0.514.133.41

 AS 2018 293

Originaltext

Abkommen
zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und
der Regierung der Republik Estland
über den Austausch von klassifizierten Informationen

Abgeschlossen am 14. November 2017

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 1. Februar 2018

(Stand am 1. Februar 2018)

Der Schweizerische Bundesrat
und
die Regierung der Republik Estland

(nachstehend die «Vertragsparteien» genannt),

vom Wunsche geleitet, den Schutz aller in Zusammenhang ihrer im Bereich Verteidigung und militärischen Zusammenarbeit ausgetauschten oder erstellten klassifizierten Informationen zu gewährleisten,

sind wie folgt übereingekommen:

Art. 1 Zweck

Der Zweck dieses Abkommens ist der Schutz aller im Zusammenhang mit den zwischen den beiden Vertragsparteien oder einer Dienststelle oder juristischen Person unter nationalem Recht, im Bereich Verteidigung und militärische Zusammenarbeit ausgetauschten oder erstellten klassifizierten Informationen.

Art. 2 Begriffsbestimmungen
a)
«Klassifizierte Informationen»: Bezeichnet jegliche Art von Informationen, Dokumenten oder Material mit klassifiziertem und entsprechend bezeichnetem Inhalt, gemäss nationalem Recht, welche die Vertragsparteien einander in irgend einer Form übermitteln. Dies umfasst ebenfalls Informationen, Dokumente und Material, welche im Verlaufe der Zusammenarbeit zwischen den beiden Vertragsparteien oder basierend auf den vorerwähnten klassifizierten Informationen erstellt und entsprechend bezeichnet werden;
b)
«Nationale Sicherheitsbehörde»: Die für die Umsetzung und Überwachung dieser Vereinbarung zuständige Behörde jedes Landes;
c)
«Übermittelnde Partei»: Die Vertragspartei, die klassifizierte Informationen erzeugt;
d)
«Empfangende Partei»: Die Vertragspartei, an welche klassifizierte Informationen übermittelt werden;
e)
«Auftragnehmer»: Eine natürliche oder juristische Person, welche die Rechtsfähigkeit besitzt, Verträge abzuschliessen;
f)
«Klassifizierter Vertrag»: Eine Vereinbarung, welche klassifizierte Informationen beinhaltet oder betrifft;
g)
«Sicherheitsbescheinigung» (Personensicherheitsbescheinigung [PSC] oder Betriebssicherheitsbescheinigung [FSC]): Eine verwaltungsmässige Festlegung, dass eine natürliche oder juristische Person unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit, gemäss nationalem Recht Zugang zu klassifizierten Informationen hat;
h)
«Dritte Partei»: Jeglicher Staat, internationale Organisation oder andere Organisation, die nicht Vertragspartei dieses Abkommens ist;
i)
«Kenntnis nur wenn nötig»: Zugang zu bestimmten klassifizierten Informationen für Personen, die zur Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten und Aufgaben diesen Zugang haben müssen.
Art. 3 Klassifizierungsstufen

1.  Klassifizierte Informationen werden entsprechend den nachfolgenden, gleichwertigen Klassifizierungsstufen klassifiziert:

In der Schweiz

Entsprechende englische Bezeichnung

in Estland

Nicht anwendbar

TOP SECRET

TÄIESTI SALAJANE

GEHEIM/SECRET/SEGRETO

SECRET

SALAJANE

VERTRAULICH/CONFIDENTIEL/ CONFIDENZIALE

CONFIDENTIAL

KONFIDENTSIAALNE

INTERN/INTERNE/ AD USO INTERNO

RESTRICTED

PIIRATUD

2.  Klassifizierten Informationen, welche von einer Partei erzeugt oder empfangen werden, wird der Schutz entsprechend der Klassifizierungsstufe gemäss Absatz 1 des Artikels gewährt.

3.  Die empfangende Partei stellt sicher, dass Klassifizierungsstufen nicht ohne schriftliche Genehmigung der übermittelnden Partei, und nur gemäss dieser, geändert werden.

4.  Die Vertragsparteien dürfen keinerlei unter diesem Abkommen erstellte oder übermittelte klassifizierte Informationen offenlegen. Ohne hiervon abzuweichen, muss für jegliche Offenlegung durch eine Vertragspartei von unter diesem Abkommen geschützten klassifizierten Informationen das schriftliche Einverständnis der andern Vertragspartei vorliegen.

5.  Die Schweiz gewährt von durch Estland mit TÄIESTI SALAJANE klassifizierten Informationen denselben Schutz, wie sie ihn ihren eigenen klassifizierten Informationen entsprechend der Klassifizierungsstufe GEHEIM/SECRET/SEGRETO gewährt und wendet zusätzliche von Estland geforderte Schutzmassnahmen an.

Art. 4 Nationale Sicherheitsbehörden

1.  Jede Vertragspartei bestimmt eine im Sinne dieses Abkommens zuständige Nationale Sicherheitsbehörde, welche die Umsetzung dieses Abkommens in allen Aspekten überwacht:

a)
auf Seite der Schweizerischen Eidgenossenschaft:
Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, Informations- und Objektsicherheit (IOS);
b)
für die Republik Estland:
National Security Authority Department, Estonian Information Board.

2.  Die Vertragsparteien informieren einander auf diplomatischem Weg über jegliche erfolgende Änderung der zuständigen Sicherheitsbehörden.

Art. 5 Schutz von klassifizierten Informationen

1.  Der Zugang zu klassifizierten Informationen wird nur Personen gewährt, die das Kriterium «Kenntnis nur wenn nötig» erfüllen und welche, gemäss nationalem Recht und Rechtsvorschriften, über eine gültige Personensicherheitsbescheinigung verfügen oder befugt sind für den Zugang zu diesen klassifizierten Informationen sowie über ihre Verpflichtungen zum Schutz von klassifizierten Informationen informiert worden sind.

2.  Die übermittelnde Partei:

a)
stellt sicher, dass weitergegebene klassifizierte Informationen nach nationalem Recht und Rechtsvorschriften mit der entsprechenden Klassifizierungsstufe gemäss Artikel 3 Absatz 1 versehen sind;
b)
informiert die empfangende Partei über alle Bedingungen betreffend Frei­gabe oder Beschränkungen im Gebrauch von klassifizierten Informationen, sofern anwendbar;
c)
informiert die empfangende Partei über jegliche Änderung und Freigabe von Klassifizierungen.

3.  Die empfangende Partei:

a)
gewährt für die von der andern Vertragspartei erhaltenen klassifizierten Informationen denselben Schutz, wie sie ihn ihren eigenen klassifizierten Informationen der entsprechenden Klassifizierungsstufe zukommen lässt;
b)
stellt sicher, dass klassifizierte Informationen mit der eigenen Klassifizierungsstufe in Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 1 gekennzeichnet sind;
c)
stellt sicher, dass die Klassifizierungsstufe nicht ohne schriftliche Genehmigung der übermittelnden Partei geändert oder aufgehoben wird;
d)
gibt die klassifizierten Informationen der herausgebenden Stelle zurück oder vernichtet die Informationen gemäss den Vorschriften der herausgebenden Partei für die Vernichtung von klassifizierten Informationen, wenn diese nicht mehr länger gebraucht werden;
e)
übermittelt ohne schriftliche Genehmigung der übermittelnden Partei keine klassifizierten Informationen, die sie unter diesem Abkommen erhalten hat, an eine dritte Partei.
Art. 6 Reproduktion, Übersetzung und Vernichtung von klassifizierten Informationen

1.  Reproduktionen und Übersetzungen von unter diesem Abkommen übermittelten klassifizierten Informationen müssen mit entsprechenden Klassifizierungsstufen versehen und gemäss den Originalen geschützt werden.

2.  Übersetzungen von unter diesem Abkommen übermittelten klassifizierten Informationen müssen in der Übersetzungssprache einen Vermerk enthalten, dass sie klassifizierte Informationen der übermittelnden Partei enthalten.

3.  Unter diesem Abkommen übermittelte klassifizierte Informationen der Klassifizierungsstufe GEHEIM/SECRET/SEGRETO oder TÄIESTI SALAJANE dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung der übermittelnden Partei übersetzt oder reproduziert werden.

4.  Klassifizierte Informationen müssen, gemäss nationalen Gesetzen und Rechtsvorschriften der empfangenden Partei, auf eine Art und Weise vernichtet werden, die keine teilweise oder ganze Reproduktion zulässt.

5.  Unter diesem Abkommen übermittelte klassifizierte Informationen der Klassifizierungsstufe TÄIESTI SALAJANE dürfen nicht vernichtet, sondern müssen der übermittelnden Partei zurückgegeben werden.

6.  Im Falle einer Krisensituation, welche den Schutz oder Rückschub von klassifizierten Informationen verunmöglicht, müssen diese unverzüglich vernichtet werden. Die empfangende Partei informiert die zuständige Sicherheitsbehörde der übermittelnden Partei unverzüglich über diese Vernichtung der klassifizierten Informationen.

Art. 7 Übermittlung von klassifizierten Informationen

1.  Die Übermittlung von klassifizierten Informationen erfolgt gemäss der nationalen Gesetzgebung der übermittelnden Partei über offizielle diplomatische Kanäle, ausser die beiden zuständigen Sicherheitsbehörden haben in gegenseitigem Einverständnis eine andere Abmachung getroffen.

2.  Die Vertragsparteien können klassifizierte Informationen auf elektronischen Weg austauschen, gemäss zwischen den zuständigen Sicherheitsbehörden vereinbarten Sicherheitsverfahren.

Art. 8 Besuche

1.  Für Besuche mit Zugang zu klassifizierten Informationen der gastgebenden Vertragspartei ist die vorgängige schriftliche Zustimmung deren zuständigen Sicherheitsbehörde erforderlich.

2.  Die zuständige Sicherheitsbehörde der besuchenden Vertragspartei muss vorgängig der zuständigen Sicherheitsbehörde der gastgebenden Partei mindestens drei Wochen vor dem geplanten Besuch einen Besuchsantrag einreichen. Wenn spezielle Bedürfnisse vorliegen, wird die Bewilligung für den Besuch entsprechend vorhergehender Koordination sobald wie möglich erteilt.

3.  Ein Besuchsantrag muss folgende Angaben beinhalten:

a)
Name, Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit und Nummer der Identitätskarte oder des Reisepasses der besuchenden Person;
b)
offizielle Funktion der besuchenden Person mit dem Namen der Instanz, die sie vertritt;
c)
Personensicherheitsbescheinigung der besuchenden Person;
d)
geplantes Besuchsdatum;
e)
Zweck des Besuchs;
f)
Namen, Instanzen und Einrichtungen die im Gastgeberland besucht werden sollen.

4.  Eine Erlaubnis kann für die bestimmte Besuchsdauer gewährt werden, die für ein Projekt notwendig ist. Bewilligungen für Mehrfachbesuche wird für die Dauer von höchstens 12 Monaten erteilt.

Art. 9 Klassifizierte Verträge

1.  Beabsichtigt eine der Vertragsparteien mit einem im Land der anderen Vertragspartei angesiedelten Auftragnehmer einen Vertrag abzuschliessen, der den Austausch von klassifizierten Informationen erfordert, so informiert die Sicherheitsbehörde der Vertragspartei, in deren Land sich der Auftragnehmer befindet, auf Ersuchen die andere Vertragspartei, ob dem Auftragnehmer eine Betriebssicherheitsbescheinigung (FSC) für die erforderliche Sicherheitsstufe erteilt worden ist. Wenn dem Auftragnehmer keine FSC erteilt worden ist, kann die zuständige Nationale Sicherheitsbehörde der übermittelnden Partei beantragen, dass die zuständige Nationale Sicherheitsbehörde der empfangenden Partei den Auftragnehmer einer Sicherheitsüberprüfung unterzieht.

2.  Ein klassifizierter Vertrag soll entsprechende Sicherheitsbestimmungen inklusive einer Klassifizierungs-Einstufungsliste enthalten, um eine geeignete Sicherheitsüberwachung und -kontrolle gewährleisten zu können. Eine Kopie der Sicherheitsbestimmungen muss der zuständigen Nationalen Sicherheitsbehörde zugestellt werden, unter deren Gerichtsbarkeit der Vertrag erfüllt wird.

3.  Auf Ersuchen hin können gegenseitige Besuche der zuständigen Sicherheitsbehörden durchgeführt werden, um die Wirksamkeit der durch den Auftragnehmer getroffenen Massnahmen zum Schutz von im Vertrag enthaltenen klassifizierten Informationen zu beurteilen.

Art. 10 Sicherheitsverstösse

1.  Im Falle eines Sicherheitsverstosses hinsichtlich klassifizierten Informationen oder falls ein Verdacht dafür besteht, informiert die eine unverzüglich die andere zuständige Sicherheitsbehörde.

2.  Jede Vertragspartei führt, im Rahmen des internationalen Rechts und der nationalen gesetzlichen Grundlagen, unverzüglich eine Untersuchung durch. Bei Bedarf unterstützt die andere Vertragspartei die rechtlich zuständigen Vertragspartei bei der Untersuchung.

3.  Jede Vertragspartei leitet, im Rahmen des internationalen Rechts und der nationalen gesetzlichen Grundlagen, alle rechtlich möglichen Massnahmen ein, um die Auswirkungen von Verstössen gemäss Paragraph 1 dieses Artikels möglichst klein zu halten und künftig zu vermeiden. Die andere Vertragspartei wird über das Untersuchungsergebnis und die getroffenen Massnahmen informiert.

Art. 11 Beilegung von Streitigkeiten

Jegliche Streitigkeiten über die Auslegung oder Umsetzung des vorliegenden Abkommens werden ausschliesslich durch Konsultation zwischen den beiden Vertragsparteien beigelegt und werden weder an ein nationales oder internationales Gericht noch an eine Drittpartei zur Beilegung weitergezogen.

Art. 12 Kosten

Jede Vertragspartei trägt die Kosten, die ihr aus der Anwendung des vorliegenden Abkommens anfallen, selbst.

Art. 13 Schlussbestimmungen

1.  Die Vertragsparteien informieren sich gegenseitig schriftlich, wenn die zur Inkraftsetzung des vorliegenden Abkommens notwendigen nationalen Massnahmen abgeschlossen sind. Das vorliegende Abkommen tritt in Kraft am ersten Tag des zweiten Monats nach Erhalt der vorgenannten schriftlichen Notifikation.

2.  Das vorliegende Abkommen bleibt bis auf weiteres in Kraft und kann mit schriftlicher Zustimmung der beiden Vertragsparteien jederzeit geändert werden. Die Vertragspartei, die eine Änderung vorschlägt, initialisiert die Konsultation zur entsprechenden Vertragsänderung.

3.  Das vorliegende Abkommen kann von jeder Vertragspartei durch schriftliche Kündigung, via diplomatische Kanäle, an die andere Vertragspartei unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aufgehoben werden. Ungeachtet der Beendigung des vorliegenden Abkommens werden alle unter dem vorliegenden Abkommen vor dessen Beendigung übermittelten oder entstandenen klassifizierten Informationen weiterhin so lange wie notwendig im Sinne des Abkommens gehandhabt und geschützt.

Unterschriften

Zu Urkund dessen, haben die hierzu ordnungsgemäss befugten Unterzeichnenden das vorliegende Abkommen unterzeichnet.

Unterzeichnet in Tallinn am 14. November 2017 in zwei Urschriften in deutscher, estnischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist. Bei einer unterschiedlichen Auslegung ist der englische Wortlaut massgebend.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Ferdinand Kobelt

Für die
Regierung der Republik Estland:

Jaanus Rankla