173.712.243
Reglement
der Aufsichtsbehörde
über die Bundesanwaltschaft
vom 15. Februar 2021 (Stand am 15. Juli 2024)
Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (Aufsichtsbehörde)
gestützt auf Artikel 27 Absatz 1 des Strafbehördenorganisationsgesetzes
vom 19. März 20101 (StBOG)
und auf Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung der Bundesversammlung
vom 1. Oktober 20102 über die Organisation und die Aufgaben
der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft,
beschliesst:
1 Die Aufsichtsbehörde nimmt die Aufgaben wahr, die ihr gemäss den Artikeln 29–31 StBOG übertragen sind.
2 Im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben übt sie eine Fach- und Dienstaufsicht über die Bundesanwaltschaft nach den Kriterien der Rechtmässigkeit, Ordnungsmässigkeit, Zweckmässigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit aus.
3 Zu diesen Zweck kann sie insbesondere:
- a.
- von der Bundesanwaltschaft sowie amtshilfeweise von der Bundespolizei, dem Nachrichtendienst oder weiteren Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden Auskünfte einholen, Berichte verlangen oder bei diesen Informationen einsehen;
- b.
- Untersuchungen und besondere Verfahren durchführen;
- c.
- eine ausserordentliche Staatsanwältin oder einen ausserordentlichen Staatsanwalt einsetzen;
- d.
- vorsorgliche Massnahmen zur Beweissicherung verfügen.
1 Die Aufsichtsbehörde ist eine Kollegialbehörde, die aus den von der Bundesversammlung gewählten Mitgliedern besteht und vom Präsidenten oder der Präsidentin geleitet wird.
2 Die Mitglieder der Aufsichtsbehörde arbeiten im Nebenamt.3
3 Die Mitglieder der Aufsichtsbehörde wählen den Präsidenten oder die Präsidentin sowie den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin. Sie ernennen den Leiter oder die Leiterin des Sekretariats der Behörde.
4 Erhält ein Mitglied der Aufsichtsbehörde Kenntnis von einer potenziell aufsichtsrechtlich relevanten Information, so setzt er oder sie den Präsidenten oder die Präsidentin unverzüglich in Kenntnis.
1 Die Aufsichtsbehörde kann Arbeitsgruppen für einzelne Aufgabenbereiche bilden, die Fragen abklären und Beschlüsse der Aufsichtsbehörde vorbereiten.
2 Sie kann einem oder mehreren ihrer Mitglieder die Instruktion von Untersuchungen und Verfahren sowie die Vorbereitung von Entscheiden übertragen.
Die Aufsichtsbehörde kann im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben folgende Untersuchungen und Verfahren durchführen:
- a.
- Abklärungen;
- b.
- Inspektionen;
- c.
- Administrativuntersuchungen;
- d.
- Disziplinarverfahren.
Für die Untersuchung von Einzelfragen kann die Aufsichtsbehörde bei der Bundesanwaltschaft Abklärungen durchführen, Personen befragen, Einsicht in Systeme der Bundesanwaltschaft nehmen und Akten beiziehen.
1 Die Aufsichtsbehörde führt jährlich eine oder mehrere Inspektionen bei der Bundesanwaltschaft durch. Die Themenauswahl erfolgt risikobasiert.
2 Inspektionen werden der Bundesanwaltschaft vorgängig angekündigt. Im Ausnahmefall kann die Aufsichtsbehörde unangekündigte Inspektionen durchführen.
3 Innerhalb einer Inspektion kann die Aufsichtsbehörde Mitarbeitende der Bundesanwaltschaft befragen, Einsicht in Systeme der Bundesanwaltschaft nehmen und Akten beiziehen.
4 Über Befragungen von Mitarbeitenden der Bundesanwaltschaft innerhalb einer Inspektion wird ein Wortprotokoll erstellt.
55 Die Aufsichtsbehörde regelt die Einzelheiten zur Durchführung von Inspektionen in einem Leitfaden.
Für die Durchführung von Administrativuntersuchungen gelten die Artikel 27a–27d der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 19984 und subsidiär das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 19685 sinngemäss.
Für das Disziplinarverfahren nach Artikel 31 Absatz 2 StBOG gelten die Artikel 16–19 der Verordnung der Bundesversammlung vom 1. Oktober 2010 über die Organisation und die Aufgaben der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft und subsidiär sinngemäss das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 19686.
1 Der Bundesanwalt oder die Bundesanwältin sowie die weiteren Mitarbeitenden der Bundesanwaltschaft sind der Aufsichtsbehörde im Rahmen von deren Abklärungen, Inspektionen und anderen Untersuchungen zu umfassender Auskunft verpflichtet.
2 Die Aufsichtsbehörde kann den auskunfterteilenden Personen Vertraulichkeit zusichern.
1 Für die Durchführung von Untersuchungen und Verfahren kann die Aufsichtsbehörde Sachverständige beiziehen.
2 Den Sachverständigen kommt die Verfügungshoheit im Rahmen ihrer Prozess- und Verfahrensleitung zu.
Die Aufsichtsbehörde kann nach Artikel 29 Absatz 2 StBOG gegenüber der Bundesanwaltschaft generelle Weisungen bezüglich der Erfüllung von deren Aufgaben erlassen; diese betreffen grundsätzlich systematische Probleme oder Grundsatzfragen der Erfüllung der Aufgaben aus einem oder mehreren Fällen, nicht aber einzelne Aspekte eines Strafverfahrens.
1 Der Präsident oder die Präsidentin nimmt folgende Aufgaben wahr:
- a.
- Vertretung der Aufsichtsbehörde gegen aussen;
- b.
- Erstellung des Entwurfs der Geschäftsplanung der Aufsichtsbehörde und der Traktandenlisten der Sitzungen, in Zusammenarbeit mit dem Sekretariat;
- c.
- Leitung der Sitzungen der Behörde;
- d.
- Organisation und Überwachung des Sekretariats;
- e.
- Berichterstattung gegenüber der parlamentarischen Oberaufsicht und weiteren Kommissionen der eidgenössischen Räte über wesentliche Erkenntnisse aus der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft, über den Geschäftsgang der Aufsichtsbehörde und besondere Vorkommnisse;
- f.
- Sicherstellung des Rechnungslaufs;
- g.
- Überwachung der Abwicklung der Leistungsvereinbarungen mit Bundesstellen über administrative und logistische Leistungen;
- h.
- Abschluss von Dienstleistungsverträgen mit den von der Aufsichtsbehörde eingesetzten ausserordentlichen Staatsanwälten oder Staatsanwältinnen und weiteren externen Sachverständigen;
- i.
- Entscheide über Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Aufsichtsbeschwerden;
- j.
- Antworten auf Eingaben bei Unzuständigkeit der Aufsichtsbehörde;
- k.
- Entbindung vom Berufs- und Amtsgeheimnis;
- l.
- Redaktion und Bekanntgabe von Medienmitteilungen und Auskünfte an Medienvertreter und Medienvertreterinnen, in Zusammenarbeit mit dem Sekretariat;
- m.
- Wahrnehmung weiterer Aufgaben, die dieses Reglement dem Präsidenten oder der Präsidentin überträgt.
2 Der Präsident oder die Präsidentin informiert das Kollegium über die wichtigen Entscheide oder Massnahmen, die er oder sie getroffen hat.
3 Im Verhinderungsfall wird der Präsident oder die Präsidentin durch den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin vertreten.
1 Das Sekretariat besteht aus dem Leiter oder der Leiterin Sekretariat und weiteren Mitarbeitenden.
2 Der Leiter oder die Leiterin Sekretariat gewährleistet den Geschäftsgang der Aufsichtsbehörde.
3 Die Aufsichtsbehörde stellt auf Vorschlag des Leiters oder der Leiterin Sekretariat das weitere Personal an und entscheidet über die Anstellungsbedingungen. Massgebend dafür sind das Bundespersonalgesetz vom 24. März 20007 und dessen Ausführungsbestimmungen.
1 Das Sekretariat unterstützt die Aufsichtsbehörde fachlich und administrativ.
2 Es hat insbesondere folgende Aufgaben:
- a.
- Erledigung des Tagesgeschäfts, insbesondere der Korrespondenz und der Kommunikation mit den Mitgliedern der Aufsichtsbehörde sowie mit anderen Behörden oder Stellen;
- b.
- Entwurf der Arbeitsplanungen der Aufsichtsbehörde unter der Leitung des Präsidenten oder der Präsidentin oder eines mit der Instruktion von Untersuchungen und Verfahren betrauten Mitglieds;
- c.
- Organisation und Protokollierung der Sitzungen der Aufsichtsbehörde und der Arbeitsgruppen;
- d.
- Mitwirkung bei der Instruktion und Durchführung der Verfahren sowie der Inspektionen, jeweils unter der Leitung des Präsidenten oder der Präsidentin oder eines mit der Instruktion beauftragten Mitglieds
- e.
- Verfassen von Beschluss- und Berichtsentwürfen;
- f.
- Entwurf des Voranschlags und der Finanzplanung der Aufsichtsbehörde sowie Überwachung und Abschluss der Rechnungsführung;
- g.
- Betriebs- und Materialverwaltung;
- h.
- Führung des Archivs.
1 Die Aufsichtsbehörde trifft die Arbeitgeberentscheide in Form von Verfügungen.
2 Diese Verfügungen sind direkt beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar.
1 Der Präsident oder die Präsidentin beruft die Sitzung gemäss der Geschäftsplanung oder bei besonderem Bedarf ein.
2 Er oder sie beruft eine Sitzung ein, wenn ein Mitglied der Behörde dies unter Angabe von wichtigen Gründen beantragt.
3 Das Sekretariat stellt nach Genehmigung durch den Präsidenten oder die Präsidentin sowie des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin die Traktandenliste und die Sitzungsunterlagen allen Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmern zur Verfügung.
4 Nimmt die Bundesanwaltschaft an der Sitzung teil, so spricht das Sekretariat die Traktanden und Unterlagen mit dem Stab des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin vor der Sitzung ab.
1 Die Aufsichtsbehörde ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist.
2 Sie fasst ihre Beschlüsse mit der Mehrheit der stimmenden Mitglieder.
3 Ausserhalb von Sitzungen kann sie Beschlüsse auf dem Zirkulationsweg oder auf elektronischem Weg fassen.
4 Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Präsidenten oder der Präsidentin ausschlaggebend.
5 Bei voraussichtlich oder offensichtlich unbegründeten Strafanzeigen kann der Präsident oder die Präsidentin oder der Vizepräsident oder die Vizepräsidentin mit Zustimmung eines weiteren Mitglieds einen ausserordentlichen Staatsanwalt oder eine ausserordentliche Staatsanwältin einsetzen.8
1 Das Sekretariat verfasst über die Verhandlungen der Aufsichtsbehörde ein Protokoll. Dieses wird nach seiner Genehmigung von dem Vorsitzenden oder der Vorsitzenden und vom Protokollführer oder von der Protokollführerin unterzeichnet.
2 Für die Sitzungen mit der Bundesanwaltschaft wird eine Tonaufnahme erstellt, nach der ein Wortprotokoll verfasst wird. Die Tonaufnahmen sind nach einem Jahr zu löschen, ausser es bestehen besondere Umstände, die eine längere Aufbewahrung der Aufnahmen rechtfertigen.
3 Für die Erstellung der Wortprotokolle kann das Sekretariat externe Protokollführer und Protokollführerinnen beiziehen.
4 Sitzungsteilnehmende der Bundesanwaltschaft kontrollieren und unterzeichnen die sie betreffenden Auszüge der Wortprotokolle.
1 Die Aufsichtsbehörde erstellt den Voranschlag und die Jahresrechnung auf Antrag ihres Sekretariats und reicht diese über den Bundesrat den Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte zur Genehmigung ein.
2 Sie informiert die Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte über ihre Finanzplanung.
1 Die Beratungen, Protokolle, Arbeitspapiere und sonstigen Dokumente der Aufsichtsbehörde und ihrer Arbeitsgruppen sind vertraulich.
2 Die Mitglieder der Aufsichtsbehörde, das Personal des Sekretariats, beigezogene Sachverständige und externe Protollführer und Protokollführerinnen sind verpflichtet, das Amtsgeheimnis über Tatsachen zu wahren, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangen und die nach ihrer Natur vertraulich sind.
3 Soweit Informationen hängige Strafverfahren betreffen, ist das Strafprozessgeheimnis zu wahren.
1 Die Mitglieder der Aufsichtsbehörde informieren den Präsidenten oder die Präsidentin über allfällige Ausstandsgründe.
2 Wird ein Ausstandsgrund bestritten, so entscheidet die Aufsichtsbehörde unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds.
3 Im Übrigen sind die Artikel 56–60 der Strafprozessordnung9 sinngemäss anwendbar.
1 Die Aufsichtsbehörde verabschiedet jährlich einen Tätigkeitsbericht zuhanden der Bundesversammlung (Art. 29 Abs. 1 StBOG). Dieser wird veröffentlicht.
2 Sie informiert die Öffentlichkeit zusätzlich periodisch oder nach Bedarf über wichtige Tätigkeiten und Erkenntnisse.
3 Sie verfügt über eine eigene Website. Sie veröffentlicht darauf alle relevanten Informationen über ihre Tätigkeit.10
Das Reglement vom 4. November 201011 der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft wird aufgehoben.
Dieses Reglement tritt am 15. April 2021 in Kraft.