Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
die Föderative Republik Brasilien,
haben anlässlich der Unterzeichnung in Brasilia, am 3. Mai 2018, des Abkommens zwischen den beiden Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung folgende Bestimmungen vereinbart, die einen integrierenden Bestandteil dieses Abkommens bilden.
1. Zu Art. 1
- a)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass ungeachtet der anderen Bestimmungen dieses Abkommens eine in einem Vertragsstaat errichtete kollektive Kapitalanlage, die aus dem anderen Vertragsstaat stammende Einkünfte bezieht, für die Anwendung des Abkommens auf diese Einkünfte als natürliche Person gilt, die im Vertragsstaat ansässig ist, in dem die kollektive Kapitalanlage errichtet ist, und als nutzungsberechtigte Person der von ihr bezogenen Einkünfte (vorausgesetzt, dass eine im erstgenannten Staat ansässige natürliche Person, die unter den gleichen Umständen Einkünfte bezieht, als deren nutzungsberechtigte Person gelten würde), jedoch nur insoweit, als die Anteile an der kollektiven Kapitalanlage Personen gehören, die im Vertragsstaat ansässig sind, in dem die kollektive Anlage errichtet ist.
- b)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass im Sinne dieses Absatzes der Ausdruck «kollektive Kapitalanlage» im Fall der Schweiz einen vertraglichen Anlagefonds nach Artikel 25 und eine Investmentgesellschaft mit variablem Kapital nach Artikel 36 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 20063 über die kollektiven Kapitalanlagen und im Fall Brasiliens einen zum Zweck der Investition von Mitteln von einem oder mehreren Investoren gemäss der Regelung der Finanzmarktkontrollkommission («Comissão de Valores Mobiliários») errichteten Rechtsträger mit oder ohne Rechtspersönlichkeit sowie andere in einem der beiden Vertragsstaaten errichtete Investmentfonds, Gebilde oder Rechtsträger bedeutet, die von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten als kollektive Kapitalanlage im Sinne dieses Absatzes bezeichnet werden.
- c)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass ungeachtet der anderen Bestimmungen dieses Abkommens eine Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen nach Artikel 98 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen, die aus Brasilien stammende Einkünfte bezieht, nicht als in der Schweiz ansässig gilt, aber für die ansässigen Gesellschafter die Steuerentlastungen, ‑befreiungen und anderen Steuervorteile nach diesem Abkommen beantragen kann, die diesen gewährt worden wären, wenn sie diese Einkünfte direkt bezogen hätten. Sie kann einen solchen Antrag nur stellen, wenn der Gesellschafter nicht selbst einen Antrag auf Entlastung für seine von der Kommanditgesellschaft bezogenen Einkünfte eingereicht hat.
2. Zu Art. 3 Abs. 1 Bst. j
Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Ausdruck «Vorsorgeeinrichtung» folgende Einrichtungen sowie alle gleichen oder im Wesentlichen vergleichbaren Einrichtungen umfasst, die aufgrund von nach der Unterzeichnung des Abkommens erlassenen Gesetzen errichtet werden:
- a)
- in Brasilien, alle Vorsorgeeinrichtungen nach den folgenden brasilianischen Gesetzen:
- (i)
- Ergänzungsgesetz Nr. 108 vom 29. Mai 2001,
- (ii)
- Ergänzungsgesetz Nr. 109 vom 29. Mai 2001, oder
- (iii)
- Gesetz Nr. 9,477 vom 24. Juli 1997;
- b)
- in der Schweiz, alle Vorsorgeeinrichtungen nach:
- (i)
- dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 19464 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung,
- (ii)
- dem Bundesgesetz vom 19. Juni 19595 über die Invalidenversicherung,
- (iii)
- dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 20066 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung,
- (iv)
- dem Bundesgesetz vom 25. September 19527 über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft,
- (v)
- dem Bundesgesetz vom 25. Juni 19828 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, einschliesslich der nicht registrierten Vorsorgeeinrichtungen, die berufliche Vorsorgepläne anbieten, und der mit der beruflichen Vorsorge vergleichbaren anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge,
- (vi)
- dem Bundesgesetz vom 17. Dezember 19939 über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge,
- (vii)
- Artikel 89a Absätze 6 und 7 des Zivilgesetzbuches10, oder
- (viii)
- Artikel 331 Absatz 1 des Obligationenrechts11.
3. Zu Art. 4 Abs. 1
Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Ausdruck «eine in einem Vertragsstaat ansässige Person» insbesondere Folgendes einschliesst:
- a)
- in diesem Staat errichtete Vorsorgeeinrichtungen; und
- b)
- Organisationen, die zu religiösen, wohltätigen, wissenschaftlichen, kulturellen, sportlichen oder Ausbildungszwecken (oder zu mehreren dieser Zwecke) gegründet und geführt werden und die in einem Vertragsstaat gemäss seinem Recht ansässig sind, ungeachtet der Tatsache, dass ein Teil oder die Gesamtheit ihrer Einkünfte oder Gewinne gemäss dem innerstaatlichen Recht dieses Staates steuerbefreit sein kann.
4. Zu Art. 7 Abs. 1 und 2
- a)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass, wenn ein Unternehmen eines Vertragsstaats durch eine im anderen Vertragsstaat gelegene Betriebsstätte Waren verkauft oder dort eine industrielle oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, die Gewinne dieser Betriebsstätte nicht aufgrund der Gesamteinnahmen des Unternehmens ermittelt werden, sondern nur aufgrund des Anteils an der Gesamtvergütung, die der Betriebsstätte tatsächlich für diese Verkäufe oder diese Tätigkeit zuzurechnen ist.
- b)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass, wenn ein Unternehmen bei Verträgen über die Überwachung, Lieferung oder Montage oder den Bau gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen oder Anlagen oder öffentlicher Einrichtungen eine Betriebsstätte hat, die Gewinne dieser Betriebsstätte nicht aufgrund der aus dem Vertrag erzielten Gesamteinnahmen ermittelt werden, sondern nur aufgrund des Teils am Vertrag, der tatsächlich durch die Betriebsstätte im Staat, in dem diese liegt, erfüllt wird. Die Gewinne, die auf denjenigen Teil des Vertrags entfallen, der tatsächlich durch den Hauptsitz des Unternehmens erfüllt wird, können nur im Staat besteuert werden, in dem das Unternehmen ansässig ist, sofern der zu zahlende Betrag nicht unter Artikel 13 fällt.
5. Zu den Art. 9 und 25
Es besteht Einvernehmen darüber, dass das Fehlen einer Bestimmung, welche die Vertragsstaaten zur Durchführung einer Gegenberichtigung verpflichtet, nicht so auszulegen ist, als hindere dies einen Vertragsstaat, eine solche angemessene Berichtigung vorzunehmen, wenn sie in einem Verständigungsverfahren vereinbart wurde.
6. Zu Art. 10 Abs. 2 Bst. a
Es besteht Einvernehmen darüber, dass, wenn die Mindesthaltedauer nach Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a zum Zeitpunkt der Zahlung der Dividende nicht eingehalten und die Steuer gemäss Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b anlässlich der Zahlung zurückbehalten wurde und die Mindesthaltedauer nachträglich erfüllt wird, die zur Nutzung der Dividende berechtigte Person die Rückerstattung der zurückbehaltenen Steuer bis zum Steuersatz nach Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a verlangen kann.
7. Zu den Art. 10 und 24
Es besteht Einvernehmen darüber, dass Artikel 10 Absatz 7 den Bestimmungen von Artikel 24 Absatz 2 nicht entgegensteht.
8. Zu Art. 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 und 13 Abs. 2
Gewährt Brasilien nach der Unterzeichnung dieses Abkommens aufgrund einer Vereinbarung oder eines Abkommens einem Drittstaat, der Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist, tiefere Steuersätze (einschliesslich einer Befreiung) als in diesen Artikeln, so sind diese Steuersätze ab ihrem Inkrafttreten und für die Dauer ihrer Gültigkeit ebenso für dieses Abkommen anwendbar.
9. Zu Art. 11 Abs. 4
Es besteht Einvernehmen darüber, dass Zinsen, die nach brasilianischem Recht als «Eigenkapitalverzinsung» («remuneração sobre o capital próprio») der Gesellschaft gezahlt werden, ebenfalls als Zinsen nach Absatz 4 gelten.
10. Zu Art. 12 Abs. 3
Es besteht Einvernehmen darüber, dass Artikel 12 Absatz 3 für Zahlungen jeder Art gilt, die als Vergütungen für technische Unterstützungsleistungen empfangen wurden.
11. Zu den Art. 12 und 24
Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Bestimmungen des brasilianischen Steuerrechts, die den Abzug der Lizenzgebühren nach Artikel 12 Absatz 3, die durch eine in Brasilien gelegene Betriebsstätte an eine in der Schweiz ansässige Person gezahlt werden, die in Brasilien eine industrielle oder gewerbliche Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt, nicht zulassen, für die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns dieser Betriebsstätte den Bestimmungen von Artikel 24 Absatz 2 dieses Abkommens nicht entgegenstehen.
12. Zu Art. 19
Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Einkünfte, auf die in Artikel 19 verwiesen wird, nicht nur periodische Zahlungen, sondern auch Kapitalleistungen einschliessen.
13. Zu den Art. 19 und 24
Es besteht Einvernehmen darüber, dass hinsichtlich der Artikel 19 und 24 Beiträge, die von oder für Rechnung einer natürlichen Person, die in einem Vertragsstaat tätig ist, an eine Vorsorgeeinrichtung, die im anderen Vertragsstaat errichtet ist, entrichtet werden, für Zwecke der Ermittlung der im erstgenannten Staat von der natürlichen Person zu zahlenden Steuer und der Ermittlung der Unternehmensgewinne, die dort besteuert werden können, in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen zu behandeln sind wie Beiträge, die an eine im erstgenannten Staat steuerlich anerkannte Vorsorgeeinrichtung gezahlt werden, sofern die natürliche Person unmittelbar vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit in diesem Staat nicht ansässig war und der Vorsorgeeinrichtung angehörte.
14. Zu Art. 24 Abs. 4
Es besteht Einvernehmen darüber, dass im Fall Brasiliens in Bezug auf Artikel 24 Absatz 4 andere als die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Steuerpflicht stehende Bedingungen (d. h. «obrigações acessórias» / «National Tax Code» – Law n. 5.172/66 and «Income Tax Regulation» – Decree n. 3,000/1999), die für Unternehmen in Brasilien gelten können, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar von einer oder mehreren in der Schweiz ansässigen Personen gehalten oder beherrscht wird, keine Diskriminierung schaffen.
15. Zu Art. 25
Im Sinne von Artikel XXII Absatz 3 (Konsultationen) des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen12 besteht Einigkeit zwischen den Vertragsstaaten, dass ungeachtet jener Bestimmung eine Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob eine Massnahme unter den Anwendungsbereich dieses Abkommens fällt, nur mit Zustimmung beider Vertragsstaaten im Sinne jener Bestimmung vor den Rat für Dienstleistungshandel gebracht werden kann. Zweifel über die Auslegung dieses Absatzes sind in Anwendung von Artikel 25 Absatz 3 dieses Artikels oder, wenn eine Einigung nicht zustande kommt, aufgrund eines anderen von den beiden Vertragsstaaten vereinbarten Verfahrens zu beseitigen.
16. Zu Art. 26
- a)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass der ersuchende Vertragsstaat ein Begehren um Austausch von Informationen erst dann stellt, wenn er alle in seinem innerstaatlichen Steuerverfahren vorgesehenen üblichen Mittel zur Beschaffung der Informationen ausgeschöpft hat.
- b)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Steuerbehörden des ersuchenden Staates bei der Stellung eines Amtshilfebegehrens nach Artikel 26 den Steuerbehörden des ersuchten Staates die nachstehenden Angaben zu liefern haben:
- (i)
- die Identität der in eine Überprüfung oder Untersuchung einbezogenen Person,
- (ii)
- die Zeitperiode, für welche die Informationen verlangt werden,
- (iii)
- eine Beschreibung der verlangten Informationen sowie Angaben hinsichtlich der Form, in der der ersuchende Staat diese Informationen vom ersuchten Staat zu erhalten wünscht,
- (iv)
- den Steuerzweck, für den die Informationen verlangt werden,
- (v)
- soweit bekannt, den Namen und die Adresse des mutmasslichen Inhabers der verlangten Informationen.
- c)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Zweck der Verweisung auf Informationen, die voraussichtlich erheblich sind, darin besteht, einen möglichst weit gehenden Informationsaustausch in Steuerbelangen zu gewährleisten, ohne den Vertragsstaaten zu erlauben, «fishing expeditions» zu betreiben oder um Informationen zu ersuchen, deren Erheblichkeit hinsichtlich der Steuerbelange einer bestimmten steuerpflichtigen Person unwahrscheinlich ist. Während Buchstabe b wichtige verfahrenstechnische Anforderungen enthält, die «fishing expeditions» vermeiden sollen, sind die Ziffern i–v von Buchstabe b nicht so auszulegen, dass sie einen wirksamen Informationsaustausch behindern.
- d)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass Artikel 26 des Abkommens die Vertragsstaaten nicht dazu verpflichtet, Informationen auf automatischer oder spontaner Basis auszutauschen.
- e)
- Es besteht Einvernehmen darüber, dass im Fall des Austauschs von Informationen die im ersuchten Staat geltenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts über die Rechte der steuerpflichtigen Person vorbehalten bleiben. Es besteht im Weiteren Einvernehmen darüber, dass diese Bestimmungen dazu dienen, der steuerpflichtigen Person ein ordnungsgemässes Verfahren zu gewähren, und nicht bezwecken, den Informationsaustausch zu verhindern oder übermässig zu verzögern.
17. Zu Art. 27
Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Bestimmungen des Abkommens einen Vertragsstaat nicht hindern, seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung anzuwenden.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Brasilia, am 3. Mai 2018, im Doppel in französischer, portugiesischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleicherweise verbindlich ist. Bei unterschiedlicher Auslegung des französischen und portugiesischen Wortlauts ist der englische Wortlaut massgebend.
Für die Schweizerische Eidgenossenschaft: Andrea Semadeni | Für die Föderative Republik Brasilien: Jorge Antonio Deher Rachid |