742.144.1

Verordnung
über die Lärmsanierung der Eisenbahnen

(VLE)

vom 4. Dezember 2015 (Stand am 1. Januar 2020)

Der Schweizerische Bundesrat,

gestützt auf die Artikel 4 Absätze 2–5, 7 Absatz 4, 7a Absatz 2 und 11
des Bundesgesetzes vom 24. März 20001 über die Lärmsanierung der Eisenbahnen (BGLE)
sowie die Artikel 12, 16 Absatz 2 und 39 Absätze 1 und 1bis des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 19832 (USG),

verordnet:

1 SR 742.144

2 SR 814.01

Art. 1 Gegenstand

Diese Verordnung regelt:

a.
die Emissionsbegrenzungen für Güterwagen (Art. 4 Abs. 2 und 3 BGLE);
b.
die ergänzenden Massnahmen an der Fahrbahn und auf dem Ausbreitungsweg des Schalls (Art. 7a BGLE) an ortsfesten Eisenbahnanlagen, die vor dem 1. Januar 1985 rechtskräftig bewilligt worden sind;
c.
die Investitionsförderung sowie die Ressortforschung (Art. 10a BGLE).
Art. 2 Verhältnis zur Lärmschutz-Verordnung

1 Soweit diese Verordnung keine abweichenden Bestimmungen enthält, gilt die Lärm­schutz-Verordnung vom 15. Dezember 19863 (LSV).

2 Änderungen im Betrieb oder an der Infrastruktur ortsfester Eisenbahnanlagen, die nicht zu einer Überschreitung der nach Artikel 37a Absatz 1 LSV festgelegten zulässigen Immissionen führen, gelten nicht als wesentliche Änderungen im Sinne von Artikel 8 Absätze 2 und 3 LSV.

Art. 3 Emissionskataster

1 Das Bundesamt für Verkehr (BAV) führt einen Emissionskataster zur Kontrolle, ob die nach Artikel 37a Absatz 1 LSV4 festgelegten zulässigen Immissionen nicht überschritten werden.

2 Der Emissionskataster umfasst für jeden Streckenabschnitt des Eisenbahnnetzes:

a.
den Beurteilungs-Emissionspegel (Lr,e) wie er für die Festlegung der zulässigen Immissionen verwendet worden ist;
b.
die Emissionen des tatsächlichen Betriebs.

3 Die Infrastrukturbetreiberinnen ermitteln die Emissionen des tatsächlichen Betriebs periodisch und stellen die Daten dem BAV zu.

4 Der Emissionskataster ist öffentlich.

Art. 4 Emissionsgrenzwert für Güterwagen

1 Auf dem Schweizer Normalspurnetz verkehrende Güterwagen müssen den Emis­sionsgrenzwert für das Vorbeifahrgeräusch gemäss der Verordnung (EU) Nr. 1304/20145 einhalten. Bei Güterwagen mit Verbundstoff-Bremssohlen wird ohne Prüfung davon ausgegangen, dass sie diese Anforderung erfüllen.

2 Der Emissionsgrenzwert gilt nicht für Spezialfahrzeuge mit geringer Laufleistung und historische Fahrzeuge.

3 Überschreitungen des Emissionsgrenzwerts nach Absatz 1 werden mit Busse nach Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe a USG bestraft.

5 Verordnung (EU) Nr. 1304/2014 der Kommission vom 26. November 2014 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems «Fahrzeuge – Lärm» sowie zur Änderung der Entscheidung 2008/232/EG und Aufhebung des Beschlusses 2011/229/EU, ABl. L 356 vom 12.12.2014, S. 421.

Art. 5 Wirtschaftlichkeit ergänzender Massnahmen

1 Die Wirtschaftlichkeit ergänzender Massnahmen ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen den Kosten der Massnahmen und dem Nutzen für die von Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte betroffene Bevölkerung.

2 Die Berechnung der Kosten, die Ermittlung des Nutzens und die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit werden in Anhang 1 geregelt.

Art. 6 Dringlichkeit ergänzender Massnahmen

1 Die Dringlichkeit ergänzender Massnahmen ergibt sich insbesondere aus dem Ausmass der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte und der Anzahl hiervon betroffener Personen.

2 Das BAV legt die Dringlichkeit der Realisierung ergänzender Massnahmen nach Anhörung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) streckenweise fest. Es berücksichtigt dabei die Entwicklung der Emissionen bis 2025.

Art. 7 Überwachung der Schienenrauheit

1 Die Infrastrukturbetreiberinnen müssen die Schienenrauheit ihrer Anlagen überwachen. Das BAV kann sie für die Überwachung mit Pauschalbeiträgen entschädigen.

2 Werden in dicht besiedelten Gebieten die massgebenden Immissionsgrenzwerte überschritten, so muss die Infrastrukturbetreiberin ab 1. Januar 2020 die mittlere Schienenrauheit gewährleisten; diese berechnet sich nach Anhang 2.

3 Das BAV kann höhere Anforderungen an die Schienenrauheit stellen.

Art. 8 Beiträge für ergänzende Massnahmen

1 Die Beiträge für ergänzende Massnahmen bemessen sich nach den Kosten für die Projektierung und Realisierung der vom BAV im Rahmen der Plangenehmigung bewilligten ergänzenden Massnahmen.

2 Die Kosten für den Unterhalt und die Erneuerung der sanierten Teile der Anlagen gehen zulasten der Infrastrukturbetreiberin.

3 Das Plangenehmigungsgesuch der Infrastrukturbetreiberin gilt als Beitragsgesuch nach Artikel 11 Absatz 1 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 19906. Die rechtskräftige Plangenehmigung gilt als Beitragszusicherung. Die Höhe des Beitrags wird anhand des Bauprojekts festgelegt.

4 Das BAV kann Pauschalbeiträge festlegen.

Art. 9 Investitionsförderung

1 Finanzhilfen nach Artikel 10a Absatz 1 BGLE werden gewährt, wenn nachgewiesen wird, dass:

a.
der Emissionsgrenzwert nach Artikel 4 um mindestens 4 dB(A) unterschritten wird;
b.
die Laufleistung der Güterwagen in der Schweiz mindestens 5000 km beträgt;
c.
die Investitionskosten pro Drehgestell grundsätzlich maximal 200 Prozent, bei Kleinserien maximal 260 Prozent der Investitionskosten eines konven­tionellen Drehgestells betragen.

2 Die Höhe der Finanzhilfen richtet sich nach der Lärmverminderung und dem Beitrag an die Innovation im Schienengüterverkehr, namentlich bezüglich Energie und Sicherheit. Die Finanzhilfe beträgt im Jahr 2016 maximal 70 Prozent der Differenz zu den Investitionskosten eines konventionellen Drehgestells. Sie wird in den folgenden zwei Jahren schrittweise auf maximal 50 Prozent der Kostendifferenz reduziert. Das BAFU legt die Kriterien im Einzelnen fest und regelt die Berechnung der Finanzhilfen.

3 Gesuche um Finanzhilfen können von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz bis 31. Dezember 2025 beim BAFU eingereicht werden.

4 Das BAFU entscheidet über die Gesuche nach Anhörung des BAV.

Art. 10 Ressortforschung

1 Der Bund kann Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Stadium der Entwicklung, Erprobung, Adaptierung oder Zulassung von emissionsbegrenzenden Massnahmen unterstützen oder in Auftrag geben.

2 Das BAFU entscheidet über die Vorhaben nach Anhörung des BAV.

Art. 11 Anpassung an die Teuerung

Das BAV bestimmt im Einvernehmen mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung den Teuerungsindex für den Verpflichtungskredit zur Ausrichtung der Beiträge und Finanzhilfen.

Art. 13 Information der Öffentlichkeit

1 Das BAV sorgt für die Information der Öffentlichkeit über die Lärmsanierung und Lärmentwicklung der Eisenbahnen.

2 Nach Absprache mit dem BAV sorgen die Eisenbahnunternehmen für die Information der Öffentlichkeit über die Umsetzung ergänzender Massnahmen nach Artikel 7a BGLE.

Art. 16 Übergangsbestimmung

Für Lärmsanierungsmassnahmen, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erstinstanzlich genehmigt worden sind, gilt das bisherige Recht.

Art. 17 Inkrafttreten und Geltungsdauer

1 Diese Verordnung tritt unter Vorbehalt von Absatz 2 am 1. Januar 2016 in Kraft.

2 Artikel 4 tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

3 Die Verordnung gilt bis zum 31. Dezember 2028.

Anhang 1

(Art. 5 Abs. 2)

Verhältnismässigkeit ergänzender Massnahmen

1 Grundsatz

Die Wirtschaftlichkeit ergänzender Massnahmen wird auf dem gesamten Normalspurnetz nach einheitlichen Kriterien beurteilt.

2 Kosten und Nutzen

2.1 Berechnung der Jahreskosten

Bei der Berechnung der Jahreskosten sind die erwartete Nutzungsdauer (Abschreibungen), ein über die gesamte Sanierungsdauer einheitlicher Ansatz der Kapitalkosten (Verzinsung) sowie allfällige Unterhaltskosten zu berücksichtigen. Die Kostenannahmen sind durch die Infrastrukturbetreiberin im Antrag zur Plangenehmigung darzulegen.

2.2 Ermittlung des Nutzens

1. Der Nutzen einer ergänzenden Lärmsanierungsmassnahme errechnet sich aus der ungewichteten Differenz der Lärmbelastung mit und ohne diese Massnahme, multipliziert mit der Anzahl betroffener Personen.

2. In die Ermittlung des Nutzens werden nur die von einer Grenzwertüberschreitung betroffenen, vor dem 1. Januar 1985 rechtskräftig bewilligten Gebäude und die vor dem 1. Januar 1985 erschlossenen Parzellen einbezogen. Die Ermittlung des Nutzens erfolgt pro Geschoss.

3. Die Bestimmung der lärmempfindlichen Räume (Art. 1 Abs. 2 LSV9) erfolgt grundsätzlich vor Ort.

4. Die Ermittlung der Anzahl betroffener Personen für die Berechnung erfolgt vor Ort und in Abhängigkeit der Nutzung der lärmempfindlichen Räume:

a.
Wohnen: Es gilt ein einheitlicher, pauschaler Ansatz von drei Personen pro Wohneinheit (Wohnung, Einfamilienhaus).
b.
Andere Nutzungen: Für Betriebsräume ohne erheblichen Betriebslärm, Büros, Restaurants, Schulen, öffentliche Gebäude usw. ist die aktuelle, mittlere Anzahl Personen pro Beurteilungszeitraum (tags und/oder nachts) einzusetzen, die sich in der Regel dauernd in den Räumen aufhalten (Mitarbeiter/innen, Schüler/innen usw.; jedoch ohne Gäste oder Besucher/innen). Bei Gästezimmern in Hotels ist von der üblichen Zimmerbelegung auszugehen.
c.
Nicht überbaute, vor dem 1. Januar 1985 erschlossene Parzellen: Sofern keine konkreten Pläne vorliegen, ist die potenzielle Anzahl betroffener Personen aufgrund des Nutzungs- und Zonenplans abzuschätzen. Für Wohnnutzungen wird eine Person pro 30 m2 Bruttogeschossfläche angenommen.

2.3 Richtwerte für eine genügende Wirtschaftlichkeit

1. Als Richtwert für eine genügende Wirtschaftlichkeit ergänzender Massnahmen gilt:

Investitionskosten je ∑ (∆dB(A) × Personen): 3000 Franken (Preisstand Okt. 1998)

2. Bei Stahlbrücken ist die weitreichende Wahrnehmbarkeit und Störwirkung des Brückendröhnens besonders zu berücksichtigen.

Anhang 2

(Art. 7 Abs. 2)

Mittlere Schienenrauheit

Die mittlere Schienenrauheit berechnet sich nach folgender Formel:

4 dB ≤ Lλ,CA ≤ 10 dB

Dabei wird der Rauheitspegel Lλ,CA aus dem gemessenen Rauheitsspektrum R(λ), einem Korrekturspektrum Λ(λ), einem Kontaktfilter C(λ) und dem A-Bewertungs­pegel für Schalldrucksignale Abew(f(λ, v)) berechnet.