414.138.2
Verordnung
der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne über Disziplinarmassnahmen
(ETHL-Disziplinarverordnung)
vom 2. August 2021 (Stand am 1. November 2021)
Die Schulleitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne,
gestützt auf Artikel 37b Absatz 2 des ETH-Gesetzes vom 4. Oktober 19911,
verordnet:
1 Diese Verordnung gilt für die Studierenden, Hörerinnen und Hörer, Doktorierenden und Weiterbildungsprogramm-Teilnehmenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL).
2 Sie gilt überdies für Personen, die nach einem Disziplinarverstoss die Exmatrikulation beantragt haben und gegen die die ETHL noch eine Disziplinarmassnahme zu verhängen beabsichtigt.
3 Für Doktorierende kommt bei Verstössen gegen die Integrität in ihren Forschungsarbeiten die ETHL-Verordnung vom 23. März 20092 über das Verfahren bei wissenschaftlichem Fehlverhalten zur Anwendung.
Einen akademischen Disziplinarverstoss begeht eine Person, die sich im Rahmen einer Studienarbeit oder bei einer Leistungskontrolle betrügerisch verhält, einen solchen Versuch unternimmt oder Beihilfe zu einem solchen Verhalten oder Versuch leistet, indem sie:
- a.
- Mittel zur Verfügung hat oder verwendet, die nicht ausdrücklich erlaubt sind;
- b.
- die allgemeinen Weisungen oder die besonderen Prüfungsanweisungen missachtet;
- c.
- eine Arbeit einreicht, deren Inhalt ganz oder teilweise aus Arbeiten Dritter übernommen und als eigener ausgegeben wird (Plagiat) oder eine Arbeit als Original einreicht, obwohl sie bereits bei einer anderen Gelegenheit eingereicht wurde (Selbstplagiat).
Einen Disziplinarverstoss begeht eine Person, die:
- a.
- einer Anordnung nicht Folge leistet oder gegen ein Verbot verstösst, das ihr auferlegt wurde oder das Gegenstand eines Reglements der ETHL ist;
- b.
- den Betrieb der ETHL beeinträchtigt, insbesondere durch die Störung einer Lehrveranstaltung der ETHL oder einer an der ETHL organisierten Veranstaltung;
- c.
- eine Ausweisschrift, elektronische Mittel oder ein Vorrecht in Verbindung mit ihrer Zugehörigkeit zur ETHL missbraucht;
- d.
- im Besitz der ETHL oder an der ETHL befindliche Güter schädigt;
- e.
- Angehörige, Beauftragte oder Besucherinnen und Besucher der ETHL schädigt, insbesondere durch Nötigung oder erniedrigendes, diskriminierendes, belästigendes oder respektloses Verhalten;
- f.
- eine nach schweizerischem Strafrecht strafbare Handlung begeht, die sich gegen die ETHL oder Personen im Rahmen ihrer Tätigkeiten im Zusammenhang mit der ETHL richtet;
- g.
- im Rahmen ihrer Tätigkeiten im Zusammenhang mit der ETHL Anstandsregeln verletzt;
- h.
- versucht, einen Disziplinarverstoss zu begehen oder Beihilfe zu einem Disziplinarverstoss oder zu einem Versuch eines Disziplinarverstosses leistet.
1 Die ETHL kann die folgenden Disziplinarmassnahmen verhängen:
- a.
- Verweis;
- b.
- Erteilung der Note 0 (Null) bei einer Prüfung oder des Prädikats «NA» (nicht bestanden) für ein Fach oder mehrere Fächer zusammen; diese Massnahme betrifft ausschliesslich die in Artikel 2 beschriebenen Verstösse;
- c.
- befristeter Ausschluss von Lehrveranstaltungen oder anderen Veranstaltungen;
- d.
- Androhung eines befristeten oder definitiven Ausschlusses aus der ETHL;
- e.
- Verweigerung der Zulassung zu einer Studienstufe der ETHL;
- f.
- befristeter Ausschluss aus der ETHL, allenfalls verbunden mit einem Zutrittsverbot für das Gelände der ETHL;
- g.
- definitiver Ausschluss aus der ETHL.
2 Art und Umfang der Massnahme richten sich nach der Schwere des begangenen Verstosses, den Beweggründen und dem bisherigen Verhalten der Person, den Auswirkungen der Massnahme auf das Studium sowie nach dem Wert der verletzten oder gefährdeten Interessen oder Güter. Eine Milderung der Massnahme ist möglich, wenn die Person Reue zeigt und von sich aus für den entstandenen Schaden Ersatz leistet; eine Verschärfung der Massnahme ist möglich, wenn sie sich während der Untersuchung nicht an der Feststellung des Sachverhalts beteiligt.
3 Bei besonders leichten Disziplinarverstössen oder aus Opportunitätsgründen kann die ETHL auf die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens verzichten oder beschliessen, dieses ohne Folge einzustellen. Ist ein Disziplinarverfahren nicht angezeigt, kann im Übrigen eine Delegierte oder ein Delegierter der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten für akademische Angelegenheiten die betreffende Person verwarnen.
4 Ein von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ausgesprochener Ausschluss aufgrund eines schwerwiegenden Disziplinarverstosses kann die Ablehnung eines Gesuchs um Zulassung zur ETHL begründen.
Bei schwerwiegenden Disziplinarverstössen oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung kann die ETHL die betreffende Person nach vorgängiger Anhörung bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens von der ETHL ausschliessen und ihr den Zugang zum Gelände der ETHL verbieten.
1 Disziplinarverstösse verjähren sechs Monate, nachdem die ETHL davon Kenntnis erhalten hat. Die Frist wird mit der Eröffnung eines Disziplinarverfahrens unterbrochen oder ruht mit der Eröffnung eines Strafverfahrens in der gleichen Sache.
2 Disziplinarverstösse verjähren in jedem Fall zwei Jahre nach deren Begehung, es sei denn, sie fallen auch unter Strafrecht; in diesem Fall gilt sinngemäss die im Strafrecht vorgesehene Frist, wenn diese länger ist.
Disziplinarinstanzen der ETHL sind:
- a.
- das Untersuchungsorgan;
- b.
- die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident für akademische Angelegenheiten;
- c.
- die Disziplinarkommission.
1 Das Untersuchungsorgan setzt sich zusammen aus:
- a.
- einer für die Untersuchung verantwortlichen Person;
- b.
- einer Vertreterin oder einem Vertreter der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten für akademische Angelegenheiten;
- c.
- einer oder einem Studierenden oder Doktorierenden, je nachdem, ob es sich bei der vom Disziplinarverfahren betroffenen Person um eine Studierende oder einen Studierenden oder eine Doktorierende oder einen Doktorierenden handelt.
2 Seine Mitglieder werden von der Vizepräsidentin oder vom Vizepräsidenten für akademische Angelegenheiten ernannt. Die oder der Studierende oder Doktorierende wird von der Vertretung gewählt, der sie oder er angehört.
3 Das Organ berät die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten für akademische Angelegenheiten, indem es ihr oder ihm einen Vorschlag für einen Entscheid unterbreitet.
1 Die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident für akademische Angelegenheiten kann die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a–d vorgesehenen Massnahmen verhängen.
2 Sie oder er fällt den Disziplinarentscheid, der ihr oder ihm auf der Grundlage des Vorschlags des Untersuchungsorgans angemessen scheint.
1 Die Disziplinarkommission ist eine Ad-hoc-Kommission und setzt sich zusammen aus:
- a.
- einer Person mit juristischer Ausbildung, die nicht der ETHL angehört und den Vorsitz übernimmt;
- b.
- zwei Mitgliedern des Lehrkörpers, wobei mindestens ein Mitglied Professorin oder Professor ist;
- c.
- zwei Studierenden oder Doktorierenden;
- d.
- der mit der Untersuchung beauftragten Person.
2 Ist die vom Disziplinarverfahren betroffene Person Doktorandin oder Doktorand, müssen die beiden Mitglieder des Lehrkörpers zur Betreuung von Doktorarbeiten an der ETHL berechtigt und die beiden Personen nach Absatz 1 Buchstabe c Doktorierende sein.
3 Die Mitglieder der Disziplinarkommission wie auch ihre Stellvertreterinnen und
‑vertreter werden von der Vizepräsidentin oder vom Vizepräsidenten für akademische Angelegenheiten der ETHL aus den von der jeweiligen Körperschaft vorgeschlagenen Kandidierenden ausgewählt.
1 Die Disziplinarkommission kann die in Artikel 4 Absatz 1 vorgesehenen Massnahmen verhängen.
2 Sie tagt in einer nicht öffentlichen Sitzung. Erlauben es die Umstände, so kann sie auf dem Zirkulationsweg entscheiden.
3 Sie kann nur gültig beraten und entscheiden, wenn die oder der Vorsitzende sowie mindestens je eine Vertreterin oder ein Vertreter der in Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben b und c genannten Körperschaften teilnehmen.
4 Die Beschlüsse werden mit dem absoluten Mehr der Stimmen der Personen gefasst, die an der Sitzung oder am Zirkulationsverfahren teilnehmen. Bei Stimmengleichheit hat die oder der Vorsitzende den Stichentscheid.
1 Wer Vorkommnisse beobachtet, die einen Disziplinarverstoss darstellen können, sammelt allfällige Hinweise und informiert unverzüglich das Untersuchungsorgan.
2 Das Untersuchungsorgan stellt gestützt auf die Hinweise und Beweismittel sowie die erhaltenen Berichte den Sachverhalt fest.
3 Stellt sich im Laufe oder am Ende der Untersuchung heraus, dass der Disziplinarverstoss eine Disziplinarmassnahme nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben e, f oder g rechtfertigen könnte, so beruft die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident für akademische Angelegenheiten die Disziplinarkommission ein.
4 Die oder der Vorsitzende der Disziplinarkommission kann zusätzliche Untersuchungsmassnahmen treffen.
5 Wird aufgrund desselben Vorfalls ein Strafverfahren eröffnet, so entscheidet die Disziplinarinstanz, ob das Disziplinarverfahren bis zur Sachverhaltsfeststellung im Strafverfahren sistiert wird. Dieser Entscheid ist nicht anfechtbar.
1 Die betroffene Person wird über die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens und die ihr vorgeworfenen Taten informiert.
2 Sie wird aufgefordert, sich innert einer bestimmten Frist zu den ihr vorgeworfenen Taten zu äussern, und kann zu diesem Zweck die Akten einsehen.
3 Sie kann zu einer mündlichen Befragung vorgeladen werden, wenn die Untersuchung dies erfordert. In diesem Fall werden ihre Aussagen in einem Protokoll festgehalten, das ihr zur Unterschrift vorgelegt wird. Sie kann sich von einer Person ihrer Wahl begleiten lassen.
4 Werden dem Dossier neue Unterlagen hinzugefügt, so wird die betroffene Person gebeten, erneut dazu Stellung zu nehmen.
5 Leistet sie den Aufforderungen zur Stellungnahme oder den Vorladungen nicht Folge, so wird aufgrund der Akten entschieden.
1 Der Disziplinarentscheid wird der betroffenen Person per Post oder elektronisch mitgeteilt. Er enthält eine Sachverhaltsdarstellung und eine Begründung, die geltenden Gesetzesgrundlagen sowie eine Rechtsmittelbelehrung. Er regelt die Frage des Entzugs der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde.
2 Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach Artikel 37 Absatz 3 des ETH-Gesetzes vom 4. Oktober 1991.
3 Das Disziplinarverfahren richtet sich im Übrigen nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 19683.
Die Disziplinarordnung vom 15. Dezember 20084 betreffend die Studierenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne wird aufgehoben.
Diese Verordnung tritt am 1. November 2021 in Kraft.