817.022.2

Verordnung des EDI
über neuartige Lebensmittel

vom 16. Dezember 2016 (Stand am 1. Februar 2024)

Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI),

gestützt auf die Artikel 16 Buchstabe a, 17 Absätze 3 und 5 sowie 95 Absatz 3 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dezember 20161 (LGV),

verordnet:

Art. 1 Gegenstand

Diese Verordnung regelt:

a.
das Bewilligungsverfahren für neuartige Lebensmittel nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–j LGV;
b.
das Bewilligungsverfahren für neuartige traditionelle Lebensmittel nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe k LGV;
c.
die neuartigen Lebensmittel, die ohne Bewilligung verkehrsfähig sind.
Art. 2 Gesuch um Bewilligung für neuartige Lebensmittel

1 Das Gesuch um Bewilligung für ein neuartiges Lebensmittel nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–j LGV, das nach Artikel 17 Absatz 1 LGV beurteilt wird, ist dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in einer Amtssprache des Bundes oder in englischer Sprache einzureichen.

2 Es muss die folgenden Angaben über das neuartige Lebensmittel enthalten:

a.
einen Vorschlag für die Sachbezeichnung;
b.
eine Beschreibung;
c.
die Zusammensetzung und die Spezifikationen;
d.
gegebenenfalls die Analysemethoden;
e.
wissenschaftliche Daten, die belegen, dass das neuartige Lebensmittel Artikel 17 Absatz 1 LGV entspricht;
f.
gegebenenfalls den Verwendungszweck und die Verwendungsbedingungen;
g.
die Aufmachung und die Kennzeichnung;
h.
das Herstellungsverfahren oder die Vermehrungs- und die Zuchtmethoden.
Art. 3 Gesuch um Bewilligung für neuartige traditionelle Lebensmittel

1 Das Gesuch um Bewilligung eines neuartigen traditionellen Lebensmittels nach Artikel 17 Absatz 3 LGV ist dem BLV in einer Amtssprache des Bundes oder in englischer Sprache einzureichen.

2 Es muss die folgenden Angaben über das neuartige traditionelle Lebensmittel enthalten:

a.
einen Vorschlag für die Sachbezeichnung;
b.
eine Beschreibung;
c.
die Daten über die Zusammensetzung;
d.
das Herkunftsland;
e.
den Nachweis anhand der Verwendungsgeschichte, dass es sich in einem Land ausserhalb der Schweiz und der Europäischen Union (EU) in den letzten 25 Jahren als Bestandteil der üblichen Ernährung einer signifikanten Anzahl Personen als sicheres Lebensmittel erwiesen hat;
f.
gegebenenfalls die Verwendungsbedingungen;
g.
die Aufmachung und die Kennzeichnung.
Art. 5 Allgemeinverfügung für neuartige traditionelle Lebensmittel

1 Die Allgemeinverfügung nach Artikel 17 Absatz 4 LGV muss für neuartige traditionelle Lebensmittel folgende Angaben enthalten:

a.
die Sachbezeichnung;
b.
die Beschreibung;
c.
das Herkunftsland;
d.
gegebenenfalls die Verwendungsbedingungen;
e.
gegebenenfalls die spezifischen Kennzeichnungsanforderungen.

2 Die Allgemeinverfügung sowie der Eintritt der Rechtskraft werden im Bundesblatt publiziert.

3 Das BLV informiert die kantonalen Vollzugsorgane unverzüglich über den Erlass einer Allgemeinverfügung und über den Eintritt von deren Rechtskraft.

Art. 6 Neuartige und neuartige traditionelle Lebensmittel, die ohne Bewilligung verkehrsfähig sind

1 Ohne Bewilligung verkehrsfähig sind neuartige und neuartige traditionelle Lebensmittel gemäss Anhang.2

2 Das BLV:

a.3
führt den Anhang nach, wenn:
1.
ein neuartiges Lebensmittel die Anforderungen nach Artikel 17 Absatz 1 LGV erfüllt,
2.
ein neuartiges traditionelles Lebensmittel die Anforderungen nach Artikel 4 erfüllt;
b.
legt die Übergangsbestimmungen fest.

2 Fassung gemäss Ziff. I der V des EDI vom 27. Mai 2020, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2020 2361).

3 Fassung gemäss Ziff. I der V des EDI vom 27. Mai 2020, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2020 2361).

Art. 7 Übergangsbestimmungen

1 Lebensmittel, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung nicht als neuartige Lebensmittel galten und nun in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, dürfen bis am 30. April 2018 ohne Bewilligung in Verkehr gebracht werden.

2 Wird bis spätestens 30. April 2018 ein Bewilligungsgesuch eingereicht, dürfen sie noch so lange weiterhin in Verkehr gebracht werden, bis über das Gesuch entschieden ist.

3 Lebensmittel, die die Voraussetzungen von Artikel 35 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2015/22834 erfüllen, dürfen bis zum Entscheid der EU in Verkehr gebracht werden, sofern nachgewiesen wird, dass in der Europäischen Union ein Antrag auf Zulassung des neuartigen Lebensmittels gestellt wurde oder die Meldung für das neuartige traditionelle Lebensmittel erfolgt ist.

4 Die nach Absatz 3 zulässigen Lebensmittel werden in einer Liste auf dem Internet publiziert.

4 Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission; Fassung gemäss ABl. L 327 vom 11.12.2015, S. 1

Art. 7a5 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 8. Dezember 2023

Lebensmittel, die der Änderung vom 8. Dezember 2023 nicht entsprechen, dürfen noch bis zum 31. Januar 2025 nach bisherigem Recht eingeführt, hergestellt und gekennzeichnet und noch bis zum Abbau der Bestände an Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden.

5 Eingefügt durch Ziff. I der V des BLV vom 8. Dez. 2023, in Kraft seit 1. Febr. 2024 (AS 2023 835).

Anhang6

6 Fassung gemäss Ziff. II der V des BLV vom 8. Dez. 2023, in Kraft seit 1. Febr. 2024 (AS 2023 835).

(Art. 6 Abs. 1)

Ohne Bewilligung in der Schweiz verkehrsfähige neuartige und neuartige traditionelle Lebensmittel

Die in der Liste aufgeführten neuartigen und neuartigen traditionellen Lebensmittel bedürfen keiner Bewilligung für das Inverkehrbringen in der Schweiz, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen, die in der zweiten Spalte aufgeführt sind.

Lebensmittel

Einzuhaltende Vorschriften

Sämtliche Lebensmittel, die nach der Verordnung (EU) 2015/22837 in Verkehr gebracht werden dürfen.

Die Vorschriften gemäss den einzelnen Durchführungsbeschlüssen und Meldungen sind einzuhalten.

Insekten der folgenden Arten:

Tenebrio molitor im Larvenstadium (Mehlwurm)

Acheta domesticus, adulte Form (Heimchen, Grille)

Locusta migratoria, adulte Form (Europäische Wanderheuschrecke)

Sachbezeichnung

Als Sachbezeichnung ist zu verwenden: «Mehlwurm (Tenebrio molitor)», «Heimchen (Acheta domesticus)» oder «Grille (Acheta domesticus)» und «Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria)».

Werden Insekten als Zutat verwendet, so muss in der Sachbezeichnung des Lebensmittels darauf hingewiesen werden.

Kennzeichnung

Lebensmittel, die Insekten als Zutat enthalten, müssen analog zu Artikel 11 der Verordnung des EDI vom 16. Dezember 20168 betreffend die Information über Lebensmittel gekennzeichnet werden.

Anforderungen

Die Insekten müssen aus einer Zucht stammen.

Sie dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie über einen angemessenen Zeitraum tiefgefroren und einer Hitzebehandlung oder einem anderen geeigneten Verfahren unterzogen wurden, das gewährleistet, dass vegetative Keime abgetötet werden.

Sie dürfen als Ganzes oder in zerkleinerter, gemahlener Form abgegeben werden.

Salvia hispanica, Pflanzenteil:
Samen (Chiasamen)

Verwendungszweck

Chiasamen gemäss der untenstehenden Spezifikation dürfen ganz, gestampft oder gemahlen als Zutat in allen Lebensmitteln verwendet werden. Zudem dürfen Chiasamen auch unverarbeitet an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden.

Kennzeichnung

Chiasamen sind in der Kennzeichnung des Lebensmittels, das sie enthält, als «Chiasamen (Salvia hispanica)» zu bezeichnen.

Zusätzlich ist für Chiasamen, die unverarbeitet an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden, eine Kennzeichnung erforderlich, welche die Angabe enthält, dass eine tägliche Aufnahme von 15 g Chiasamen nicht überschritten werden darf.

Werden unverarbeitete Chiasamen offen an die Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben, so kann mündlich auf die tägliche Höchstmenge hingewiesen werden, wenn:

1.
schriftlich gut sichtbar darauf hingewiesen wird, dass die Informationen betreffend die Einschränkung der täglichen Aufnahmen mündlich eingeholt werden können, und
2.
die Informationen dem Personal schriftlich vorliegen oder eine fachkundige Person sie unmittelbar erteilen kann.

Höchstgehalt

Die Tagesportion eines Lebensmittels darf nicht mehr als 15 g Chiasamen als Zutat enthalten. Zusätzlich dürfen folgende Höchstgehalte an Chiasamen als Zutat in Lebensmitteln nicht überschritten werden:

Lebensmittel, ausser Getränke: 10 %
Getränke: 3 %

Spezifikation der Chiasamen

Chia (Salvia hispanica) ist eine einjährige krautige Sommerpflanze aus der Familie der Labiatae.

Die Samen werden nach der Ernte mechanisch gereinigt. Blüten, Blätter und andere Pflanzenteile werden entfernt.

Chiasamen weisen folgende Zusammensetzung auf:

Trockensubstanz 91–96 %

Eiweiss 19–25,6 %

Fett 28–34 %

Kohlenhydrate9 24,6–41,5 %

Ballaststoffe (Rohfasern10) 20–32 %

Asche 4–6 %

Chenopodium pallidicaule Aellen (Canihua, Cañihua, Kañiwa oder Kaniwa), Korn

Verwendungszweck

Für den menschlichen Konsum darf von der Pflanze Chenopodium pallidicaule Aellen nur das Korn als Ganzes oder gemahlen, roh oder geröstet, in Verkehr gebracht werden.

Herkunftsland

Chenopodium pallidicaule Aellen muss in Bolivien oder Peru auf traditionelle Weise angebaut worden sein.

Kennzeichnung

Als Sachbezeichnung ist zu verwenden: «Canihua», «Cañihua», «Kañiwa» oder «Kaniwa» gefolgt von «(Chenopodium pallidicaule Aellen)».

Wird Chenopodium pallidicaule Aellen in roher Form in Verkehr gebracht, so ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass das Produkt vor dem Verzehr vollständig durcherhitzt werden muss.

Spezifikation des Korns

Die Körner von Chenopodium pallidicaule Aellen weisen typischerweise folgende Zusammensetzung auf:

Wasser 11 %

Eiweiss 13 %

Fett   7 %

Kohlenhydrate (hydrolysierbar) 60 %

Ballaststoffe (Rohfasern)   6 %

Asche   3 %

Lilium davidii L., Knolle (Lilienknolle)

Verwendungszweck

Für den menschlichen Konsum darf von der Pflanze Lilium davidii L. nur die Knolle (frische Knolle, gehobelt in Schuppen, Spalten oder dünne Scheiben ähnlich wie Trüffel oder als Pulver aus den getrockneten Knollen) verwendet werden.

Herkunftsland

Die Knolle von Lilium davidii L. muss in China auf traditionelle Weise angebaut worden sein.

Kennzeichnung

Als Sachbezeichnung ist zu verwenden: «Lilienknolle (Lilium davidii L.)».

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Knolle in kleinen Mengen zu verzehren ist und dass maximal eine Knolle zur Zubereitung einer Mahlzeit verwendet werden darf.

Spezifikation der Knolle

Die Knolle von Lilium davidii L. weist typischerweise folgende Zusammensetzung auf:

Wasser 74 %

Eiweiss   4 %

Fett   0,5 %

Kohlenhydrate 19,5 %

Asche   2 %

Dipteryx alata V., geröstete Samen (Baru Nuss)

Verwendungszweck

Für den menschlichen Konsum dürfen von der Pflanze Dipteryx alata V. (Baru Nuss) nur die gerösteten Samen verwendet werden.

Herkunftsland

Die Samen müssen aus Brasilien stammen.

Kennzeichnung

Als Sachbezeichnung ist zu verwenden: «geröstete Samen der Baru Nuss (Dipteryx alata V.)».

Werden die Samen von Dipteryx alata V. (Baru Nuss) in roher Form in Verkehr gebracht, so ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass das Produkt vor dem Verzehr vollständig durcherhitzt oder geröstet werden muss.

Es ist darauf hinzuweisen, dass Personen, die bereits auf Leguminosen allergisch reagieren, Kreuz-Reaktionen entwickeln können. Dieser Hinweis ist auch bei offen in Verkehr gebrachten Samen von Dipteryx alata V. (Baru Nuss) schriftlich anzubringen.

Lebensmittel, die Dipteryx alata V. (Baru Nuss) als Zutat enthalten, müssen analog zu Artikel 11 der Verordnung des EDI vom 16. Dezember 2016 betreffend die Information über Lebensmittel gekennzeichnet werden.

Spezifikation der gerösteten Samen

Die gerösteten Samen von Dipteryx alata V. (Baru Nuss) weisen typischerweise folgende Zusammensetzung auf:

Wasser 2–7%

Eiweiss 23–31 %

Fett 24–46 %

Kohlenhydrate
(ohne Ballaststoffe) 9–29 %

Asche 3%

7 Siehe Fussnote zu Art. 7 Abs. 3.

8 SR 817.022.16

9 Kohlenhydrate umfassen den Ballaststoffgehalt (EU: verfügbare Kohlenhydrate = Zucker + Stärke).

10 Als Rohfaser wird der Anteil der Ballaststoffe bezeichnet, der vor allem aus unverdaulicher Zellulose, Pentosanen und Lignin besteht.