0.142.117.589

 AS 2014 3371

Übersetzung1

Abkommen
über die Zusammenarbeit im Migrationsbereich
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Tunesischen Republik

Abgeschlossen am 11. Juni 2012

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 16. August 2014

(Stand am 16. August 2014)

1 Übersetzung des französischen Originaltexts.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft,
vertreten durch den Schweizerischen Bundesrat,
und
die Tunesische Republik,
vertreten durch die Regierung der Tunesischen Republik,

nachstehend «die Vertragsparteien» genannt;

in Anbetracht der vorzüglichen, von Freundschaft und Zusammenarbeit geprägten Beziehungen zwischen beiden Vertragsparteien;

im Wunsch, eine Partnerschaft zu fördern, die mit gegenseitigen Vorteilen für die Entwicklung beider Vertragsparteien verbunden ist;

in der Überzeugung, dass die Migrationsströme zur Annäherung der Völker beitragen und dass deren aufeinander abgestimmte Steuerung für die betroffenen Länder einen wesentlichen Faktor für die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung darstellt;

in der Erkenntnis, dass der wirksame Schutz der Rechte der Migrantinnen und Migranten einer der wichtigsten Bestandteile der Migrationssteuerung ist, weshalb es erforderlich ist, auf die strenge Anwendung der einschlägigen Bestimmungen in den völkerrechtlichen Instrumenten zu den Menschenrechten, insbesondere zu jenen der Migrantinnen und Migranten, zu achten und zu gewährleisten, dass die Menschenrechte durch die Steuerung der illegalen oder irregulären Migration nicht verletzt werden;

im Wunsch, ihre Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Anstrengungen zur Bekämpfung der irregulären Migration zu fördern;

im Bestreben, eine Reihe von Massnahmen zur Bekämpfung der irregulären Migration und der damit verbundenen kriminellen Aktivitäten zu ergreifen;

in der Erkenntnis, dass die Bekämpfung der irregulären Migration und die Rückkehr der Personen nicht nur unter dem Blickwinkel der Sicherheit betrachtet werden dürfen, sondern auch auf Entwicklungsstrategien unter Einbezug der Migration beruhen müssen;

im Willen, im Interesse der betroffenen Personen und im gegenseitigen Interesse die Vorschriften betreffend den Personenverkehr zwischen beiden Staaten und den Aufenthalt der Personen in diesen anzuwenden;

haben Folgendes vereinbart:

I. Kapitel: Gegenstand und Terminologie

Art. 1 Gegenstand

Dieses Abkommen hat die Einreise, den Aufenthalt und die Rückkehr von Personen auf den Hoheitsgebieten der Vertragsparteien zum Gegenstand.

Art. 2 Terminologie

Für die Zwecke dieses Abkommens werden die unten genannten Benennungen und Fügungen wie folgt verstanden:

Ersuchende Vertragspartei: die Vertragspartei, die das Gesuch um Rückübernahme von Personen einreicht;
Ersuchte Vertragspartei: die Vertragspartei, an welche das Gesuch um Rückübernahme gerichtet wird;
Rückübernahme von Personen: Rückkehr in das Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei von Personen, die das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei verlassen müssen;
Rückkehrhilfe: in der Gesetzgebung der ersuchenden Vertragspartei vorgesehene Massnahmen zur Erleichterung der Rückkehr und Wiedereingliederung von Staatsangehörigen der ersuchten Vertragspartei in ihrem Herkunftsland.

II. Kapitel: Einreise und Aufenthalt

Art. 3 Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen

1.  Für die Einreise in die Schweiz und den dortigen Aufenthalt haben sich die Staatsangehörigen von Tunesien an die in der Schweiz geltenden Gesetze über die Einreise und den Aufenthalt zu halten.

2.  Für die Einreise und den dortigen Aufenthalt in Tunesien haben sich die Staatsangehörigen der Schweiz an die in Tunesien geltenden Gesetze über die Einreise und den Aufenthalt zu halten.

3.  Die Gesuche um eine Aufenthaltsbewilligung werden sorgfältig, gewissenhaft und wohlwollend behandelt.

Art. 4 Regelung betreffend Einreise

1.  Im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen und dem nationalen Recht verpflichtet sich die Schweiz, für tunesische Staatsangehörige mit den nachstehenden Begründungen die Ausstellung eines Kurzaufenthaltsvisums zu erleichtern:

a)
Besuche von hospitalisierten tunesischen Staatsangehörigen, durch Fami­lienmitglieder ersten Grades;
b)
Klage bei einem Gericht oder der öffentlichen Verwaltung;
c)
Nachlassabwicklung;
d)
Ausübung des Besuchsrechts aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsentscheids;
e)
Verlust des Aufenthaltstitels;
f)
Besuche in der Schweiz im Rahmen der dezentralisierten Zusammenarbeit und der Aktivitäten für tunesische Staatsangehörige mit Niederlassung in der Schweiz.

2.  Im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen und dem nationalen Recht verpflichtet sich die Schweiz zur Erleichterung der Erteilung eines Kurzaufenthaltsvisums mit Mehrfacheinreise für tunesische Staatsangehörige der nachstehenden Gruppen für Aufenthalte von höchstens 90 Tagen pro Zeitraum von 180 Tagen und einer Gültigkeit zwischen sechs Monaten und fünf Jahren, je nach Art des eingereichten Gesuchs, Dauer der geplanten Aktivität in der Schweiz und Gültigkeitsdauer des Reisepasses:

a)
Geschäftsleute, Handelsreisende, Handwerker, Ärzte, Anwälte, Intellektuelle, Akademiker, Wissenschaftler, hochrangige Künstler und Spitzensportler, die aktiv an wirtschaftlichen, kaufmännischen, beruflichen, akademischen, wissenschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern teilnehmen;
b)
Personen, die regelmässig in der Schweiz medizinischer Behandlung sind, sofern sie ausreichende finanzielle Sicherheiten für die Deckung der medizinischen Behandlung nachweisen;
c)
Familienmitglieder ersten Grades und insbesondere Nachkommen von in der Schweiz niedergelassenen schweizerischen oder tunesischen Staatsangehö­rigen;
d)
Amtsträger in Ausübung ihres Dienstes, die regelmässige Kontakte mit der Schweiz unterhalten.

3.  Weiter verpflichtet sich die Schweiz, Visumgesuche von tunesischen Staatsangehörigen, die einen humanitären Aspekt aufweisen, gewissenhaft und wohlwollend zu behandeln.

4.  Sofern die Tunesische Republik die Visumspflicht für Schweizer Staatsangehörige oder für einige Gruppen von ihnen wieder einführt, sind die unter Absatz 1–3 dieses Artikels aufgeführten Bestimmungen automatisch und auf gegenseitiger Basis auf die betroffenen Schweizer Staatsangehörigen anwendbar.

Art. 5 Zulassung

In den folgenden Fällen bewilligt jede Vertragspartei den Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei im Rahmen der anwendbaren innerstaatlichen Gesetzgebung den Aufenthalt auf ihrem Hoheitsgebiet:

1.  Vorübergehender Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei ohne Erwerbstätigkeit zu folgenden Zwecken:

a)
Tourismus;
b)
Besuche;
c)
Durchreise;
d)
theoretische Ausbildung;
e)
medizinische Behandlungen und Kuraufenthalte;
f)
Teilnahme an Wirtschafts- und Wissenschaftskongressen und an kulturellen, religiösen oder sportlichen Veranstaltungen;
g)
Teilnahme an Konferenzen und Treffen der internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz, mit denen die Schweiz ein Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten abgeschlossen hat;
h)
vorübergehende Tätigkeit als Korrespondentin oder Korrespondent für ausländische Medien;

zu d) Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die an einer Hochschule oder Fachhochschule der anderen Vertragspartei eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren, kann nach Massgabe des anwendbaren innerstaatlichen Rechts eine Nebenerwerbstätigkeit bewilligt werden.

Beide Vertragsparteien verpflichten sich, Familiennachzugsgesuche gewissenhaft und wohlwollend zu behandeln.

2.  Aufenthalt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit:

a)
Jede Vertragspartei kann im Rahmen der geltenden Gesetzesbestimmungen und zum Zweck des verstärkten Austauschs Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei den Aufenthalt auf ihrem Hoheitsgebiet zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlauben, insbesondere in den nachfolgenden Fällen:
Aufenthalt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit mit dem Zweck, die Wirtschaft des Aufnahmelandes zu entwickeln und den Austausch in diesem Bereich zu verstärken;
Aufenthalt im Rahmen von Hilfs- und Entwicklungsprojekten im Bereich der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Zusammenarbeit sowie im Rahmen von humanitären Einsätzen.
b)
Staatsangehörigen einer Vertragspartei mit Diplom einer Hochschule oder Fachhochschule der anderen Vertragspartei kann nach dem Studienabschluss eine Erwerbstätigkeit bewilligt werden, wenn diese Tätigkeit gemäss der anwendbaren nationalen Gesetzgebung ein massgebliches wissenschaftliches oder wirtschaftliches Interesse aufweist.
c)
Austausch von jungen Berufsleuten: Jede Vertragspartei ist bestrebt, den Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei eine Bewilligung gemäss dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tunesischen Republik über den Austausch junger Berufsleute zu erteilen.

III. Kapitel: Rückübernahme der irregulären Staatsangehörigen der Vertragsparteien



Art. 6 Staatsangehörigkeit der rückübernommenen Personen

1.  Jede Vertragspartei rückübernimmt auf schriftlichen Antrag der anderen Vertragspartei und ohne andere als die in diesem Abkommen vorgesehenen Förmlichkeiten alle Personen, welche die auf dem Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei anwendbaren Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr erfüll, sofern angenommen wird oder fest steht, dass sie Staatsangehörige der ersuchten Vertragspartei sind.

2.  Die ersuchende Vertragspartei rückübernimmt diese Personen zu den gleichen Voraussetzungen, sofern die bei der Ankunft auf dem Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei erfolgten Kontrollen beweisen, das sie nicht Staatsangehörige der ersuchten Vertragspartei waren, als sie das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei verliessen.

Art. 7 Rückübernahmegesuch

1.  Das nach Artikel 6 dieses Abkommens eingereichte Gesuch um Rückübernahme einer oder eines Staatsangehörigen einer Vertragspartei muss namentlich folgende Angaben enthalten:

Daten zur Identität der betreffenden Person (Vornamen, Namen, Geburts­datum und -ort);
Angaben zu den in Anhang I dieses Abkommens aufgeführten Dokumenten, die als Mittel für den Nachweis oder die Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit gelten.

2.  Das Rückübernahmegesuch wird der von der ersuchten Vertragspartei bestimmten zuständigen Behörde auf einem sicheren Übermittlungsweg, insbesondere per Telefax, direkt übermittelt.

3.  Die ersuchte Vertragspartei beantwortet das Gesuch so schnell wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zwanzig (20) Arbeitstagen nach Eingang des Gesuchs. Sollte eine Befragung gemäss Artikel 8 Absätze 3 und 4 dieses Abkommens erforderlich sein, muss diese innerhalb von dreissig (30) Arbeitstagen nach der Antwort durchgeführt werden.

4.  Die Rückübernahme der betreffenden Person erfolgt erst nach Eingang der Rückübernahmegenehmigung der ersuchten Vertragspartei.

5.  Benötigt die vom Rückübernahmegesuch betroffene Person medizinische Betreuung, liefert die ersuchende Vertragspartei, sofern dies im Interesse der betreffenden Person liegt, eine Beschreibung ihres Gesundheitszustands einschliesslich der entsprechenden Arztzeugnisse sowie Informationen darüber, ob sie einer besonderen Behandlung bedarf, z.B. gepflegt, überwacht oder mit der Ambulanz transportiert werden muss.

6.  Die Rückkehr der Person erfolgt mit einem Linienflug oder per Sonderflug. Beide Vertragsparteien sind insbesondere bestrebt, auf Sammelflüge zu verzichten. Sie stellen sicher, dass die Rückkehr per Sonderflug der anderen Vertragspartei vorgängig und frühzeitig mitgeteilt wird.

Art. 8 Nachweis oder Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit der rückzuübernehmenden Personen

1.  Die Staatsangehörigkeit wird mit den Dokumenten nachgewiesen, die in Anhang I Absatz 1 dieses Abkommens aufgelistet sind.

2.  Wird die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person mit den in Anhang I Absatz 2 dieses Abkommens genannten Mitteln glaubhaft gemacht, stellt die diplomatische oder konsularische Vertretung der ersuchten Vertragspartei unverzüglich ein für die Rückkehr der betreffenden Person gültiges Reisedokument (Laissez-passer) aus.

3.  Bei Zweifeln der ersuchten Vertragspartei betreffend die Mittel zur Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit oder bei Fehlen solcher Mittel nimmt die diplomatische oder konsularische Vertretung der genannten Vertragspartei eine Befragung der betreffenden Person vor. Die Befragung wird in Zusammenarbeit mit den zuständigen Diensten der ersuchenden Vertragspartei organisiert.

4.  Nach Abschluss der Befragung erstellt und unterzeichnet die diplomatische oder konsularische Vertretung der ersuchten Vertragspartei ein Protokoll.

5.  Bei Bedarf kann die Identifikation durch gemeinsame Anhörungen erfolgen.

6.  Wurde nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, dass die betreffende Person die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei besitzt, stellt die diplomatische oder konsularische Vertretung auf Ersuchen der zuständigen Behörde der ersuchenden Vertragspartei spätestens innerhalb von zehn (10) Arbeitstagen nach dem Ersuchen das erforderliche Reisedokument (Laisser-passer) aus.

Art. 9 Rechte der rückzuübernehmenden Personen

Die ersuchende Vertragspartei trifft im Rahmen ihrer geltenden Gesetze alle Massnahmen, um die Ehre, die Würde, die körperliche und geistige Integrität der betreffenden Person zu bewahren und um günstige Voraussetzungen für deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Reintegration zu schaffen.

Art. 10 Vorgehen im Einzelfall

Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien vereinbaren bei Bedarf, wie die Ehre, die Würde, die körperliche und geistige Integrität der betreffenden Personen – insbesondere der unbegleiteten Minderjährigen, der Kranken, der Schwangeren, der kinderreichen Familien – bewahrt werden soll und wie diese ihre Rechte ausüben und Pflichten erfüllen können.

Art. 11 Kostenübernahme

1.  Die Kosten für den Transport bis zur Stelle für die Einreise in das Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei werden von der ersuchenden Vertragspartei übernommen (Art. 6 Abs.1).

2.  Die Kosten für eine eventuelle Rückkehr in das Aufenthaltsland werden ebenfalls von der ersuchenden Vertragspartei übernommen (Art. 6 Abs. 2).

IV. Kapitel: Rückkehrhilfe

Art. 12 Ziele

1.  Die Vertragsparteien prüfen, wie sie die Kompetenzen und Ressourcen der Migrantinnen und Migranten am besten für die Entwicklung ihres Landes einsetzen können.

2.  Die Vertragsparteien verpflichten sich, die in ihrer Macht stehenden Massnahmen zu treffen, um die Personen, die sich für eine freiwillige Rückkehr in ihr Herkunftsland entschieden haben, bei der gesellschaftlichen und beruflichen Reintegration zu unterstützen.

Art. 13 Für die Rückkehrhilfe zuständige Strukturen

In der Schweiz ist das Bundesamt für Migration (BFM)2 für die Rückkehrhilfe zuständig. Die Umsetzung wird durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Kantone und verschiedene internationale Organisationen gemeinsam sichergestellt.

In Tunesien ist das Ministerium für Soziales für die Rückkehrhilfe zuständige. Die Umsetzung wird durch das Amt für Auslandtunesier sichergestellt.

2 Heute: Staatssekretariat für Migration (SEM) (siehe AS 2014 4451).

Art. 14 Rückkehrhilfemassnahmen

1.  Die Vertragsparteien verpflichten sich im Rahmen ihrer Gesetze, die Rückkehr ihrer Staatsangehörigen, die sich für eine freiwillige Rückkehr in ihr Land entschieden haben, durch die Ausarbeitung und Umsetzung gezielter und spezifischer Massnahmen zu fördern. In dieser Hinsicht sieht das Aufenthaltsland eine Unterstützung vor, die die Reintegration dieser Personen in ihrem Herkunftsland begünstigt.

Die oben genannten Massnahmen werden in Anhang II dieses Abkommens detailliert aufgeführt.

2.  Die Vertragsparteien verpflichten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Ressourcen, sich bei der Entwicklung und Umsetzung von Strukturhilfeprojekten mit den in Anhang III dieses Abkommens aufgeführten Zielen gegenseitig zu unterstützen.

3.  Die Vertragsparteien kommen im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Ressourcen überein, sich in den Bereichen nach Anhang IV dieses Abkommens gegenseitig zu unterstützen.

Art. 15 Fälle unfreiwilliger Rückkehr

1.  Die Vertragsparteien prüfen fallweise die Beschwerden von Personen, die von einer unfreiwilligen Rückkehr betroffen sind und um Unterstützung ersuchen.

2.  Auf jeden Fall kehrt keine rückübernommene Person ohne jegliche Mittel zurück.

Die oben genannten Mittel werden gemäss den Gesetzen der Vertragsparteien festgelegt. Bei Unterzeichnung dieses Abkommens unterrichten sich die Vertragsparteien über die geltenden Beträge. Spätere Änderungen werden unverzüglich auf diplomatischem Weg mitgeteilt.

V. Kapitel: Schutz von Personendaten

Art. 16 Inhalt der Personendaten

Die Informationen zu personenbezogenen Daten der rückzuübernehmenden Staatsangehörigen der Vertragsparteien betreffen ausschliesslich:

Die rückzuübernehmende Person und gegebenenfalls ihre Familienangehörigen (Namen, Vornamen, gegebenenfalls früherer Namen, Beinamen oder Pseudonyme, Geburtsdatum und –ort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit);
den Personalausweis, den Reisepass oder die übrigen Identitäts- oder Reisedokumente;
die übrigen für die Identifikation der rückzuübernehmenden Person erforderlichen Daten, einschliesslich ihrer Fingerabdrücke (ihre biometrischen Daten);
die Aufenthaltsorte und Reiserouten;
die Aufenthaltsbewilligungen oder die im Ausland gewährten Visa sowie gegebenenfalls;
die Daten zur Gesundheit der betroffenen Personen.
Art. 17 Verwendung der Personendaten

Die zur Durchführung dieses Abkommens übermittelten Personendaten werden in Übereinstimmung mit der geltenden innerstaatlichen Gesetzgebung jeder Vertragspartei sowie mit den Bestimmungen der entsprechend anwendbaren internationalen Übereinkommen, an die beide Vertragsparteien gebunden sind, verarbeitet und geschützt.

Zu diesem Zweck:

verwendet die ersuchte Vertragspartei die übermittelten Personendaten ausschliesslich zum Zweck, der in diesem Abkommen vorgesehen ist;
unterrichtet jede Vertragspartei die andere auf deren Ersuchen über die Verwendung der übermittelten Personendaten;
dürfen die übermittelten Personendaten ausschliesslich durch die für die Durchführung des Abkommens zuständigen Behörden verarbeitet werden. Die Personendaten dürfen nur mit dem vorherigen schriftlichen Einverständnis der übermittelnden Vertragspartei an weitere Staatsbehörden übermittelt werden;
ist die ersuchende Vertragspartei gehalten sicherzustellen, dass die zu übermittelnden Daten richtig sowie für den Übermittlungszweck erforderlich und verhältnismässig sind. Dabei sind die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht geltenden Übermittlungsverbote zu beachten. Erweist sich, dass unrichtige Daten oder Daten, die nicht übermittelt werden durften, übermittelt worden sind, so ist dies dem Empfänger unverzüglich mitzuteilen. Er ist verpflichtet, die Berichtigung oder Vernichtung dieser Daten vorzunehmen;
ist der betroffenen Person nach dem innerstaatlichen Recht der durch die betroffene Person ersuchten Vertragspartei auf Ersuchen über die zu ihrer Person vorhandenen Daten sowie über den vorgesehenen Verwendungszweck Auskunft zu erteilen;
sind die übermittelten Personendaten nur so lange aufzubewahren, wie es der Zweck erfordert, für den sie übermittelt worden sind. Die Kontrolle der Verarbeitung und Verwendung dieser Daten wird in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht jeder Vertragspartei sichergestellt;
sind beide Vertragsparteien verpflichtet, die übermittelten Personendaten wirksam gegen unbefugten Zugang, missbräuchliche Änderungen und widerrechtliche Bekanntgabe zu schützen. Die übermittelten Daten geniessen auf jeden Fall zumindest den Schutz, der aufgrund des Rechts der ersuchenden Vertragspartei für Daten gleicher Art gilt.

VI. Kapitel: Zuständige Behörden für die Umsetzung des Abkommens und Expertenausschuss


Art. 18 Zuständige Behörden für die Umsetzung des Abkommens

1.  Folgende Behörden sind für die Durchführung des vorliegenden Abkommens zuständig:

für die Schweizerische Eidgenossenschaft: das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten;
für die Tunesische Republik: das Aussenministerium, das Ministerium für Soziales und das Amt für Auslandtunesier,

2.  Jede Vertragspartei kann jederzeit eine andere zuständige Behörde bezeichnen und dies der anderen Vertragspartei auf diplomatischen Weg mitteilen.

Art. 20 Aufgabe und Zuständigkeiten des Expertenausschusses

Der Expertenausschuss ist zuständig für:

die Beobachtung der Migrationsströme zwischen den Hoheitsgebieten beider Vertragsparteien;
die Unterbreitung von Vorschlägen zuhanden der jeweiligen zuständigen Behörden der Vertragsparteien, die einer besseren Wirkung der Umsetzung des Abkommens dienlich sind.

VII. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 22 Stellung des Abkommens

Von diesem Abkommen unberührt bleiben die Verpflichtungen der Vertragspar­teien, die sich insbesondere ergeben aus:

dem Genfer Abkommen vom 28. Juli 19513 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 19674;
den von den Vertragsparteien unterzeichneten Abkommen über den Schutz der Menschenrechte, insbesondere aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York am 16. Dezember 19665;
der Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen vom 18. April 19616 bzw. 24. April 19637;
den internationalen Auslieferungsverträgen, die für die Vertragsparteien in Kraft sind.
Art. 23 Inkrafttreten, Dauer, Änderung, Suspendierung und Kündigung

1.  Jede Vertragspartei notifiziert der anderen die Erfüllung des erforderlichen Verfahrens für das Inkrafttreten dieses Abkommens; dieses tritt dreissig (30) Tage nach Empfang der letzten Notifikation in Kraft.

2.  Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

3.  Änderungen dieses Abkommens müssen in schriftlicher Form erfolgen und treten erst nach Zustimmung der Vertragsparteien gemäss Absatz 1 in Kraft.

4.  Jede Vertragspartei kann, nachdem sie die andere Vertragspartei darüber informiert hat, die Anwendung des vorliegenden Abkommens aus Gründen der öffent­lichen Ordnung, der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit ganz oder teilweise suspendieren. Die Suspendierung ist unverzüglich der anderen Vertragspartei auf diplomatischem Weg mitzuteilen. Die Vertragsparteien informieren sich unverzüglich auf diplomatischem Weg über die Aufhebung einer solchen Mass­nahme.

5.  Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen durch Notifikation an die andere Partei auf diplomatischem Weg kündigen. In diesem Fall tritt das Abkommen dreissig (30) Tage nach Empfang der Notifikation ausser Kraft.

Art. 24 Beilegung von Meinungsverschiedenheiten

Sämtliche Meinungsverschiedenheiten, die sich aus der Anwendung oder der Auslegung des vorliegenden Abkommens ergeben, werden von den Vertragsparteien im Rahmen des Expertenausschusses oder auf diplomatischem Weg beigelegt.

Art. 25 Durchführungsbestimmungen

1.  Die Anhänge I bis IV sind integrierender Bestandteil dieses Abkommens.

2.  Wenn erforderlich werden die Modalitäten für die Anwendung dieses Abkommens in Protokollen oder über einen Notenaustausch genauer festgehalten.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu ordnungsgemäss ermächtigten Vertreter der Vertragsparteien ihre Unterschrift unter dieses Abkommen gesetzt.

Geschehen zu Tunis, am 11. Juni 2012, in zwei (02) Unterschriften in französischer und arabischer Sprache, wobei jeder Text gleichermassen authentisch ist. Bei Meinungsverschiedenheiten zur Auslegung ist der französische Text massgebend.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Simonetta Sommaruga

Für die
Tunesische Republik:

Rafik Abdelassem

Anhang I

(Art. 7 und 8)

Mittel für den Nachweis der Staatsangehörigkeit

1.  Die Staatsangehörigkeit einer rückzuführenden Person wird auf der Grundlage eines der folgenden gültigen oder abgelaufenen Dokumente als nachgewiesen erachtet:

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:
Reisepass,
Identitätskarte.
Für die Tunesische Republik:
Reisepass,
Identitätskarte.

2.  Die Staatsangehörigkeit wird auf der Grundlage eines der folgenden Mittel als glaubhaft erachtet:

Von den öffentlichen Behörden der ersuchten Vertragspartei ausgestelltes Dokument, welches die Identität der betreffenden Person ausweist (Führerschein, Schiffahrtsbuch, Dienstbüchlein oder jedes andere von den Streitkräften ausgestellte Dokument usw.);
Ausweis über konsularische Anmeldung oder Zivilstandsdokument;
Familienbüchlein mit Angabe des Heimatortes in der Schweiz (für die schweizerische Vertragspartei);
jedes andere von einer zuständigen Behörde der ersuchten Vertragspartei ausgestellte Dokument;
Fotokopie eines der vorstehend aufgeführten oder unter Absatz 1 erwähnten Dokuments;
von den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden der ersuchenden Vertragspartei ordnungsgemäss eingeholte Erklärungen der betreffenden Person;
den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden der ersuchenden Vertragspartei zu Protokoll gegebene Zeugenaussagen;
die von der Person gesprochene Sprache, beispielsweise Sprachgutachten durch eine Fachperson;
Angaben der betreffenden Person;
Ergebnisse des Fingerabdruckabgleichs oder des Abgleichs anderer biometrischer Daten;
jedes andere von der zuständigen Behörde der ersuchten Vertragspartei anerkannte Mittel.

Anhang II

(Art. 14 Abs. 1)

Massnahmen für die individuelle Rückkehrhilfe

Die Massnahmen für die individuelle Rückkehrhilfe bestehen konkret in:

Der Übernahme der Transportkosten für die Rückkehr der für das Programm zur freiwilligen und begleiteten Rückkehr angemeldeten Person in ihr Herkunftsland;
einer finanziellen Starthilfe;
einer persönlichen, gezielten und spezifischen Unterstützung bei der Entwicklung und Verwirklichung eines individuellen Projekts zur erleichterten beruflichen und sozialen Reintegration im Herkunftsland; diese Unterstützung kann insbesondere in der Form von Beratung, Betreuung – einschliesslich im Herkunftsland – Kauf, Transfer von Material oder Finanzierung eines Berufs-, Ausbildungs- oder vorübergehenden Wohnprojekts erfolgen;
der Hilfe bei der Rückkehr aus medizinischen Gründen, sofern Bedarf besteht – auch im Herkunftsland –, insbesondere durch Medikamentenvor­räte, medizinische Begleitung bei der Rückkehr oder durch den Abschluss einer laufenden Behandlung;
der Steuerung der Verbreitung von Informationen über das Programm zur freiwilligen und begleiteten Rückkehr und in der institutionellen Unterstützung, wenn Dritte (internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen oder andere Partner) mit der Steuerung betraut werden.

Anhang III

(Art. 14 Abs. 2)

Strukturhilfemassnahmen

Mit den Strukturhilfemassnahmen werden insbesondere die folgenden Ziele verfolgt:

Beitrag an die Entwicklung der Kompetenzen der Vertragspartei, zu der die Person zurückkehrt, bezüglich Migrationsmanagement, beispielsweise mit spezifischen Ausbildungen in geeigneten und von Interesse erscheinenden Bereichen;
die Ungleichheiten zwischen den in ihr Herkunftsland zurückgekehrten Personen und den an Ort gebliebenen vermindern, indem auch letztere von den Projekten zur Unterstützung und Entwicklung der Infrastrukturen vor Ort profitieren können;
Mitwirkung beim Aufbau der Beziehungen der Migrationspartnerschaften und Förderung des Migrationsdialogs.

Anhang IV

(Art. 14 Abs. 3 und Art. 21)

Massnahmen zur gegenseitigen Unterstützung und technische und finanzielle Zusammenarbeit


Die Massnahmen zur gegenseitigen Unterstützung betreffen insbesondere die folgenden Bereiche:

Den gegenseitigen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden in Sachen Menschenhandel, Netzwerke für den Menschenschmuggel die darin verwickelte Personen sowie organisierte Kriminalität im Zusammenhang mit der Migration;
die technische Unterstützung bei der Bekämpfung der irregulären Migration;
die Organisation von Ausbildungskursen für das konsularische Personal und die Einwanderungsbeamtinnen und –beamten, namentlich im spezifischen Bereich der Erkennung gefälschter Dokumente;
die Zusammenarbeit zur verstärkten Grenzkontrolle, insbesondere durch Unterstützung mit Material und Ausrüstung;
das fachtechnische Wissen zur Gewährung der Sicherheit nationaler Identitätsausweise;
die Verbesserung der Fähigkeit, die irreguläre Migration und den Menschenschmuggel zu bekämpfen.