642.121

Verordnung des EFD
über die Behandlung von Gesuchen um
Erlass der direkten Bundessteuer

(Steuererlassverordnung)

vom 12. Juni 2015 (Stand am 1. Januar 2016)

Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD),

gestützt auf Artikel 167f des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19901
über die direkte Bundessteuer (DBG),

verordnet:

1. Abschnitt: Gegenstand

Art. 1

Diese Verordnung umschreibt die Voraussetzungen für den Steuererlass, die Gründe für dessen Ablehnung sowie das Erlassverfahren näher.

2. Abschnitt: Voraussetzungen und Ablehnungsgründe

Art. 2 Notlagen bei natürlichen Personen

1 Eine Notlage (Art. 167 Abs. 1 DBG) einer natürlichen Person liegt vor, wenn:

a.
die finanziellen Mittel der Person zur Bestreitung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht ausreichen; oder
b.
der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Person steht.

2 Ein Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz zumutbarer Einschränkung der Lebenshaltungs­kosten nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.

3 Eine Einschränkung der Lebenshaltungskosten gilt als zumutbar, wenn diese das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen (Art. 93 des BG vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG).

Art. 3 Ursachen für eine Notlage bei natürlichen Personen

1 Als Ursachen, die zu einer Notlage einer natürlichen Person führen, werden insbesondere anerkannt:

a.
eine wesentliche und andauernde Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Person ab der Steuerperiode, auf die sich das Erlassgesuch bezieht, aufgrund:
1.
aussergewöhnlicher Belastungen durch den Unterhalt der Familie oder Unterhaltspflichten,
2.
hoher Kosten infolge Krankheit, Unfall oder Pflege, die nicht von Dritten getragen werden, oder
3.
längerer Arbeitslosigkeit;
b.
eine starke Überschuldung aufgrund ausserordentlicher Aufwendungen, die in den persönlichen Verhältnissen begründet sind und für welche die Person nicht einzustehen hat.

2 Geht die Notlage auf andere Ursachen zurück, so kann die Erlassbehörde nicht zugunsten anderer Gläubiger auf die gesetzlichen Ansprüche des Bundes verzichten. Verzichten andere Gläubiger ganz oder teilweise auf ihre Forderungen, so kann ein Erlass im selben prozentualen Umfang gewährt werden, sofern dies zur dauerhaften Sanierung der wirtschaftlichen Lage der Person (Art. 167 Abs. 2 DBG) beiträgt. Als andere Ursachen gelten insbesondere:

a.
Bürgschaftsverpflichtungen;
b.
hohe Grundpfandschulden;
c.
Kleinkreditschulden aufgrund eines überhöhten Lebensstandards;
d.
erhebliche Geschäfts- und Kapitalverluste bei Selbstständigerwerbenden, welche die wirtschaftliche Existenz der Person sowie Arbeitsplätze gefährden.

3 Einkommensausfälle und Aufwendungen, die bereits mit der Veranlagung oder der Steuerberechnung berücksichtigt wurden, werden nicht als Ursache anerkannt. Dies gilt insbesondere für übliche Schwankungen des Einkommens der steuerpflichtigen Person.

Art. 4 Notlage und deren Ursachen bei juristischen Personen

1 Eine Notlage einer juristischen Person liegt vor, wenn diese sanierungsbedürftig ist.

2 Als Ursache für eine Notlage bei juristischen Personen gilt ein Kapitalverlust oder eine Überschuldung, wenn dadurch die wirtschaftliche Existenz der Person sowie Arbeitsplätze gefährdet sind.

3 Erbringen die Anteilsinhaber Sanierungsleistungen und verzichten andere Gläu­biger ganz oder teilweise auf ihre Forderungen, so kann ein Erlass im selben pro­zentualen Umfang wie der Gläubigerverzicht gewährt werden, sofern dies zur dauerhaften Sanierung der wirtschaftlichen Lage der Person (Art. 167 Abs. 2 DBG) beiträgt.

4 Ein Steuererlass wird abgelehnt, wenn die Sanierungsbedürftigkeit auf die Gewährung geldwerter Vorteile, insbesondere auf offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen, zurückzuführen ist oder wenn die juristische Person nicht mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattet war.

3. Abschnitt: Erlassgesuch

Art. 5 Gegenstand

1 Die steuerpflichtige Person kann ein Gesuch stellen um den Erlass von:

a.
Steuern, einschliesslich Nachsteuern;
b.
Verzugszinsen;
c.
Bussen wegen einer Übertretung.

2 Die vom Gesuch betroffenen Steuern, Verzugszinsen und Bussen dürfen noch nicht gezahlt sein.

3 Auch nach der Zahlung möglich sind:

a.
Erlassgesuche in Quellensteuerfällen;
b.
Erlassgesuche, bei denen die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt ist.
Art. 6 Inhalt

Die steuerpflichtige Person gibt in ihrem Gesuch (Art. 167c DBG) an, für welche Steuerjahre und in welchem Umfang sie um Steuererlass ersucht.

Art. 7 Abgrenzung zum Veranlagungsverfahren

1 Ein Erlassgesuch kann erst gestellt werden, wenn die Veranlagung rechtskräftig geworden ist. Weder kann mit dem Gesuch die Revision der Veranlagung verlangt werden, noch ersetzt das Erlassverfahren das Rechtsmittelverfahren.

2 Im Verfahren um Erlass einer Quellensteuer ist Absatz 1 sinngemäss anwendbar.

Art. 9 Tod der gesuchstellenden Person

1 Stirbt die Person, die ein Erlassgesuch gestellt hat, so wird ihr Gesuch gegenstandslos.

2 Der einzelne Erbe oder die einzelne Erbin (Art. 12 DBG) kann ein Erlassgesuch stellen.

4. Abschnitt: Prüfung und Entscheid

Art. 10 Entscheidungsgrundlagen

Die Erlassbehörde entscheidet über das Erlassgesuch aufgrund aller für die Beur­teilung der Voraussetzungen und der Ablehnungsgründe wesentlichen Tatsachen, insbesondere aufgrund:

a.
der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der gesuchstellenden Person im Zeitpunkt des Entscheids;
b.
der Entwicklung ab der Steuerperiode, auf die sich das Gesuch bezieht;
c.
der wirtschaftlichen Aussichten der gesuchstellenden Person; und
d.
der von der gesuchstellenden Person getroffenen Massnahmen zur Verbesserung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.
Art. 11 Zahlung von Steuern während des Verfahrens

Zahlt die gesuchstellende Person ohne Vorbehalt die vom Erlassgesuch betroffenen Steuern, Verzugszinsen oder Bussen ganz oder teilweise, während das Gesuch bei der Erlassbehörde hängig ist, so wird das Erlassverfahren im Umfang der Zahlung gegenstandslos.

Art. 12 Zahlung von Steuern aus dem Vermögen

1 Die Erlassbehörde prüft, wieweit die Zahlung der geschuldeten Steuer aus dem Vermögen zumutbar ist.

2 Auf jeden Fall zumutbar ist die Zahlung aus dem Vermögen bei Steuern auf einmaligen Einkünften.

3 Als Vermögen gilt das zum Verkehrswert bewertete Reinvermögen. Nicht frei verfügbare Austrittsleistungen und Anwartschaften gemäss dem Freizügigkeits­gesetz vom 17. Dezember 19933 gelten nicht als Vermögenselemente.

4 Handelt es sich beim Vermögen um einen unentbehrlichen Bestandteil der Altersvorsorge, so kann die Erlassbehörde in begründeten Ausnahmefällen:

a.
die Steuer ganz oder teilweise erlassen; oder
b.
der zuständigen kantonalen Behörde empfehlen, eine Stundung zu gewähren und die Sicherstellung der Steuerforderung zu verlangen.
Art. 13 Entscheid

1 Die Gewährung des Steuererlasses kann an Bedingungen und Auflagen wie Abzahlungen oder die Leistung von Sicherheiten geknüpft werden.

2 Wird ein Erlassgesuch gutgeheissen, so geht die Steuerforderung im Umfang des erlassenen Betrags unter. Davon ausgenommen sind Fälle:

a.
in denen die Bedingungen und Auflagen nach Absatz 1 nicht erfüllt werden;
b.
von Steuerhinterziehung oder Steuervergehen.

3 Kann den wirtschaftlichen Verhältnissen der gesuchstellenden Person mit Zahlungserleichterungen (Art. 166 DBG) Rechnung getragen werden, so weist die Erlassbehörde das Gesuch ganz oder teilweise ab und empfiehlt der zuständigen kantonalen Behörde, eine Stundung zu gewähren oder Ratenzahlungen zu bewilligen.

4 Der Verzugszins auf einem nicht erlassenen Forderungsbetrag gilt als geschuldet, sofern nicht gegenteilig entschieden wird.

Art. 14 Zwangsvollstreckungs- und Liquidationsverfahren: Konkurs, gerichtlicher Nachlassvertrag, Liquidation

1 Steht die gesuchstellende Person vor dem Abschluss eines gerichtlichen Nachlassvertrags oder droht ihr der Konkurs, so wird ihr Erlassgesuch abgewiesen. Die Erlassbehörde stundet der Person die Steuerforderungen, damit diese die Sanierung einleiten kann. Die Stundung wird so lange gewährt, bis Klarheit über die wirtschaftlichen Verhältnisse herrscht, jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen länger als sechs Monate.

2 Im Fall eines gerichtlichen Nachlassverfahrens kann die zuständige kantonale Behörde dem Nachlassvertrag zustimmen (Art. 305 SchKG4). Im Übrigen richten sich der Untergang und die Vollstreckbarkeit der Steuerforderung nach den Bestimmungen des SchKG über den Nachlassvertrag oder den Konkurs. Das Erlassverfahren wird gegenstandslos.

3 Befindet sich die gesuchstellende Person in Liquidation, so wird ihr Gesuch abgewiesen.

Art. 15 Zwangsvollstreckungs- und Liquidationsverfahren: Aussergerichtlicher Nachlassvertrag und einvernehmliche private Schuldenbereinigung

Einem aussergerichtlichen Nachlassvertrag oder einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung kann die zuständige kantonale Behörde zustimmen, wenn die Mehrheit der übrigen gleichrangigen Gläubiger ebenfalls zustimmt und die von ihnen vertretenen Forderungen mindestens die Hälfte der gesamten Forderungen der 3. Klasse (Art. 219 SchKG5) ausmachen. Der nicht gedeckte Teil des Steuerbetrags gilt als erlassen.

Art. 16 Zwangsvollstreckungs- und Liquidationsverfahren: Rückkauf von Verlustscheinen

1 Über den Rückkauf von Verlustscheinen entscheidet die zuständige kantonale Behörde.

2 Der Rückkauf unter dem Nominalwert ist zulässig:

a.
soweit ein Teilerlass der Steuerschuld gerechtfertigt erscheint; oder
b.
sofern anzunehmen ist, dass die Steuerschuld nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.

3 Wird ein Verlustschein zurückgekauft, so geht die Steuerforderung unter.

Art. 17 Verhältnis zum Steuerbezug

1 Die Einreichung eines Erlassgesuchs hemmt den Bezug der Steuer nicht.

2 Verhindert oder verzögert die gesuchstellende Person durch ihr Verhalten die Behandlung des Erlassgesuchs, so wird der geschuldete Betrag nötigenfalls durch Zwangsvollstreckung bezogen.

Art. 18 Kosten

1 Bei einem offensichtlich unbegründeten Erlassgesuch (Art. 167d Abs. 3 zweiter Satz DBG) kann der gesuchstellenden Person eine Spruch- und Schreibgebühr auferlegt werden.

2 Die Gebühr bemisst sich nach dem Zeitaufwand. Sie beträgt mindestens 50 Franken und höchstens 1000 Franken.

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen