Art. 1 Gegenstand
Diese Verordnung regelt die von Unternehmen einzuhaltenden Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten nach den Artikeln 964j–964l OR bezüglich Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten und Kinderarbeit.
221.433
vom 3. Dezember 2021 (Stand am 1. Januar 2024)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf die Artikel 964j1 Absätze 2–4 und 964k Absatz 4 des Obligationenrechts (OR)2,
verordnet:
1 Die Verweise auf das OR wurden in Anwendung von Art. 12 Abs. 2 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512) auf den 1. Jan. 2022 angepasst.
Diese Verordnung regelt die von Unternehmen einzuhaltenden Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten nach den Artikeln 964j–964l OR bezüglich Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten und Kinderarbeit.
(Art. 964j Abs. 1 OR)
1 In dieser Verordnung bedeuten:
2 Kinderarbeit gemäss Absatz 1 Buchstabe f umfasst weder Tätigkeiten im Kontext einer Berufsausbildung noch leichte Arbeit im Sinne der Artikel 6 und 7 des ILO-Übereinkommens Nr. 138.
(Art. 964j Abs. 1 Ziff. 1 OR)
1 Unternehmen prüfen, ob die Mineralien und Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammen, wenn die Einfuhr- und Bearbeitungsmengen nach Artikel 4 überschritten werden.
2 Stammen die Mineralien und Metalle aufgrund der Prüfung nicht aus einem Konflikt- und Hochrisikogebiet, so hat das Unternehmen diese Feststellung zu dokumentieren und ist von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit.
(Art. 964j Abs. 2 OR)
1 Die jährlichen Einfuhr- und Bearbeitungsmengen für Mineralien und Metalle, bis zu denen ein Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit ist, sind in Anhang 1 festgelegt.
2 Kontrolliert ein Unternehmen ein oder mehrere andere Unternehmen, so beziehen sich die Einfuhr- und Bearbeitungsmengen auf die gesamte Unternehmensgruppe.
(Art. 964j Abs. 1 Ziff. 2 OR)
1 Unternehmen prüfen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht, ausser wenn eine der Ausnahmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten nach den Artikeln 6 und 7 anwendbar sind.
2 Besteht aufgrund der Prüfung kein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit, so hat das Unternehmen diese Feststellung zu dokumentieren und ist von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit.
(Art. 964j Abs. 3 OR)
1 Kleine und mittlere Unternehmen müssen nicht prüfen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht und sind von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit.
2 Als kleine und mittlere Unternehmen gelten Unternehmen, die zusammen mit den von ihnen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zwei der nachstehenden Grössen unterschreiten:
(Art. 964j Abs. 3 OR)
1 Unternehmen mit geringen Risiken im Bereich Kinderarbeit müssen nicht prüfen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht und sind von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit.
2 Ein geringes Risiko im Bereich Kinderarbeit wird angenommen, wenn ein Unternehmen in Ländern, deren «Due diligence response» von der UNICEF in ihrem Children’s Rights in the Workplace Index5 als «Basic» eingestuft wird:
3 Die Unternehmen müssen dokumentieren, inwiefern für sie ein geringes Risiko im Bereich Kinderarbeit besteht.
5 Abrufbar unter: www.childrensrightsatlas.org > data and indices (nur auf Englisch verfügbar).
(Art. 964j Abs. 1 Ziff. 2 OR)
Bietet das Unternehmen Produkte oder Dienstleistungen an, die offensichtlich unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden, sind die Artikel 5–7 nicht anwendbar und untersteht es den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten.
(Art. 964j Abs. 4 OR)
1 Unternehmen, die sich an international anerkannte gleichwertige Regelwerke halten, sind von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit.
2 Als international anerkannte gleichwertige Regelwerke gelten die Regelwerke gemäss Anhang 2.
3 Das Unternehmen verfasst einen Bericht, in dem es das international anerkannte Regelwerk nennt, und wendet dieses in seiner Gesamtheit an.
(Art. 964k Abs. 1 Ziff. 1 OR)
1 Das Unternehmen legt eine Lieferkettenpolitik bezüglich Mineralien und Metallen fest, die folgende Anforderungen erfüllt:
2 In der Lieferkettenpolitik sind die Instrumente zu nennen, mit denen das Unternehmen die Risiken möglicher schädlicher Auswirkungen in seiner Lieferkette ermittelt, bewertet, beseitigt oder mindert. Dazu gehören namentlich:
3 Die Lieferkettenpolitik hat sich an den Regelwerken gemäss Anhang 2 Teil A zu orientieren.
(Art. 964k Abs. 1 Ziff. 2)
1 Das Unternehmen legt eine Lieferkettenpolitik bezüglich Kinderarbeit fest, die folgende Anforderungen erfüllt:
2 In der Lieferkettenpolitik sind die Instrumente zu nennen, mit denen das Unternehmen die Risiken möglicher Fälle von Kinderarbeit in seiner Lieferkette ermittelt, bewertet, beseitigt oder mindert. Dazu bedient es sich der Instrumente gemäss Artikel 10 Absatz 2.
3 Die Lieferkettenpolitik hat sich an den Regelwerken gemäss Anhang 2 Teil B zu orientieren.
(Art. 964k Abs. 1 Ziff. 3 OR)
1 Das Unternehmen legt ein System zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette fest, das für die einzelnen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammenden Mineralien und Metalle folgende Informationen enthält und dokumentiert:
2 Nebenprodukte müssen bis zu dem Ort zurückverfolgbar sein, an dem sie erstmalig von ihrem Primärmineral oder Primärmetall getrennt wurden.
3 Unternehmen sind von den Sorgfaltspflichten nach den Artikeln 14–16 befreit, wenn sie nachweisen, dass sie Metalle einführen und bearbeiten, die ausschliesslich aus Rezyklierung stammen.
(Art. 964k Abs. 1 Ziff. 3 OR)
Das Unternehmen legt ein System zur Rückverfolgbarkeit der Lieferkette fest, das für die einzelnen Produkte oder Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht, folgende Informationen enthält und dokumentiert:
(Art. 964k Abs. 2 OR)
1 Das Unternehmen stellt als Frühwarnmechanismus zur Risikoerkennung ein Meldeverfahren bereit, das es allen interessierten Personen ermöglicht, begründete Bedenken hinsichtlich des Vorliegens einer potenziellen oder tatsächlichen nachteiligen Auswirkung im Zusammenhang mit Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten oder Kinderarbeit zu äussern.
2 Die Meldungen sind zu dokumentieren.
(Art. 964k Abs. 2 OR)
1 Die Unternehmen ermitteln die Risiken in der Lieferkette und bewerten diese in ihrem Risikomanagementplan nach der Eintretenswahrscheinlichkeit und der Schwere der schädlichen Auswirkungen. Sie orientieren sich dabei an den Regelwerken gemäss Anhang 2.
2 Festgestellte Risiken in der Lieferkette sind nach der Eintretenswahrscheinlichkeit und der Schwere der schädlichen Auswirkungen zu beseitigen, verhindern oder minimieren. Das Unternehmen überprüft regelmässig die Wirksamkeit der dafür getroffenen Massnahmen.
(Art. 964k Abs. 3 OR)
1 Die Prüfung im Bereich Mineralien und Metalle erfolgt jährlich in einem Bericht an das oberste Leitungs- und Verwaltungsorgan durch ein Revisionsunternehmen, das von der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde als Revisionsexperte nach dem Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 20056 zugelassen ist.
2 Das Revisionsunternehmen prüft, ob Sachverhalte vorliegen, aus denen zu schliessen ist, dass die Sorgfaltspflichten gemäss Artikel 964k Absätze 1 und 2 OR nicht eingehalten wurden.
3 Artikel 728 OR über die Unabhängigkeit der Revisionsstelle gilt sinngemäss.
(Art. 964l OR)
1 Unternehmen, die zur Erstellung einer konsolidierten Jahresrechnung verpflichtet sind, müssen einen konsolidierten Bericht erstellen. Die vom konsolidierten Bericht erfassten Unternehmen sind von der separaten Berichterstattungspflicht gemäss Artikel 964l OR befreit.
2 Ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz muss keinen separaten Bericht verfassen, wenn:
3 Unternehmen, die keinen separaten Bericht verfassen müssen, müssen im Anhang der Jahresrechnung angeben, bei welcher anderen juristischen Person sie in den Bericht einbezogen sind. Sie müssen diesen Bericht veröffentlichen.
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2022 in Kraft.
7 Bereinigt gemäss Anhang 2 Ziff. II 1 der V vom 15. Febr. 2023 über die Änderung des Zolltarifs, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 86).
(Art. 2 Abs. 1 Bst. c und d und Art. 4 Abs. 1)
Tarifnummer | Einfuhr- und Bearbeitungsmengen, bis zu denen Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit sind (kg/Jahr) | |
---|---|---|
Zinnerze und ihre Konzentrate | 2609 00 00 | 5 000 |
Wolframerze und ihre Konzentrate | 2611 00 00 | 250 000 |
Tantalerze oder Nioberze und ihre Konzentrate | ex 2615 90 00 | 100 000 |
Golderze und ihre Konzentrate | ex 2616 90 00 | 4 000 000 |
Gold, in Rohform oder in Form von Halbzeug oder Pulver | ex 7108 | 100 |
(Art. 9 Abs. 2, 10 Abs. 3, 11 Abs. 3, 12 Abs. 1 Bst. f und h Ziff. 2 sowie 15 Abs. 1)
Für eine Befreiung von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Sinne von Artikel 9 muss sich ein Unternehmen an folgende Regelwerke halten:
8 Abrufbar unter: www.oecd.org > Topics > Corporate governance > Due diligence guidance for enterprises > OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas (deutsche Fassung vom 12. November 2019).
9 Verordnung (EU) 2017/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten, Fassung gemäss ABl. L 130 vom 19.5.2017, S. 1.
Für eine Befreiung von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Sinne von Artikel 9 muss sich ein Unternehmen an folgende Regelwerke halten:
12 Abrufbar unter: www.ilo.org/ipec (nur auf Englisch verfügbar).
13 Abrufbar unter: http://mneguidelines.oecd.org > Due Diligence.
14 Abrufbar unter: www.ohchr.org > publications and resources > publications > Reference materials > Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations «Protect, Respect and Remedy» Framework (English) (deutsche Fassung abrufbar unter: www.skmr.ch).