314.1

Ordnungsbussengesetz

(OBG)

vom 18. März 2016 (Stand am 1. Januar 2025)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 17. Dezember 20142,

beschliesst:

Art. 1 Grundsätze

1 Mit Ordnungsbusse wird in einem vereinfachten Verfahren (Ordnungsbussenverfahren) bestraft, wer eine Übertretung begeht, die:

a.
in einem der folgenden Gesetze aufgeführt ist:
1.
Ausländergesetz vom 16. Dezember 20053,
2.
Asylgesetz vom 26. Juni 19984,
3.
Bundesgesetz vom 19. Dezember 19865 gegen den unlauteren Wettbewerb,
4.
Bundesgesetz vom 1. Juli 19666 über den Natur- und Heimatschutz,
5.
Waffengesetz vom 20. Juni 19977,
6.
Alkoholgesetz vom 21. Juni 19328,
7.
Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 19589 (SVG),
8.
Nationalstrassenabgabegesetz vom 19. März 201010 (NSAG),
9.
Bundesgesetz vom 3. Oktober 197511 über die Binnenschifffahrt,
10.
Betäubungsmittelgesetz vom 3. Oktober 195112 (BetmG),
11.
Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 198313,
12.14
Lebensmittelgesetz vom 20. Juni 201415,
12a.16
13.
Bundesgesetz vom 3. Oktober 200817 zum Schutz vor Passivrauchen,
14.
Waldgesetz vom 4. Oktober 199118,
15.
Jagdgesetz vom 20. Juni 198619,
16.
Bundesgesetz vom 21. Juni 199120 über die Fischerei,
17.
Bundesgesetz vom 23. März 200121 über das Gewerbe der Reisenden;
18.22
Bundesgesetz vom 29. September 202323 über das Verbot der Verhüllung des Gesichts; oder
b.
in einer Verordnung aufgeführt ist, die sich auf ein Gesetz nach Buchstabe a Ziffern 1–9 und 11–17 stützt; ….24

2 Das Ordnungsbussenverfahren ist nur anwendbar, wenn der betreffende Übertretungstatbestand in den Listen nach Artikel 15 aufgeführt ist.

3 Es ist nicht anwendbar bei Übertretungen, die nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197425 über das Verwaltungsstrafrecht verfolgt und beurteilt werden.

4 Die Ordnungsbusse beträgt höchstens 300 Franken.

5 Vorleben und persönliche Verhältnisse der beschuldigten Person werden nicht berücksichtigt.

3 SR 142.20

4 SR 142.31

5 SR 241

6 SR 451

7 SR 514.54

8 SR 680

9 SR 741.01

10 SR 741.71

11 SR 747.201

12 SR 812.121

13 SR 814.01

14 Fassung gemäss Art. 17.

15 SR 817.0

16 Eingefügt durch Ziff. II 1 des BG vom 18. Dez. 2020 (Kultur, Härtefälle, Sport, Arbeitslosenversicherung, Ordnungsbussen), in Kraft vom 19. Dez. 2020 bis zum 31. Dez. 2022 (AS 2020 5821; 2021 878 Ziff. III 2; BBl 2020 8819; 2021 2515).

17 SR 818.31

18 SR 921.0

19 SR 922.0

20 SR 923.0

21 SR 943.1

22 Eingefügt durch Art. 4 des BG vom 29. Sept. 2023 über das Verbot der Verhüllung des Gesichts, in Kraft seit 1. Jan. 2025 (AS 2024 620; BBl 2022 2668).

23 SR 311.6

24 Zweiter Teilsatz eingefügt durch Ziff. II 1 des BG vom 18. Dez. 2020 (Kultur, Härtefälle, Sport, Arbeitslosenversicherung, Ordnungsbussen), in Kraft vom 19. Dez. 2020 bis zum 31. Dez. 2021 (AS 2020 5821; BBl 2020 8819).

25 SR 313.0

Art. 2 Zuständige Organe

1 Ordnungsbussen werden erhoben von Polizeiorganen und Behörden, die für den Vollzug der Gesetze nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a und der gestützt darauf erlassenen Verordnungen zuständig sind. Die Kantone bezeichnen die zur Erhebung von Ordnungsbussen zuständigen Organe.

2 Soweit das Bundesrecht dem Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) Kontrollkompetenzen in den Bereichen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a zuweist, ist das BAZG ermächtigt, bei Widerhandlungen Ordnungsbussen zu erheben. Es überweist die Sache an die zuständige Strafverfolgungsbehörde, wenn die Ordnungsbusse nicht sofort bezahlt wird.26

3 Die Vertreterin oder der Vertreter des zuständigen Organs muss sich gegenüber der beschuldigten Person entsprechend ausweisen.

26 Fassung gemäss Ziff. I 7 der V vom 12. Juni 2020 über die Anpassung von Gesetzen infolge der Änderung der Bezeichnung der Eidgenössischen Zollverwaltung im Rahmen von deren Weiterentwicklung, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 2743).

Art. 3 Voraussetzungen

1 Das Ordnungsbussenverfahren ist anwendbar, wenn die Vertreterin oder der Vertreter des zuständigen Organs die Widerhandlung selbst festgestellt hat.

2 Es ist auch anwendbar, wenn es sich um eine Widerhandlung gegen das SVG27 und die gestützt darauf erlassenen Verordnungen handelt, die durch eine automatische Überwachungsanlage festgestellt wird, welche die Anforderungen des Messgesetzes vom 17. Juni 201128 erfüllt.

Art. 4 Ausnahmen

1 Dieses Gesetz findet keine Anwendung, wenn die Widerhandlung von einer Person begangen wird, die zum Zeitpunkt der Tat das 15. Altersjahr nicht vollendet hat; vorbehalten bleibt Absatz 2.

2 Widerhandlungen gegen das BetmG29 werden nicht im Ordnungsbussenverfahren geahndet, wenn sie von einer Person begangen werden, die zum Zeitpunkt der Tat das 18. Altersjahr nicht vollendet hat.

3 Widerhandlungen werden zudem nicht im Ordnungsbussenverfahren geahndet, wenn:

a.
die beschuldigte Person anlässlich der Widerhandlung jemanden gefährdet oder verletzt oder Schaden verursacht hat;
b.
der beschuldigten Person zusätzlich eine Widerhandlung vorgeworfen wird, die nicht in einer nach Artikel 15 erstellten Liste aufgeführt ist;
c.
die beschuldigte Person das Ordnungsbussenverfahren für eine oder mehrere ihr vorgeworfenen Widerhandlungen ablehnt;
d.
Verfahrenshandlungen nach der Strafprozessordnung30 erforderlich sind, die in diesem Gesetz nicht genannt sind.
Art. 5 Konkurrenz

1 Erfüllt die beschuldige Person durch eine oder mehrere gleichzeitige Handlungen mehrere Übertretungstatbestände, die im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden, so werden die Beträge zusammengezählt und es wird eine Gesamtbusse auferlegt. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen für den Fall, dass mehrere Übertretungstatbestände denselben Schutzzweck haben.

2 Beträgt die zu erwartende Gesamtbusse mehr als 600 Franken, so werden alle Widerhandlungen im ordentlichen Strafverfahren beurteilt.

Art. 6 Verfahren im Allgemeinen

1 Wird die beschuldigte Person anlässlich der Widerhandlung identifiziert, so kann sie die Busse sofort oder innerhalb von 30 Tagen (Bedenkfrist) bezahlen.

2 Bezahlt sie sofort, so wird eine Quittung ohne ihren Namen ausgestellt.

3 Bezahlt sie nicht sofort, so muss sie ihre Personalien angeben und erhält ein Bedenkfristformular sowie einen Einzahlungsschein. Die Vertreterin oder der Vertreter des zuständigen Organs behält eine Kopie des Formulars zurück. Bezahlt die beschuldigte Person die Busse innerhalb der Frist, so wird die Kopie vernichtet.

4 Bezahlt die beschuldigte Person die Busse nicht innerhalb der Frist, so wird ein ordentliches Strafverfahren durchgeführt.

5 Ist nicht bekannt, wer die Widerhandlung begangen hat, so wird ein ordentliches Strafverfahren durchgeführt. Vorbehalten bleibt Artikel 7.

6 Vorschriften, welche die Mitteilung von Urteilen, Strafbefehlen oder Einstellungsbeschlüssen vorsehen, finden im Ordnungsbussenverfahren keine Anwendung.

Art. 7 Haftung der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters

1 Wird die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer nicht anlässlich der Widerhandlung gegen das SVG31, die gestützt darauf erlassenen Verordnungen oder das NSAG32 angetroffen oder angehalten, so wird die Busse der im Fahrzeugausweis als Fahrzeughalterin oder Fahrzeughalter eingetragenen natürlichen oder juristischen Person auferlegt.33

2 Der Halterin oder dem Halter wird die Busse schriftlich eröffnet. Sie oder er kann sie innerhalb von 30 Tagen bezahlen.

3 Bezahlt die Halterin oder der Halter die Busse nicht innerhalb der Frist, so wird ein ordentliches Strafverfahren durchgeführt.

4 Nennt die Halterin oder der Halter den Namen und die Adresse der Person, welche die Widerhandlung begangen hat, so wird gegen diese das Verfahren nach den Absätzen 2 und 3 durchgeführt.

5 Kann mit verhältnismässigem Aufwand nicht festgestellt werden, wer die Widerhandlung begangen hat, so erhält die Halterin oder der Halter eine Frist von 30 Tagen, um die Busse zu bezahlen, es sei denn, sie oder er macht im ordentlichen Strafverfahren glaubhaft, dass das Fahrzeug gegen ihren oder seinen Willen benutzt wurde und dies trotz entsprechender Sorgfalt nicht verhindert werden konnte.

31 SR 741.01

32 SR 741.71

33 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 1 des BG vom 17. März 2023, in Kraft seit 1. Okt. 2023 (AS 2023 453; BBl 2021 3026).

Art. 8 Sicherstellung und Einziehung

1 Mit der Erhebung der Ordnungsbusse werden Gegenstände und Vermögenswerte, die nach den Artikeln 69 und 70 des Strafgesetzbuches34 einzuziehen sind, sichergestellt.

2 Die sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte gelten mit der Bezahlung der Busse als eingezogen.

Art. 9 Formulare

1 Die Quittung für die Ordnungsbusse enthält folgende Angaben:

a.
die Bezeichnung des zuständigen Organs;
b.
Datum, Zeit und Ort der Widerhandlung;
c.
den erfüllten Übertretungstatbestand;
d.
den Bussenbetrag;
e.
die Beschreibung der allenfalls eingezogenen Gegenstände und Vermögenswerte;
f.
Ort und Datum der Ausstellung;
g.35
die Information, aus der sich ergibt, wer die Quittung ausstellt.

2 Das Bedenkfristformular enthält folgende Angaben:

a.
Name, Vorname, Geburtsdatum, Heimatort und Wohnort der beschuldigten Person;
b.
das Datum der Abgabe des Formulars;
c.
den Hinweis, dass das ordentliche Strafverfahren durchgeführt wird, sofern die Busse nicht innerhalb von dreissig Tagen bezahlt wird; vorbehalten bleibt Buchstabe d;
d.
den Hinweis, dass der hinterlegte Betrag mit der Ordnungsbusse verrechnet wird, sofern die beschuldigte Person die Ordnungsbusse innerhalb von dreissig Tagen ausdrücklich akzeptiert oder die Bedenkfrist unbenutzt abläuft;
e.
die Bezeichnung des zuständigen Organs;
f.
Datum, Zeit und Ort der Widerhandlung;
g.
den erfüllten Übertretungstatbestand;
h.
den Bussenbetrag;
i.
die Beschreibung der allenfalls sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte;
j.
Ort und Datum der Ausstellung;
k.36
die Information, aus der sich ergibt, wer das Formular ausstellt.

3 In Fällen nach Artikel 7 kann das Bedenkfristformular als Steckzettel verwendet werden. Das Bedenkfristformular enthält anstelle der Personalien nach Absatz 2 Buchstabe a das Fahrzeugkennzeichen.

35 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. 8 des BG vom 17. Juni 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 468; BBl 2019 6697).

36 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. 8 des BG vom 17. Juni 2022, in Kraft seit 1. Jan. 2024 (AS 2023 468; BBl 2019 6697).

Art. 10 Beschuldigte Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz

1 Wer in der Schweiz keinen Wohnsitz hat und die Busse nicht sofort bezahlt, hat den Betrag zu hinterlegen oder eine angemessene Sicherheit zu leisten.

2 Läuft die Bedenkfrist nach Artikel 6 Absatz 1 unbenutzt ab oder akzeptiert die beschuldigte Person die Ordnungsbusse innerhalb dieser Frist ausdrücklich, so wird der hinterlegte Betrag mit der Ordnungsbusse verrechnet. Die Ordnungsbusse gilt mit der Verrechnung als bezahlt.

Art. 13 Ablehnung des Ordnungsbussenverfahrens

1 Die Vertreterin oder der Vertreter des zuständigen Organs hat der beschuldigten Person mitzuteilen, dass sie das Ordnungsbussenverfahren ablehnen kann.

2 Lehnt die beschuldigte Person das Verfahren ab, so wird ein ordentliches Strafverfahren durchgeführt; vorbehalten bleibt Artikel 15 Absatz 3 NSAG37.

Art. 15 Ausführung des Gesetzes

Der Bundesrat listet nach Anhörung der Kantone die Übertretungstatbestände auf, die durch Ordnungsbusse zu ahnden sind, und bestimmt den Bussenbetrag.

Anhang

(Art. 16)

Aufhebung und Änderung anderer Erlasse

I

Das Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 197040 wird aufgehoben.

II

Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert:

41

40 [AS 1972 734; 1996 1075; 2006 3545 Art. 44 Ziff. 4; 2012 6291 Ziff. II; 2013 4669]

41 Die Änderungen können unter AS 2017 6559 konsultiert werden.