831.201.74
Verordnung des BSV
über den Pilotversuch «Intensive Frühintervention
bei Kindern mit frühkindlichem Autismus»
vom 17. Oktober 2018 (Stand am 1. Januar 2023)
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV),
gestützt auf Artikel 98 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vom 17. Januar 19611 über die Invalidenversicherung (IVV),
verordnet:
Diese Verordnung regelt:
- a.
- die Voraussetzungen für die Teilnahme von Kindern am Pilotversuch «Intensive Frühintervention bei Kindern mit frühkindlichem Autismus» sowie die Voraussetzungen für die Durchführung der intensiven Frühintervention durch Leistungserbringer im Rahmen des Pilotversuchs;
- b.
- die Vergütung der im Rahmen des Pilotversuchs erbrachten Leistungen durch die Invalidenversicherung (IV).
Mit dem Pilotversuch sollen folgende Modelle entwickelt und konkretisiert werden:2
- a.
- ein Modell für einheitliche Programme der intensiven Frühintervention (Programm-Modell);
- b.
- ein Modell für den langfristigen Nachweis der Wirkung der intensiven Frühintervention (Ergebnis-Modell);
- c.
- ein Modell für die Finanzierung der Kosten der intensiven Frühintervention (Kosten-Modell).
1 Zur Teilnahme am Pilotversuch können Kinder, die nach dem Bundesgesetz vom 19. Juni 19593 über die Invalidenversicherung (IVG) versichert sind, zugelassen werden:
- a.4
- bei denen eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie oder eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Entwicklungspädiatrie einen frühkindlichen Autismus nach dem Code F84.0 gemäss der Klassifikation ICD 10, Version 20165 diagnostiziert hat, ohne dass Komorbiditäten bestehen, bei denen eine intensive Frühintervention kontraindiziert ist; und
- b.
- die beim Eintritt in die Behandlung 2–4 Jahre alt sind.
2 Die Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge müssen:
- a.
- bestätigen, darüber informiert worden zu sein, dass während der Teilnahme am Versuch keine weiteren im Zusammenhang mit dem Autismus stehenden medizinischen Massnahmen der IV, ausgenommen Medikamente, übernommen werden;
- b.
- sich zu einer unentgeltlichen aktiven Mitarbeit an der Behandlung und zur Erteilung von Auskünften, insbesondere über allfällige weitere Behandlungen, die einen Einfluss auf die Frühintervention haben könnten, verpflichten; und
- c.
- sich mit der Evaluation der Daten des Kindes im Rahmen des Pilotversuchs einverstanden erklären.
3 Die Teilnahme am Pilotversuch findet auf Gesuch der Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge statt.
1 Die Teilnahme am Pilotversuch beginnt frühestens im Zeitpunkt der Zusprache der intensiven Frühintervention durch die IV-Stelle.
2 Das Kind kann höchstens zwei Jahre am Pilotversuch teilnehmen. In begründeten Fällen kann die Teilnahme um ein Jahr verlängert werden, längstens aber bis zum Übertritt des Kindes in die Primarschule.
3 Die Teilnahme endet spätestens mit dem Ende des Pilotversuchs.
4 Verletzen die Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge ihre Pflichten gemäss Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a–c, so widerruft die IV-Stelle die Berechtigung zur Teilnahme mit einer Verfügung.
5 Der Austritt aus dem Pilotversuch ist jederzeit per Ende Monat möglich. Die Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge müssen den Austritt der zuständigen IV-Stelle und dem betroffenen Leistungserbringer schriftlich mitteilen.
1 Das Gesuch um Teilnahme des Kindes am Pilotversuch muss von den Inhaberinnen und Inhabern der elterlichen Sorge bei der zuständigen IV-Stelle schriftlich eingereicht werden.
2 Ein Gesuch um Verlängerung der Teilnahme muss von einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie oder einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Entwicklungspädiatrie begründet werden.6
1 Sind die Voraussetzungen nach Artikel 3 erfüllt und wird dem Gesuch vollumfänglich entsprochen, so kann die IV-Stelle die intensive Frühintervention ohne Erlass eines Vorbescheides oder einer Verfügung zusprechen (Art. 58 IVG).
2 Dasselbe gilt für die Verlängerung der Dauer der intensiven Frühintervention.
1 Die intensive Frühintervention darf nur von Leistungserbringern durchgeführt werden, die vom BSV anerkannt sind.
2 Der Leistungserbringer stellt beim BSV ein Gesuch um Anerkennung.
3 Die Anerkennung wird erteilt, wenn der Leistungserbringer eine Methode zur intensiven Frühintervention anbietet, die:
- a.
- wissenschaftlich anerkannt ist;
- b.
- einen verhaltenstherapeutischen oder einen entwicklungsorientierten Ansatz oder eine Kombination dieser beiden Ansätze verfolgt;
- c.
- die Bereiche Kognition, Kommunikation und Sprache, soziale Interaktion und emotionale Entwicklung umfasst;
- d.7
- eine Intensität von durchschnittlich mindestens 15 Wochenstunden hat, wobei die Intensität während einer Verlängerung nach Artikel 4 Absatz 2 weniger gross sein kann;
- dbis.8
- auf eine Therapiedauer von zwei Jahren ausgerichtet ist;
- e.
- die Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge einbezieht; und
- f.
- von einem interdisziplinär zusammengesetzten Team durchgeführt wird.
- 4 Der Leistungserbringer muss zudem folgende Voraussetzungen erfüllen:
- a.
- Er muss an eine öffentlich-rechtliche Institution angegliedert sein.
- b.9
- Er muss entweder durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, eine Fachärztin oder einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie oder eine Fachärztin oder einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Entwicklungspädiatrie geführt werden oder die vom Leistungserbringer durchgeführten medizinischen Massnahmen müssen durch eine solche Fachärztin oder einen solchen Facharzt begleitet werden.
- c.
- Seine Finanzierung muss über die ganze Dauer des Pilotversuchs gesichert sein.
- d.
- Er muss über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen.
- e.10
- Das medizinische Personal muss mindestens 20 Prozent und das pädagogisch-therapeutische Personal mindestens 30 Prozent des gesamten Personals ausmachen.
- f.
- Sowohl innerhalb seines medizinischen Personals als auch innerhalb seines pädagogisch-therapeutischen Personals dürfen nicht mehr als 30 Prozent der Vollzeitäquivalente durch Personen in Ausbildung besetzt sein.
5 Die Anerkennung wird auch Leistungserbringern erteilt, die mit dem Standortkanton eine Vereinbarung über die Durchführung der intensiven Frühintervention abgeschlossen haben, sofern sie die Voraussetzungen nach den Absätzen 3 und 4 erfüllen.11
6 Für die Bestimmung der Intensität der Therapie werden Therapiestunden, die von den Inhaberinnen und Inhabern der elterlichen Sorge erbracht werden, nicht angerechnet.12
1 Die anerkannten Leistungserbringer schliessen mit dem BSV eine Vereinbarung über die Durchführung der intensiven Frühintervention ab.
2 Die Vereinbarung hält insbesondere fest, dass die Leistungserbringer zur Mitarbeit an der Entwicklung eines Programm-, eines Ergebnis- und eines Kosten-Modells und zur Auskunftserteilung gegenüber den zuweisenden IV-Stellen und dem BSV während des ganzen Pilotversuchs verpflichtet sind.
1 Die Teilnahme endet spätestens mit dem Ende des Pilotversuchs.
2 Erfüllt der Leistungserbringer eine der Voraussetzungen nach Artikel 7 Absätze 3 und 4 nicht mehr oder verletzt er die Vereinbarung mit dem BSV, so kündigt dieses die Vereinbarung mit einer Frist von drei Monaten. Absatz 4 bleibt vorbehalten.
3 Ein Austritt aus dem Pilotversuch ist mit einer Frist von sechs Monaten jederzeit möglich. Der Austritt ist dem BSV schriftlich und mit Begründung mitzuteilen.
4 Das BSV kann die Vereinbarung mit einem Leistungserbringer unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten jederzeit kündigen, wenn die Entwicklung und Konkretisierung der Modelle nach Artikel 2 nicht mehr realistisch ist.13
Leistungserbringer, die vom BSV nach Artikel 7 anerkannt sind und eine Vereinbarung nach Artikel 8 abgeschlossen haben, haben Anspruch auf die Vergütung ihrer Leistungen.
1 Die IV richtet für die ganze Dauer der intensiven Frühintervention eine Fallpauschale von 45 000 Franken aus für:
- a.
- die Elemente der medizinischen Behandlung;
- b.
- die Instruktionen des Leistungserbringers an die Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge (Co-Edukation).
2 Die Fallpauschale wird wie folgt ausbezahlt:
- a.
- bei kurzen und stationären intensiven Frühinterventionen: 50 Prozent bei Behandlungsbeginn und 50 Prozent nach Behandlungsende;
- b.
- bei längeren und ambulanten intensiven Frühinterventionen: jeweils 25 Prozent bei Behandlungsbeginn, nach sechs Monaten, nach einem Jahr und nach Behandlungsende.
3 Bei Abbruch der intensiven Frühintervention werden die noch ausstehenden Anteile der Vergütung nicht ausgerichtet.
4 Bei Unterbruch der intensiven Frühintervention werden die Auszahlungen sistiert. Bei Wiederaufnahme der Behandlung lebt der Anspruch auf Auszahlung wieder auf.
Bei einer Verlängerung der Teilnahme werden höchstens 1000 Franken pro Monat vergütet.
Therapiestunden, die von den Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge erbracht werden, werden von der IV nicht vergütet.
1 Die IV vergütet den Inhaberinnen und Inhabern der elterlichen Sorge die Reisekosten, sofern der Leistungserbringer keinen gemeinschaftlichen Transportdienst zur Verfügung stellt, sowie die Kosten für auswärtige Verpflegung und Unterkunft. Artikel 90 Absätze 2–5 IVV ist anwendbar.
2 Sie vergütet den Leistungserbringern den Aufwand für das Verfassen der eingeforderten Berichte sowie für das Erfassen zusätzlicher Daten für das Ergebnis-Modell nach der Tarifstruktur für ärztliche Leistungen (Tarmed) und nach den Ansätzen der Tarifverträge für Leistungen der Ergo-, Physio- und Psychotherapeutinnen und ‑therapeuten.
1 Anerkannte Leistungserbringer, die zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2022 eine Vereinbarung nach Artikel 8 mit dem BSV abgeschlossen haben, müssen mit diesem eine neue Vereinbarung abschliessen. Die Vereinbarung kann vorsehen, dass bestimmte Voraussetzungen nach Artikel 7 nicht erfüllt werden müssen oder dass für die Erfüllung der Voraussetzungen eine Übergangsfrist gilt.
2 Kinder, die beim Inkrafttreten der Änderung vom 20. Oktober 2022 bereits in einem Autismuszentrum behandelt werden, mit dem das BSV vor dem Inkrafttreten dieser Änderung eine Vereinbarung über die Durchführung der intensiven Frühintervention abgeschlossen hat, können ihre Behandlung fortsetzen, sofern das Zentrum mit dem BSV eine neue Vereinbarung abschliesst. Die Fallpauschale wird anteilsmässig für die verbleibende Dauer der Behandlung ausbezahlt.
3 Kinder, die beim Inkrafttreten der Änderung vom 20. Oktober 2022 bereits in einem Autismuszentrum behandelt werden, das beim Inkrafttreten dieser Änderung noch keine Vereinbarung mit dem BSV abgeschlossen hat, können am Pilotversuch teilnehmen, wenn das Zentrum vom BSV anerkannt wird und mit dem BSV eine Vereinbarung abschliesst. Die Behandlung kann im Rahmen des Pilotversuchs fortgesetzt werden, wenn die Inhaberinnen und Inhaber der elterlichen Sorge dies beantragen. Die Fallpauschale wird anteilsmässig für die verbleibende Dauer der Behandlung ausbezahlt.
1 Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2019 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 2022.
2 Die Geltungsdauer dieser Verordnung wird bis zum 31. Dezember 2026 verlängert.16