822.115.2
Verordnung des WBF
über gefährliche Arbeiten für Jugendliche
vom 12. Januar 2022 (Stand am 1. Januar 2023)
Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF),
gestützt auf Artikel 4 Absatz 3 der Jugendarbeitsschutzverordnung
vom 28. September 20071 (ArGV 5),
verordnet:
Diese Verordnung legt fest, welche Arbeiten im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 ArGV 5 für Jugendliche als gefährlich gelten.
Folgende Arbeiten gelten aufgrund der psychischen Belastung für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- Arbeiten, die die Leistungsfähigkeit Jugendlicher in kognitiver oder emotionaler Hinsicht übersteigen, namentlich:
- 1.
- die Akkordarbeit, Arbeiten, die mit ständigem Zeitdruck verbunden sind, sowie Arbeiten, die eine Daueraufmerksamkeit erfordern oder mit einer zu hohen Verantwortung verbunden sind,
- 2.
- das Überwachen, Pflegen und Begleiten von Personen in körperlich oder psychisch instabilem Zustand sowie die Bergung und Aufbahrung von Leichnamen;
- b.
- Arbeiten, bei denen die Gefahr eines körperlichen, psychischen oder sexuellen Missbrauchs besteht, namentlich die Prostitution sowie die Herstellung von Pornografie und die Mitwirkung bei pornografischen Darbietungen;
- c.
- das Einschläfern und das industrielle Schlachten von Tieren sowie die Beseitigung von Tierkadavern.
Folgende Arbeiten gelten aufgrund der körperlichen Belastung für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- die manuelle Handhabung von Lasten, die mehr betragen als:
- 1.
- 15 kg für Männer und 11 kg für Frauen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr,
- 2.
- 19 kg für Männer und 12 kg für Frauen zwischen dem vollendeten 16. und dem vollendeten 18. Lebensjahr;
- b.
- die Akkordarbeit sowie Arbeiten, die häufig oder serienmässig wiederholte Bewegungen von Lasten mit insgesamt mehr als 3000 kg pro Tag erfordern;
- c.
- Arbeiten, die wiederholt während mehr als 2 Stunden pro Tag wie folgt verrichtet werden:
- 1.
- in gebeugter, verdrehter oder seitlich geneigter Haltung,
- 2.
- in Schulterhöhe oder darüber, oder
- 3.
- teilweise kniend, hockend oder liegend.
Folgende Arbeiten gelten aufgrund der damit verbundenen physikalischen Einwirkungen für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- ständiges Arbeiten bei technisch bedingten Raumtemperaturen über 30 °C oder um und unter 0 °C;
- b.
- Arbeiten mit heissen oder kalten Medien, die ein hohes Berufsunfallrisiko oder ein hohes Berufskrankheitsrisiko aufweisen, namentlich Arbeiten mit Flüssigkeiten, Dämpfen und tiefkalten verflüssigten Gasen;
- c.
- Arbeiten, die mit gehörgefährdendem Dauerschall oder Impulslärm verbunden sind, sowie Arbeiten mit Lärmeinwirkungen ab einem Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h von 85 dB(A);
- d.
- Arbeiten mit vibrierenden oder schlagenden Werkzeugen mit einer Hand-Arm-Vibrationsbelastung A(8) über 2,5 m/s2;
- e.
- Arbeiten mit einer Elektrisierungsgefahr, namentlich Arbeiten an unter Spannung stehenden Starkstromanlagen;
- f.
- Arbeiten in Arbeitsumgebungen ab 0,1 bar Überdruck;
- g.
- Arbeiten mit unter Druck stehenden Medien, namentlich Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen;
- h.
- Arbeiten mit einer Exposition gegenüber nichtionisierender Strahlung, namentlich gegenüber:
- 1.
- elektromagnetischer Strahlung, namentlich beim Arbeiten an Sendeanlagen, beim Arbeiten in der Nähe starker Spannungen oder Ströme und beim Arbeiten mit Geräten der Kategorie 1 oder 2 nach der ISO-Norm SN EN 12198-1+A1, 2008, «Sicherheit von Maschinen – Bewertung und Verminderung des Risikos der von Maschinen emittierten Strahlung»2,
- 2.
- Ultraviolettstrahlung einer Wellenlänge zwischen 315 und 400 nm (UVA-Licht), namentlich bei der UV-Trocknung und -Härtung sowie bei Lichtbogenschweissen und längerer Sonnenexposition,
- 3.
- Laserstrahlung der Klassen 3B und 4 nach der ISO-Norm DIN EN 60825-1, 2015, «Sicherheit von Lasereinrichtungen»3;
- i.
- Arbeiten mit einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung, namentlich gegenüber:
- 1.
- radioaktiven Stoffen sowie Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung, die unter die Strahlenschutzverordnung vom 26. April 20174 fallen,
- 2.
- Ultraviolettstrahlung einer Wellenlänge von 200 nm oder weniger.
Folgende Arbeiten mit chemischen Agenzien, die bei einer Fehlmanipulation das Risiko insbesondere eines Brands oder einer Explosion mit sich bringen, gelten für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- Arbeiten mit Stoffen und Zubereitungen, die aufgrund ihrer Eigenschaften mit mindestens einem der folgenden Gefahrenhinweise (H-Sätze) nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/20085 in der Fassung gemäss Anhang 2 Ziffer 1 der Chemikalienverordnung vom 5. Juni 20156 (ChemV) eingestuft sind:
- 1.
- instabile und explosive Stoffe und Zubereitungen: H200, H201, H202, H203, H204, H205,
- 2.
- entzündbare Gase: H220, H221,
- 3.
- entzündbare Aerosole: H222,
- 4.
- entzündbare Flüssigkeiten: H224, H225,
- 5.
- organische Peroxide: H240, H241,
- 6.
- selbstzersetzliche Stoffe und Zubereitungen: H240, H241, H242,
- 7.
- reaktive Stoffe und Zubereitungen: H250, H260, H261,
- 8.
- Oxidationsmittel: H270, H271;
- b.
- Arbeiten mit chemischen Agenzien, die nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der Fassung gemäss Anhang 2 Ziffer 1 ChemV eingestuft werden müssen, jedoch eine der Eigenschaften nach Buchstabe a aufweisen, namentlich mit Explosivstoffen und brennbaren Gasen aus Gärprozessen.
Folgende Arbeiten, die aufgrund der Exposition gegenüber chemischen Agenzien mit toxikologischen Gefahren ein Gesundheitsrisiko darstellen, gelten für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- Arbeiten mit Stoffen und Zubereitungen, die aufgrund ihrer Eigenschaften mit mindestens einem der folgenden H-Sätze nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/20087 in der Fassung gemäss Anhang 2 Ziffer 1 ChemV8 eingestuft sind:
- 1.
- akute Toxizität: H300, H310, H330, H301, H311, H331,
- 2.
- Ätzwirkung auf die Haut: H314,
- 3.
- spezifische Zielorgan-Toxizität nach einmaliger Exposition: H370, H371,
- 4.
- spezifische Zielorgan-Toxizität nach wiederholter Exposition: H372, H373,
- 5.
- Sensibilisierung der Atemwege: H334,
- 6.
- Sensibilisierung der Haut: H317,
- 7.
- Karzinogenität: H350, H350i, H351,
- 8.
- Keimzellmutagenität: H340, H341,
- 9.
- Reproduktionstoxizität: H360, H360F, H360FD, H360Fd, H360D, H360Df, H361, H361f, H361d, H361fd;
- b.
- Arbeiten, bei denen eine erhebliche Erkrankungs- oder Vergiftungsgefahr besteht aufgrund des Umgangs mit:
- 1.
- prozessgenerierten chemischen Agenzien, die nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in der Fassung gemäss Anhang 2 Ziffer 1 ChemV eingestuft werden müssen, jedoch eine der Eigenschaften nach Buchstabe a aufweisen, namentlich mit Gasen, Dämpfen, Rauchen und Stäuben,
- 2.
- Gegenständen, aus denen Stoffe oder Zubereitungen freigesetzt werden, die eine der Eigenschaften nach Buchstabe a aufweisen,
- 3.
- chemischen Agenzien, die nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/
2008 in der Fassung gemäss Anhang 2 Ziffer 1 ChemV eingestuft werden müssen, jedoch eine der Eigenschaften nach Buchstabe a aufweisen, namentlich mit Pharmaka und Kosmetika.
Folgende Arbeiten, die aufgrund der Exposition gegenüber biologischen Agenzien ein Gesundheitsrisiko darstellen, gelten für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- Arbeiten mit Gegenständen, die mit gesundheitsgefährdenden Viren, Bakterien, Pilzen oder Parasiten kontaminiert sein können;
- b.
- Arbeiten mit einer Exposition gegenüber Mikroorganismen der Gruppen 3 und 4 nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung vom 25. August 19999 über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Gefährdung durch Mikroorganismen.
Arbeiten mit folgenden Arbeitsmitteln gelten für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- mit folgenden bewegten Arbeitsmitteln:
- 1.
- Flurförderzeuge mit Fahrersitz oder Fahrerstand,
- 2.
- Krane nach der Kranverordnung vom 27. September 199910,
- 3.
- kombinierte Transportsysteme, die namentlich aus Band- oder Kettenförderern, Becherwerken, Hänge- oder Rollenbahnen, Dreh-, Verschiebe- oder Kippvorrichtungen, Spezialwarenaufzügen, Hebebühnen oder Stapelkranen bestehen,
- 4.
- Regalförderzeuge in Hochregallagern zur Lagerung von Einheitsladungen, namentlich Gebinden und palettiertem Gut,
- 5.
- Baumaschinen,
- 6.
- Forstmaschinen,
- 7.
- Pistenfahrzeuge,
- 8.
- Werkseilbahnen,
- 9.
- Hubarbeitsbühnen,
- 10.
- Aussen- und Innenbefahreinrichtungen mit freihängenden Arbeitskörben oder -sitzen,
- 11.
- Hausmüllsammelwagen für manuelle Beschickung mit Pressvorrichtung,
- 12.
- innerbetriebliche Eisenbahnen, an Rangierbewegungen beteiligte Fahrzeuge und Hilfsmittel bei Eisenbahnen;
- b.
- mit Arbeitsmitteln, die bewegte Teile aufweisen, an denen die Gefahrenbereiche nicht oder nur durch einstellbare Schutzeinrichtungen geschützt sind, namentlich Einzugsstellen, Scherstellen, Schneidstellen, Stichstellen, Fangstellen, Quetschstellen und Stossstellen;
- c.
- mit Maschinen oder Systemen, die mit einem hohen Berufsunfallsrisiko oder Berufskrankheitsrisiko verbunden sind, insbesondere im Sonderbetrieb oder bei der Instandhaltung.
Arbeiten, bei denen Jugendliche in direkten Kontakt mit Wildtieren oder giftigen Tieren kommen, gelten für Jugendliche als gefährlich.
Folgende Arbeiten, bei denen aufgrund des Arbeitsumfeldes ein hohes Berufsunfallrisiko besteht, gelten für Jugendliche als gefährlich:
- a.
- Arbeiten mit Absturzgefahr, insbesondere auf überhöhten Arbeitsplätzen;
- b.
- Arbeiten in räumlich beengenden Verhältnissen, insbesondere in Schächten und Kanälen;
- c.
- Arbeiten ausserhalb eines fest eingerichteten Arbeitsplatzes, insbesondere Arbeiten, bei denen Einsturzgefahr droht, und Arbeiten in nicht für den Verkehr gesperrten Bereichen von Strassen oder Geleisen;
- d.
- Arbeiten in besonders überfall- oder gewaltgefährdeten Bereichen;
- e.
- Arbeiten unter Tag oder unter Wasser.
Arbeiten in Bereichen mit einem Sauerstoffgehalt der Luft von 18 oder weniger Volumenprozenten gelten für Jugendliche als gefährlich.
Arbeiten, bei denen durch das Überhören von Signalen ein Berufsunfallrisiko besteht, gelten für Jugendliche als gefährlich, namentlich Arbeiten im Gleisfeld mit Rangierbewegungen oder Zugverkehr.
Arbeiten in Räumen, in denen das Rauchen gestattet ist, gelten für Jugendliche als gefährlich.
1 Sieht eine Bildungsverordnung eine Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 4 ArGV 5 vor, so müssen die begleitenden Massnahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Anhang des entsprechenden Bildungsplans innerhalb von fünf Jahren ab Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung an die Definitionen der gefährlichen Arbeiten nach der vorliegenden Verordnung angepasst werden.
2 Solange der Anhang zu einem Bildungsplan noch nicht angepasst ist, gelten für die betreffende Grundbildung die Definitionen der gefährlichen Arbeiten nach bisherigem Recht.
Die Verordnung des WBF vom 4. Dezember 200711 über gefährliche Arbeiten für Jugendliche wird aufgehoben.
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.