0.231.174

 AS 2020 1361; BBl 2018 591

Übersetzung

Vertrag von Peking
über den Schutz von audiovisuellen Darbietungen

Abgeschlossen in Peking am 24. Juni 2012

Von der Bundesversammlung genehmigt am 21. Juni 20191

Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 11. Februar 2020

In Kraft getreten für die Schweiz am 11. Mai 2020

(Stand am 28. Juni 2021)

Die Vertragsparteien,

in dem Wunsch, den Rechtsschutz für ausübende Künstler in Bezug auf ihre audiovisuellen Darbietungen in möglichst wirksamer und gleichmässiger Weise fortzuentwickeln und aufrechtzuerhalten,

unter Hinweis auf die Bedeutung der 2007 von der Generalversammlung des Übereinkommens zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO)2 verabschiedeten Empfehlungen des Aktionsplans Entwicklung, die gewährleisten sollen, dass die Entwicklungsbelange in die Tätigkeiten der Organisation eingebunden werden,

in Erkenntnis der Notwendigkeit, neue internationale Vorschriften einzuführen, damit für die durch wirtschaftliche, kulturelle und technische Entwicklung entstehenden Fragen angemessene Lösungen gefunden werden können,

im Hinblick auf die tiefgreifenden Auswirkungen der Entwicklung und Annäherung der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Produktion und Nutzung von audiovisuellen Darbietungen,

in Erkenntnis der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten der aus­übenden Künstler an ihren audiovisuellen Darbietungen und dem umfassenderen öffen­tlichen Interesse, insbesondere Bildung, Forschung und Zugang zu Informa­tionen, zu wahren,

in Erkenntnis, dass der am 20. Dezember 19963 in Genf abgeschlossene WIPO-Ver­trag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) den ausübenden Künstlern keinen Schutz für ihre audiovisuellen Darbietungen gewährt,

unter Bezugnahme auf die von der Diplomatischen Konferenz über bestimmte Fra­gen des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte am 20. Dezember 1996 angenommene Resolution über audiovisuelle Darbietungen,

sind wie folgt übereingekommen:

Art. 1 Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Verträgen

1.  Die zwischen den Vertragsparteien bestehenden Pflichten aus dem WPPT-Ver­trag oder aus dem am 26. Oktober 19614 in Rom geschlossenen Internationalen Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen werden durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt.

2.  Der durch diesen Vertrag vorgesehene Schutz lässt den Schutz der Urheberrechte an Werken der Literatur und Kunst unberührt und beeinträchtigt ihn in keiner Weise. Daher darf keine Bestimmung dieses Vertrags in einer Weise ausgelegt werden, die diesem Schutz Abbruch tut.

3.  Dieser Vertrag steht nur mit dem WPPT-Vertrag in Verbindung und berührt keinerlei Rechte oder Pflichten aus anderen Verträgen.

Art. 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Vertrags:

a)
sind «ausübende Künstler» Schauspieler, Sänger, Musiker, Tänzer und andere Personen, die Werke der Literatur und Kunst oder Ausdrucksformen der Volkskunst aufführen, singen, vortragen, vorlesen, spielen, interpretieren oder auf andere Weise darbieten;
b)
bedeutet «audiovisuelle Festlegung» die Verkörperung von bewegten Bildern mit oder ohne Ton oder von Darstellungen derselben in einer Weise, dass sie mittels einer Vorrichtung wahrgenommen, vervielfältigt oder wieder­gegeben werden können;
c)
bedeutet «Sendung» die drahtlose Übertragung von Tönen oder Bildern oder Bildern und Tönen oder von Darstellungen derselben zum Zwecke des Empfangs durch die Öffentlichkeit; die Übertragung über Satellit ist ebenfalls «Sendung»; die Übertragung verschlüsselter Signale ist eine «Sendung», soweit die Mittel zur Entschlüsselung der Öffentlichkeit von dem Sende­unternehmen oder mit dessen Zustimmung zur Verfügung gestellt werden;
d)
bedeutet «öffentliche Wiedergabe» einer Darbietung die öffentliche Übertragung einer nicht festgelegten oder einer in einer audiovisuellen Fest­legung festgelegten Darbietung auf einem anderen Wege als durch Sendung. Im Sinne von Artikel 11 umfasst «öffentliche Wiedergabe» das öffentliche Hörbar- oder Sichtbarmachen oder Hörbar- und Sichtbarmachen einer in einer audiovisuellen Festlegung festgelegten Darbietung.
Art. 3 Schutzberechtigte

1.  Die Vertragsparteien gewähren den ausübenden Künstlern, die Angehörige an­derer Vertragsparteien sind, den in diesem Vertrag vorgesehenen Schutz.

2.  Ausübende Künstler, die nicht Angehörige einer Vertragspartei sind, aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien haben, sind für die Zwecke dieses Vertrags den Angehörigen dieser Vertragspartei gleichgestellt.

Art. 4 Inländerbehandlung

1.  Jede Vertragspartei gewährt den Angehörigen anderer Vertragsparteien die Behand­lung, die sie ihren eigenen Angehörigen in Bezug auf die nach diesem Vertrag ausdrücklich gewährten ausschliesslichen Rechte und das Recht auf angemes­sene Vergütung gemäss Artikel 11 gewährt.

2.  Eine Vertragspartei ist berechtigt, den Umfang und die Dauer des den Angehö­rigen einer anderen Vertragspartei nach Absatz 1 gewährten Schutzes hinsichtlich der Rechte nach Artikel 11 Absätze 1 und 2 dieses Vertrags auf die Rechte einzuschränken, die ihren eigenen Angehörigen durch die andere Vertragspartei gewährt werden.

3.  Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt weder gegenüber einer anderen Vertragspartei, die von den Vorbehalten nach Artikel 11 Absatz 3 dieses Vertrags Gebrauch macht, noch für eine Vertragspartei, die selbst einen solchen Vorbehalt angemeldet hat.

Art. 5 Persönlichkeitsrechte

1.  Unabhängig von ihren wirtschaftlichen Rechten haben ausübende Künstler auch nach Abtretung dieser Rechte in Bezug auf ihre Live-Darbietungen oder in audio­visuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen das Recht:

i.
auf Namensnennung in Bezug auf ihre Darbietungen, sofern die Unterlassung der Namensnennung nicht durch die Art der Nutzung der Darbietung geboten ist; und
ii.
gegen jede Entstellung, Verstümmelung oder sonstige Änderung ihrer Darbietungen, die ihrem Ruf abträglich wäre, unter angemessener Berücksichtigung der Art der audiovisuellen Festlegung Einspruch zu erheben.

2.  Die Rechte der ausübenden Künstler nach Absatz 1 bestehen nach ihrem Tod mindestens bis zum Erlöschen der wirtschaftlichen Rechte fort und können von den Personen oder Institutionen wahrgenommen werden, die nach dem Recht der Vertragspartei, in deren Gebiet der Schutz beansprucht wird, hierzu befugt sind. Die Vertragsparteien, deren Recht zum Zeitpunkt der Ratifikation dieses Vertrags oder des Beitritts zu diesem Vertrag keinen Schutz für sämtliche in Absatz 1 genannten Rechte der ausübenden Künstler nach deren Ableben vorsieht, können bestimmen, dass einige dieser Rechte nach dem Tod nicht fortbestehen.

3.  Die Möglichkeiten des Rechtsschutzes zur Wahrung der nach diesem Artikel gewährten Rechte bestimmen sich nach dem Recht der Vertragspartei, in deren Ge­biet der Schutz beansprucht wird.

Art. 7 Vervielfältigungsrecht

Ausübende Künstler haben das ausschliessliche Recht, jede unmittelbare oder mittel­bare Vervielfältigung ihrer in audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietun­gen zu erlauben, gleichviel, auf welche Art und in welcher Form sie vorgenommen wird.

Art. 8 Verbreitungsrecht

1.  Ausübende Künstler haben das ausschliessliche Recht zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke ihrer in audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen durch Verkauf oder sonstige Eigentumsübertragung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

2.  Dieser Vertrag berührt nicht die Freiheit der Vertragsparteien, gegebenenfalls zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen sich das Recht nach Absatz 1 nach dem ersten mit Erlaubnis der ausübenden Künstler erfolgten Verkaufs des Originals oder eines Vervielfältigungsstücks oder der ersten sonstigen Eigentumsübertragung er­schöpft.

Art. 9 Vermietrecht

1.  Ausübende Künstler haben das ausschliessliche Recht, die gewerbsmässige Ver­mie­tung des Originals und der Vervielfältigungsstücke ihrer in audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen nach Massgabe der Rechtsvorschriften der Ver­tragsparteien zu erlauben, auch wenn diese bereits durch die ausübenden Künstler selbst oder mit ihrer ausdrücklichen Erlaubnis verbreitet worden sind.

2.  Die Vertragsparteien sind nicht an die Verpflichtung von Absatz 1 gebunden, sofern die gewerbsmässige Vermietung nicht zu einer weit verbreiteten Vervielfältigung der festgelegten Darbietungen geführt hat, die das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht der ausübenden Künstler erheblich beeinträchtigt.

Art. 10 Recht auf Zugänglichmachung festgelegter Darbietungen

Ausübende Künstler haben das ausschliessliche Recht zu erlauben, dass ihre in audio­­visuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.

Art. 11 Recht auf Sendung und öffentliche Wiedergabe

1.  Ausübende Künstler haben das ausschliessliche Recht, die Sendung und öffent­liche Wiedergabe ihrer in audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen zu erlauben.

2.  Die Vertragsparteien können in einer beim Generaldirektor der WIPO hinterlegten Notifikation erklären, dass sie anstelle des Rechts zu erlauben nach Absatz 1 das Recht auf angemessene Vergütung für die mittelbare oder unmittelbare Nutzung der in audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen zu Sendezwecken oder zum Zwecke der öffentlichen Wiedergabe vorsehen. Die Vertragsparteien können auch erklären, dass sie in ihren Rechtsvorschriften die Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf angemessene Vergütung vorsehen werden.

3.  Jede Vertragspartei kann erklären, dass sie die Bestimmungen in Absätzen 1 oder 2 nur in Bezug auf bestimmte Nutzungsarten anwenden oder die Anwendung in einer anderen Weise einschränken wird oder dass sie die Bestimmungen in Absätzen 1 und 2 überhaupt nicht anwenden wird.

Art. 12 Abtretung von Rechten

1.  Eine Vertragspartei kann in ihren Rechtsvorschriften vorsehen, dass nach erteilter Zustimmung eines ausübenden Künstlers zur Festlegung seiner Darbietung in einer audiovisuellen Festlegung die ausschliesslichen Rechte zu erlauben gemäss den Arti­keln 7 bis 11 dieses Vertrags beim Hersteller der audiovisuellen Festlegung sind oder von ihm ausgeübt oder an ihn abgetreten werden, sofern nicht zwischen dem ausübenden Künstler und dem Hersteller der audiovisuellen Festlegung nach Massgabe der nationalen Rechtsvorschriften vertraglich etwas anderes vereinbart wird.

2.  Eine Vertragspartei kann für die Zustimmung oder den Vertrag in Bezug auf nach ihren Rechtsvorschriften hergestellte audiovisuelle Festlegungen die Schriftform vor­schreiben und verlangen, dass der Vertrag von beiden Vertragsparteien oder de­ren ordnungsgemäss bevollmächtigten Vertretern unterzeichnet wird.

3.  Unabhängig von der oben beschriebenen Abtretung der ausschliesslichen Rechte können nationale Rechtsvorschriften oder individuellen, kollektiven oder sonstigen Vereinbarungen dem ausübenden Künstler für jede Nutzung der Darbietung ein Anspruch auf Lizenzgebühren oder angemessene Vergütung gewähren, wie von die­sem Vertrag vorgesehen, auch im Hinblick auf die Artikel 10 und 11.

Art. 13 Beschränkungen und Ausnahmen

1.  Die Vertragsparteien können in ihren Rechtsvorschriften in Bezug auf den Schutz der ausübenden Künstler Beschränkungen und Ausnahmen gleicher Art vorsehen, wie sie in ihren Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit dem Schutz des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst vorgesehen sind.

2.  Die Vertragsparteien begrenzen die Beschränkungen und Ausnahmen in Bezug auf die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte auf bestimmte Sonderfälle, die we­der die normale Verwertung der Darbietung beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen der ausübenden Künstler unzumutbar verletzen.

Art. 14 Schutzdauer

Die Dauer des den ausübenden Künstlern nach diesem Vertrag zu gewährenden Schutzes beträgt mindestens 50 Jahre, gerechnet vom Ende des Jahres, in dem die Darbietung in einer audiovisuellen Festlegung festgelegt wurde.

Art. 15 Pflichten in Bezug auf technische Vorkehrungen

Die Vertragsparteien sehen einen hinreichenden Rechtsschutz und wirksame Rechts­behelfe gegen die Umgehung wirksamer technischer Vorkehrungen vor, von denen ausübende Künstler im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Rechte nach diesem Vertrag Gebrauch machen und die Handlungen in Bezug auf ihre Darbietungen einschränken, die der betreffende ausübende Künstler nicht erlaubt hat oder die gesetzlich nicht zulässig sind.

Art. 16 Pflichten in Bezug auf Informationen für die Wahrnehmung der Rechte

1.  Die Vertragsparteien sehen hinreichende und wirksame Rechtsbehelfe gegen Perso­nen vor, die wissentlich eine der nachstehenden Handlungen vornehmen, obwohl ihnen bekannt ist oder in Bezug auf zivilrechtliche Rechtsbehelfe den Umständen nach bekannt sein muss, dass diese Handlung die Verletzung eines unter diesen Vertrag fallenden Rechts herbeiführen, ermöglichen, erleichtern oder verbergen wird:

i.
unbefugte Entfernung oder Änderung elektronischer Informationen für die Wahrnehmung der Rechte;
ii.
unbefugte Verbreitung, Einfuhr zur Verbreitung, Sendung, öffentliche Wiedergabe oder Zugänglichmachung von Darbietungen oder Vervielfältigungsstücken von in audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietungen in Kenntnis des Umstands, dass elektronische Informationen für die Wahrnehmung der Rechte unbefugt entfernt oder geändert wurden.

2.  Im Sinne dieses Artikels sind «Informationen für die Wahrnehmung der Rechte» Informationen, die den ausübenden Künstler, seine Darbietung oder den Inhaber eines Rechts an der Darbietung identifizieren, oder Informationen über die Nutzungsbedingungen einer Darbietung oder Zahlen oder Codes, die derartige Informationen darstellen, wenn irgendeines dieser Informationselemente an einem Vervielfältigungsstück einer in einer audiovisuellen Festlegungen festgelegten Darbietung angebracht ist.

Art. 17 Formvorschriften

Der Genuss und die Ausübung der in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte unter­liegen keinerlei Formvorschriften.

Art. 18 Vorbehalte und Notifikationen

1.  Mit Ausnahme des Artikels 11 Absatz 3 sind Vorbehalte zu diesem Vertrag nicht zulässig.

2.  Notifikationen nach Artikel 11 Absatz 2 oder Artikel 19 Absatz 2 können in den Ratifikations- oder Beitrittsurkunden erfolgen, wobei die Notifikation zu dem Zeitpunkt wirksam wird, zu dem der Vertrag für die notifizierende Vertragspartei in Kraft tritt. Die Notifikation kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, in diesem Fall wird sie drei Monate nach ihrem Eingang beim Generaldirektor der WIPO oder zu einem späteren, in der Notifikation angegebenen Zeitpunkt wirksam.

Art. 19 Anwendung in zeitlicher Hinsicht

1.  Die Vertragsparteien gewähren den nach diesem Vertrag vorgesehenen Schutz für festgelegte Darbietungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrags existieren, sowie für alle Darbietungen, die erfolgen, nachdem dieser Vertrag für die Vertragspartei in Kraft getreten ist.

2.  Unbeschadet der Bestimmungen von Absatz 1 kann eine Vertragspartei in einer Notifikation an den Generaldirektor der WIPO erklären, dass sie die Bestimmungen der Artikel 7 bis 11 dieses Vertrags oder eine oder mehrere derselben nicht auf festgelegte Darbietungen anwenden wird, die bereits existierten, als dieser Vertrag für sie in Kraft getreten ist. Gegenüber dieser Vertragspartei können die anderen Vertragsparteien die Anwendung der genannten Artikel auf Darbietungen beschränken, die nach Inkrafttreten dieses Vertrags für die betreffende Vertragspartei erfolgt sind.

3.  Der nach diesem Vertrag gewährte Schutz lässt alle Handlungen, Verträge und Rechte unberührt, deren Vornahme, Abschluss beziehungsweise Erwerb erfolgte, bevor dieser Vertrag für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist.

4.  Die Vertragsparteien können in ihren Rechtsvorschriften Übergangsbestimmungen vorsehen, gemäss denen eine Person, die vor Inkrafttreten dieses Vertrags rechtlich zulässige Handlungen in Bezug auf eine Darbietung vorgenommen hat, hinsichtlich derselben Darbietung auch nach Inkrafttreten dieses Vertrags für die jeweiligen Vertragsparteien Handlungen vornehmen kann, die in den Schutzbereich der in Artikel 5 sowie 7 bis 11 vorgesehenen Rechte fallen.

Art. 20 Rechtsdurchsetzung

1.  Die Vertragsparteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit ihren Rechtsordnungen die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Anwendung dieses Ver­trags sicherzustellen.

2.  Die Vertragsparteien stellen sicher, dass in ihren Rechtsordnungen Verfahren zur Rechtsdurchsetzung verfügbar sind, um ein wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung von unter diesen Vertrag fallenden Rechten zu ermöglichen, einschliesslich Eil­verfahren zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Rechtsbehelfen zur Abschreckung von weiteren Verletzungshandlungen.

Art. 21 Die Versammlung

1. a) Die Vertragsparteien haben eine Versammlung.

b)
Jede Vertragspartei wird in der Versammlung durch einen Delegierten vertreten, der von Stellvertretern, Beratern und Sachverständigen unterstützt werden kann.
c)
Die Kosten jeder Delegation werden von der Vertragspartei getragen, die sie entsandt hat. Die Versammlung kann die WIPO um finanzielle Unterstützung bitten, um die Teilnahme von Delegationen von Vertragsparteien zu erleichtern, die nach der bestehenden Übung der Generalversammlung der Ver­einten Nationen als Entwicklungsländer angesehen werden oder die Län­der im Übergang zur Marktwirtschaft sind.

2. a) Die Versammlung behandelt Fragen, die die Erhaltung und Entwicklung sowie die Anwendung und Durchführung dieses Vertrags betreffen.

b)
Die Versammlung nimmt in Bezug auf die Zulassung bestimmter zwischenstaatlicher Organisationen als Vertragspartei die ihr nach Artikel 23 Absatz 2 übertragene Aufgabe wahr.
c)
Die Versammlung beschliesst die Einberufung einer diplomatischen Konferenz zur Revision dieses Vertrags und erteilt dem Generaldirektor der WIPO die notwendigen Weisungen für die Vorbereitung einer solchen Konferenz.

3. a) Jede Vertragspartei, die ein Staat ist, verfügt über eine Stimme und stimmt nur in ihrem Namen ab.

b)
Eine Vertragspartei, die eine zwischenstaatliche Organisation ist, kann anstelle ihrer Mitgliedstaaten an der Abstimmung teilnehmen und verfügt über eine Anzahl von Stimmen, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragspartei dieses Vertrags sind. Eine zwischenstaatliche Organisa­tion kann nicht an der Abstimmung teilnehmen, wenn einer ihrer Mitgliedstaaten sein Stimmrecht ausübt und umgekehrt.

4.  Die Versammlung tritt nach Einberufung durch den Generaldirektor der WIPO, wenn keine ausserordentlichen Umstände vorliegen, im selben Zeitraum und am selben Ort wie die Generalversammlung der WIPO zusammen.

5.  Die Versammlung ist bestrebt, ihre Beschlüsse einvernehmlich zu fassen, und gibt sich eine Geschäftsordnung, in der unter anderem die Einberufung ausserorden­tlicher Tagungen, die Voraussetzungen für die Beschlussfähigkeit und, vorbehalt­lich der Bestimmungen dieses Vertrags, die Mehrheitserfordernisse für die verschiedenen Arten von Beschlüssen geregelt sind.

Art. 23 Qualifikation als Vertragspartei

1.  Jeder Mitgliedstaat der WIPO kann Vertragspartei dieses Vertrags werden.

2.  Die Versammlung kann beschliessen, jede zwischenstaatliche Organisation als Vertragspartei zuzulassen, die erklärt, für die durch diesen Vertrag geregelten Bereiche zuständig zu sein, über diesbezügliche Vorschriften, die für alle ihre Mitgliedstaaten bindend sind, zu verfügen und in Übereinstimmung mit ihrer Geschäftsordnung ordnungsgemäss ermächtigt worden zu sein, Vertragspartei zu werden.

3.  Die Europäische Union, die auf der Diplomatischen Konferenz, auf der dieser Vertrag angenommen wurde, die in Absatz 2 bezeichnete Erklärung abgegeben hat, kann Vertragspartei dieses Vertrags werden.

Art. 26 Inkrafttreten des Vertrags

Dieser Vertrag tritt drei Monate nach Hinterlegung der dreissigsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde durch die qualifizierten Parteien im Sinne von Artikel 23 in Kraft.

Art. 27 Inkrafttreten des Vertrags für eine Vertragspartei

Dieser Vertrag bindet:

i.
die dreissig qualifizierten Parteien im Sinne von Artikel 26 ab dem Tag, an dem dieser Vertrag in Kraft getreten ist;
ii.
jede andere qualifizierte Partei im Sinne von Artikel 23 nach Ablauf von drei Monaten nach Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde beim Generaldirektor der WIPO.
Art. 28 Kündigung des Vertrags

Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei durch eine an den Generaldirektor der WIPO gerichtete Notifikation gekündigt werden. Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Tag wirksam, an dem die Notifikation beim Generaldirektor der WIPO eingegangen ist.

Art. 29 Vertragssprachen

1.  Dieser Vertrag wird in einer Urschrift in französischer, englischer, arabischer, chinesischer, spanischer und russischer Sprache unterzeichnet, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

2.  Ein amtlicher Wortlaut in einer anderen als der in Absatz 1 genannten Sprachen wird durch den Generaldirektor der WIPO auf Ersuchen einer interessierten Vertragspartei nach Konsultation mit allen interessierten Vertragsparteien erstellt. «Interessierte Vertragspartei» im Sinne dieses Absatzes bedeutet einen Mitgliedstaat der WIPO, dessen Amtssprache oder eine von dessen Amtssprachen betroffen ist, sowie die Europäische Union und jede andere zwischenstaatliche Organisation, die Vertragspartei dieses Vertrags werden kann, wenn eine ihrer Amtssprachen betroffen ist.

Unterschriften

(Es folgen die Unterschriften)

Vereinbarte Erklärungen

Zu Art. 1

Keine Bestimmung dieses Vertrags berührt die Rechte oder Pflichten aus dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) oder deren Auslegung; im Weiteren begründet Absatz 3 keine Verpflichtung, den WPPT zu ratifizieren, ihm beizutreten oder seine Bestimmungen einzuhalten.

Zu Art. 1 Abs. 3

Die Vertragsparteien, die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) sind, aner­kennen alle Grundsätze und Ziele des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen)5 und dass keine Bestimmung dieses Vertrags die Bestimmungen des TRIPS-Abkommens, darunter diejenigen über wettbewerbswidrige Praktiken, berührt.

Zu Art. 2 Bst. a

Der Ausdruck «ausübende Künstler» umfasst auch jene Personen, die ein Werk der Literatur oder Kunst darbieten, das im Rahmen einer Darbietung geschaffen oder erst­mals festgelegt wurde.

Zu Art. 2 Bst. b

Die Definition des Begriffs «audiovisuelle Festlegung» gemäss Artikel 2 Buch­stabe b lässt Artikel 2 Buchstabe c des WPPT unberührt.

Zu Art. 5

Für die Zwecke dieses Vertrags und unbeschadet sonstiger Verträge versteht es sich, dass, angesichts der Beschaffenheit von audiovisuellen Festlegungen sowie deren Herstellung und Verbreitung, Veränderungen einer Darbietung, die im Rahmen der normalen Verwertung vorgenommen werden, wie das Aufbereiten, Komprimieren, Synchronisieren oder Formatieren in bestehenden oder neuen Trägern oder Formaten, und die im Rahmen einer durch die ausübenden Künstler erlaubten Nutzung erfolgen, noch keine Veränderungen im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Ziffer ii darstellen. Die Rechte nach Artikel 5 Absatz 1 Ziffer ii sind nur betroffen, wenn die Veränderungen objektiv den Ruf der ausübenden Künstler erheblich schädigen. Die blosse Verwendung neuer oder veränderter Technologien oder Träger stellt an sich keine Veränderung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Ziffer ii dar.

Zu Art. 7

Das in Artikel 7 niedergelegte Vervielfältigungsrecht mit den in Artikel 13 aufgeführten zulässigen Ausnahmen gilt vollumfänglich auch für den Digitalbereich, insbesondere für die Verwendung von Darbietungen in digitaler Form. Die Spei­cherung einer geschützten Darbietung in digitaler Form auf einem elektronischen Träger gilt als Vervielfältigung im Sinne dieses Artikels.

Zu den Art. 8 und 9

Der in diesen Artikeln im Zusammenhang mit dem Verbreitungs- und Vermietrecht verwendete Ausdruck «Original und Vervielfältigungstücke» bezieht sich ausschliess­lich auf Vervielfältigungsstücke, die als körperliche Gegenstände in Verkehr gebracht werden können.

Zu Art. 13

Die vereinbarte Erklärung zu Artikel 10 (Beschränkungen und Ausnahmen) des WIPO-Urheberrechtsvertrags (WCT)6 gilt mutatis mutandis ebenfalls für Artikel 13 (Beschränkungen und Ausnahmen) dieses Vertrags.

Zu Art. 15 im Verhältnis zu Art. 13

Durch die Bestimmungen dieses Vertrags ist keine der Vertragsparteien daran gehin­dert, wirksame erforderliche Massnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass ein Begünstigter von den in den Rechtsvorschriften der Vertragspartei vorgesehenen Beschränkungen und Ausnahmen gemäss Artikel 13 Gebrauch machen kann, wenn technische Vorkehrungen an einer audiovisuellen Darbietung angebracht wurden und der Begünstigte rechtmässigen Zugang zu der Darbietung hat und wenn der Rechtsinhaber in Bezug auf diese Darbietung nicht hinreichend dafür gesorgt hat, dass der Begünstigte von den Beschränkungen und Ausnahmen nach den Rechtsvorschriften der Vertragspartei Gebrauch machen kann. Unbeschadet des Rechtsschutzes eines audiovisuellen Werkes, in dem eine Darbietung festgelegt ist, gelten die Pflichten nach Artikel 15 nicht für Darbietungen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieses Vertrags nicht oder nicht mehr geschützt sind.

Zu Art. 15

Der Ausdruck «technische Vorkehrungen von denen ausübende Künstler Gebrauch machen» muss, wie im WPPT, weit ausgelegt werden und auch Personen erfassen, die im Auftrag der ausübenden Künstler handeln wie deren rechtliche Vertreter, Lizenznehmer oder Rechtsnachfolger, Hersteller, Dienstleister und Personen, die im Bereich der Wiedergabe oder Sendung von Darbietungen tätig sind, nachdem sie hierzu ordnungsgemäss ermächtigt wurden.

Zu Art. 16

Die vereinbarte Erklärung zu Artikel 12 (Pflichten in Bezug auf Informationen für die Wahrnehmung der Rechte) des WIPO-Urheberrechtsvertrags (WCT) gilt mutatis mutandis auch für Artikel 16 (Pflichten in Bezug auf Informationen für die Wahrnehmung der Rechte) dieses Vertrags.

Geltungsbereich am 28. Juni 20217

7 AS 2020 1361; 2021 421. Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs ist auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» unter folgender Adresse veröffentlicht (https://fedlex.admin.ch/de/treaty).

Vertragsstaaten

Ratifikation
Beitritt (B)

Inkrafttreten

Algerien

25. Juli

2017 B

28. April

2020

Armenien

17. Dezember

2020 B

17. März

2021

Belize

  9. November

2018 B

28. April

2020

Botsuana

20. November

2013

28. April

2020

Burkina Faso

31. Juli

2017

28. April

2020

Chile

22. Juni

2015

28. April

2020

China*

  9. Juli

2014

28. April

2020

Cook-Inseln

19. März

2019 B

28. April

2020

Costa Rica

13. November

2020

13. Februar

2021

Dominikanische Republik

  5. Juni

2018 B

28. April

2020

Ecuador

  3. Mai

2021 B

  3. August

2021

El Salvador

10. Oktober

2016

28. April

2020

Gabun

21. September

2016 B

28. April

2020

Indonesien

28. Januar

2020

28. April

2020

Japan*

10. Juni

2014 B

28. April

2020

Kambodscha

27. März

2019 B

28. April

2020

Katar

  3. Juli

2015

28. April

2020

Kenia

12. September

2019

28. April

2020

Kiribati

22. März

2021 B

22. Juni

2021

Komoren

25. Januar

2021 B

25. April

2021

Korea (Nord-)

22. April

2020 B

22. Juli

2020

Korea (Süd-)

19. Februar

2016

28. April

2020

Mali

23. Oktober

2018

28. April

2020

Marshallinseln

  8. Februar

2019 B

28. April

2020

Moldau

  4. September

2015

28. April

2020

Nigeria

  4. Oktober

2017 B

28. April

2020

Peru*

27. September

2018

28. April

2020

Philippinen

28. April

2021 B

28. Juli

2021

Russland

19. Oktober

2015 B

28. April

2020

Samoa*

  9. Mai

2017 B

28. April

2020

São Tomé und Príncipe

15. Oktober

2020

15. Januar

2021

Schweiz*

11. Februar

2020

11. Mai

2020

Simbabwe

12. September

2019

28. April

2020

Slowakei*

22. Mai

2014 B

28. April

2020

St. Vincent und die Grenadinen

  5. September

2016 B

28. April

2020

Syrien

18. März

2013

28. April

2020

Togo

20. Januar

2021

20. April

2021

Trinidad und Tobago

  4. Oktober

2019 B

28. April

2020

Tunesien

21. Juli

2016

28. April

2020

Vanuatu

  6. Mai

2020 B

  6. August

2020

Vereinigte Arabische Emirate

15. Oktober

2014 B

28. April

2020

Zentralafrikanische Republik

19. August

2020

19. November

2020

*
Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen, mit Ausnahme diejenigen der Schweiz, werden in der AS nicht veröffentlicht. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite der Weltorganisation für geistiges Eigentum: www.wipo.int/ > Français > Savoirs > Traités administrés par l’OMPI eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern bezogen werden.

Erklärung

Schweiz

Erklärung zu Art. 11 Abs. 1:

Die Schweiz gewährt für die Sendung, die Weitersendung oder den öffentlichen Empfang einer audiovisuellen Festlegung, welche von einer im Handel erhältlichen audiovisuellen Festlegung ausgeht, anstelle eines ausschliesslichen Rechts nach Artikel 11 Absatz 1 einen Vergütungsanspruch nach Artikel 35 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 19928, welcher der Kollektivverwertung und dem Grundsatz der Gegenseitigkeit unterstellt ist.