425.1

Bundesgesetz
über das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung

(SIRG)

vom 28. September 2018 (Stand am 1. Januar 2020)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 64 Absätze 1 und 3 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 31. Januar 20182,

beschliesst:

1. Abschnitt: Anstalt und Zweck

Art. 1 Name, Rechtsform und Sitz

1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft führt das «Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung» (Institut) in der Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit, aber ohne eigene Rechnung.

2 Das Institut ist im Handelsregister eingetragen.

3 Der Sitz des Instituts ist in Ecublens (VD), auf dem Campus der Universität Lausanne.

Art. 2 Zweck und Stellung

1 Das Institut ist eine Dokumentations- und Forschungsstätte für Rechtsvergleichung, ausländisches und internationales Recht.

2 Es ist eine Forschungsstätte im Sinne der Artikel 5 und 17 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 20123 über die Förderung der Forschung und der Innovation.

2. Abschnitt: Aufgaben und Unabhängigkeit

Art. 3 Aufgaben

1 Das Institut hat folgende Aufgaben:

a.
Es erstellt für die Bundesbehörden die für die Ausarbeitung von Rechtserlassen und den Abschluss völkerrechtlicher Verträge notwendigen Unterlagen und Studien.
b.
Es wirkt an internationalen Bestrebungen zur Rechtsangleichung oder Rechtsvereinheitlichung mit.
c.
Es erteilt Gerichten und kantonalen Behörden Auskünfte und erstellt für sie Rechtsgutachten.
d.
Es betreibt eigene wissenschaftliche Forschungen, unterstützt und koordiniert Forschungsprojekte an den schweizerischen Hochschulen und bietet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Schweiz eine angemessene Forschungsstätte.

2 Es führt eine Fachbibliothek sowie eine Dokumentation über ausländisches und internationales Recht.

3 Der Bundesrat kann dem Institut weitere Aufgaben übertragen, soweit diese in einem Bezug zu den Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 stehen und deren Erfüllung nicht beeinträchtigen.

Art. 5 Wissenschaftliche Unabhängigkeit

Das Institut ist in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit unabhängig. Es untersteht in wissenschaftlichen Fragen keinen Weisungen des Bundesrates und des zuständigen Departements.

3. Abschnitt: Organisation

Art. 7 Institutsrat: Funktion, Zusammensetzung, Wahl und Organisation

1 Der Institutsrat ist das oberste Leitungsorgan des Instituts.

2 Er besteht aus höchstens neun Mitgliedern namentlich aus Bildung und Wissenschaft, aus der Rechtsprechung und aus der Bundesverwaltung; ein Mitglied vertritt den Sitzkanton.

3 Der Bundesrat wählt die Mitglieder des Institutsrats und bestimmt die Präsidentin oder den Präsidenten.

4 Bewerberinnen und Bewerber für die Wahl in den Institutsrat müssen gegenüber dem Bundesrat ihre Interessenbindungen offenlegen.

5 Die Amtsdauer beträgt längstens vier Jahre. Der Bundesrat kann Mitglieder zweimal wiederwählen. Er kann sie aus wichtigen Gründen jederzeit abberufen.

6 Der Direktor oder die Direktorin des Instituts nimmt mit beratender Stimme an den Sitzungen des Institutsrats teil; die anderen Mitarbeitenden des Instituts können hinzugezogen werden.

Art. 8 Institutsrat: Vertragsbedingungen und Pflichten der Mitglieder

1 Der Bundesrat legt die Honorare und die weiteren Vertragsbedingungen der Mitglieder des Institutsrats fest. Das Vertragsverhältnis zwischen ihnen und dem Institut untersteht dem öffentlichen Recht. Ergänzend sind die Bestimmungen des Obliga­tionenrechts4 sinngemäss anwendbar.

2 Die Mitglieder des Institutsrats erfüllen ihre Aufgaben und Pflichten mit aller Sorgfalt und wahren die Interessen des Instituts in guten Treuen.

3 Sie sind während der Zugehörigkeit zum Institutsrat und nach deren Beendigung zur Verschwiegenheit über amtliche Angelegenheiten verpflichtet.

4 Sie melden Veränderungen ihrer Interessenbindungen laufend dem Institutsrat. Dieser informiert den Bundesrat darüber im Rahmen des Jahresberichts.

5 Ist eine Interessenbindung mit der Mitgliedschaft im Institutsrat unvereinbar und hält das Mitglied an dieser Bindung fest, so beantragt der Institutsrat dem Bundesrat die Abberufung des Mitglieds.

Art. 9 Institutsrat: Aufgaben

Der Institutsrat hat folgende Aufgaben:

a.
Er sorgt für die Umsetzung der strategischen Ziele des Bundesrates und erstattet diesem jährlich Bericht über deren Erreichung.
b.
Er plant und bestimmt in den Grundzügen die Tätigkeit des Instituts und legt dessen Forschungs- und Arbeitsprogramm fest.
c.
Er entscheidet über die Annahme wichtiger Forschungsaufträge.
d.
Er trifft alle notwendigen Vorkehren zur Wahrung der Interessen des Instituts und zur Verhinderung von Interessenkollisionen.
e.
Er erlässt das Organisationsreglement.
f.
Er erlässt ein Reglement über die Entgegennahme von Drittmitteln.
g.
Er legt die Rahmenbedingungen für die Erbringung von Dienstleistungen fest.
h.
Er unterbreitet dem Bundesrat den Jahresbericht zur Genehmigung und beantragt die Entlastung; der Jahresbericht stellt die organisatorische und betriebliche Entwicklung sowie die Veränderungen der Interessenbindungen der Mitglieder des Institutsrats dar.
i.
Er entscheidet über die Begründung, die Änderung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Direktorin oder dem Direktor; die Begründung und die Auflösung bedürfen der Genehmigung durch den Bundesrat.
j.
Er entscheidet auf Antrag der Direktorin oder des Direktors über die Begründung, die Änderung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der weiteren Mitglieder der Direktion.
k.
Er legt die Beschaffungsgrundsätze der Bibliothek fest.
l.
Er beaufsichtigt die Direktion.
m.
Er sorgt für ein dem Institut angepasstes internes Kontrollsystem und Risikomanagement.
Art. 10 Wissenschaftlicher Beirat

1 Der Institutsrat kann zur Unterstützung der Direktion in wissenschaftlichen Fragen einen wissenschaftlichen Beirat mit beratender Funktion einsetzen.

2 Im wissenschaftlichen Beirat sind nach Möglichkeit alle schweizerischen rechtswissenschaftlichen Fakultäten vertreten; überdies müssen in ihm auch ausländische rechtswissenschaftliche Fakultäten vertreten sein.

3 Das interne Reglement des Beirats bedarf der Genehmigung durch den Institutsrat.

Art. 12 Direktion: Aufgaben

Die Direktion hat folgende Aufgaben:

a.
Sie führt die Geschäfte.
b.
Sie erlässt Verfügungen, insbesondere über die Gebühren.
c.
Sie erarbeitet die Grundlagen für Entscheide des Institutsrats und bereitet die Geschäfte des wissenschaftlichen Beirates vor; sie unterbreitet dem Institutsrat Vorschläge für die Wahl der Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates.
d.
Sie erstattet dem Institutsrat mindestens einmal pro Jahr Bericht und unterrichtet ihn unverzüglich im Falle von besonderen Vorkommnissen.
e.
Sie vertritt das Institut nach aussen.
f.
Sie entscheidet über die Begründung, die Änderung und die Auflösung der Arbeitsverhältnisse des Personals des Instituts; vorbehalten bleibt Artikel 9 Buchstaben i und j.
g.
Sie erfüllt alle Aufgaben, die dieses Gesetz nicht einem anderen Organ zuweist.

4. Abschnitt: Personal

Art. 14 Pensionskasse

Die Mitglieder der Direktion und das übrige Personal sind nach den Bestimmungen der Artikel 32a–32m BPG6 bei der Pensionskasse des Bundes (PUBLICA) versichert.

5. Abschnitt: Finanzierung und Gebühren, Mobilien und Liegenschaften


Art. 16 Drittmittel

1 Das Institut darf Mittel von dritter Seite entgegennehmen oder sich beschaffen, soweit dies mit seiner Unabhängigkeit und mit seinen Aufgaben und Zielen vereinbar ist.

2 Drittmittel sind namentlich:

a.
Zuwendungen Dritter;
b.
Beiträge aus Forschungsprogrammen.
Art. 17 Gebühren

1 Der Bundesrat erlässt für das Institut eine Gebührenverordnung nach Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19977.

2 Er sieht für Auskünfte und Rechtsgutachten an Gerichte und kantonale Behörden eine Ermässigung vor.

3 Für internationale Organisationen kann die Gebühr gesenkt werden, wenn das Rechtsgutachten im öffentlichen Interesse ist.

Art. 18 Mobilien

1 Der Bund überträgt dem Institut seine bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes im Besitz des Instituts befindlichen Mobilien, insbesondere die Bibliotheken und deren Einrichtungen zur Nutzniessung.

2 Er kann dem Institut an weiteren Mobilien eine Nutzniessung einräumen.

3 Mobilien, die das Institut neu erwirbt, stehen von Gesetzes wegen im Eigentum des Bundes. Das Institut erhält diese Mobilien vom Bund zur Nutzniessung.

4 Das Institut versichert die ihm anvertrauten Mobilien des Bundes oder Dritter nur, sofern dies vertraglich mit dem Bund vorgesehen ist. Der Bund kann das Risiko für die dem Institut vom Bund oder von Dritten anvertrauten Mobilien decken.

5 Die Einzelheiten der Nutzniessung und die Versicherungspflichten werden in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Bund und dem Institut festgelegt.

6 Der Dokumentationsfonds, der sich aufgrund der Vereinbarung vom 1. Juli 19978 zwischen dem Institut und der Fondation Jean Monnet pour l’Europe im Besitz des Instituts befindet und Teil des Europäischen Dokumentationszentrums bildet, bleibt Eigentum der Fondation.

8 Der Text der Vereinbarung kann beim Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung eingesehen werden.

Art. 19 Liegenschaft

1 Das Institut nutzt die Liegenschaft, die ihm vom Kanton Waadt gemäss der Konvention vom 15. August 19799 zwischen dem Bund und dem Kanton Waadt und dem Zusatzprotokoll vom 14. Mai/5. Juni 199710 zu dieser Konvention zur Verfügung gestellt wurde und vom Kanton Waadt unterhalten wird.

2 Der Bund kann an den allfälligen Ausbau der Liegenschaft im Rahmen der bewilligten Kredite einen angemessenen Beitrag leisten. Dieser beträgt höchstens 50 Prozent der Kosten.

9 Der Text der Konvention kann beim Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung eingesehen werden.

10 Der Text des Zusatzprotokolls kann beim Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung eingesehen werden.

6. Abschnitt: Wahrung der Bundesinteressen

Art. 20 Strategische Ziele

Der Bundesrat legt im Rahmen der Aufgaben nach Artikel 3 und unter Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit des Instituts für jeweils vier Jahre die strategischen Ziele des Instituts fest.

Art. 21 Aufsicht des Bundes

1 Das Institut steht unter dem Vorbehalt seiner wissenschaftlichen Unabhängigkeit unter der Aufsicht des Bundesrates. Dieser übt seine Aufsicht insbesondere aus:

a.
durch die Wahl und die Abberufung der Mitglieder des Institutsrats und von dessen Präsidentin oder Präsidenten;
b.
durch die Genehmigung des Jahresberichts und die Entlastung des Institutsrats;
c.
durch die Genehmigung der Begründung und der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Direktorin oder dem Direktor;
d.
durch die Überwachung der Einhaltung dieses Gesetzes und der zweckgemässen Verwendung der finanziellen Mittel und durch entsprechende Berichterstattung im Rahmen der Staatsrechnung an die Bundesversammlung.

2 Der Bundesrat kann zur Wahrnehmung seiner Aufsicht Einsicht nehmen in sämtliche Geschäftsunterlagen des Instituts und sich zu diesem Zweck jederzeit über dessen Geschäftstätigkeit informieren lassen.

7. Abschnitt: Gewerbliche Leistungen

Art. 22

1 Das Institut kann Dritten gewerbliche Leistungen erbringen, wenn diese:

a.
mit seinen Hauptaufgaben in einem engen Zusammenhang stehen;
b.
die Erfüllung seiner Aufgaben nicht beeinträchtigen; und
c.
keine bedeutenden zusätzlichen sachlichen oder personellen Mittel erfordern.

2 Es kann insbesondere Rechtsgutachten erstellen.

3 Es setzt für seine gewerblichen Leistungen mindestens kostendeckende Preise fest. Eine Quersubventionierung gewerblicher Leistungen ist nicht zulässig.

4 Hinsichtlich seiner gewerblichen Leistungen hat das Institut dieselben Rechte und Pflichten wie die privaten Anbieterinnen und Anbieter.

5 Das Institut ist für Gewinne aus den gewerblichen Leistungen steuerpflichtig.

8. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 24 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 202013

13 BRB vom 9. Okt. 2019