742.161
Verordnung
über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen
im Verkehrswesen
(VSZV)
vom 17. Dezember 2014 (Stand am 1. Juli 2024)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf die Artikel 15a Absatz 1, 15b Absatz 6, 15c Absatz 2 und 95 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 19571 (EBG),
auf Artikel 14 Absatz 3 des Gütertransportgesetzes vom 25. September 20152,
auf Artikel 5 Absätze 1 und 2 des Seeschifffahrtsgesetzes vom 23. September 19533
und auf die Artikel 25 Absätze 1 und 4, 26 Absatz 6 und 26a Absatz 1 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 19484 (LFG),
in Ausführung der Verordnung (EU) Nr. 996/20105, der Verordnung (EU) 2018/11396 und der Richtlinie (EU) 2016/7987,8
verordnet:
1 Diese Verordnung regelt die Meldung und die Untersuchung von Zwischenfällen:
- a.
- bei Eisenbahnunternehmen, bei Seilbahn-, Automobil-, Trolleybus- und Schifffahrtsunternehmen mit Bundeskonzession sowie auf Anschlussgleisen (öffentlicher Verkehr);
- b.
- in der Zivilluftfahrt im Inland und von schweizerischen Luftfahrzeugen im Ausland;
- c.
- in der Seeschifffahrt mit im Schweizerischen Seeschiffsregister eingetragenen Seeschiffen.
2 Sie regelt die Organisation und die Aufgaben der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST).
1 Die Untersuchung dient der Verhütung von weiteren Zwischenfällen.
2 Untersucht werden die technischen, betrieblichen, menschlichen, organisatorischen und systemischen Ursachen und Umstände, die zum Zwischenfall geführt haben.
Als Zwischenfälle gelten:
- a.
- im öffentlichen Verkehr: Ereignisse nach den Artikeln 15 und 16;
- b.
- in der Zivilluftfahrt: Unfälle und Störungen nach Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 996/2010;
- c.
- in der Seeschifffahrt: Ereignisse, die den Flaggenstaat nach Artikel 94 Ziffer 7 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 19829 zu einer Untersuchung verpflichten.
Im Bereich öffentlicher Verkehr bedeuten:
- a.
- Unfall: Ereignis, das die tödliche oder schwere Verletzung einer Person, einen erheblichen Sachschaden oder einen Störfall im Sinne der Störfallverordnung vom 27. Februar 199110 zur Folge hat;
- b.
- schwerer Vorfall: Ereignis, das beinahe zu einem Unfall geführt hätte, der nicht durch automatische Sicherheitsvorkehrungen verhindert worden wäre;
- c.
- tödliche Verletzung: Verletzung, die eine Person aufgrund eines Unfalls erlitten hat und die innert 30 Tagen nach dem Unfall zum Tod führt;
- d.
- schwere Verletzung: Verletzung, die eine Person aufgrund eines Unfalls erlitten hat und deren Behandlung einen Krankenhausaufenthalt von mehr als 24 Stunden erfordert;
- e.
- leichte Verletzung: Verletzung einer Person, die eine ambulante ärztliche Behandlung erfordert;
- f.
- erheblicher Sachschaden: Sachschaden, der die unmittelbare Folge eines Unfalls ist und den Betrag von 50 000 Franken bei Seilbahnen oder von 180 000 Franken bei allen übrigen Verkehrsmitteln übersteigt;
- g.
- wesentliche Störung: Störung, die den Betrieb einer Strecke für mindestens sechs Stunden unterbricht;
- h.
- aussergewöhnliches Ereignis: Ereignis, das auf ein technisches Versagen von sicherheitsrelevanten Anlagen oder auf mangel- oder fehlerhafte Sicherheitsmassnahmen oder auf sicherheitsrelevante menschliche Fehlhandlungen zurückzuführen ist;
- i.
- Gefahrgutereignis: Ereignis nach Abschnitt 1.8.5 der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID)11, Anhang C zum Übereinkommen vom 9. Mai 198012 über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 199913;
- j.
- Signalfall: Ereignis, bei dem ein Teil eines Zuges oder einer Rangierbewegung über den zulässigen Endpunkt der Fahrt hinausfährt.
Für die korrekte Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 996/2010, auf die diese Verordnung verweist, gelten die folgenden Entsprechungen von Ausdrücken:
Ausdruck in der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 | Ausdruck in dieser Verordnung |
Abschlussbericht | Schlussbericht |
Schwere Störung | Schwerer Vorfall |
Zeugen | Personen, die sachdienliche Auskünfte geben können |
Die SUST ist eine ausserparlamentarische Kommission nach den Artikeln 57a–57g des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199714.
Die SUST setzt sich zusammen aus drei bis fünf unabhängigen Fachleuten aus den einschlägigen Bereichen des Verkehrswesens.
Die SUST verfügt über ein Fachsekretariat (Untersuchungsdienst).
1 Die SUST und ihre Mitglieder handeln weisungsungebunden.
2 Die SUST trifft die organisatorischen Vorkehren zur Wahrung ihrer Interessen und zur Verhinderung von Interessenkollisionen.
Die SUST hat folgende Aufgaben:
- a.
- Sie untersucht Zwischenfälle im Verkehrswesen.
- b.
- Sie organisiert sich selbst und den Untersuchungsdienst, soweit die Organisation nicht durch diese Verordnung oder die Einsetzungsverfügung geregelt ist.
- c.
- Sie bestimmt die Ziele und die Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten.
- d.
- Sie stellt die Leitung des Untersuchungsdienstes und dessen übriges Personal an.
- e.
- Sie bezeichnet die Meldestelle.
- f.
- Sie sorgt dafür, dass die für die Untersuchungen erforderlichen Untersuchungsleiterinnen und -leiter sowie Fachspezialistinnen und -spezialisten zur Verfügung stehen.
- g.
- Sie überwacht den Untersuchungsdienst.
- h.
- Sie genehmigt den Schlussbericht (Art. 47).
- i.
- Sie entscheidet über Einsprachen gegen im Rahmen der Untersuchung erlassene Verfügungen (Art. 15b Abs. 4 EBG, Art. 26 Abs. 4 LFG).
- j.
- Sie sorgt für ein wirksames Qualitätssicherungssystem.
- k.
- Sie erstellt für jedes Geschäftsjahr einen Jahresbericht über ihre Tätigkeit, insbesondere über die Zielerreichung, unterbreitet ihn dem Bundesrat zur Kenntnisnahme und veröffentlicht ihn anschliessend.
Die Leitung des Untersuchungsdienstes hat folgende Aufgaben:
- a.
- Sie erarbeitet die Grundlagen für Entscheide der SUST und berichtet ihr regelmässig über die Tätigkeiten des Untersuchungsdienstes, bei besonderen Vorkommnissen ohne Verzug.
- b.
- Sie erfüllt alle Aufgaben, die nicht einer anderen Stelle zugewiesen sind.
1 Die Meldestelle nimmt Meldungen von Zwischenfällen jederzeit entgegen.
2 Sie leitet die Meldungen sofort an den Untersuchungsdienst weiter.
Das Personal des Untersuchungsdienstes, einschliesslich der Leitung, untersteht dem Bundespersonalrecht.
1 Die Mitglieder der SUST und das Personal des Untersuchungsdienstes sowie die externen Sachverständigen wahren das Amtsgeheimnis.
2 Für die Mitglieder der SUST gilt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation als vorgesetzte Behörde, die für die Entbindung vom Amtsgeheimnis zuständig ist (Art. 320 Ziff. 2 des Strafgesetzbuches15).
1 Die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs melden der Meldestelle unverzüglich:
- a.
- Unfälle;
- b.
- schwere Vorfälle;
- c.
- aussergewöhnliche Ereignisse;
- d.
- vermutete oder ausgeführte Sabotage;
- e.
- Brände von Fahrzeugen;
- f.
- Untergang, Kollisionen und Grundberührungen von Schiffen.
2 Nicht gemeldet werden müssen offensichtliche Selbsttötungen und Selbsttötungsversuche sowie Zwischenfälle auf öffentlichen Strassen, die auf eine Verletzung der Strassenverkehrsregeln zurückzuführen sind.
3 Eisenbahnverkehrsunternehmen, die an einem Zwischenfall auf dem Netz einer Infrastrukturbetreiberin beteiligt sind, melden diesen Zwischenfall der betroffenen Infrastrukturbetreiberin. Diese leitet die Meldung unverzüglich an die Meldestelle weiter.
1 Die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs melden dem Bundesamt für Verkehr (BAV):
- a.
- Ereignisse nach Artikel 15 Absatz 1;
- b.
- Ereignisse mit leichten Verletzungen;
- c.
- Ereignisse mit Sachschaden über 100 000 Franken;
- d.
- wesentliche Störungen;
- e.
- Gefahrgutereignisse;
- f.
- grössere Explosionen und Brände von sicherheitsrelevanten Anlagen;
- g.
- Selbsttötungen sowie Selbsttötungsversuche, sofern diese mindestens eine leichte Verletzung zur Folge haben.
2 Überdies sind dem BAV folgende Ereignisse zu melden:
- a.
- von den Eisenbahnunternehmen:
- 1.
- Entgleisungen bei Zug- oder Rangierfahrten,
- 2.
- Zusammenstösse mit anderen Fahrzeugen oder Hindernissen bei Zug- oder Rangierfahrten,
- 3.
- Entlaufen von Schienenfahrzeugen,
- 4.
- Signalfälle;
- b.
- von den Seilbahnunternehmen:
- 1.
- Risse und Entgleisungen von Seilen,
- 2.
- Abstürze und Entgleisungen von Fahrzeugen,
- 3.
- Zusammenstösse mit anderen Fahrzeugen, mit der Infrastruktur oder mit externen Hindernissen,
- 4.
- Schäden aufgrund von Profilüberschreitungen,
- 5.
- Versagen von Beschleunigungs- oder Verzögerungseinrichtungen beim Ein- und Ausfahren sowie von Bremsen und Klemmvorrichtungen,
- 6.
- Abstürze von Personen aus Fahrzeugen.
3 Die Ereignisse müssen innerhalb von 30 Tagen gemeldet werden.
1 Zwischenfälle in der Zivilluftfahrt sind der Meldestelle unverzüglich durch folgende beteiligte Personen oder Stellen zu melden:
- a.
- die Eigentümerinnen und Eigentümer der Luftfahrzeuge;
- b.
- die Halterinnen und Halter der Luftfahrzeuge;
- c.
- die Flugbetriebsunternehmen;
- d.
- das Luftfahrtpersonal;
- e.
- die Organe der Flugsicherung;
- f.
- die Flugplatzhalterinnen und -halter;
- g.
- die Polizeidienststellen;
- h.
- die Zollorgane;
- i.
- das Bundesamt für Zivilluftfahrt.
2 Zwischenfälle von Ultraleichtflugzeugen, Hängegleitern, Fallschirmen, Drachen, Drachenfallschirmen und Fesselballonen sind nicht zu melden.
Das Schweizerische Seeschifffahrtsamt, die Schiffsführung, die schweizerischen Seereedereien sowie die von der Schweiz anerkannten Klassifikationsgesellschaften melden Zwischenfälle nach Artikel 3 Buchstabe c unverzüglich der Meldestelle.
1 Die SUST meldet Zwischenfälle auf schweizerischem Hoheitsgebiet, an denen ausländische Unternehmen beteiligt sind, den zuständigen Behörden in den Sitzstaaten dieser Unternehmen.
2 Die Meldung darf keine besonders schützenswerten Personendaten nach Artikel 5 Buchstabe c des Datenschutzgesetzes vom 25. September 202017 enthalten.
1 Die SUST untersucht die Zwischenfälle, für die eine Pflicht zur Meldung an die Meldestelle besteht, sofern die Untersuchung der Verhütung von weiteren Zwischenfällen dienen kann oder nach internationalen Abkommen eine diesbezügliche Pflicht besteht.18
1bis Sie entscheidet unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Eingang der Meldung eines Zwischenfalls, über die Eröffnung einer Untersuchung, sofern die dafür notwendigen Informationen vorliegen.19
2 Sie untersucht Zwischenfälle im Ausland nur, wenn:
- a.
- die Untersuchung über einen Zwischenfall eines schweizerischen Luftfahrzeuges oder eines in der Schweiz hergestellten Luftfahrzeuges in einem fremden Staat den schweizerischen Behörden überlassen wird;
- b.
- sich der Zwischenfall ausserhalb eines staatlichen Hoheitsgebietes ereignet hat; oder
- c.
- sich keine ausländische Untersuchungsbehörde um die Untersuchung kümmert.
3 Sie untersucht Zwischenfälle mit Luftfahrzeugen, die einer zoll- oder polizeidienstlichen Verwendung dienten, nur, wenn zu vermuten ist, dass eine Untersuchung wichtige Erkenntnisse zur Verhütung von weiteren Zwischenfällen bringen kann.
4 Sie kann andere Zwischenfälle untersuchen, wenn zu vermuten ist, dass eine Untersuchung wichtige Erkenntnisse zur Verhütung von weiteren Zwischenfällen bringen kann.
1 Der Untersuchungsdienst leitet die Untersuchung ein.
2 Er bestimmt die für die Untersuchungsleitung verantwortliche Person. Er kann dieser Person weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beiordnen oder externe Sachverständige beiziehen.
1 Personen, deren Mitwirkung bei der Untersuchung vorgesehen ist, treten in den Ausstand, wenn sie:
- a.
- in der Sache ein persönliches Interesse haben;
- b.
- bei einem beteiligten Unternehmen angestellt, Mitglied von dessen Leitungsorganen oder mit dessen Rechnungsprüfung betraut sind;
- c.
- in gerader oder in der Seitenlinie verwandt oder verschwägert oder durch Ehe, Verlobung oder Kindesannahme verbunden sind mit:
- 1.
- einer Eigentümerin, einem Eigentümer, einer Halterin, einem Halter, einer Betreiberin, einem Betreiber eines Verkehrsmittels oder einer Verkehrsinfrastruktur, das oder die am Zwischenfall beteiligt oder davon betroffen ist,
- 2.
- einer leitenden Angestellten, einem leitenden Angestellten oder einem Mitglied der Leitungsorgane eines beteiligten Unternehmens,
- 3.
- einer am Zwischenfall beteiligten oder davon betroffenen Person,
- 4.
- einer anderen am Ausgang des Verfahrens interessierten Person;
- d.
- aus anderen Gründen in der Sache befangen sind.
2 Sind sie an einem beteiligten Unternehmen beteiligt, so haben sie dies der Leitung des Untersuchungsdienstes zu melden.
3 Ist der Ausstand streitig, so entscheidet die SUST.
1 Die Untersuchung erfolgt unabhängig von einem Straf- oder einem Administrativverfahren.
2 Die Strafverfolgungs- und die Administrativbehörden sowie die SUST koordinieren ihre Tätigkeiten.
3 Sie stellen einander Untersuchungsunterlagen wie Auswertungen und Aufzeichnungen unentgeltlich zur Verfügung.
Die von einer Person im Rahmen einer Sicherheitsuntersuchung erteilten Auskünfte dürfen in einem Strafverfahren nur mit deren Einverständnis verwendet werden.
Sind schweizerische Militärluftfahrzeuge an einem Zwischenfall beteiligt, so koordinieren die Untersuchungsleitung und die zuständigen militärischen Instanzen ihre Tätigkeiten.
Die Strafverfolgungsbehörden und die Verantwortlichen der beteiligten Unternehmen und gegebenenfalls die Flugplatzleitung halten die Namen und Adressen von Personen fest, die sachdienliche Auskünfte geben könnten.
1 Der Untersuchungsdienst ordnet die nötigen Sicherungsmassnahmen an, insbesondere die Bewachung der Unfallstelle, und entscheidet über die Freigabe der Unfallstelle. Massnahmen der Strafverfolgungsbehörden bleiben vorbehalten.
2 Die Strafverfolgungsbehörden sowie die für die Sicherungs- und Rettungsarbeiten zuständigen Personen sorgen dafür, dass abgesehen von den zur Sicherung und Rettung notwendigen Arbeiten keine Veränderungen an der Unfallstelle vorgenommen werden.
3 Leichen dürfen nur mit dem Einverständnis des Untersuchungsdienstes sowie der Strafverfolgungsbehörde geborgen werden. In Fällen von offensichtlicher Selbsttötung, von denen ausschliesslich Unternehmen des öffentlichen Verkehrs betroffen sind, ist das Einverständnis des Untersuchungsdienstes nicht erforderlich.
4 Veränderungen an der Unfallstelle sind zu dokumentieren.
5 Bildaufzeichnungen, Tonaufzeichnungen, Funktionszustände der Sicherungseinrichtungen und weitere Daten, die der Klärung der Ursachen und Umstände des Zwischenfalls dienen könnten, sind unverzüglich zu sichern.
1 Bis der Untersuchungsdienst tätig wird, entscheidet die Strafverfolgungsbehörde, wer Zutritt zur Unfallstelle hat. Danach entscheidet der Untersuchungsdienst im Einvernehmen mit der Strafverfolgungsbehörde.
2 Die für die Sicherungs- und Rettungsarbeiten zuständigen Personen und die Strafverfolgungsbehörden haben ohne Einschränkung Zutritt.
3 Den Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Bundesbehörden, den bevollmächtigten Personen eines fremden Staates sowie weiteren Personen, die ein rechtliches Interesse am Ausgang der Untersuchung glaubhaft machen können, ist der Zutritt zu gewähren, wenn dadurch der Gang der Untersuchung nicht gestört wird.
1 Der Untersuchungsdienst nimmt die notwendigen Untersuchungshandlungen vor. Er kann auf Untersuchungshandlungen verzichten, wenn diese in Bezug auf die zu erwartenden Ergebnisse unverhältnismässig hohe Kosten verursachen würden.
2 Er kann externe Sachverständige mit der Bearbeitung von besonderen Fachfragen beauftragen.
3 Er kann von den beteiligten Unternehmen oder den Organen der Flugsicherung elektronische Aufzeichnungen in einer Form verlangen, in der sie ohne besonderen technischen Aufwand lesbar sind.
4 Die Originale der Aufzeichnungen sind aufzubewahren. Sie dürfen erst mit Bewilligung des Untersuchungsdienstes und der zuständigen Strafbehörde gelöscht werden.
1 Die beteiligten Eisenbahnunternehmen haben, soweit notwendig und möglich, den Transport von Mitgliedern des Untersuchungsdienstes sowie weiteren an der Untersuchung mitwirkenden Personen von der nächsten erreichbaren Station bis zur Unfallstelle zu organisieren.
2 Sie haben dem Untersuchungsdienst das für die Untersuchungshandlungen an der Unfallstelle unmittelbar notwendige Personal sowie die technischen Hilfsmittel unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
3 Für nachfolgende Untersuchungen sowie für Versuchsfahrten haben sie die Infrastruktur, das Personal, die technischen Hilfsmittel und die notwendigen Unterlagen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
1 Der Untersuchungsdienst kann Personen vorladen, die sachdienliche Auskünfte geben können. Form und Inhalt der Vorladung richten sich nach Artikel 201 der Strafprozessordnung20 (StPO).
2 Die Vorladung wird mindestens drei Tage vor dem festgelegten Termin zugestellt. Bei der Festlegung des Zeitpunkts wird auf die Abkömmlichkeit der vorzuladenden Personen angemessen Rücksicht genommen.
3 In dringenden Fällen oder mit dem Einverständnis der vorzuladenden Person kann von den Anforderungen an Form und Frist abgewichen werden.
1 Der Untersuchungsdienst kann Gegenstände, Aufzeichnungen sowie Häuser, Wohnungen und andere nicht allgemein zugängliche Räume durchsuchen.
2 Er kann eine Durchsuchung nur mit Einwilligung der berechtigten Person vornehmen; ausgenommen sind Aufzeichnungen.
3 Die Einwilligung der berechtigten Person ist nicht notwendig, wenn Anlass zur Vermutung besteht, dass dem Untersuchungsdienst wesentliche Informationen zur Aufklärung von Zwischenfällen vorenthalten werden.
4 Für die Durchsuchungen gelten die Artikel 245–247 sowie 248 Absätze 1, 2 und 4 StPO21.
5 Über ein Entsiegelungsgesuch des Untersuchungsdienstes entscheidet das Bundesverwaltungsgericht innerhalb eines Monats. Der Entscheid ist endgültig.
1 Der Untersuchungsdienst kann Unfallgegenstände, deren Bestandteile und weitere sachdienliche Gegenstände beschlagnahmen.
2 Für die Durchführung der Beschlagnahmungen gelten die Artikel 264 Absätze 1 und 3, 265 Absätze 1, 2 und 4, 266 Absätze 1 und 2 sowie 267 Absätze 5 und 6 StPO22.
1 Der Untersuchungsdienst kann Personen, die beim Führen eines beteiligten Verkehrsmittels mitwirkten, medizinisch auf ihren körperlichen oder geistigen Zustand untersuchen lassen.
2 Eingriffe in die körperliche Integrität können angeordnet werden, wenn sie weder besondere Schmerzen bereiten noch die Gesundheit gefährden.
3 Für die Durchführung der Untersuchungen gilt Artikel 252 StPO23.
1 Der Untersuchungsdienst lässt in einem Institut für Rechtsmedizin eine Autopsie vornehmen, wenn bei einem Unfall Personen, die beim Führen eines beteiligten Verkehrsmittels mitwirkten, getötet worden oder als Folge des Unfalls später gestorben sind.
2 Er kann die Autopsie von anderen infolge des Unfalls verstorbenen Personen anordnen.
3 Er informiert vorab die zuständige Strafbehörde über die Freigabe der Leiche.
1 Der Untersuchungsdienst kann Gutachten einholen.
2 Es gelten die Artikel 182, 183 Absatz 1, 184 mit Ausnahme von Absätzen 2 Buchstabe f und 7, 185 mit Ausnahme der polizeilichen Vorführung in Absatz 4, 187, 189 und 190 StPO24.
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Zwangsmassnahmen (Art. 31–36) finden in der Seeschifffahrt nur insoweit Anwendung, als für sie eine Grundlage im Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 1953 besteht.
Über die Freigabe von Unfallgegenständen oder deren Bestandteilen entscheidet der Untersuchungsdienst. Anordnungen der Strafbehörden bleiben vorbehalten.
1 Interessierte Personen und Stellen können dem Untersuchungsdienst vorschlagen, bestimmte Untersuchungshandlungen vorzunehmen.
2 Es besteht kein Anspruch auf bestimmte Untersuchungshandlungen.
Der Untersuchungsdienst macht Personen, die sachdienliche Auskünfte geben können, auf ihr Recht auf Verweigerung der Aussage aufmerksam.
1 Die Anhörungen von Personen, die sachdienliche Auskünfte geben können, werden zusammenfassend protokolliert. Die angehörten und die anhörenden Personen unterschreiben die Protokolle. Unterschreibt eine angehörte Person nicht, so ist der Grund dafür im Protokoll anzumerken.
2 Anstelle eines zusammenfassenden Protokolls kann die Anhörung auf Tonträger aufgezeichnet werden. Von der auf Tonträger aufgezeichneten Anhörung wird eine Abschrift erstellt, soweit dies für die Untersuchung notwendig ist.
3 Ort, Datum, Beginn und Ende der Anhörung sind im Protokoll oder auf dem Tonträger festzuhalten.
1 Die Untersuchung der Unfallgegenstände, Augenscheine, Massnahmen zur Rekonstruktion des Hergangs des Zwischenfalls, Informationsgespräche und weitere Untersuchungshandlungen werden in Aktennotizen festgehalten.
2 Die Aktennotizen sind mit dem Datum ihrer Erstellung zu versehen und von der Untersuchungsleitung oder der beauftragten Person zu unterzeichnen.
1 Sobald der Hergang eines Zwischenfalls in den wesentlichen Zügen erkennbar ist, erstattet der Untersuchungsdienst einen Vorbericht. Dieser enthält mindestens Angaben über die beteiligten Personen und Verkehrsmittel, den Hergang und die Untersuchungsleitung.
2 Der Vorbericht wird dem beteiligten Personal, den Halterinnen und Haltern, den Eigentümerinnen und Eigentümern sowie den Betreiberinnen und Betreibern der beteiligten Verkehrsmittel, dem zuständigen Departement, dem zuständigen Bundesamt und der zuständigen Strafverfolgungsbehörde zur Orientierung zugestellt. Für die Nennung von Namen gilt Artikel 54.
3 Die Orientierung der zuständigen ausländischen Behörden und Organisationen richtet sich nach dem internationalen Recht.
Der Untersuchungsdienst teilt wesentliche Untersuchungsergebnisse, die für die Verhütung von Zwischenfällen von Bedeutung sind und Sofortmassnahmen erfordern könnten, dem zuständigen Departement und dem zuständigen Bundesamt in einem Zwischenbericht mit den entsprechenden Empfehlungen unverzüglich mit.
1 Der Untersuchungsdienst kann eine Untersuchung abschliessen, wenn aufgrund der ersten Untersuchungshandlungen feststeht, dass weitere Untersuchungshandlungen keine zweckdienlichen Erkenntnisse erbringen.
2 Er kann sich bei der summarischen Untersuchung auf die Befragung der Beteiligten und von weiteren betroffenen Personen beschränken.
3 Er erstellt einen summarischen Bericht. Dieser gibt Auskunft über die beteiligten Personen, die beteiligten Verkehrsmittel und den Hergang des Zwischenfalls.
4 Er veröffentlicht den Bericht im Internet.
1 Zwischenfälle von Luftfahrzeugen mit einer höchstzulässigen Abflugmasse von weniger als 2250 kg werden nur summarisch untersucht.
2 Sie werden jedoch vollständig untersucht, wenn:
- a.
- jemand eine tödliche oder eine schwere Verletzung erlitten hat;
- b.
- anzunehmen ist, dass mangelnde Lufttüchtigkeit, soweit sie sich nicht ausschliesslich auf das Fahrwerk bezieht, zum Zwischenfall geführt hat;
- c.
- es sich um gewerbsmässige Flüge oder Schulungsflüge handelt und das Luftfahrzeug erheblich beschädigt worden ist;
- d.
- die vollständige Untersuchung des Zwischenfalls nach Auffassung des Untersuchungsdienstes besonders nützlich ist;
- e.
- bei Zwischenfällen ausländischer Luftfahrzeuge die ausländische Untersuchungsbehörde eine vollständige Untersuchung verlangt.
3 Zwischenfälle von Motorseglern, Segelflugzeugen, Freiballonen und Luftfahrzeugen der Sonderkategorie Eigenbau werden nur summarisch untersucht, ausser wenn jemand eine tödliche oder eine schwere Verletzung erlitten hat. Der Untersuchungsdienst kann die vollständige Untersuchung anordnen, wenn sie nach seiner Auffassung für die Unfallverhütung besonders nützlich ist.
1 Der Untersuchungsdienst fasst die Ergebnisse der Untersuchung in einem Schlussbericht zusammen.
2 Der Schlussbericht gibt Auskunft über:
- a.
- die beteiligten und die betroffenen Personen, Unternehmen, Verkehrsmittel und Verkehrsinfrastrukturen;
- b.
- den Hergang des Zwischenfalls sowie dessen Ursachen und Umstände;
- c.
- das Ausmass der Personen- und der Sachschäden;
- d.
- die Ergebnisse der Untersuchungshandlungen und der Gutachten.
3 Wurden Sicherheitsmängel festgestellt, so enthält der Schlussbericht entsprechende Sicherheitsempfehlungen.
4 Der Untersuchungsdienst stellt den Entwurf des Schlussberichts den von der Untersuchung direkt Betroffenen und an ihr direkt Beteiligten, dem zuständigen Departement und dem zuständigen Bundesamt zur Stellungnahme zu.
4bis Er stellt den Entwurf des Schlussberichts den zuständigen ausländischen Behörden und weiteren Personen und Organisationen zur Stellungnahme zu, wenn dies nach internationalen Abkommen vorgesehen ist.25
5 Stellungnahmen können innert 60 Tagen ab Zustellung des Entwurfs des Schlussberichts eingereicht werden
6 Er erstellt unter Berücksichtigung der Stellungnahmen den Schlussbericht und unterbreitet ihn der SUST zur Genehmigung.
7 Er stellt den Schlussbericht den Personen und Stellen zu, die bereits den Entwurf des Schlussberichts erhalten haben.
1 Die SUST richtet die Sicherheitsempfehlungen an das zuständige Bundesamt und setzt das zuständige Departement über die Empfehlungen in Kenntnis. Bei dringlichen Sicherheitsproblemen informiert sie umgehend das zuständige Departement. Sie kann zu den Umsetzungsberichten des Bundesamts zuhanden des zuständigen Departements Stellung nehmen.
1bis Sie richtet Sicherheitsempfehlungen an ausländische Behörden, wenn dies nach internationalen Abkommen vorgesehen ist.26
2 Die Bundesämter unterrichten die SUST und das zuständige Departement periodisch über die Umsetzung der Empfehlungen oder über die Gründe, weshalb sie auf Massnahmen verzichten.
3 Das zuständige Departement kann Aufträge zur Umsetzung von Empfehlungen an das zuständige Bundesamt richten.
Werden innerhalb von zehn Jahren nach Genehmigung des Schlussberichts neue wesentliche Tatsachen bekannt, so nimmt der Untersuchungsdienst von sich aus oder auf Antrag die Untersuchung wieder auf.
1 Die Untersuchungskosten können den verursachenden Personen auferlegt werden:
- a.
- bei vorsätzlichem Handeln: zu 50–75 Prozent;
- b.
- bei grobfahrlässigem Handeln: zu 25–50 Prozent.
2 Die Kosten polizeilicher Aufgaben im Zusammenhang mit einem Zwischenfall gelten nicht als Untersuchungskosten, sofern der Untersuchungsdienst diese Aufgaben nicht ausdrücklich den Polizeiorganen aufgetragen hat.
1 Akteneinsicht verlangen können:
- a.
- die vom Untersuchungsverfahren direkt Betroffenen;
- b.
- das zuständige Bundesamt;
- c.
- die kantonalen Strafbehörden;
- d.
- die an der Untersuchung beteiligte Personen, die einen fremden Staat repräsentieren.
2 Die Akteneinsicht darf beschränkt, verweigert oder aufgeschoben werden, solange das Interesse der Untersuchung nach dieser Verordnung oder einer laufenden anderen Untersuchung es erfordert.
3 Ist die Untersuchung abgeschlossen, so stellt der Untersuchungsdienst die Akten auf Verlangen den zuständigen Untersuchungs-, Gerichts- und Verwaltungsbehörden für deren Verfahren zur Verfügung.
1 Untersuchungen von Zwischenfällen sind innerhalb von 12 Monaten abzuschliessen.
2 Für Zwischenfälle mit Grossluftfahrzeugen oder Seeschiffen gilt eine Frist von 18 Monaten. Als Grossluftfahrzeug gilt ein Luftfahrzeug, das eine höchstzulässige Abflugmasse von mindestens 5700 kg aufweist, in der Lufttüchtigkeitskategorie Standard, Unterkategorie Transport eingeteilt ist oder über mehr als zehn Sitzplätze für Fluggäste und Besatzung verfügt.
3 Kann die Frist nicht eingehalten werden, so meldet die Untersuchungsleitung dies der Leitung des Untersuchungsdienstes und begründet die Verzögerung. Die Leitung des Untersuchungsdienstes setzt eine angemessene Nachfrist.
4 Wird eine Nachfrist gewährt, so entscheidet der Untersuchungsdienst, ob am Jahrestag des Zwischenfalls ein Bericht über den Stand und den Fortgang der Untersuchung und etwaige Sicherheitsprobleme veröffentlicht wird. Er berücksichtigt dabei die Vorschriften des internationalen Rechts sowie die Tragweite des Zwischenfalls.27
1 Die SUST veröffentlicht die Vor-, Zwischen- und Schlussberichte.
2 Sie veröffentlicht periodisch, jedoch mindestens einmal jährlich, eine Zusammenfassung der summarischen Berichte.
3 Sie veröffentlicht mindestens einmal jährlich eine Zusammenfassung der Sicherheitsempfehlungen. Darin berichtet sie auch über den Stand der Umsetzung.
4 Sie veröffentlicht ihre Berichte und Zusammenfassungen im Internet.
5 Sie stellt ihre Berichte und Zusammenfassungen in den jeweiligen Bereichen von Amtes wegen folgenden Personen und Stellen zu:
- a.
- den Unternehmen des öffentlichen Verkehrs sowie den entsprechenden Instandhaltungsbetrieben;
- b.
- im Bereich der Zivilluftfahrt:
- 1.
- den Flugbetriebsunternehmen,
- 2.
- den Flugschulen,
- 3.
- den Unterhaltsbetrieben,
- 4.
- den Fluglehrerinnen und Fluglehrern,
- 5.
- den Organen der Flugsicherung,
- 6.
- den Flugplatzleitungen;
- c.
- im Bereich der Seeschifffahrt: den schweizerischen Seereedereien;
- d.
- weiteren Personen und Organisationen, die sich mit Fragen der Flug- oder Verkehrssicherheit befassen;
- e.
- den zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone.
1 In den Berichten und Zusammenfassungen der SUST dürfen keine Personen mit Namen genannt werden.
2 Davon ausgenommen sind die Namen der beteiligten Unternehmen, Flugschulen, Unterhalts- und Instandhaltungsbetriebe sowie der Herstellerinnen der beteiligten Verkehrsmittel und ihrer Bestandteile, der Sicherungsanlagen sowie der Infrastrukturen und ihrer Bestandteile
1 Die SUST veröffentlicht jährlich Statistiken über Zwischenfälle.
2 Sie liefert die Informationen über Zwischenfälle:
- a.
- im Bereich der Zivilluftfahrt an die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Organization, ICAO), die Europäische Zivilluftfahrt-Konferenz (European Civil Aviation Conference, ECAC) und die Europäische Agentur für Flugsicherheit (European Aviation Safety Agency, EASA);
- b.
- im Bereich der Seeschifffahrt an die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization, IMO).
Die SUST kann allgemeine sachdienliche Informationen zur Unfallverhütung erstellen und veröffentlichen.
1 Die SUST leitet ausländische Berichte über Zwischenfälle, an denen Verkehrsmittel schweizerischer Unternehmen beteiligt sind, weiter an das zuständige Bundesamt und andere zuständige Behörden des Bundes sowie an alle Unternehmen und Personen, die daran ein Interesse glaubhaft gemacht haben.
2 Sie veröffentlicht die Berichte im Internet.
1 Wer die Meldepflicht nach Artikel 15 Absatz 1 oder 3 verletzt, wird nach Artikel 86a Absatz 1 Buchstabe e EBG bestraft.
2 Wer die Meldepflicht nach Artikel 17 Absatz 1 verletzt, wird nach Artikel 91 Absatz 1 Buchstabe i LFG bestraft.
Die folgenden Erlasse werden aufgehoben:
- 1.
- Organisationsverordnung SUST vom 23. März 201128;
- 2.
- Unfalluntersuchungsverordnung vom 28. Juni 200029;
- 3.
- Verordnung vom 23. November 199430 über die Untersuchung von Flugunfällen und schweren Vorfällen.
Die Änderung anderer Erlasse wird im Anhang geregelt.
Diese Verordnung tritt am 1. Februar 2015 in Kraft.
(Art. 60)
Die nachstehenden Verordnungen werden wie folgt geändert:
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