Art. 1 Gegenstand und Geltungsbereich
1 Diese Verordnung regelt die Anforderungen an das Züchten von gesunden Tieren.
2 Sie gilt nicht für Tiere, die in bewilligten Versuchstierhaltungen gezüchtet werden.
455.102.4
vom 4. Dezember 2014 (Stand am 1. Januar 2015)
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV),
gestützt auf Artikel 29 der Tierschutzverordnung vom 23. April 20081 (TSchV),
verordnet:
1 SR 455.1
1 Diese Verordnung regelt die Anforderungen an das Züchten von gesunden Tieren.
2 Sie gilt nicht für Tiere, die in bewilligten Versuchstierhaltungen gezüchtet werden.
Wer Tiere züchtet:
1 Die einzelnen Belastungen werden in vier Belastungskategorien eingeteilt:
2 Eine leichte Belastung liegt vor, wenn eine belastende Ausprägung von Merkmalen und Symptomen bei Heim- und Nutztieren durch geeignete Pflege, Haltung oder Fütterung, ohne Eingriffe am Tier und ohne regelmässige medizinische Pflegemassnahmen kompensiert werden kann.
1 Die Kriterien für die Zuordnung eines Tiers zu einer Belastungskategorie sind in Anhang 1 aufgeführt.
2 Für die Zuordnung eines Tiers zu einer Belastungskategorie ist das am stärksten belastende Merkmal oder Symptom entscheidend.
1 Wer mit einem Tier züchten will, das ein Merkmal oder Symptom aufweist, das im Zusammenhang mit dem Zuchtziel zu einer mittleren oder starken Belastung führen kann, muss vorgängig eine Belastungsbeurteilung vornehmen lassen.
2 Die Merkmale und Symptome, die im Zusammenhang mit dem Zuchtziel zu mittleren oder starken Belastungen führen können, sind in Anhang 2 aufgelistet.
3 Bei der Belastungsbeurteilung werden nur erblich bedingte Belastungen berücksichtigt.
4 Die Belastungsbeurteilung ist durch Personen vorzunehmen, die über einen Hochschulabschluss und die notwendige Erfahrung in Veterinärmedizin, Ethologie oder Genetik verfügen.
5 Die Person, die die Belastungsbeurteilung vorgenommen hat, muss das Resultat zuhanden der Züchterin oder des Züchters schriftlich festhalten und durch Unterschrift bestätigen. Die Züchterin oder der Züchter muss den Vollzugsbehörden das Dokument auf Verlangen vorweisen.
1 Mit Tieren der Belastungskategorie 0 oder 1 darf gezüchtet werden.
2 Mit Tieren der Belastungskategorie 2 darf gezüchtet werden, wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt.
1 Bei der Zucht mit Tieren der Belastungskategorie 2 muss die Züchterin oder der Züchter die Zuchttätigkeit dokumentieren.
2 Die Dokumentation muss Angaben zur Zuchtstrategie sowie zu den erblich bedingten Belastungen der Elterntiere und der Nachkommen enthalten. Die Zuchtstrategie ist so zu dokumentieren, dass daraus hervorgeht, wie das Zuchtziel nach Artikel 6 Absatz 2 erreicht werden soll.
3 Die Dokumentation ist zu datieren und aktuell zu halten. Die Züchterin oder der Züchter muss die Richtigkeit und die Vollständigkeit der Angaben durch Unterschrift bestätigen.
4 Die Dokumentation muss den Vollzugsbehörden auf Verlangen vorgewiesen werden.
1 Bei der Zucht mit Tieren der Belastungskategorie 1 muss die Züchterin oder der Züchter die Abnehmerin oder den Abnehmer der Nachkommen schriftlich informieren, wie diese Tiere gepflegt werden müssen, um belastende Massnahmen zu vermeiden.
2 Bei der Zucht mit Tieren der Belastungskategorie 2 muss die Züchterin oder der Züchter die Abnehmerin oder den Abnehmer der Nachkommen schriftlich informieren, wie diese Tiere behandelt werden müssen, um erblich bedingte Belastungen zu vermindern.
Es ist verboten, mit Tieren zu züchten, wenn:
Folgende Zuchtformen sind verboten:
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft.
(Art. 4 Abs. 1)
Belastungsform | Belastungskategorie 2 | Belastungskategorie 3 | |
1 | Schmerzen | Mittelgradige sporadisch auftretende oder leichte chronische Schmerzen, die den Allgemeinzustand beeinträchtigen | Mittelgradige |
2 | Schäden | Schäden, die zu Funktionsausfällen oder Verhaltensabweichungen führen, die den Allgemeinzustand beeinträchtigen Abweichungen von der artgemässen Entwicklung eines Tieres, die zu Störungen der Körperfunktionen oder zu Einschränkungen der Reaktionsfähigkeit auf Umweltreize führen | Schäden, die zu Funktionsausfällen oder Verhaltensabweichungen führen, die den Allgemeinzustand stark beeinträchtigen Abweichungen von der artgemässen Entwicklung eines Tieres, die zu starken Störungen der Körperfunktionen oder zu schwerwiegenden Einschränkungen der Reaktionsfähigkeit auf Umweltreize führen |
3 | Leiden | Leiden durch Schmerzen, | Leiden mit starker Beeinträchtigung der Lebensqualität infolge starker Schmerzen, massivem Juckreiz, überforderter Anpassungsfähigkeit der Körperfunktionen oder Verunmöglichen des Normalverhaltens |
4 | Tiefgreifender Eingriff ins Erscheinungsbild | Veränderungen am Körper, die dauerhaft sind und das Äussere eines Tieres entstellen | Veränderungen am Körper, die irreversibel sind und das Äussere eines Tieres stark entstellen |
5 | Tiefgreifender Eingriff in die Fähigkeiten | Abweichungen von der artgemässen Entwicklung eines Tieres, die zu Störungen der Körperfunktionen oder zu Einschränkungen der Reaktionsfähigkeit auf Umweltreize führen | Abweichungen von der artgemässen Entwicklung eines Tieres, die zu hochgradigen Störungen der Körperfunktionen oder zu schwerwiegenden Einschränkungen der Reaktionsfähigkeit auf Umweltreize führen |
(Art. 5 Abs. 2)
1.1 Skelettdeformationen oder Fehlbildungen, wie Bewegungsanomalien oder Lähmungen.
1.2 Degenerative Gelenksveränderungen, Spondylose (Versteifung der Wirbelsäule).
2.1 Schädeldeformationen mit behindernden Auswirkungen, wie Auswirkungen auf:
2.2 Offene und persistierende Fontanellen.
2.3 Schnabelwarze oder Augenringe, die die Atmung behindern oder das Gesichtsfeld stark einschränken.
3.1 Belastende Hautzubildungen, wie:
3.2 Belastende Gefiedervarietäten, wie:
3.3 Belastende Schuppenvarietäten, wie verkalkte, starre, vom Körper abstehende Schuppen, wie beim Perlschupper-Goldfisch.
3.4 Korkenzieherkrallen.
3.5 Schuppenlosigkeit bei Echsen und Schlangen.
4.1 Fehlfunktion der Augen, wie Blindheit.
4.2 Fehlfunktion des Hörapparates, wie Taubheit.
4.3 Missbildungen.
4.4 Katarakt (Linsentrübung).
4.5 Progressive Retinaatrophie (PRA).
4.6 Verlagerung des Augapfels.
4.7 Persistierendes Ektropium.
4.8 Persistierendes Entropium.
5.1 Koordinations- oder Bewegungsstörungen.
5.2 Lähmungen, wie bei:
5.3 Orientierungsverlust, zum Beispiel durch Innenohrdefekt.
6.1 Zitterhalsigkeit der Tauben.
6.2 Behinderung der Fortpflanzung und Fortbewegung durch übermässige Wammenbildung bei Gänsen.
6.3 Behinderung der Fortbewegung durch:
6.4 Erschwerte Nahrungsaufnahme, zum Beispiel durch:
6.5 Erschwertes Sexual- oder Brutpflegeverhalten.