für Verluste oder Schäden infolge solcher Massnahmen werden nur erstattet, wenn das Bundesamt für Energie (BFE) die Vorsorgemassnahmen angeordnet oder nachträglich genehmigt hat (Art. 1 Abs. (a) Ziff. (ix) des Pariser Übereinkommens).

Art. 4 Schadenersatz und Genugtuung

1 Soweit sich aus den im Ingress genannten Übereinkommen nichts anderes ergibt, richten sich Art und Umfang des Schadenersatzes sowie die Zusprechung einer Genugtuung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts8 über unerlaubte Handlungen. Artikel 44 Absatz 2 des Obligationenrechts ist nicht anwendbar.

2 Beweist der Inhaber einer Kernanlage, dass der nukleare Schaden ganz oder teilweise durch grobe Fahrlässigkeit der geschädigten Person oder durch eine mit Schädigungsabsicht begangene Handlung oder Unterlassung dieser Person verursacht wurde, so kann der Richter den Inhaber der Kernanlage ganz oder teilweise von der Schadenersatzpflicht gegenüber dieser Person befreien.

Art. 5 Verjährung und Verwirkung

1 Ansprüche auf Ersatz von nuklearem Schaden verjähren drei Jahre nach dem Tag, an dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und dem haftpflichtigen Inhaber einer Kernanlage erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Sie erlöschen, wenn die Klage nicht binnen 30 Jahren nach dem nuklearen Ereignis erhoben wird; ist der Schaden auf eine andauernde Einwirkung zurückzuführen, so beginnt diese Frist mit dem Aufhören dieser Einwirkung zu laufen.

2 Das Rückgriffsrecht des Inhabers einer Kernanlage und jenes nach Artikel 5 des Brüsseler Zusatzübereinkommens verjähren drei Jahre nach dem Tag, an dem der Inhaber oder der nach Artikel 5 des Brüsseler Zusatzübereinkommens Rückgriffs­berechtigte Kenntnis von seiner Leistungspflicht erlangt hat, soweit in den Fällen von Artikel 6 Absatz (f) Ziffer (ii) des Pariser Übereinkommens nichts anderes vereinbart wurde.

3 Ansprüche, die innerhalb von zehn Jahren nach dem nuklearen Ereignis wegen anderer Schäden als der Tötung oder Verletzung eines Menschen geltend gemacht werden, haben Vorrang vor Ansprüchen für Schäden dieser Art, die nach Ablauf dieser Frist erhoben werden.

4 Solange über die Forderung auf Ersatz von nuklearem Schaden ein Prozess im Gang ist, steht die Verjährungsfrist still.

5 Wenn nach dem Urteil oder nach dem Abschluss eines aussergerichtlichen Vertrages über die Ersatzleistung neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, so kann innert drei Jahren seit dem Tag, an dem der Geschädigte hiervon Kenntnis erlangt hat, längstens jedoch innert 30 Jahren seit dem nuklearen Ereignis, eine Revision des Urteils oder eine Änderung des Vertrags verlangt werden.

Art. 6 Vereinbarungen

1 Vereinbarungen, welche die Haftpflicht für nukleare Schäden wegbedingen oder beschränken, sind nichtig.

2 Vereinbarungen, die offensichtlich unzulängliche Entschädigungen festsetzen, sind innert einem Jahr nach ihrem Abschluss anfechtbar.

Art. 7 Nicht obligatorische Versicherung

Leistungen an den Geschädigten aus einer nicht obligatorischen Versicherung, deren Prämien ganz oder teilweise vom Inhaber der Kernanlage bezahlt wurden, sind im Verhältnis seines Prämienanteils auf seine Ersatzpflicht anzurechnen, wenn der Versicherungsvertrag nichts anderes vorsieht.

3. Kapitel: Deckung

1. Abschnitt: Grundsatz

Art. 8

1 Der Inhaber einer Kernanlage hat seine Haftpflicht nach dem Pariser Übereinkommen und diesem Gesetz durch Versicherung oder sonstige finanzielle Sicherheit zu decken. Eine andere finanzielle Sicherheit als eine Versicherung muss wie bei einer Versicherung zur Verfügung stehen und eine für den Geschädigten gleichwertige Sicherheit bieten.

2 Der Gesamtbetrag der Deckung muss insgesamt den in Artikel 3 Absatz (b) Ziffer (i) und (ii) des Brüsseler Zusatzübereinkommens genannten Beträgen zuzüglich zehn Prozent des Gesamtbetrages für Zinsen und gerichtlich zuerkannte Kosten je Kernanlage entsprechen.

3 Der Bundesrat kann die Beträge nach Absatz 2 bis zu den in Artikel 7 Absatz (b) des Pariser Übereinkommens genannten Beträgen herabsetzen, wenn die Art der Kernanlage oder der transportierten Kernmaterialien sowie die wahrscheinlichen Folgen eines von solchen Anlagen und Kernmaterialien ausgehenden nuklearen Ereignisses dies rechtfertigen.

4 Durch die Ersatzleistung für Schäden an Transportmitteln darf der zur Deckung sonstiger nuklearer Schäden zur Verfügung stehende Betrag um nicht mehr als fünf Prozent des Gesamtbetrags der Deckung gemindert werden (Art. 7 Abs. (c) Pariser Übereinkommen).

5 Der Bund ist als Inhaber von Kernanlagen nicht zum Nachweis einer Deckung seiner Haftpflicht verpflichtet.

2. Abschnitt: Private Deckung

Art. 9

1 Der Inhaber einer Kernanlage hat zur Deckung seiner Haftpflicht bei einem zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz ermächtigten Versicherer oder sonstigen Deckungs­geber im Falle von Artikel 8 Absatz 2 für mindestens eine Milliarde Franken zuzüglich zehn Prozent dieses Betrages für Zinsen und gerichtlich zuerkannte Kosten je Kernanlage und im Falle von Artikel 8 Absatz 3 bis zu dem vom Bundesrat fest­gelegten Betrag einen Deckungsvertrag abzuschliessen.

2 Können höhere Beträge zu zumutbaren Bedingungen gedeckt werden, hat der Bundesrat die Mindestbeträge nach Absatz 1 zu erhöhen.

3 Der private Deckungsgeber hat die Schadenregulierungskosten bis zu einer Höhe von zehn Prozent der in Absatz 1 genannten Beträge zu tragen.

4 Der Bundesrat bezeichnet die Risiken, die der private Deckungsgeber von der Deckung ausschliessen darf.

3. Abschnitt: Deckung durch den Bund

Art. 10 Deckungspflicht

1 Soweit die Verpflichtung zum Ersatz eines nuklearen Schadens die private Deckung des Inhabers einer Kernanlage übersteigt, eine solche nicht vorhanden ist oder aus ihr nicht erfüllt werden kann, deckt der Bund diesen Schaden bis zu den in Artikel 8 genannten Beträgen.

2 Der Bund trägt die Kosten für die Schadenregulierung bis zu zehn Prozent der in Artikel 8 genannten Beträge, soweit diese Kosten vom privaten Deckungsgeber nicht getragen werden müssen (Art. 9 Abs. 3).

3 Der Bund regelt mit Anstalten, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder eines Leistungsauftrages Kernanlagen betreiben, die finanzielle Abgeltung ihrer Aufwendungen für Versicherungsprämien sowie für Schadenersatzleistungen im Falle eines nuklearen Ereignisses.

Art. 11 Spätschäden

Der Bund entschädigt bis zu den in Artikel 8 genannten Beträgen nukleare Schäden, die wegen Ablaufs der 30-jährigen Frist nach Artikel 5 Absatz 1 gegen den Inhaber der Kernanlage nicht mehr geltend gemacht werden können.

Art. 12 Beiträge der Inhaber von Kernanlagen

1 Zur Finanzierung seiner Verpflichtungen aus den Artikeln 10 und 11 erhebt der Bund von den Inhabern von Kernanlagen Beiträge.

2 Der Bundesrat legt die Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge fest. Diese muss versicherungstechnischen Grundsätzen entsprechen und das jeweilige Risiko der Anlage oder des Transports berücksichtigen.

3 Das BFE veranlagt und erhebt die Beiträge. Gegen dessen Verfügungen kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden.

Art. 13 Nuklearschadenfonds

1 Der Bund führt einen Nuklearschadenfonds (Fonds), der aus den Beiträgen nach Artikel 12 und den Zahlungen nach Artikel 15 Absatz 1 sowie deren Zinserträgen gespiesen wird.

2 Leistungen für Verpflichtungen nach den Artikeln 10 und 11 sowie nach Artikel 3 Absatz (b) Ziffer (iii) des Brüsseler Zusatzübereinkommens werden aus den Mitteln des Fonds finanziert.

Art. 14 Besondere Schadenfälle

1 Der Bund entschädigt aus allgemeinen Mitteln bis zu den in Artikel 8 genannten Beträgen ausserdem nukleare Schäden:

a.
wenn der Haftpflichtige nicht ermittelt werden kann;
b.
wenn eine Person für einen in der Schweiz erlittenen nuklearen Schaden, für den der Inhaber einer in einem anderen Land gelegenen Kernanlage haftpflichtig ist, keine diesem Gesetz entsprechende Entschädigung erlangen kann.

2 Der Bund kann seine Leistungen verweigern oder herabsetzen, wenn der Geschädigte den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht hat.

3 Hat der Bund Leistungen nach Absatz 1 erbracht, so kann er hierfür auf den Haftpflichtigen Rückgriff nehmen. Er tritt ausserdem in dessen Rückgriffsrechte ein.

4. Abschnitt: Internationale Deckung

Art. 15

1 Übersteigt der nukleare Schaden den Betrag nach Artikel 3 Absatz (b) Ziffer (ii) des Brüsseler Zusatzübereinkommens, so unterrichtet der Bundesrat die übrigen Vertragsparteien dieses Übereinkommens und ersucht diese um Bereitstellung der Mittel gemäss Artikel 3 Absatz (b) Ziffer (iii) des Brüsseler Zusatzübereinkommens.

2 Die Mittel nach Absatz 1 sind ausschliesslich und vollumfänglich zur Ersatzleistung für Schäden aus dem nuklearen Ereignis zu verwenden, für das die Vertragsparteien des Brüsseler Zusatzübereinkommens die Mittel zur Verfügung gestellt haben.

3 Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation übt die sich aus dem Brüsseler Zusatzübereinkommen ergebenden Rechte und Pflichten aus, insbesondere das Rückgriffsrecht nach Artikel 10 Absatz (c) dieses Übereinkommens.

4 Der Bund kann Vorschüsse auf die Beträge nach Absatz 1 gewähren, wenn sich die Bereitstellung der Mittel der übrigen Vertragsparteien verzögert.

5. Abschnitt: Weitere Bestimmungen über die Deckung

Art. 16 Wiederherstellung der vollen Deckung

1 Hat der private Deckungsgeber Leistungen erbracht oder Rückstellungen für ein eingetretenes Schadenereignis gemacht und erreichen diese Leistungen oder Rückstellungen einen Zehntel der Deckungssumme, so hat der Deckungsgeber den Deckungsnehmer und das BFE zu benachrichtigen.

2 Der Inhaber einer Kernanlage hat in diesen Fällen für ein künftiges Schaden­ereignis eine zusätzliche Deckung bis zur vollen ursprünglichen Deckungssumme zu beschaffen.

Art. 17 Unmittelbarer Anspruch, Einreden

1 Der Geschädigte hat im Rahmen der jeweiligen Deckung ein unmittelbares Forderungsrecht gegen den Deckungsgeber.

2 Einreden aus dem Deckungsvertrag oder aus den auf diesen anwendbaren besonderen Gesetzen können dem Geschädigten nicht entgegengehalten werden.

Art. 18 Rückgriff der Deckungsgeber

1 Die Deckungsgeber können gegen den Inhaber der Kernanlage Rückgriff nehmen, soweit dieser den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht hat. Sie können ihre Rückgriffsrechte nur soweit geltend machen, als dadurch die Geschädigten nicht benachteiligt werden.

2 Die Deckungsgeber treten soweit in die Rückgriffsrechte des Haftpflichtigen ein, als dadurch die Geschädigten nicht benachteiligt werden.

Art. 19 Aussetzen und Ende der privaten Deckung

Aussetzen und Ende der privaten Deckung sind vom privaten Deckungsgeber dem BFE zu melden. Sie werden, sofern die private Deckung nicht vorher durch eine andere ersetzt wurde, erst sechs Monate nach dem Eingang der Meldung wirksam.

4. Kapitel: Verfahren

Art. 20 Beweissicherung

Nach Eintritt eines grösseren nuklearen Ereignisses ordnet der Bundesrat eine Erhebung über den Sachverhalt an.

Art. 22 Verfahrensgrundsätze

1 Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Es ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden.10

2 Ist die Klage gegen einen Haftpflichtigen oder einen Deckungsgeber gerichtet, so gibt das Gericht dem anderen Gelegenheit, seine Interessen im Verfahren zu wahren.

10 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 20 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, in Kraft seit seit 1. Jan. 2022 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).

Art. 24 Vorläufige Zahlung

Bei einer Notlage des Geschädigten kann das Gericht, wenn das Begehren nicht aussichtslos erscheint, ohne Präjudiz für den endgültigen Entscheid vorläufige Zahlungen zusprechen.

5. Kapitel: Grossschäden

Art. 25 Grundsätze

1 Im Falle eines Grossschadens kann die Bundesversammlung durch Verordnung eine Entschädigungsordnung aufstellen.

2 Ein Grossschaden liegt vor, wenn bei einem Schadenereignis damit zu rechnen ist, dass die für die Deckung der Schäden zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung aller Ansprüche nicht ausreichen oder dass wegen der grossen Zahl von Geschädigten das ordentliche Verfahren nicht durchgeführt werden kann.

3 In der Entschädigungsordnung werden die allgemeinen Grundsätze zur gerechten Verteilung aller verfügbaren Mittel zur Befriedigung der Geschädigten festgelegt.

4 In der Entschädigungsordnung kann:

a.
von den Bestimmungen dieses Gesetzes oder von andern schadenersatz-rechtlichen Bestimmungen abgewichen werden; für die Verteilung der in den Artikeln 8 und 15 genannten Deckungssummen sind aber die im Pariser Übereinkommen und Brüsseler Zusatzübereinkommen genannten Grund­sätze zu berücksichtigen;
b.
vorgesehen werden, dass der Bund zusätzliche Beiträge an den nicht gedeckten Schaden leistet;
c.
das Verfahren zum Vollzug dieser Ordnung geregelt und eine unabhängige Instanz eingesetzt werden, deren Entscheide an das Bundesgericht weiter­gezogen werden können.

5 Der Bundesrat trifft vorsorgliche Massnahmen.

Art. 26 Änderung der Leistungspflicht; Umlagebeiträge

1 Im Falle eines durch einen Grossschaden hervorgerufenen Notstandes kann der Bundesrat auf dem Gebiete der privat- und öffentlichrechtlichen Versicherungen Vorschriften erlassen über:

a.
die Änderung der Leistungspflicht der Versicherer;
b.
die Erhebung von Umlagebeiträgen bei den Versicherungsnehmern;
c.
den Abzug solcher Umlagebeiträge von den Versicherungsleistungen.

2 Diese Ermächtigung erstreckt sich nicht auf die nach diesem Gesetz abzuschliessenden Deckungsverträge.

6. Kapitel: Gegenrecht

Art. 27

1 Der Inhaber einer in der Schweiz gelegenen Kernanlage haftet für nukleare Schäden im Ausland:

a.
ohne betragsmässige Begrenzung für Vertragsstaaten, die in ihrer nationalen Gesetzgebung im Verhältnis zur Schweiz ebenfalls eine betragsmässig unbegrenzte Haftung vorsehen, wenn diese entweder Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens und gegebenenfalls des Brüsseler Zusatzübereinkommens oder des Wiener Übereinkommens und des gemeinsamen Protokolls sind;
b.
bis zu dem in Artikel 3 Absatz (b) Ziffer (iii) des Brüsseler Zusatzübereinkommens genannten Betrag oder bis zum höheren Betrag, den die nationale Gesetzgebung des betroffenen Staates im Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses im Verhältnis zur Schweiz vorsieht, für Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens und des Brüsseler Zusatzübereinkommens, die eine betragsmässig begrenzte Haftung des Inhabers vorsehen;
c.
bis zum Betrag, den die nationale Gesetzgebung des betroffenen Staates im Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses im Verhältnis zur Schweiz vorsieht, für Staaten, die eine betragsmässig begrenzte Haftung des Inhabers vorsehen, und die Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens nicht aber des Brüsseler Zusatzübereinkommens sind oder die Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens und des gemeinsamen Protokolls sind.

2 Tritt der nukleare Schaden in anderen Staaten als den in Absatz 1 genannten ein, so wird Entschädigung im Verhältnis zu Staaten, die keine Kernanlagen in ihrem Hoheitsgebiet oder in ihren nach dem Völkerrecht festgelegten Meereszonen besitzen, auf den in Artikel 7 Absatz (a) des Pariser Übereinkommens genannten Mindestbetrag oder gegebenenfalls auf den in diesem Gesetz in Anwendung von Artikel 7 Absatz (b) bis (e) dieses Übereinkommens vorgesehenen Betrag begrenzt. Gegenüber Staaten, die in ihrem Hoheitsgebiet oder in ihren nach dem Völkerrecht festgelegten Meereszonen Kernanlagen besitzen, wird Entschädigung nur unter den in Artikel 2 Absatz (a) Ziffer (iv) und 7 Absatz (g) des Pariser Übereinkommens genannten Voraussetzungen und bis zum Betrag geschuldet, den die nationale Gesetzgebung des betroffenen Staates im Zeitpunkt des nuklearen Ereignisses im Verhältnis zur Schweiz vorsieht, höchstens aber bis zu dem in Artikel 7 Absatz (a) des Pariser Übereinkommens genannten Mindestbetrag oder gegebenenfalls bis zu dem in diesem Gesetz in Anwendung von Artikel 7 Absatz (b) bis (e) dieses Übereinkommens vorgesehenen Betrag.

7. Kapitel: Strafbestimmungen

Art. 28 Nichterfüllen der Deckungspflicht

1 Wer vorsätzlich ohne die nach diesem Gesetz vorgeschriebene Deckung eine Kernanlage betreibt oder einen Transport durchführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.

2 Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Art. 29 Übertretungen

1 Mit Busse bis zu 100 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Ausführungsvorschrift, deren Übertretung für strafbar erklärt wird, oder einer unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels erlassenen Verfügung zuwiderhandelt, ohne dass ein strafbares Verhalten nach einem anderen Straftatbestand vorliegt.

2 Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar.

3 Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Busse bis zu 40 000 Franken.

8. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 31 Vollzug

1 Der Bundesrat vollzieht dieses Gesetz. Er kann den Erlass technischer oder administrativer Vorschriften dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation übertragen.

2 Er bezeichnet die zuständige Stelle, die Massnahmen zur Wiederherstellung nach Artikel 1 Absatz (a) Ziffer (viii) des Pariser Übereinkommens ergreifen oder genehmigen darf.

Anhang

(Art. 32)

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

I

Das Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 198313 wird aufgehoben.

II

Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:

14

13 [AS 1983 1886; 1993 3122 Art. 12; 2000 2355 Anhang Ziff. 16; 2002 3371 Anhang Ziff. 3; 2004 4719 Anhang Ziff. II 3; 2006 2197 Anhang Ziff. 71; 2010 1739 (Anhang 1 Ziff. II 19)].

14 Die Änderungen können unter AS 2022 43 konsultiert werden.