0.211.213.232.4

 AS 2016 639

Übersetzung1

Gegenseitigkeitserklärung

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
vertreten durch das Bundesamt für Justiz, (nachfolgend «Schweiz») und der Regierung der Provinz Alberta, vertreten durch den Minister of Justice and Solicitor General, (nachfolgend «Alberta»)
im Bereich der Anerkennung, Vollstreckung, Schaffung und
Abänderung von Unterhaltsverpflichtungen

Abgeschlossen am 25. Januar 2016

In Kraft getreten am 25. Januar 2016

(Stand am 25. Januar 2016)

1 Übersetzung des französischen Originaltextes.

Die Schweiz
und
Alberta,

in Erwägung, dass die Schweiz und Alberta die Anerkennung und Vollstreckung ihrer jeweiligen Unterhaltsentscheidungen und vollstreckbaren Unterhaltsvereinbarungen sowie die Schaffung und Abänderung von vollstreckbaren Unterhaltsverpflichtungen zwischen Parteien, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der beiden Hoheitsgebiete haben, weitestmöglich erleichtern möchten;

in Anbetracht dessen, dass sich das Schweizerische Zivilgesetzbuch2 und das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht3 einerseits und die Gesetzgebung von Alberta andererseits auf den oben erwähnten Rechtsgebieten in ihrer Substanz ähnlich sind;

erklären zu diesem Zweck:

1.  Alberta gibt eine Erklärung ab, dass die Schweiz gemäss dem Interjurisdictional Support Orders Act, SA 2003, c. I-3.5, als Gegenrecht gewährende Gebietseinheit («reciprocating jurisdiction») gilt.

2.  Die Schweiz behandelt Alberta als Gegenrecht gewährende Gebietseinheit.

3.  Alberta und die Schweiz übernehmen daraufhin je nachdem die in den nachfolgenden Ziffern umschriebenen Aufgaben einer «ersuchenden Gebietseinheit» oder einer «ersuchten Gebietseinheit».

Geltungsbereich

4.  Diese Gegenseitigkeitserklärung, die mit der Erfüllung von Ziffer 1, aber unter Vorbehalt eines Widerrufs der Erklärung nach Ziffer 1 wirksam wird, ist anwendbar:

a)
in Alberta auf Entscheidungen und Vereinbarungen, die von der Definition von «support order» im Interjurisdictional Support Orders Act erfasst werden; und
b)
in der Schweiz auf Entscheidungen oder Vergleiche, die vor einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde in Bezug auf eine Unterhaltsverpflichtung aus einer Familienbeziehung, Elternschaft oder Ehe ergangen sind, einschliesslich einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem unehelichem Kind, unabhängig davon, ob die jeweilige Entscheidung oder der jeweilige Vergleich in einem Verfahren auf gerichtliche Trennung, Scheidung oder Aufhebung oder Nichtigkeitserklärung einer Ehe ergangen ist.

Die Gegenseitigkeitserklärung gilt auch für Vereinbarungen, deren Bestimmungen nach dem Recht der ersuchenden Gebietseinheit vollstreckbar sind, wie wenn sie in einer Entscheidung enthalten wären. Die Anwendbarkeit beschränkt sich jedoch auf diejenigen Teile der Entscheidung, des Vergleichs oder der Vereinbarung, die Unterhaltsverpflichtungen betreffen.

5.  Auch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft kann die Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsverpflichtung beantragen, sofern sie nach dem Recht, dem sie untersteht, dazu ermächtigt ist.

6.  Sieht eine Entscheidung, ein Vergleich oder eine Vereinbarung über den Unterhalt regelmässig wiederkehrende Unterhaltszahlungen vor, so wird vermutet, dass die Vollstreckung sowohl in Bezug auf Rückstände als auch in Bezug auf künftige Zahlungen beantragt wird.

7.  Für die Zwecke dieser Gegenseitigkeitserklärung ist mit «unterhaltsberechtigte Person» eine Person gemeint, die im Sinne des New Yorker Übereinkommens vom 20. Juni 19564 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland Unterhaltsansprüche geltend macht beziehungsweise «support» im Sinne von Section 1(c) des Interjurisdictional Support Orders Act von Alberta verlangt.

Die Schweiz als «ersuchende Gebietseinheit» und Alberta als «ersuchte Gebietseinheit»


8.  Die Schweiz kann beantragen, dass Alberta die erforderlichen rechtlichen und verfahrensrechtlichen Schritte unternimmt, um eine Entscheidung, einen Vergleich oder eine Vereinbarung über den Unterhalt aus der Schweiz nach den Bestimmungen von Albertas Interjurisdictional Support Orders Act zu anerkennen und zu vollstrecken.

9.  Die Schweiz kann zudem beantragen, dass Alberta Schritte einleitet, um in Alberta zugunsten einer unterhaltsberechtigten Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft im Sinne von Ziffer 5 in Übereinstimmung mit dem Interjurisdictional Support Orders Act eine vollstreckbare Entscheidung, einen vollstreckbaren Vergleich oder eine vollstreckbare Vereinbarung über den Unterhalt zu erwirken oder eine Entscheidung, einen Vergleich oder eine Vereinbarung über den Unterhalt abändern zu lassen.

10.  Die Schweiz reicht Alberta alle Entscheidungen und Unterlagen, die in einem der hier angesprochenen Verfahren benötigt werden, kostenlos und ins Englische übersetzt ein. Diese Bestimmung lässt die schweizerischen Regeln über die internationale Rechtshilfe unberührt.

Alberta als «ersuchende Gebietseinheit» und die Schweiz als «ersuchte Gebietseinheit»


11.  Alberta kann beantragen, dass die Schweiz die erforderlichen rechtlichen und verfahrensrechtlichen Schritte unternimmt, um eine Entscheidung, einen Vergleich oder eine Vereinbarung über den Unterhalt aus Alberta nach den günstigsten Rechtsvorschriften und innerstaatlichen Verfahren der Schweiz betreffend die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Unterhaltsverpflichtungen zu anerkennen und zu vollstrecken.

12.  Alberta kann zudem beantragen, dass die Schweiz Amtshilfe analog den Bestimmungen des New Yorker Übereinkommens vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland leistet, damit eine unterhaltsberechtigte Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Alberta hat, Schritte einleiten kann, um in der Schweiz gemäss den schweizerischen Regeln zur Bestimmung des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts eine vollstreckbare Entscheidung, einen vollstreckbaren Vergleich oder eine vollstreckbare Vereinbarung über den Unterhalt zu erwirken oder um eine Entscheidung oder Vereinbarung über den Unterhalt abändern zu lassen, sofern die andere Partei im Verfahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat.

13.  Alberta reicht der Schweiz auf Verlangen alle Entscheidungen und Unterlagen, die in einem der hier angesprochenen Verfahren benötigt werden, kostenlos und in die jeweilige Amtssprache gemäss den Angaben in der angehängten Kantonsliste übersetzt ein. Diese Bestimmung lässt die Regeln Albertas über die internationale Rechtshilfe unberührt.

Gemeinsame Bestimmungen

14.  Die Übermittlungs- und Empfangsstellen erheben für ihre Tätigkeit, die sie aufgrund der vorliegenden Gegenseitigkeitserklärung leisten, keine Gebühren.

15.  Versucht eine unterhaltsberechtigte Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der ersuchenden Gebietseinheit hat, im Gebiet der ersuchten Gebietseinheit die Titulierung, Abänderung, Anerkennung oder Vollstreckung einer Unterhaltsverpflichtung zu erlangen, so erleichtern ihr Alberta und die Schweiz als jeweils ersuchte Gebietseinheit gemäss ihren einschlägigen Rechtsvorschriften den Zugang zur unentgeltlichen Rechtspflege. Falls abgeklärt werden muss, ob aus finanzieller Sicht Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht, benachrichtigt die ersuchte Gebietseinheit die ersuchende Gebietseinheit über das entsprechende Verfahren und die Unterlagen, die für diese Abklärung notwendig sind. Erhält eine Gebietseinheit ein Gesuch der anderen Gebietseinheit, so informiert sie diese über den Stand des Verfahrens.

16.  Die Behörden der Schweiz und von Alberta arbeiten zusammen, um den Indexklauseln, die in anerkannten und vollstreckten Entscheidungen, Vergleichen oder Vereinbarungen über den Unterhalt enthalten sind, Wirkung zu verleihen.

17.  Die Unterzeichneten setzen ihre Kräfte und Mittel bestmöglich ein, um für die Zwecke dieser Gegenseitigkeitserklärung unterhaltsverpflichtete Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet ausfindig zu machen.

18.  Diese Gegenseitigkeitserklärung entspricht der gesamten Vereinbarung der Unterzeichneten und ersetzt alle früheren schriftlichen oder mündlichen, ausdrück­lichen oder stillschweigenden Vereinbarungen, Diskussionen, Verhandlungen, Arrangements, Aussagen und Zusicherungen zwischen ihnen. Diese Gegenseitigkeitserklärung kann nur durch schriftliche Vereinbarung zwischen den Unterzeichneten ergänzt oder geändert werden, unter Vorbehalt von Ziffer 4.

Zuständige Behörden

19.  Für die Erfüllung der Zusammenarbeitsverpflichtungen aus dieser Gegenseitigkeitserklärung sind die folgenden Behörden zuständig, die auch als Übermittlungs- und Empfangsstellen für die gegenseitigen Gesuche zur Verfügung stehen:

in der Schweiz: Bundesamt für Justiz;
in Alberta: der im Interjurisdictional Support Orders Act bezeichnete Minister of Justice and Solicitor General of Alberta.

Allfällige Änderungen der zuständigen Behörde werden der anderen Gebietseinheit unverzüglich mitgeteilt.

In Bern, Schweiz:

Martin Dumermuth
Direktor des Bundesamtes für Justiz

25. Januar 2016

In Edmonton, Alberta:

Kathleen Ganley
Minister of Justice and
Solicitor General

23. November 2015