1. Das Dosis-Massnahmenkonzept (DMK) bildet für die NAZ die Grundlage für die Anordnung von Sofortmassnahmen bei einer unmittelbaren Gefährdung der Bevölkerung durch ein Ereignis mit erhöhter Radioaktivität. Das Ziel der Sofortmassnahmen ist es, das gesundheitliche Risiko der Bevölkerung zu minimieren.
2. Sofortmassnahmen sind zu treffen, wenn es bei einem Ereignis mit erhöhter Radioaktivität wahrscheinlich ist, dass die Referenzwerte für Notfall-Expositionssituationen für die Bevölkerung (Art. 133 der Strahlenschutzverordnung vom 26. April 201710) überschritten werden. Werden die Referenzwerte nicht überschritten, so ist die Strahlenexposition der Bevölkerung so weit als möglich und sinnvoll zu reduzieren (Art. 4 der Strahlenschutzverordnung).
3. Nach Eintritt des Ereignisses werden Sofortmassnahmen nach Tabelle 1 oder 2 angeordnet. Es werden zuerst einschneidende Massnahmen angeordnet; anschliessend können sie je nach Lage wieder gelockert werden. Die angeordneten Sofortmassnahmen werden im Sinne einer Erfolgskontrolle überprüft, mit den jeweils neusten Dosisbilanzen, Prognosen und Ereignisdaten im Rahmen des DMK korreliert und nötigenfalls den neuen Gegebenheiten angepasst.
4. Überschreitet die ohne Anordnung von Schutzmassnahmen erwartete Dosis der am meisten exponierten Personen der Bevölkerung (effektive Individualdosis bzw. Schilddrüsendosis) die Schwellenwerte nach Tabelle 1, so werden die entsprechenden Sofortmassnahmen angeordnet.
5. Die Bevölkerung wird informiert, wenn die Dosis von 1 mSv überschritten wird. Die Information wird mit Verhaltensempfehlungen verbunden, insbesondere zum Schutz der vulnerablen Bevölkerungsgruppen.
6. Ist aufgrund der Art des Ereignisses die dringliche Anordnung von Schutzmassnahmen erforderlich und kann die Tabelle 1 nicht angewendet werden, so sind Sofortmassnahmen nach Tabelle 2 anzuordnen.
7. Sofortmassnahmen nach Tabelle 1 oder 2 werden angeordnet, wenn sie geeignet und erforderlich sind, um das gesundheitliche Risiko der exponierten Bevölkerung zu verringern. Dabei werden berücksichtigt:
- –
- die Gesamtlage;
- –
- die möglichen Entwicklungen der radiologischen Lage;
- –
- die vermiedene und die verbleibende Dosis;
- –
- mögliche negative Auswirkungen der Massnahmen;
- –
- die Durchführbarkeit der Massnahmen;
- –
- die verfügbare Zeit zur Umsetzung der Massnahmen;
- –
- die Abstimmung mit den betroffenen Nachbarländern;
- –
- wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen.
8. Für diejenigen Gebiete, in denen Schutzmassnahmen für die Bevölkerung ergriffen wurden, sowie für Gebiete in Abwindrichtung kann ein Ernte- und Weideverbot angeordnet werden. Es werden zuerst einschneidende Massnahmen angeordnet; anschliessend können die Massnahmen je nach Lage wieder gelockert werden. Die übrigen Massnahmen richten sich nach der Landwirtschafts- und Lebensmittelgesetzgebung.
Tabelle 1: Dosisschwellen
Sofortmassnahmen | Dosis | Dosisschwelle | Integrationszeit |
Geschützter Aufenthalt (im Haus, Keller oder Schutzraum) | E Ext + Inh | 10 mSv | 7 Tage |
Einnahme von Jodtabletten | H Sch, Inh, Jod | 50 mSv | 7 Tage |
Vorsorgliche Evakuierung oder geschützter Aufenthalt | E Ext + Inh | 100 mSv | 7 Tage |
Dosis: Als Dosis gilt in allen Fällen die Dosis, die durch Exposition oder Inkorporation im Freien innerhalb von 7 Tagen nach dem Ereignis ohne die in Betracht gezogene Schutzmassnahme zu erwarten ist. Integrationszeit: Angenommene Dauer der gefährdenden Freisetzung. Dauert diese länger als 7 Tage, so gilt die effektive Freisetzungsdauer als Integrationszeit. mSv: Millisievert E Ext + Inh: Effektive Dosis aus externer Bestrahlung und Inhalation im Freien. H Sch, Inh, Jod: Schilddrüsendosis aus der Inhalation von radioaktivem Jod im Freien. |
Tabelle 2: Sofortmassnahmen ohne Dosisschwellen
Ereignis | Kriterium* | Sofortmassnahmen |
Terroranschlag | Explosion mit unklarer Situation | - –
- Absperrungen: mind. 100 m (Gefahrenzone) / 500 m (Sperrzone)
- –
- Geschützter Aufenthalt für Anwohner/innen / Bevölkerung innerhalb der Absperrungen
|
Ereignis mit hochradioaktiver Quelle | Explosion, Grossbrand | |
Anschlag auf Transport | Explosion bei Transport mit hochradioaktiven Stoffen | |
Ereignis Kernanlage | Schneller Störfall | Zone 1: Geschützter Aufenthalt |
| Vermutete Kernschmelze** | Zone 1: Vorsorgliche Evakuierung bzw. geschützter Aufenthalt und Einnahme von Jodtabletten Zone 2: Geschützter Aufenthalt und Einnahme von Jodtabletten |
A-Waffen-Explosion | Explosion grenznah oder in der Schweiz | Geschützter Aufenthalt in Abwindrichtung (ganze Schweiz) |
- *
- Neben den hier aufgeführten Kriterien sind auch alle weiteren verfügbaren Informationen zu berücksichtigen, insbesondere Meteorologie und erste Messwerte. Sobald bessere Grundlagen vorliegen, werden die Sofortmassnahmen überprüft und bei Bedarf angepasst.
- **
- Die Zuständigkeiten für die Beurteilung richten sich nach der Notfallschutzverordnung vom 14. November 201811.
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