412.101.221.60

Verordnung des SBFI
über die berufliche Grundbildung
Nautische Fachfrau / Nautischer Fachmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ)

vom 15. Juli 2022 (Stand am 1. April 2024)

75104

Nautische Fachfrau EFZ /
Nautischer Fachmann EFZ

Professionnelle de la navigation intérieure CFC /
Professionnel de la navigation intérieure CFC

Operatrice della navigazione interna AFC /
Operatore della navigazione interna AFC

Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI),

gestützt auf Artikel 19 des Berufsbildungsgesetzes vom 13. Dezember 20021,
auf Artikel 12 der Berufsbildungsverordnung vom 19. November 20032 (BBV)
und auf Artikel 4a Absatz 13 der Jugendarbeitsschutzverordnung
vom 28. September 20074 (ArGV 5),

verordnet:

1 SR 412.10

2 SR 412.101

3 Der Verweis wurde in Anwendung von Art. 12 Abs. 2 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512) auf den 1. April 2024 angepasst (siehe AS 2024 156).

4 SR 822.115

1. Abschnitt: Gegenstand, Schwerpunkte und Dauer

Art. 1 Berufsbild und Schwerpunkte

1 Nautische Fachfrauen und Fachmänner mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) beherrschen namentlich die folgenden Tätigkeiten und zeichnen sich durch folgende Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten aus:

a.
Sie steuern Fahrzeuge der Güter- und Personenschifffahrt einschliesslich Fähren und unterstützen die Schiffsführung.
b.
Sie nutzen die Fahrzeugausrüstung fachgerecht und führen Wartungs- und Reparaturarbeiten sowohl am Fahrzeug selbst wie auch an der Ausrüstung, an den technischen Anlagen und an den Motoren aus.
c.
In der Frachtschifffahrt be- und entladen sie die Fahrzeuge. Dabei halten sie die betrieblichen Vorschriften ein und ergreifen Massnahmen zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit sowie zur Wirtschaftlichkeit, zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit.
d.
In der Personenschifffahrt betreuen sie die Passagierinnen und Passagiere und sorgen für deren Schutz.
e.
In Notfallsituationen setzen sie die Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit um.

2 Innerhalb des Berufs der nautischen Fachfrau und des nautischen Fachmanns EFZ gibt es die folgenden Schwerpunkte:

a.
Frachtschifffahrt;
b.
Personenschifffahrt.

3 Der Schwerpunkt wird im Lehrvertrag festgehalten.

Art. 2 Dauer und Beginn

1 Die Dauer der beruflichen Grundbildung richtet sich nach:

a.
der Verordnung des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 2. März 20225 über die Berufsausbildung zum Binnenschiffer und zur Binnenschifferin, einschliesslich des Ausbildungsrahmenplans für die Berufsausbildung zum Binnenschiffer und zur Binnenschifferin; und
b.
dem Rahmenlehrplan der Kultusministerkonferenz vom 17. Dezember 20216 für die Ausbildungsberufe Binnenschiffer und Binnenschifferin und Binnenschifffahrtskapitän und Binnenschifffahrtskapitänin.

2 Der Beginn der beruflichen Grundbildung richtet sich nach dem Schuljahr der zuständigen Berufsfachschule.

5 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2022 Teil I Nr. 7; die Verordnung kann kostenlos abgerufen werden unter www.bibb.de > Die Themen > Berufe > Information zu Aus- und Fortbildungsberufen > Binnenschiffer/Binnenschifferin - Schwerpunkte Frachtschifffahrt, Personenschifffahrt (IH).

6 Der Rahmenlehrplan kann kostenlos abgerufen werden unter www.bibb.de > Die Themen > Berufe > Information zu Aus- und Fortbildungsberufen > Binnenschiffer/Binnenschifferin - Schwerpunkte Frachtschifffahrt, Personenschifffahrt (IH).

Art. 3 Organisation

1 Für die schulische Bildung ist die Berufsfachschule Schiffer-Berufskolleg Rhein Duisburg, Deutschland, zuständig.

2 Die schulische Bildung richtet sich nach der Verordnung und dem Rahmenlehrplan nach Artikel 2 Absatz 1.

3 Die interessierten Kantone schliessen mit der Berufsfachschule eine Leistungsvereinbarung ab.

4 Die Bildung in beruflicher Praxis erfolgt im Ausbildungsbetrieb gemäss Lehrvertrag.

2. Abschnitt: Ziele und Anforderungen

Art. 4

1 Die Ziele und die Anforderungen der beruflichen Grundbildung richten sich nach der Verordnung und dem Rahmenlehrplan nach Artikel 2 Absatz 1.

2 Sie sind in Form von Handlungskompetenzen festgelegt.

3 Sie gelten für alle Lernorte.

3. Abschnitt: Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung

Art. 5

1 Die Anbieter der Bildung geben den Lernenden zu Beginn und während der Bildung Vorschriften und Empfehlungen zur Arbeitssicherheit, zum Gesundheitsschutz und zum Umweltschutz, insbesondere zur Gefahren- und Sicherheitskommunikation in diesen drei Bereichen, ab und erklären sie ihnen.

2 Die Vorschriften und Empfehlungen werden an allen Lernorten vermittelt und in den Qualifikationsverfahren berücksichtigt.

3 Die berufsspezifischen Aspekte für eine nachhaltige Entwicklung werden an allen Lernorten vermittelt.

4 In Abweichung von Artikel 4 Absatz 1 ArGV 5 und gemäss den Vorgaben nach Artikel 4a Absatz 17 ArGV 5 können die Lernenden entsprechend ihrem Ausbildungsstand für die in Anhang 2 zum Bildungsplan aufgeführten Arbeiten herangezogen werden.

5 Voraussetzung für einen Einsatz nach Absatz 4 ist, dass die Lernenden entsprechend den erhöhten Gefährdungen ausgebildet, angeleitet und überwacht werden; diese besonderen Vorkehrungen werden in Anhang 2 zum Bildungsplan als begleitende Mass-nahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes festgelegt.

7 Der Verweis wurde in Anwendung von Art. 12 Abs. 2 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512) auf den 1. April 2024 angepasst (siehe AS 2024 156).

4. Abschnitt: Bildungsplan

Art. 6

1 Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung liegt ein Bildungsplan8 der zuständigen Organisation der Arbeitswelt mit folgendem Inhalt vor:

a.
dem Berufsbild;
b.
der Übersicht der Handlungskompetenzen.

2 Dem Bildungsplan angefügt ist das Verzeichnis der Instrumente zur Sicherstellung und Umsetzung der beruflichen Grundbildung sowie zur Förderung der Qualität mit Angabe der Bezugsquelle.

8 Der Bildungsplan vom 15. Juli 2022 ist zu finden auf der Website des SBFI über das Berufsverzeichnis unter www.bvz.admin.ch > Berufe A–Z.

5. Abschnitt: Fachliche Anforderungen an die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner und Höchstzahl der Lernenden im Betrieb

Art. 7 Fachliche Anforderungen an Berufsbildnerinnen und Berufsbildner

Die fachlichen Anforderungen an eine Berufsbildnerin oder einen Berufsbildner erfüllt, wer über eine der folgenden Qualifikationen verfügt:

a.
nautische Fachfrau oder nautischer Fachmann EFZ mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
b.
Matrosin oder Matrose der Binnenschifffahrt EFZ mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
c.
Kapitänin oder Kapitän der Binnenschifffahrt EFZ mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
d.
eidgenössisches Fähigkeitszeugnis eines verwandten Berufs mit den notwendigen Berufskenntnissen im Bereich der nautischen Fachfrau und des nautischen Fachmanns EFZ und mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
e.
einschlägiger Abschluss der höheren Berufsbildung mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet;
f.
einschlägiger Hochschulabschluss mit mindestens zwei Jahren beruflicher Praxis im Lehrgebiet.
Art. 8 Höchstzahl der Lernenden

1 Betriebe, die eine Berufsbildnerin oder einen Berufsbildner zu 100 Prozent oder zwei Berufsbildnerinnen oder Berufsbildner zu je mindestens 60 Prozent beschäftigen, dürfen eine lernende Person ausbilden.

2 Mit jeder zusätzlichen Beschäftigung einer Fachkraft zu 100 Prozent oder von zwei Fachkräften zu je mindestens 60 Prozent darf eine weitere lernende Person im Betrieb ausgebildet werden.

3 Als Fachkraft gilt, wer im Fachbereich der lernenden Person über ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis oder über eine gleichwertige Qualifikation verfügt.

4 In Betrieben, die nur eine lernende Person ausbilden dürfen, kann eine zweite lernende Person ihre Bildung beginnen, wenn die erste in das letzte Jahr der beruflichen Grundbildung eintritt.

5 In besonderen Fällen kann die kantonale Behörde einem Betrieb, der seit mehreren Jahren Lernende mit überdurchschnittlichem Erfolg ausgebildet hat, die Überschreitung der Höchstzahl der Lernenden bewilligen.

6. Abschnitt: Lerndokumentation und Bildungsbericht

Art. 9 Lerndokumentation

1 Die lernende Person führt während der Bildung in beruflicher Praxis eine Lerndokumentation, in der sie laufend alle wesentlichen Arbeiten im Zusammenhang mit den zu erwerbenden Handlungskompetenzen festhält.

2 Mindestens einmal pro Semester kontrolliert und unterzeichnet die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner die Lerndokumentation und bespricht sie mit der lernenden Person.

Art. 10 Bildungsbericht

1 Die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner hält am Ende jedes Semesters den Bildungsstand der lernenden Person in einem Bildungsbericht fest. Sie oder er stützt sich dabei auf die Leistungen in der beruflichen Praxis und auf Rückmeldungen über die Leistungen in der Berufsfachschule und in den überbetrieblichen Kursen. Sie oder er bespricht den Bildungsbericht mit der lernenden Person.

2 Die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner und die lernende Person vereinbaren wenn nötig Massnahmen zum Erreichen der Bildungsziele und setzen dafür Fristen. Sie halten die getroffenen Entscheide und vereinbarten Massnahmen schriftlich fest.

3 Die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner überprüft die Wirkung der vereinbarten Massnahmen nach der gesetzten Frist und hält den Befund im nächsten Bildungsbericht fest.

4 Werden trotz der vereinbarten Massnahmen die Ziele nicht erreicht oder ist der Ausbildungserfolg gefährdet, so teilt die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner dies den Vertragsparteien und der kantonalen Behörde schriftlich mit.

7. Abschnitt: Qualifikationsverfahren

Art. 11 Zulassung

Zu den Qualifikationsverfahren wird zugelassen, wer die berufliche Grundbildung absolviert hat:

a.
nach den Bestimmungen dieser Verordnung;
b.
in einer vom Kanton dafür anerkannten Bildungsinstitution; oder
c.
ausserhalb eines geregelten Bildungsgangs, sofern die betreffende Person die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
1.
Sie hat die nach Artikel 32 BBV erforderliche Erfahrung erworben.
2.
Sie hat von dieser beruflichen Erfahrung mindestens zwei Jahre Erfahrung im Bereich der nautischen Fachfrau und des nautischen Fachmanns EFZ erworben.
3.
Sie macht glaubhaft, den Anforderungen des Qualifikationsverfahrens gewachsen zu sein.
Art. 12 Gegenstand

In den Qualifikationsverfahren ist nachzuweisen, dass die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nach der Verordnung und dem Rahmenlehrplan nach Artikel 2 Absatz 1 erworben wurden.

Art. 13 Durchführung des Qualifikationsverfahrens mit Abschlussprüfung

1 Die Abschlussprüfung wird von einem Prüfungsausschuss durchgeführt, der von der Industrie- und Handelskammer Duisburg eingesetzt ist.

2 Die Einzelheiten der Abschlussprüfung richten sich nach der Verordnung nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a.

3 Die Bewertung erfolgt nach dem deutschen Notensystem und wird nicht umgerechnet.

8. Abschnitt: Ausweise und Titel

Art. 15

1 Wer ein Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, erhält das eidgenössische Fähigkeitszeugnis.

2 Das Fähigkeitszeugnis berechtigt, den gesetzlich geschützten Titel «nautische Fachfrau EFZ» oder «nautischer Fachmann EFZ» zu führen.

9. Abschnitt: Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität für nautische Fachkräfte

Art. 16

1 Die Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität für nautische Fachkräfte setzt sich zusammen aus:

a.
fünf bis sieben Vertreterinnen oder Vertretern der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft und anderen nationalen Fachvertretungen im Bereich Schifffahrt;
b.
einer Vertreterin oder einem Vertreter der Arbeitnehmendenorganisation;
c.
einer Vertreterin oder einem Vertreter der Fachlehrerschaft;
d.
je mindestens einer Vertreterin oder einem Vertreter des Bundes und der Kantone.

2 Für die Zusammensetzung gilt überdies:

a.
Eine paritätische Vertretung beider Geschlechter und eine angemessene Vertretung der Sprachregionen sind anzustreben.
b.
Alle Schwerpunkte müssen vertreten sein.

3 Die Kommission konstituiert sich selbst.

4 Sie hat insbesondere folgende Aufgaben:

a.
Sie überprüft diese Verordnung und den Bildungsplan mindestens alle fünf Jahre auf wirtschaftliche, technologische, ökologische und didaktische Entwicklungen; dabei berücksichtigt sie allfällige neue organisatorische Aspekte der beruflichen Grundbildung.
b.
Beobachtet sie Entwicklungen, die eine Änderung dieser Verordnung erfordern, so ersucht sie die zuständige Organisation der Arbeitswelt, dem SBFI die entsprechende Änderung zu beantragen.
c.
Beobachtet sie Entwicklungen, die eine Anpassung des Bildungsplans erfordern, so stellt sie der zuständigen Organisation der Arbeitswelt Antrag auf Anpassung des Bildungsplans.
d.
Sie nimmt Stellung zu den Instrumenten zur Sicherstellung und Umsetzung der beruflichen Grundbildung sowie zur Förderung der Qualität, insbesondere zu den Ausführungsbestimmungen zum Qualifikationsverfahren mit Abschlussprüfung.

10. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 18 Übergangsbestimmung

Lernende, die ihre Bildung als Matrosin oder Matrose der Binnenschifffahrt EFZ vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung begonnen haben, schliessen sie nach bisherigem Recht ab, sofern der Abschluss vor dem 31. Dezember 2025 erfolgt.