0.360.367.1

 AS 2021 639

Originaltext

Abkommen
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien
und Nordirland über polizeiliche Zusammenarbeit

Abgeschlossen am 15. Dezember 2020
In Kraft getreten durch Notenaustausch am 14. Oktober 2021v

(Stand am 14. Oktober 2021)

Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Nordirland,

nachfolgend die «Vertragsparteien» genannt,

eingedenk der engen, langjährig bestehenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Vertragsparteien;

angesichts des anlässlich des am 10. Juli 2019 unterzeichneten Memorandum of Understanding über die verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit und Kooperation in anderen Bereichen der Strafverfolgung sowie der Bekämpfung und Verhütung von Verbrechen und Terrorismus zum Ausdruck gebrachten Wunsches, die polizeiliche Zusammenarbeit durch den Abschluss einer rechtsverbindlichen Übereinkunft zu verstärken;

unter Berücksichtigung der geografischen Nähe des Vereinigten Königreiches von Grossbritannien und Nordirland («Vereinigtes Königreich») und der Schweizerischen Eidgenossenschaft («Schweiz»), deren gemeinsamen Werte und derselben Bedrohungen, denen sie sich gegenübersehen;

im Bewusstsein, dass die internationale polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Vertragsparteien bei der Bekämpfung grenzüberschreitender und schwerer Kriminalität weiter umfassend verstärkt werden muss, insbesondere bei Terrorismus, organisierter Kriminalität und Wirtschaftskriminalität und anderen einschlägigen kriminellen Handlungen;

im Wissen um den beidseitigen Nutzen einer engen Zusammenarbeit zum Schutz der Bevölkerung der beiden Vertragsparteien, ihrer Werte und Interessen und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Strukturen und Kompetenzen der jeweiligen Behörden;

bestrebt, die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien fortzusetzen und zu vertiefen, und geleitet vom gemeinsamen Interesse, Terrorismus und grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen und zu verhindern sowie ihre Bevölkerung vor Schaden zu schützen;

darin einiggehend, dass es bei der Bekämpfung und Prävention von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität von grundlegender Bedeutung ist, dass Informationen methodisch und zeitnah ausgetauscht werden und den an vorderster Front tätigen Polizeikräften in Echtzeit zur Verfügung stehen;

im Wissen darum, dass das nationale Recht jeder Vertragspartei auf nationaler, föderaler, kantonaler, regionaler, lokaler und dezentraler Ebene getrennte und unterschiedliche Rechtssysteme umfasst;

in Anbetracht, dass sowohl die Schweiz wie auch das Vereinigte Königreich Parteien des Übereinkommens des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten1, der Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität2, Korruption3 und gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen4 und psychotropen Substanzen5, des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt6 (Chicagoer Abkommen) sowie mehrerer internationaler Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus7 sind;

in Anbetracht, dass die Schweiz und das Vereinigte Königreich Interpol-Mitgliedstaaten sind;

angesichts des bestehenden wertvollen Schweizer-UK-Strategiedialogs;

eingedenk des in den jeweiligen nationalen Gesetzen und der durch internationale Verpflichtung der Vertragsparteien zum Ausdruck kommenden Engagements, die Rechte des Einzelnen und personenbezogene Daten zu schützen;

unbeschadet anderer internationaler Abkommen, an denen eine der Vertragsparteien beteiligt ist, oder künftiger Beziehung der Vertragsparteien;

und getragen vom Geiste der Partnerschaft und Zusammenarbeit;

sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel I: Zweck, Geltungsbereich und zuständige Behörden

Art. 1 Territorialer Geltungsbereich

1.  Vorbehaltlich des Absatzes 2 dieses Artikels gilt dieses Abkommen für das Vereinigte Königreich einerseits und die Schweiz andererseits.

2.  Ungeachtet des Absatzes 1 dieses Artikels kann das Vereinigte Königreich der Schweiz notifizieren, dass dieses Abkommen auch für einige oder alle Gebiete gilt, für deren internationale Beziehungen das Vereinigte Königreich verantwortlich ist.

Art. 2 Zweck und Geltungsbereich

1.  Dieses Abkommen dient der Stärkung der polizeilichen Zusammenarbeit der Vertragsparteien im Bestreben, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren und jegliche Verbrechensformen, insbesondere schwere Verbrechen, zu bekämpfen. Des Weiteren dient das Abkommen der Prävention, Ermittlung und Aufdeckung von Straftaten einschliesslich Terrorismus, insbesondere durch den Informationsaustausch auf strategischer und operativer Ebene und indem die zuständigen Behörden nach Massgabe ihrer nationalen Gesetze und unter Einhaltung internationaler Verpflichtungen untereinander den Kontakt pflegen.

2.  Dieses Abkommen erstreckt sich nicht auf gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen, Auslieferung oder Übertragung der Strafverfolgung und Vollstreckung von Strafen in Strafverfahren.

Art. 3 Zuständige Behörden

1.  Für die Zwecke dieses Abkommens bezeichnet der Begriff «zuständige Behörde» eine Polizeibehörde, eine Grenzkontrollbehörde oder eine andere Behörde, die aufgrund der jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften oder gemäss dem Beschluss der Vertragsparteien und in Übereinstimmung mit den Bedingungen dieses Abkommens dafür zuständig ist, auf nationaler Ebene, auf Bundes- oder Kantonsebene, auf regionaler, lokaler oder dezentraler Ebene Hilfe zu leisten oder Informationen auszutauschen, um Straftaten einschliesslich Terrorismus vorzubeugen, zu ermitteln und aufzudecken.

a)
Seitens des Vereinigten Königreichs sind die folgenden Behörden zuständig für die Umsetzung dieses Abkommens:
i)
The Home Office;
ii)
HM Revenue & Customs;
iii)
The National Crime Agency;
iv)
Crown Prosecution Service;
v)
Serious Fraud Office;
vi)
Polizeikräfte und benannte Strafverfolgungsbehörden des Vereinigten Königreichs sowie jede andere Einrichtung oder Organisation, die den britischen Strafverfolgungsbehörden angegliedert ist oder von ihnen eingerichtet oder beherbergt wird;
vii)
Ministry of Defence Police;
viii)
Public Prosecution Service for Northern Ireland;
ix)
Crown Office and Procurator Fiscal Service.
b)
Seitens der Schweizerischen Eidgenossenschaft sind die folgenden Behörden zuständig für die Umsetzung dieses Abkommens:
i)
Bundesamt für Polizei (fedpol);
ii)
Kantonale Polizeikorps;
iii)
Eidgenössische Zollverwaltung8.
c)
Die Vertragsparteien können die in Buchstaben a und b aufgeführten zuständigen Behörden im gegenseitigen schriftlichen Einvernehmen ändern.

8 Ab dem 1. Januar 2022 heisst die Eidgenössische Zollverwaltung neu Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit.

Kapitel II: Hauptformen der Zusammenarbeit

Art. 4 Bereiche der Zusammenarbeit

1.  Die Vertragsparteien führen nach Massgabe dieses Abkommens die Kooperationsaktivitäten durch, die von ihnen in Übereinstimmung mit den jeweiligen nationalen Gesetzen und den internationalen Verpflichtungen einvernehmlich festgelegt werden.

2.  Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien arbeiten zusammen, um gegen jegliche Form von Kriminalität vorzugehen, einschliesslich aber nicht begrenzt auf:

a)
Terrorismus und Terrorismusfinanzierung;
b)
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord;
c)
schwerer und organisierter Kriminalität;
d)
schweren Gewaltverbrechen;
e)
Beschaffungskriminalität;
f)
Verbrechen, die unter Verwendung digitaler Werkzeuge verübt werden, oder Internetkriminalität, einschliesslich Angriffe gegen kritische Infrastrukturen;
g)
Wirtschafts- und Finanzkriminalität, einschliesslich Geldwäscherei;
h)
Betrug gegen Einzelne, die Wirtschaft und die Regierung;
i)
Identitätsmissbrauch, einschliesslich Fälschung und Verfälschung, Verwendung von auf betrügerische Weise erlangten Identitätsausweisen und andere Formen des Identitätsmissbrauchs;
j)
Korruption;
k)
organisierter Schleuserkriminalität, einschliesslich Menschenhandel und Menschenschmuggel;
l)
sexuellem Missbrauch von Kindern;
m)
unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln, psychotropen Substanzen und Vorläuferchemikalien;
n)
illegalem Handel mit Waffen, Sprengstoffen und deren Vorläuferstoffe;
o)
Entführung, Geiselnahme, Erpressung; sowie
p)
weiteren, von den zuständigen Behörden der Vertragsparteien einvernehmlich und schriftlich festgelegten Hauptformen von Kriminalität.

3.  Die Zusammenarbeit nach Massgabe dieses Abkommens erstreckt sich nicht auf politische, militärische und fiskalische Angelegenheiten.

Art. 5 Hauptformen der Zusammenarbeit

1.  In Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Abkommens und nach Massgabe der jeweiligen nationalen Gesetze und ihrer internationalen Verpflichtungen arbeiten die zuständigen Behörden der Vertragsparteien wie folgt zusammen:

a)
Austausch von Informationen, einschliesslich personenbezogener Daten, insbesondere über:
i)
Terrororganisationen, Terroristen und Terroristinnen, ihre Vorgehensweisen, Strukturen und Kontakte,
ii)
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord,
iii)
kriminelle Organisationen, deren Mitglieder, deren Vorgehensweisen, deren Strukturen und deren Kontakte,
iv)
Arten von Betäubungsmitteln und psychotropen Substanzen, deren Vorläuferstoffe und Komponenten, Orte und Herstellungsverfahren, sowie Vertriebskanäle und Mittel, einschliesslich Verschleierungstechniken, die von Drogenhändlern verwendet werden,
v)
gesetzliche und wissenschaftliche Instrumente zur Verbrechensbekämpfung, einschliesslich Austausch analytischer Informationen über kriminelle und terroristische Bedrohungen,
vi)
Methoden zur Bekämpfung des Menschenhandels und Menschenschmuggels,
vii)
Reisepässe und andere Identitäts- und Reisedokumente, Visa sowie Ein- und Ausreisestempel zur Identifizierung gefälschter Dokumente,
viii)
Erkenntnisse und analytische Informationen mit Bezug zu Terrorismus und schwerwiegenden Bedrohungen durch Kriminalität, auch aus Unterlagen über internationale Reisebewegungen von Personen,
ix)
Wirtschafts- und Finanzkriminalität, einschliesslich Betrug, Bestechung, Korruption, Geldwäscherei und die Weiterverwendung von gewaschenem Geld und die Verfolgung illegal erworbener Vermögenswerte,
x)
Waffen und Sprengstoffe, einschliesslich deren Vorläuferstoffe zwecks Identifizierung illegaler Aktivitäten wie deren Herstellung, Lagerung und Bereitstellung;
b)
Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Nutzung von Systemen und Technologien für den verbesserten Austausch von polizeirelevanten Informationen und Erkenntnissen, einschliesslich:
i)
Erwägung von Vereinbarungen über den vereinfachten Zugriff auf elektronische Daten,
ii)
Entwicklung und Nutzung von Technologie, die einen raschen und effizienten Austausch von Informationen und Erkenntnissen ermöglicht,
iii)
Führen eines strategischen Dialogs über den Aufbau von Partnerschaften mit dem öffentlichen und dem privaten Sektor, um Schwerstkriminalität zu identifizieren und zu verhindern,
iv)
Austausch technologischen Fachwissens und Unterstützung bei der Durchführung solcher Kooperationsaktivitäten der zuständigen Behörden;
c)
Erfahrungsaustausch durch:
i)
Austausch über bewährte Praktiken, die im Einklang mit den nationalen Bestimmungen der jeweiligen Vertragspartei getroffen werden, um spezielle Ermittlungstechniken wie verdeckte Ermittlungen, überwachte Lieferungen und Überwachungen anzuwenden,
ii)
Austausch bewährter Praktiken und Dialog bei zentralen Strategiefragen, in den in Artikel 4 dieses Abkommens erwähnten Zusammenarbeitsbereichen, einschliesslich der Erarbeitung von Handbüchern,
iii)
Austausch bewährter Praktiken bei der Erstellung von Beobachtungslisten zur Sicherung von Grenzen und Verhinderung von Terrorismus,
iv)
Austausch bewährter Praktiken beim nationalen und internationalen Austausch von Informationen zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen;
d)
gemeinsame fachliche Ausbildung mithilfe von Ausbildungsmodulen und durch die Entsendung von Fachleuten. Die zuständigen Behörden benennen zu diesem Zweck Kontaktstellen, die solche Ausbildungen planen und durchführen;
e)
Durchführung von gemeinsamen Polizeioperationen und -massnahmen;
f)
Nutzung spezieller Techniken, mit denen Kriminalität wirksam begegnet und bekämpft werden kann;
g)
Massnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen und illegalen Gütern;
h)
Teilnahme, soweit möglich und sachdienlich, an multilateralen Kooperationsmechanismen wie dem International Anti-Corruption Coordination Centre und, wo sich die Möglichkeit bietet, Zusammenarbeit innerhalb multilateraler Gremien und in Netzwerken von nationalen Fachstellen zur verstärkten operativen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Kapitel III: Bedingungen der Unterstützung und des Informationsaustausches


Art. 6 Unterstützung auf Ersuchen

1.  Die zuständigen Behörden leisten einander im Rahmen ihrer Zuständigkeit und nach Massgabe der in diesem Abkommen festgelegten Bedingungen Unterstützung, vorausgesetzt, dass unter den jeweiligen nationalen Gesetzen und gemäss den internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien das Ersuchen nicht bei einer anderen zuständigen Behörde gestellt oder von dieser bearbeitet werden muss.

2.  Unterstützungsersuchen können direkt schriftlich, insbesondere via INTERPOL gestellt werden. In dringlichen Fällen kann ein Ersuchen mündlich gestellt werden; das Ersuchen muss dann so schnell wie möglich, spätestens innerhalb von 48 Stunden, schriftlich bestätigt werden, sofern dies mit den jeweiligen nationalen Gesetzen und den internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien vereinbar ist.

3.  Unterstützungsersuchen enthalten zwingend:

a)
falls bekannt, die Bezeichnung der ersuchenden sowie ersuchten zuständigen Behörde;
b)
erforderliche fallrelevante Informationen;
c)
Zweck und Gründe des Ersuchens;
d)
Beschreibung, um welche Art von Unterstützung ersucht wird;
e)
weitere Informationen, die zur Bearbeitung des Ersuchens dienlich sind.

4.  Die zuständige Behörde der ersuchten Vertragspartei kann die Verwendung und Weitergabe der gelieferten Informationen nach Massgabe der in diesem Abkommen festgelegten Bestimmungen an Auflagen knüpfen und weitere Bedingungen stellen. Die ersuchende Vertragspartei muss diese Bedingungen erfüllen, es sei denn, beide jeweils zuständigen Behörden haben sich schriftlich darauf geeinigt, diese Bedingungen zu ändern.

Art. 7 Unaufgeforderte Unterstützung

1.  Die zuständigen Behörden können einander nach Massgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts und der internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien unaufgefordert Informationen zukommen lassen, die sie als notwendig erachten, um Verbrechen zu verhindern oder eine unmittelbare und konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwenden.

2.  Ist die Übermittlung oder Bearbeitung der betreffenden Informationen nicht einer anderen zuständigen Behörde vorbehalten, beurteilt die empfangende zuständige Behörde den Nutzen der erhaltenen Informationen; erachtet sie diese als unnötig, zerstört sie die Informationen oder sendet sie unaufgefordert an den Absender zurück.

3.  Die ersuchte zuständige Behörde kann hinsichtlich der Verwendung und Weitergabe der übermittelten Informationen der ersuchenden zuständigen Behörde Bedingungen auferlegen. Diese Bedingungen sind für die ersuchende zuständige Behörde verbindlich, es sei denn, beide jeweils zuständigen Behörden haben sich schriftlich darauf geeinigt, diese Bedingungen zu ändern.

Art. 8 Unterstützung bei Grossanlässen, schweren Katastrophen und Unfällen und in Krisensituationen

1.  Die zuständigen Behörden können einander nach Massgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts und der internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien bei Massendemonstrationen und ähnlichen Grossanlässen, schweren Katastrophen und Unfällen sowie in Krisensituationen unterstützen, indem sie unter anderem:

a)
einander möglichst zeitnah über Anlässe oder Ereignisse unterrichten, die grenzüberschreitende Auswirkungen oder damit zusammenhängende Entwicklungen haben können;
b)
bei Ereignissen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen die notwendigen polizeilichen Massnahmen in ihrem Hoheitsgebiet treffen und koordinieren;
c)
auf Ersuchen der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet ein Anlass stattfindet oder ein Ereignis eingetreten ist, diese soweit als möglich direkt unterstützen, indem sie Beamte, Fachleute und Berater entsenden und Ausrüstungsmaterial bereitstellen.

2.  Das Ersuchen um Unterstützung muss der jeweils zuständigen Behörde unterbreitet werden und die folgenden Angaben enthalten:

a)
die erforderlichen unterstützenden Informationen hinsichtlich des Ersuchens;
b)
Beschreibung der Art der gewünschten Unterstützung;
c)
Zweck und Gründe des Ersuchens, einschliesslich Angaben über die Notwendigkeit des Ersuchens aus operativer Sicht;
d)
weitere sachdienliche Informationen, die zur Bearbeitung des Ersuchens dienlich sind.

3.  Die zuständigen Behörden der ersuchten Vertragspartei können einem Ersuchen entsprechen, es ablehnen oder eine andere Form der Unterstützung vorschlagen.

4.  Während im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei Handlungen durchgeführt werden, sind die Beamten der zuständigen Behörde der ersuchten Vertragspartei handlungsbefugt und dazu ermächtigt, alle notwendigen Massnahmen zu treffen, um die ersuchte Unterstützungsleistung erbringen zu können. In diesem Zusammenhang handeln sie unter der Verantwortung, der Leitung und unter der Zuständigkeit der ersuchenden Vertragspartei und im Rahmen der ihnen nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts der ersuchenden Vertragspartei zugewiesenen Befugnisse.

5.  Als Krisensituationen gelten unter anderem Situationen, die die zuständigen Behörden einer Vertragspartei nicht mehr mit ihren eigenen Mitteln bewältigen können oder die eine konkrete und unmittelbare Gefahr für Menschen, das Eigentum, die Infrastruktur oder Einrichtungen der anderen Vertragspartei darstellen.

Art. 9 Verweigerung der Unterstützung oder des Informationsaustausches

1.  Die ersuchte Vertragspartei kann die Unterstützung oder den Informationsaustausch ganz oder teilweise verweigern, wenn die ersuchten zuständigen Behörden dafürhalten, dass wenn dem Ersuchen entsprochen würde, die Souveränität, Sicherheit, öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des eignen Staates beeinträchtigt werden könnten oder es zu einem Konflikt mit dem jeweiligen nationalen Recht oder mit internationalen Verpflichtungen führen würde.

2.  Gemäss Artikel 4 Absatz 3 dieses Abkommens kann die ersuchte Vertragspartei ein Ersuchen ablehnen, wenn es sich auf eine Angelegenheit politischer, militärischer oder fiskalischer Art bezieht.

3.  Die ersuchte zuständige Behörde kann ein Ersuchen ablehnen, wenn gemäss dem nationalen Recht oder den internationalen Verpflichtungen die Übermittlung oder Bearbeitung des Ersuchens einer anderen zuständigen Behörde vorbehalten ist.

4.  Die Unterstützung kann auch abgelehnt werden, wenn die Erledigung des Ersuchens eine übermässige Belastung bedeutet oder wenn dadurch Konflikte mit operativen Prioritäten entstehen würden.

5.  Wenn möglich nimmt die ersuchte zuständige Behörde Rücksprache mit der ersuchenden zuständigen Behörde, bevor ein ablehnender Entscheid getroffen wird, um zu klären, ob die Hilfe, Unterstützung oder der Informationsaustausch an bestimmte Bedingungen geknüpft oder in einer alternativen Form gewährt werden kann.

6.  Die ersuchte Vertragspartei kann zusätzlich und in Übereinstimmung mit den Bestimmungen dieses Abkommens der ersuchten zuständigen Behörden hinsichtlich der Verwendung und Weitergabe der gesamten oder eines Teils der von ihr geleisteten Hilfe, Unterstützung sowie des Informationsaustausches Bedingungen auferlegen.

7.  Ist die ersuchende zuständige Behörde mit den Bedingungen einverstanden, unter denen ihr Hilfe gewährt wird, muss sie diese Bedingungen einhalten, es sei denn, beide jeweils zuständigen Behörden haben sich schriftlich darauf geeinigt, diese Bedingungen zu ändern.

8.  Die ersuchte zuständige Behörde informiert die ersuchende zuständige Behörde schriftlich über ihren Entscheid, das Ersuchen ganz oder teilweise abzulehnen, und nennt die Gründe.

Kapitel IV: Spezifische Formen der Zusammenarbeit

Art. 10 Entsendung von Verbindungsbeamten

Die zuständigen Behörden können in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen nationalen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen sowie im gegenseitigen Einverständnis Personal in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei entsenden, welches Verbindungsfunktionen erfüllt, um die Zusammenarbeit, insbesondere den Informationsaustausch und die Erledigung von Ersuchen um Unterstützung zu fördern und zu beschleunigen. Diese Verbindungsbeamten können Mitglieder des diplomatischen Personals der diplomatischen Vertretung des Entsendestaats im Empfangsstaat sein und geniessen in diesem Falle die entsprechenden Vorrechte und Immunitäten in Übereinstimmung mit dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 19619 über diplomatische Beziehungen.

Art. 11 Zeugen- und Opferkooperation

1.  Die zuständigen Behörden arbeiten zum Schutz von Zeugen und deren Angehörigen sowie Opfern (nachfolgend «zu schützende Personen») nach Massgabe ihres jeweiligen innerstaatlichen Rechts und ihrer internationalen Verpflichtungen zusammen.

2.  Die Zusammenarbeit erfolgt in Übereinstimmung mit den jeweiligen nationalen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen und umfasst insbesondere den Austausch von Informationen, die für den Schutz von Personen nötig sind, sowie die Übernahme von zu schützenden Personen und deren Unterstützung.

3.  Zur Regelung der Modalitäten im Einzelfall hinsichtlich der Zusammenarbeit bei der Übernahme schützenswerter Personen schliessen die zuständigen Behörden eine gesonderte Vereinbarung ab.

4.  Die zu schützenden Personen, die beim ersuchenden Vertragsstaat im Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden sind, werden nicht in das Schutzprogramm der ersuchten Vertragspartei aufgenommen. Bei der Durchführung der Zusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Schutz dieser Personen findet das nationale Recht, einschliesslich des Einwanderungsgesetzes, der ersuchten Vertragspartei entsprechend Anwendung.

5.  Die ersuchte Vertragspartei kann bei Vorliegen schwerwiegender Gründe nach vorheriger Orientierung der ersuchenden Vertragspartei die Zusammenarbeit beenden. Die ersuchende Vertragspartei hat in solchen Fällen die Verpflichtung, die zu schützenden Personen zurückzunehmen.

6.  Die zuständigen Behörden tauschen untereinander auch Informationen und bewährte Praktiken aus über ihre jeweiligen nationalen Gesetze und Verfahren bezüglich der Rechte von Opfern und Zeugen, einschliesslich Sondermassnahmen sowie Informationen über den Schutz und die Unterstützung ihrer Opfer und Zeugen in Übereinstimmung mit internationalen Instrumenten.

Art. 12 Flugsicherheitsbegleiter

1.  Die zuständigen Behörden können beim Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern (IFSOs) in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen nationalen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen und auf der Grundlage der Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, soweit sie für sie verbindlich sind, zusammenarbeiten.

2.  Flugsicherheitsbegleiter (IFSOs) im Sinne dieses Abkommen sind entsprechend ausgebildete Beamte der von den Vertragsparteien definierten Sicherheitsbehörden, die die Aufgabe haben, die Sicherheit an Bord von Luftfahrzeugen zu gewährleisten.

3.  Die Zusammenarbeit kann insbesondere den Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern auf Flügen umfassen, die vom Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates durchgeführt werden.

4.  Die Einzelheiten der Zusammenarbeit, insbesondere Aspekte den operativen Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern (IFSOs) betreffend, regeln die relevanten zuständigen Behörden in einer weiteren Vereinbarung.

Kapitel V: Datenschutz

Art. 13 Verarbeitung personenbezogener Daten

1.  Der Informationsaustausch im Rahmen dieses Abkommens darf stattfinden, solange die zuständigen Behörden in Übereinstimmung mit ihren nationalen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen, einschliesslich der innerstaatlichen Anwendung dieser Gesetze, wesentliche und angemessene Garantien zum Schutz der Privatsphäre, Menschenrechte und Datensubjektrechte bieten und, wo anwendbar, hinsichtlich der Anforderungen in Bezug auf die Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit sowie die unabhängige richterliche Aufsicht die entsprechenden Garantien vorsehen.

2.  Die Vertragsparteien teilen einander jegliche materiellen Gesetzesänderungen im nationalen Recht oder Änderungen hinsichtlich ihrer internationalen Verpflichtungen mit, die die Schutzmassnahmen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten erheblich beeinflussen.

3.  Wenn eine der Vertragsparteien entscheidet, dass die nationalen Gesetze und internationalen Verpflichtungen (einschliesslich der nationalen Umsetzung) der anderen Vertragspartei keinen ausreichenden Schutz mehr bieten, beenden die zuständigen Behörden der Vertragspartei, die zu diesem Schluss gekommen sind, den unter diesem Abkommen vereinbarten Austausch personenbezogener Daten bis:

a)
die zuständige Behörde der übermittelnden Vertragspartei alle Umstände im Zusammenhang der Übermittlung personenbezogener Daten geprüft hat und zu der Überzeugung gelangt ist, dass geeignete Garantien zum Schutz personenbezogener Daten bestehen; oder
b)
die empfangende Vertragspartei oder die jeweils zuständige Behörde dieser Vertragspartei sich dazu verpflichtet, solche Daten entsprechend den Anforderungen der übermittelnden zuständigen Behörde zu schützen.

4.  In den Fällen in denen Absatz 3 Anwendung findet, bemühen sich die Vertragsparteien, zu einem Einvernehmen zu gelangen, welches es den zuständigen Behörden ermöglicht, die einschlägigen Bestimmungen dieses Abkommens, die den Austausch personenbezogener Daten gestatten oder vorschreiben, weiterhin vollumfänglich anzuwenden.

Kapitel VI: Rechtsverhältnisse bei Amtshandlungen einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei


Art. 14 Dienstrechtliche Stellung, Schutz, Beistand und Ausrüstung

1.  Die Beamten der Vertragsparteien unterstehen in ihrem Dienst- oder Anstellungsverhältnis wie auch disziplinarrechtlich den jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften.

2.  Die Vertragsparteien garantieren den von der anderen Vertragspartei entsandten Beamten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben denselben Schutz und Beistand wie den eigenen Beamten.

3.  Die Parteien regeln das Mitführen von Polizeiausrüstung wie Schusswaffen bei gemeinsamen Einsätzen und Ausbildung von Fall zu Fall.

Art. 15 Zivilrechtliche Verantwortlichkeit

1.  Die Vertragspartei, die Beamte entsendet hat, haftet nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet, für den durch die Beamten bei ihrem Einsatz verursachten Schaden.

2.  Die Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet der in Absatz 1 genannte Schaden verursacht worden ist, ersetzt diesen Schaden so, wie sie ihn ersetzen müsste, wenn ihre eigenen Beamten ihn verursacht hätten.

3.  Die Vertragspartei, deren Beamten im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei jemandem einen Schaden verursacht haben, erstattet der anderen Vertragspartei den Gesamtbetrag des Schadenersatzes, den diese an die geschädigten Dritten, ihre Rechtsnachfolger, oder die in ihrem Namen handelnden Rechtsvertreter geleistet hat.

4.  Unbeschadet der Ausübung ihrer Rechte gegenüber Dritten und mit Ausnahme der Bestimmung im Absatz 3 verzichtet jede Vertragspartei im Fall des Absatzes 1 darauf, den Betrag des erlittenen Schadens geltend zu machen.

5.  Die Bestimmungen in diesem Artikel gelten, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben.

Art. 16 Strafrechtliche Verantwortlichkeit

Bei Einsätzen nach Massgabe dieses Abkommens werden Beamte beider Vertragsparteien in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, als Beamte derjenigen Vertragspartei betrachtet, in deren Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet, sofern nicht etwas anderes zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden ist.

Art. 17 Finanzielle Bestimmungen, Kosten und Verfahren

1.  Jede Vertragspartei trägt die Kosten selbst, die aus der Anwendung dieses Abkommens erwachsen.

2.  Die zuständigen Behörden leisten einander direkt Unterstützung, sofern ein Ersuchen um Unterstützung nach innerstaatlichem Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist.

3.  Wenn einer zuständigen Behörde ein Unterstützungsersuchen unterbreitet wird, das teilweise oder ganz ausserhalb ihrer Zuständigkeit liegt, kann diese zuständige Behörde dabei behilflich sein, die zuständige Behörde zu ermitteln.

4.  Die ersuchte Vertragspartei trägt die üblichen Kosten, die durch das Erledigen eines Ersuchens anfallen. Sind zur Erledigung eines Ersuchens erhebliche oder aussergewöhnliche Aufwendungen erforderlich, so konsultieren die Vertragsparteien einander, um festzulegen, unter welchen Bedingungen das Ersuchen erledigt wird und auf welche Weise die Kosten getragen werden.

Kapitel VII: Schlussbestimmungen

Art. 18 Andere internationale Abkommen

Durch dieses Abkommen werden die Verpflichtungen und Rechte der Vertragsparteien nicht berührt, die aus anderen internationalen, multilateralen oder bilateralen Übereinkünften herrühren, deren Vertragspartei sie sind.

Art. 19 Durchführungs- und Umsetzungsvereinbarungen

1.  Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können auf der Grundlage und im Rahmen dieses Abkommens und nach Massgabe ihres jeweiligen innerstaatlichen Rechts Vereinbarungen zur technischen Umsetzung der Zusammenarbeit abschliessen.

2.  Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können solche Vereinbarungen, wenn sie obsolet sind oder dem Ziel und dem Zweck dieses Abkommens nicht länger dienen, im gegenseitigen Einvernehmen schriftlich kündigen. Dieses Recht ergänzt jegliches in diesem Abkommen oder in jeder anwendbaren Vereinbarung aufgeführte Kündigungsrecht.

Art. 20 Änderungen und Überarbeitung

Dieses Abkommen kann im gegenseitigen Einvernehmen der Vertragsparteien jederzeit geändert, erweitert oder überarbeitet werden. Gebilligte Änderungen oder Überarbeitungen treten am Tag des Eingangs der letzten Notifizierung in Kraft, mit der die Vertragsparteien einander unterrichten, dass ihre internen Zustimmungsverfahren abgeschlossen sind.

Art. 21 Beilegung von Streitigkeiten

Die Vertragsparteien können ein Sachverständigentreffen verlangen, um Fragen oder Streitigkeiten hinsichtlich der Anwendung dieses Abkommens zu klären und Vorschläge zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit einzubringen.

Art. 22 Inkrafttreten, Dauer und Kündigung

1.  Jede Vertragspartei unterrichtet die andere Vertragspartei schriftlich auf diplomatischem Wege über die Erfüllung der innerstaatlichen Anforderungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens. Dieses Abkommen tritt am Tag des Erhalts der letzten schriftlichen Notifikation in Kraft, mit der die Vertragsparteien einander notifizieren, dass die nach ihrem jeweiligen Recht notwendigen Verfahren für das Inkrafttreten erfüllt sind oder zu einem späteren Zeitpunkt, welcher gemeinsam festgelegt und in den Notifikationen angegeben wird.

2.  Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Es kann von jeder Vertragspartei durch schriftliche Mitteilung gekündigt werden. Das Abkommen tritt drei Monate nach Empfang einer solchen Mitteilung ausser Kraft.

3.  Die Kündigung dieses Abkommens entbindet die Vertragsparteien oder ihre jeweiligen zuständigen Behörden nicht von der Erfüllung der im Abkommen vereinbarten Verpflichtungen den Schutz von Informationen betreffend, einschliesslich klassifizierter und sensibler Informationen, Forderungen und Verbindlichkeiten und Streitigkeiten.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen gehörig Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet.

Geschehen in zwei Originalen zu Bern am 15. Dezember 2020 und zu London am 15. Dezember 2020 in zwei Urschriften, in englischer und deutscher Sprache, wobei beide Fassungen gleichermassen verbindlich sind.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Karin Keller-Sutter

Für das
Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Nordirland:

James Brokenshire