0.311.611

 AS 2021 387; BBl 2018 6427

Übersetzung

Zusatzprotokoll
zum Übereinkommen des Europarats
zur Verhütung des Terrorismus

Abgeschlossen in Riga am 22. Oktober 2015

Von der Bundesversammlung genehmigt am 25. September 20201

Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 25. März 2021

In Kraft getreten am 1. Juli 2021

(Stand am 17. Juli 2023)

1 Art. 1 Abs. 1 Bst. b des BB vom 25. Sept. 2020 (AS 2021 360)

Präambel

Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Vertragsparteien des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (SEV-Nr. 196), die dieses Protokoll unterzeichnen,

von der Erwägung geleitet, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen;

in dem Wunsch, die Bestrebungen zur Verhütung und Bekämpfung aller Arten des Terrorismus sowohl in Europa als auch weltweit unter gleichzeitiger Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit weiter zu verstärken;

unter Hinweis auf die Menschenrechte und Grundfreiheiten, die insbesondere in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten2 (SEV-Nr. 5) und ihren Protokollen3 sowie im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte4 verankert sind;

mit dem Ausdruck ihrer ernsthaften Besorgnis über die Bedrohung, die von Personen ausgeht, die ins Ausland reisen mit dem Ziel, terroristische Straftaten zu begehen, zu solchen beizutragen oder sich an solchen zu beteiligen oder im Hoheitsgebiet eines anderen Staates andere Personen für terroristische Zwecke auszubilden oder dort eine Ausbildung für terroristische Zwecke zu erhalten;

in dieser Hinsicht eingedenk der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf seiner 7272. Sitzung am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014), insbesondere deren Ziffern 4 bis 6;

in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus in bestimmten Punkten zu ergänzen,

sind wie folgt übereingekommen:

Art. 1 Zweck

Zweck dieses Protokolls ist es, das am 16. Mai 20055 in Warschau zur Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (im Folgenden als «Übereinkommen» bezeichnet) im Hinblick auf die Strafbarkeit der in den Artikeln 2–6 des Protokolls beschriebenen Handlungen zu ergänzen und so die Bestrebungen der Vertragsparteien zur Verhütung des Terrorismus und seiner nachteiligen Auswirkungen auf den uneingeschränkten Genuss der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben, sowohl durch innerstaatlich zu treffende Massnahmen als auch durch internationale Zusammenarbeit unter gebührender Berücksichtigung der bestehenden anwendbaren mehrseitigen oder zweiseitigen Verträge oder sonstigen Übereinkünfte zwischen den Vertragsparteien zu fördern.

Art. 2 Beteiligung an einer Vereinigung oder einer Gruppe für terroristische Zwecke

1 Im Sinne dieses Protokolls bedeutet «Beteiligung an einer Vereinigung oder einer Gruppe für terroristische Zwecke» die Beteiligung an den Tätigkeiten einer Vereinigung oder Gruppe mit dem Ziel, eine oder mehrere terroristische Straftaten zu begehen oder zur Begehung einer oder mehrerer terroristischer Straftaten durch die Vereinigung oder Gruppe beizutragen.

2 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die «Beteiligung an einer Vereinigung oder einer Gruppe für terroristische Zwecke» im Sinne des Absatzes 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.

Art. 3 Erhalt einer Ausbildung für terroristische Zwecke

1 Im Sinne dieses Protokolls bedeutet «Erhalt einer Ausbildung für terroristische Zwecke», durch eine andere Person eine Unterweisung – einschliesslich des Erwerbs von Kenntnissen oder praktischen Fähigkeiten – zu erhalten in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoffen, Feuer- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in anderen spezifischen Methoden oder Verfahren mit dem Ziel, eine terroristische Straftat zu begehen oder zu deren Begehung beizutragen.

2 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um den «Erhalt einer Ausbildung für terroristische Zwecke» im Sinne des Absatzes 1, wenn er rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.

Art. 4 Auslandsreisen für terroristische Zwecke

1 Im Sinne dieses Protokolls bedeutet «Auslandsreisen für terroristische Zwecke» das Reisen in einen Staat, der nicht derjenige der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes des Reisenden ist, mit dem Ziel, eine terroristische Straftat zu begehen, zu einer solchen beizutragen oder sich an einer solchen zu beteiligen, andere Personen für terroristische Zwecke auszubilden oder eine Ausbildung für terroristische Zwecke zu erhalten.

2 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um «Auslandsreisen für terroristische Zwecke» im Sinne des Absatzes 1, die von ihrem Hoheitsgebiet ausgehen oder von ihren Staatsangehörigen unternommen werden, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen werden. Dabei kann jede Vertragspartei Bedingungen festlegen, die nach ihren verfassungsrechtlichen Grundsätzen erforderlich sind und mit diesen im Einklang stehen.

3 Jede Vertragspartei trifft ferner die erforderlichen Massnahmen, um den Versuch der Begehung einer Straftat im Sinne dieses Artikels nach ihrem innerstaatlichen Recht und in Übereinstimmung mit diesem als Straftat zu umschreiben.

Art. 5 Finanzierung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke

1 Im Sinne dieses Protokolls bedeutet «Finanzierung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke» die auf irgendeinem Wege erfolgende unmittelbare oder mittelbare Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, die es einer Person ganz oder teilweise ermöglichen, im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 für terroristische Zwecke ins Ausland zu reisen, wobei die Bereitstellung oder Sammlung in Kenntnis dessen erfolgt, dass die Gelder ganz oder teilweise für diese Zwecke bestimmt sind.

2 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die «Finanzierung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke» im Sinne des Absatzes 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.

Art. 6 Organisation oder sonstige Erleichterung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke

1 Im Sinne dieses Protokolls bedeutet «Organisation oder sonstige Erleichterung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke» jede organisatorische oder erleichternde Handlung, die eine Person bei Auslandsreisen für terroristische Zwecke im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 unterstützt, wobei die auf diese Weise erbrachte Unterstützung in Kenntnis dessen erfolgt, dass sie terroristischen Zwecken dient.

2 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Massnahmen, um die «Organisation oder sonstige Erleichterung von Auslandsreisen für terroristische Zwecke» im Sinne des Absatzes 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.

Art. 7 Informationsaustausch

1 Unbeschadet des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a des Übereinkommens und im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und bestehenden internationalen Verpflichtungen trifft jede Vertragspartei die erforderlichen Massnahmen, um den rechtzeitigen Austausch aller verfügbaren sachdienlichen Informationen über Personen, die Auslandsreisen für terroristische Zwecke im Sinne des Artikels 4 unternehmen, zwischen den Vertragsparteien zu verstärken. Zu diesem Zweck bestimmt jede Vertragspartei eine Kontaktstelle, die an sieben Wochentagen 24 Stunden täglich zur Verfügung steht.

2 Es steht jeder Vertragspartei frei, als Kontaktstelle nach Absatz 1 eine bereits bestehende Kontaktstelle zu bestimmen.

3 Die Kontaktstelle einer Vertragspartei muss über Möglichkeiten zur schnellen Kommunikation mit der Kontaktstelle einer anderen Vertragspartei verfügen.

Art. 8 Bedingungen und Garantien

1 Jede Vertragspartei stellt sicher, dass bei der Umsetzung6 dieses Protokolls, einschliesslich der Schaffung, Umsetzung und Anwendung der Strafbarkeit nach den Artikeln 2–6, die Verpflichtungen zur Wahrung der Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Bewegungsfreiheit7, auf freie Meinungsäusserung, auf Vereinigungsfreiheit und auf Religionsfreiheit, wie sie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen enthalten sind, soweit diese auf die Vertragspartei anwendbar sind, geachtet werden.

2 Die Schaffung, Umsetzung und Anwendung der Strafbarkeit nach den Artikeln 2–6 soll ferner im Hinblick auf die rechtmässig verfolgten Ziele und deren Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit unterliegen und jegliche Form der Willkür oder der diskriminierenden oder rassistischen Behandlung ausschliessen.

6 Deutschland: Durchführung

7 Deutschland und Österreich: Freizügigkeit

Art. 10 Unterzeichnung und Inkrafttreten

1 Dieses Protokoll liegt für die Unterzeichner des Übereinkommens zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Ein Unterzeichner kann das Protokoll nicht ratifizieren, annehmen oder genehmigen, ohne zuvor das Übereinkommen ratifiziert, angenommen oder genehmigt zu haben oder dies gleichzeitig zu tun. Die Ratifikations‑, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

2 Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten folgt, nachdem sechs Ratifikations‑, Annahme- oder Genehmigungsurkunden, darunter mindestens vier von Mitgliedstaaten des Europarats, hinterlegt worden sind.

3 Für jeden Unterzeichner, der später seine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegt, tritt dieses Protokoll am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations‑, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.

Art. 11 Beitritt zum Protokoll

1 Nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann jeder Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist, auch dem Protokoll beitreten; auch kann jeder Staat nach Inkrafttreten des Protokolls dem Übereinkommen und dem Protokoll gleichzeitig beitreten.

2 Für jeden Staat, der dem Protokoll nach Absatz 1 beitritt, tritt das Protokoll am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt.

Art. 12 Räumlicher Geltungsbereich

1 Jeder Staat oder die Europäische Union kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations‑, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet.

2 Jede Vertragspartei kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Protokolls auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das Protokoll tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.

3 Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.

Art. 13 Kündigung

1 Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.

2 Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär des Europarats folgt.

3 Die Kündigung des Übereinkommens hat ohne weiteres auch die Kündigung dieses Protokolls zur Folge.

Art. 14 Notifikationen

Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, der Europäischen Union, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung dieses Protokolls beteiligt haben, sowie jedem Staat, der diesem Protokoll beigetreten ist oder zum Beitritt zu ihm eingeladen worden ist:

a.
jede Unterzeichnung;
b.
jede Hinterlegung einer Ratifikations‑, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
c.
jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 10 und 11;
d.
jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Riga am 22. Oktober 2015 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats, der Europäischen Union, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung des Protokolls beteiligt haben, und allen zum Beitritt zu ihm eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.

(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 17. Juli 20238

8 AS 2021 387; 2023 394 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs ist auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» unter folgender Adresse veröffentlicht www.fedlex.admin.ch/de/treaty.

Vertragsstaaten

Ratifikation

Inkrafttreten

Albanien

6. Juni

2016

1. Juli

2017

Andorra

18. Oktober

2022

  1. Februar

2023

Armenien

  4. Mai

2022

  1. September

2022

Belgien*

11. Mai

2023

  1. September

2023

Bosnien und Herzegowina

29. März

2017

1. Juli

2017

Deutschland

30. August

2019

1. Dezember

2019

Dänemark *

3. November

2016

1. Juli

2017

Europäische Union (EU)

26. Juni

2018

1. Oktober

2018

Finnland*

21. April

2023

  1. August

2023

Frankreich

12. Oktober

2017

1. Februar

2018

Italien

21. Februar

2017

1. Juli

2017

Kroatien

15. März

2021

1. Juli

2021

Lettland

11. Juli

2017

1. November

2017

Litauen

26. September

2018

1. Januar

2019

Luxemburg

27. Februar

2023

  1. Juni

2023

Moldau *

23. Februar

2017

1. Juli

2017

Monaco

4. Oktober

2016

1. Juli

2017

Montenegro

6. Oktober

2017

1. Februar

2018

Niederlande

2. Juni

2021

1. Oktober

2021

Karibische Gebiete (Bonaire, Sint Eustatius und Saba)

2. Juni

2021

1. Oktober

2021

Norwegen

8. Juni

2023

  1. Oktober

2023

Portugal

13. März

2018

1. Juli

2018

Russland *

24. Januar

2020

1. Mai

2020

San Marino

12. Januar

2021

1. Mai

2021

Schweden

7. September

2018

1. Januar

2019

Schweiz

25. März

2021

1. Juli

2021

Slowakei

16. Mai

2019

1. September

2019

Slowenien

25. November

2019

1. März

2020

Tschechische Republik

21. September

2017

1. Januar

2018

Türkei

13. Februar

2018

1. Juni

2018

Ungarn

31. August

2018

1. Dezember

2018

*
Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite des Europarats: https://conventions.coe.int eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden