933.0

Bundesgesetz
über Bauprodukte

(Bauproduktegesetz, BauPG)

vom 21. März 2014 (Stand am 1. Oktober 2014)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 95, 97 und 101 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 4. September 20132,

beschliesst:

1. Abschnitt: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe

Art. 1 Gegenstand, Zweck und Vorbehalt anderer Bundesgesetze

1 Dieses Gesetz regelt das Inverkehrbringen von Bauprodukten und ihre Bereit­stellung auf dem Markt.

2 Aufgrund dieses Gesetzes soll die Sicherheit von Bauprodukten gewährleistet und der grenzüberschreitende freie Warenverkehr erleichtert werden.

3 Technische Vorschriften, insbesondere in chemikalien-, gewässerschutz-, umwelt­schutz-, lebensmittel- und energierechtlichen Erlassen, die Anforderungen an das Inverkehrbringen enthalten, sind auf Bauprodukte anwendbar, soweit sie:

a.
Inhaltsstoffe von Bauprodukten betreffen;
b.
die Verwendung, Inbetriebnahme, Anwendung oder Installation von Bau­produkten betreffen, die von einer harmonisierten Norm erfasst werden oder für die eine Europäische Technische Bewertung ausgestellt worden ist;
c.
Bauprodukte betreffen, die von keiner harmonisierten Norm erfasst werden und für die keine Europäische Technische Bewertung ausgestellt worden ist; oder
d.
sektorspezifische Bestimmungen für Produkte oder deren Komponenten enthalten, die nicht nur als Bauprodukte in Verkehr gebracht werden können, und sofern diese Bestimmungen sektorspezifisches Recht der Europäischen Union (EU) für die betreffenden Produkte und Komponenten übernehmen.

4 Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 12. Juni 20093 über die Produkte­sicherheit (PrSG) bleiben anwendbar auf Produkte oder deren Komponenten, sofern Sicherheitsaspekte betroffen sind und soweit:

a.
das betreffende Produkt gemäss anderen technischen Vorschriften nicht als Bauprodukt in Verkehr gebracht wird;
b.
Bestandteile von Bauprodukten betroffen sind, deren Verwendung nicht spezifisch in Bauprodukten beabsichtigt ist; oder
c.
der Bundesrat es vorsieht, um die Übereinstimmung mit Anpassungen des Rechts der EU zu gewährleisten.
Art. 2 Begriffe

In diesem Gesetz bedeuten:

1.
«Bauprodukt»: jedes Produkt, das hergestellt und in Verkehr gebracht wird, um dauerhaft in Bauwerke oder Teile davon eingebaut zu werden, und dessen Leistung sich auf die Leistung des Bauwerks im Hinblick auf die Grundanforderungen an Bauwerke auswirkt;
2.
«Bausatz»: ein Bauprodukt, das von einem einzigen Hersteller in Verkehr gebracht wird als Satz von mindestens zwei getrennten Komponenten, die zusammengefügt werden müssen, um ins Bauwerk eingefügt zu werden;
3.
«Bauwerk»: Baute sowohl des Hochbaus als auch des Tiefbaus;
4.
«wesentliche Merkmale»: diejenigen Merkmale des Bauprodukts, die sich auf die Grundanforderungen an Bauwerke beziehen;
5.
«Leistung eines Bauprodukts»: die Leistung in Bezug auf die relevanten wesentlichen Merkmale eines Bauprodukts, die in Stufen, Klassen oder einer Beschreibung ausgedrückt wird;
6.
«Leistungsstufe»: das Ergebnis der Bewertung der Leistung eines Baupro­dukts in Bezug auf seine wesentlichen Merkmale, ausgedrückt als Zahlenwert;
7.
«Leistungsklasse»: eine Bandbreite von Leistungsstufen eines Bauprodukts, die durch einen Mindest- und einen Höchstwert abgegrenzt wird;
8.
«Schwellenwert»: die Mindest- oder Höchstleistungsstufe eines wesentli­chen Merkmals eines Bauprodukts;
9.
«Produkttyp»: der deklarierte Satz der repräsentativen Leistungsstufen oder Leistungsklassen der wesentlichen Merkmale eines Bauprodukts, das unter Verwendung einer bestimmten Kombination von Rohstoffen oder anderer Bestandteile in einem bestimmten Produktionsprozess hergestellt wird;
10.
«technische Spezifikation»: ein Schriftstück, das die Methoden und die Kriterien zur Bewertung der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale, einschliesslich des Aspekts der Sicherheit für die Verwenderin oder den Verwender, enthält;
11.
«harmonisierte technische Spezifikation»: eine harmonisierte technische Norm oder ein Europäisches Bewertungsdokument;
12.
«technische Norm»: eine technische Spezifikation zur wiederholten oder ständigen Anwendung, die von einem nationalen oder internationalen Normungsgremium angenommen wurde;
13.
«harmonisierte technische Norm»: eine technische Norm, die auf der Grundlage eines Ersuchens der Europäischen Kommission oder der EFTA von einem der folgenden europäischen Normungsgremien angenommen wurde:
a.
Europäisches Komitee für Normung (CEN),
b.
Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC),
c.
Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI);
14.
«Europäisches Bewertungsdokument» (EBD): ein Dokument, das von der Organisation Technischer Bewertungsstellen (OTB) zum Zweck der Aus­stellung Europäischer Technischer Bewertungen angenommen wurde;
15.
«Europäische Technische Bewertung» (ETB): die dokumentierte Bewertung der Leistung eines Bauprodukts in Bezug auf seine wesentlichen Merkmale im Einklang mit dem betreffenden Europäischen Bewertungsdokument;
16.
«Verwendungszweck»: die beabsichtigte Verwendung des Bauprodukts, die in der jeweils anwendbaren harmonisierten technischen Spezifikation fest­gelegt ist;
17.
«Inverkehrbringen»: die erstmalige Bereitstellung eines Bauprodukts auf dem Markt;
18.
«Bereitstellung auf dem Markt»: jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Bauprodukts zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem Markt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit;
19.
«Wirtschaftsakteurin»: Herstellerin, Importeurin, Händlerin oder Bevoll­mächtigte;
20.
«Herstellerin»: jede natürliche oder juristische Person, die ein Bauprodukt herstellt beziehungsweise entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke in Verkehr bringt oder auf dem Markt bereitstellt;
21.
«Importeurin»: jede im Inland ansässige natürliche oder juristische Person, die ein Bauprodukt aus dem Ausland in die Schweiz in Verkehr bringt;
22.
«Händlerin»: jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette ausser der Herstellerin oder Importeurin, die ein Bauprodukt auf dem Markt bereit­stellt;
23.
«Bevollmächtigte»: jede im Inland ansässige natürliche oder juristische Person, die von einer Herstellerin schriftlich beauftragt wurde, in ihrem Namen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen;
24.
«Rücknahme»: jede Massnahme, mit der verhindert werden soll, dass ein in der Lieferkette befindliches Bauprodukt auf dem Markt bereitgestellt wird;
25.
«Rückruf»: jede Massnahme, die darauf abzielt, dass die Endverwenderin oder der Endverwender ein bereits bereitgestelltes Bauprodukt zurückgibt;
26.
«werkseigene Produktionskontrolle»: die dokumentierte ständige interne Kontrolle der Produktion in einem Werk im Einklang mit den einschlägigen harmonisierten technischen Spezifikationen;
27.
«Kleinstunternehmen»: ein Unternehmen beliebiger Rechtsform, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, weniger als zehn Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz oder dessen Jahresbilanz 3 Millionen Franken nicht übersteigt.

2. Abschnitt: Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Bauprodukten auf dem Markt



Art. 3 Wesentliche Merkmale von Bauprodukten und Grundanforderungen an Bauwerke

1 Bauwerke müssen als Ganzes und in ihren Teilen für ihren Verwendungszweck tauglich sein, wobei insbesondere der Gesundheit und der Sicherheit von Personen während des gesamten Lebenszyklus der Bauwerke Rechnung zu tragen ist.

2 Bauwerke müssen die nachstehenden Grundanforderungen bei normaler Instand­haltung über einen wirtschaftlich angemessenen Zeitraum erfüllen:

a.
mechanische Festigkeit und Standsicherheit;
b.
Brandschutz;
c.
Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz;
d.
Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung;
e.
Schallschutz;
f.
Energieeinsparung und Wärmeschutz;
g.
nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen.

3 Der Bundesrat konkretisiert die Grundanforderungen an Bauwerke nach Absatz 2.

4 Im Rahmen von Absatz 3 können die zuständigen Behörden von Bund und Kan­tonen technische Vorschriften erlassen über:

a.
die Grundanforderungen an Bauwerke;
b.
die Verwendung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale;
c.
die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten, die von keiner harmoni­sierten Norm erfasst werden und für die keine Europäische Technische Bewertung ausgestellt worden ist.

5 Die Übernahme von technischen Vorschriften nach den Absätzen 3 und 4 in harmonisierte technische Spezifikationen richtet sich nach dem Verfahren nach Artikel 11.

6 Bund und Kantone passen ihre technischen Vorschriften nach den Absätzen 3 und 4 in Bezug auf die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten an die harmo­nisierten technischen Spezifikationen an.

Art. 4 Allgemeines Sicherheitsgebot

1 Bauprodukte dürfen nur in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 PrSG4 sicher sind und daher bei normaler oder bei vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und die Gesundheit der Verwenderinnen und Verwender oder Dritter nicht oder nur geringfügig gefährden.

2 Massstab für die Beurteilung der Sicherheit sind:

a.
für Bauprodukte, die von einer bezeichneten harmonisierten technischen Norm erfasst werden oder für die eine ETB ausgestellt worden ist: die anwendbaren harmonisierten Normen oder ETB sowie die nach Artikel 8 Absatz 3 zweiter Satz festgelegten Schwellenwerte oder Leistungsklassen;
b.
für Bauprodukte, die von keiner bezeichneten harmonisierten technischen Norm erfasst werden oder für die keine ETB ausgestellt worden ist: die Sicherheit, wie sie von den Verwenderinnen und Verwendern vernünftiger­weise erwartet werden kann.

3 Mit Bezug auf Absatz 2 Buchstabe b kann die Herstellerin zum Nachweis, dass die Sicherheitsanforderung erfüllt ist, eine Herstellererklärung erstellen. Dabei kann sie sich gegebenenfalls auf eine nach Artikel 12 Absatz 2 bezeichnete technische Norm stützen.

Art. 5 Leistungserklärung

1 Ist ein Bauprodukt von einer bezeichneten harmonisierten technischen Norm erfasst oder ist für ein Bauprodukt eine ETB ausgestellt worden, so darf es nur in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn die Herstellerin eine Leistungserklärung für das Produkt erstellt hat.

2 Unter dem Vorbehalt anderslautender bundesrechtlicher oder kantonaler Vor­schriften im Hinblick auf die Verwendung muss keine Leistungserklärung erstellt werden, wenn ein Bauprodukt zwar von einer bezeichneten harmonisierten tech­nischen Norm erfasst wird, das Bauprodukt aber:

a.
auf einen besonderen Auftrag hin, individuell gefertigt wurde oder als Sonderanfertigung im Rahmen einer Nicht-Serienfertigung gefertigt wurde, und es in einem bestimmten einzelnen Bauwerk von einer Herstellerin eingebaut wird, die für den sicheren Einbau des Produkts in das Bauwerk verantwortlich ist;
b.
auf der Baustelle zum Zweck des Einbaus in das jeweilige Bauwerk im Einklang mit den geltenden Bestimmungen gefertigt wird; oder
c.
auf traditionelle Weise oder in einer der Erhaltung des kulturellen Erbes angemessenen Weise in einem nicht-industriellen Verfahren nach den geltenden Vorschriften gefertigt wurde, insbesondere zur angemessenen Renovierung von Bauwerken, die als Teil eines bezeichneten Orts- oder Land­schaftsbilds oder aufgrund ihres besonderen architektonischen oder histo­rischen Werts offiziell geschützt sind.
Art. 6 Bewertung der Leistung

1 Der Bundesrat legt die anzuwendenden Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit fest.

2 Die Herstellerin bewertet die Leistung eines Bauprodukts nach dem nach Absatz 1 festgelegten Verfahren, das in der bezeichneten harmonisierten technischen Spezifikation wiedergegeben ist. Dabei sind, je nach anwendbarem Verfahren, unabhängige Stellen einzubeziehen, die:

a.
nach Artikel 15 Absatz 1 bezeichnet worden sind; oder
b.
von der Schweiz im Rahmen des Abkommens vom 21. Juni 19995 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen anerkannt worden sind.

3 Der Bundesrat kann für die anwendbaren Verfahren Vereinfachungen vorsehen:

a.
für die Bestimmung des Produkttyps eines Bauprodukts;
b.
zugunsten von Kleinstunternehmen;
c.
für nicht in Serie gefertigte Bauprodukte.
Art. 7 Leistungsstufen oder ‑klassen und Schwellenwerte

1 Der Bundesrat kann festlegen:

a.
die Leistungsklassen in Bezug auf die wesentlichen Merkmale eines Bau­produkts;
b.
die Voraussetzungen, unter denen anzunehmen ist, dass ein Bauprodukt ohne Prüfungen oder ohne weitere Prüfungen einer bestimmten Leistungsstufe oder -klasse angehört.

2 Soweit nach Absatz 1 Klassifizierungssysteme festgelegt sind, können die zuständigen Behörden von Bund und Kantonen die in der Schweiz anwendbaren Schwellenwerte oder Leistungsklassen, die Bauprodukte in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale erfüllen müssen, nur in Übereinstimmung mit diesen Klassifizierungs­systemen festlegen.

Art. 8 Funktion und Inhalt der Leistungserklärung

1 Mit der Leistungserklärung übernimmt die Herstellerin die Verantwortung für die Übereinstimmung des Bauprodukts mit der erklärten Leistung. Liegen keine objektiven Hinweise auf das Gegenteil vor, so gilt die Vermutung, dass die von der Herstellerin erstellte Leistungserklärung genau und zuverlässig ist.

2 Die Leistungserklärung gibt die Leistung von Bauprodukten in Bezug auf die wesentlichen Merkmale dieser Produkte gemäss den anwendbaren bezeichneten harmonisierten technischen Spezifikationen an.

3 Der Bundesrat kann in seinen Ausführungsbestimmungen diejenigen wesentlichen Merkmale festlegen, für die die Herstellerin in jedem Fall die Leistung des Produkts zu erklären hat. In diesem Fall legt er, soweit angezeigt, die zu erfüllenden Schwellen­werte und Leistungsklassen fest.

4 Ist eine Leistungserklärung nach Artikel 5 zu erstellen, so dürfen Angaben über die Leistungen eines Bauprodukts in Bezug auf seine wesentlichen Merkmale nur in der Leistungserklärung zur Verfügung gestellt werden. Zulässig sind Angaben über die Leistungen eines Bauprodukts ausserhalb einer Leistungserklärung nur dann, wenn diese Angaben zugleich auch in der Leistungserklärung enthalten und spezifiziert sind.

5 Die nach chemikalienrechtlichen Vorschriften erforderlichen Produktinforma­tionen werden zusammen mit der Leistungserklärung zur Verfügung gestellt.

6 Der Bundesrat bestimmt den näheren Inhalt der Leistungserklärung.

Art. 9 Vermutungswirkung und Beweislastumkehr

Entspricht ein Bauprodukt im Hinblick auf seine Risiken den Bestimmungen dieses Gesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen, so wird vermutet, dass es dem allgemeinen Sicherheitsgebot nach Artikel 4 entspricht.

3. Abschnitt: Bestimmungen für die Wirtschaftsakteurinnen

Art. 10

1 Mit dem Ziel, die Risiken beim Inverkehrbringen, beim Bereitstellen auf dem Markt und bei der Verwendung von Bauprodukten möglichst klein zu halten, legt der Bundesrat für die Herstellerinnen, Importeurinnen, Händlerinnen und Bevoll­mächtigten fest:

a.
wie eine Leistungs- und eine Herstellererklärung zu erstellen und zur Verfü­gung zu stellen und wie lange diese aufzubewahren sind;
b.
wie lange technische Unterlagen aufbewahrt werden müssen;
c.
in welcher Weise Bauprodukte identifizierbar gemacht werden müssen, damit sie in der Herstellungs- und Lieferkette zur verantwortlichen Wirt­schafts­akteurin zurückverfolgt werden können;
d.
welche Sicherheitsinformationen dem Bauprodukt beigefügt werden müssen;
e.
welche Kontroll- und Korrekturmassnahmen eine Wirtschaftsakteurin zu ergreifen hat, wenn Anforderungen nach diesem Gesetz nicht eingehalten werden oder mit dem Bauprodukt Risiken verbunden sein können, und in welcher Weise die Wirtschaftsakteurin mit den Marktüberwachungsorganen (Art. 29) zusammenarbeiten muss;
f.
welche Lagerungs- und Transportbedingungen für Bauprodukte gelten.

2 Bringt eine Importeurin oder eine Händlerin ein Bauprodukt unter ihrem Namen oder ihrer Handelsmarke in Verkehr oder verändert sie ein bereits in Verkehr gebrachtes Bauprodukt so, dass die Übereinstimmung des Bauprodukts mit der erklärten Leistung beeinflusst werden kann, so unterliegt sie den Pflichten der Herstellerin.

3 Die Wirtschaftsakteurinnen müssen während einer vom Bundesrat festzulegenden Frist den Marktüberwachungsorganen auf Verlangen alle Wirtschaftsakteurinnen nennen:

a.
von denen sie ein Bauprodukt bezogen haben;
b.
an die sie ein Bauprodukt abgegeben haben.

4. Abschnitt: Technische Spezifikationen

Art. 11 Übernahme von Bewertungsverfahren

1 Das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) leitet die notwendigen Prozesse mit dem Ziel ein, dass Bewertungsverfahren zur Feststellung derjenigen Schwellenwerte und Leistungsklassen, die das Bauprodukt gemäss den technischen Vorschriften von Bund und Kantonen in Bezug auf seine wesentlichen Merkmale erfüllen muss, in die entsprechenden harmonisierten technischen Spezifikationen integriert werden können.

2 Die zuständigen Behörden teilen dem BBL Erlasse, die technische Vorschriften nach Absatz 1 enthalten, möglichst vor deren Inkrafttreten mit.

Art. 12 Bezeichnung technischer Normen

1 Das BBL bezeichnet nach Anhörung der mitbetroffenen Bundesämter und der Eidgenössischen Kommission für Bauprodukte (Art. 30) die harmonisierten techni­schen Normen, die geeignet sind, die Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale zu bewerten und die Bauprodukte auf ihre Leistungs­beständigkeit zu überprüfen.

2 Bestehen keine harmonisierten technischen Spezifikationen oder sind keine solchen in Erarbeitung, so kann das BBL nach Anhörung der mitbetroffenen Bundesämter und der Eidgenössischen Kommission für Bauprodukte andere technische Normen bezeichnen, die Bewertungsverfahren zum Nachweis der Sicherheit nach Artikel 4 Absatz 3 enthalten.

Art. 13 Technische Bewertung auf der Grundlage eines Europäischen Bewertungsdokuments

1 Wird ein Bauprodukt nicht oder nicht vollständig von einer harmonisierten tech­nischen Norm erfasst, so kann eine Herstellerin bei einer Technischen Bewertungs­stelle (TBS) nach Artikel 17 eine ETB beantragen.

2 Liegen die Voraussetzungen nach Absatz 1 vor, erwirkt die TBS unter Berücksichtigung ihrer Verpflichtungen nach Absatz 4 nach den anwendbaren internationalen Vorschriften bei der OTB ein EBD.

3 Auf der Grundlage eines EBD stellt die TBS eine ETB aus.

4 Der Bundesrat regelt:

a.
die Pflichten der TBS im Verfahren zur Erstellung eines EBD;
b.
den Inhalt und das Format der ETB; und
c.
die Einzelheiten des Verfahrens zur Erstellung einer ETB auf der Grundlage eines EBD.
Art. 14 Bezeichnung Europäischer Bewertungsdokumente

1 Das BBL bezeichnet nach Anhörung der mitbetroffenen Bundesämter und der Eidgenössischen Kommission für Bauprodukte (Art. 30) die EBD, die geeignet sind, als Grundlage für die Ausstellung einer ETB durch eine TBS zu dienen.

2 Der Bundesrat regelt die Anforderungen an den Inhalt eines EBD, damit dieses bezeichnet werden kann.

3 Hat das BBL ein EBD bezeichnet, so kann eine ETB auch dann ausgestellt werden, wenn ein Mandat für eine harmonisierte Norm erteilt wurde, längstens aber bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem eine bezeichnete harmonisierte Norm erstmals ver­wendet werden kann, um eine Leistungserklärung für ein von der Norm erfasstes Bauprodukt zu erstellen.

5. Abschnitt: Bezeichnete Stellen, technische Bewertungsstellen und Produktinformationsstelle


Art. 15 Bezeichnete Stellen

1 Das BBL bezeichnet die Stellen, die befugt sind, Aufgaben einer unabhängigen Drittperson zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit gemäss diesem Gesetz wahrzunehmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) noti­fiziert die bezeichneten Stellen gemäss den Bestimmungen des Abkommens vom 21. Juni 19996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbe­wertungen.

2 Die Bezeichnung setzt voraus, dass die betreffende Stelle gemäss den geltenden Bestimmungen des Bundes über die Akkreditierung akkreditiert ist.

3 Der Bundesrat bestimmt:

a.
welche Anforderungen die bezeichneten Stellen zu erfüllen haben;
b.
nach welchen Verfahren die Stellen zu bezeichnen und zu notifizieren sind;
c.
wie die bezeichneten Stellen ihre Aufgaben zu erfüllen haben; und
d.
wie die bezeichneten Stellen sich untereinander und mit den zuständigen europäischen Gremien koordinieren.
Art. 16 Bezeichnungsbehörde

1 Das BBL stellt die Einhaltung der Voraussetzungen für die Bezeichnung der Stellen nach Artikel 15 fest; es überwacht die Einhaltung dieser Voraussetzungen.

2 Es gewährleistet durch seine Organisation und Arbeitsweise, dass:

a.
es über das notwendige fachkundige Personal zur Erfüllung der Bezeich­nungs­aufgaben verfügt;
b.
bei der Ausübung der Bezeichnungstätigkeit Objektivität und Unparteilich­keit gewahrt werden; und
c.
es zu keinen Interessenkonflikten mit den Stellen kommt.

3 Das BBL bietet keine Dienstleistungen an, die von den Stellen angeboten werden.

4 Es stellt die Vertraulichkeit der erlangten Informationen sicher.

Art. 17 Bewertungsstellen für die Europäische Technische Bewertung

1 Eine TBS führt in einem Produktbereich, für den sie bezeichnet wurde, Bewer­tungen durch und stellt die entsprechende ETB aus.

2 Der Bundesrat benennt eine amtliche TBS, die befugt ist, eine ETB auszustellen.

3 Das BBL kann weitere im Inland ansässige TBS durch Verfügung benennen.

4 Die Benennung setzt voraus, dass die betreffende Stelle als TBS akkreditiert ist. Sie muss Mitglied der OTB sein.

5 Das SECO notifiziert die nach den Absätzen 2 und 3 benannten TBS gemäss den Bestimmungen des Abkommens vom 21. Juni 19997 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen.

6 Das BBL überwacht die Einhaltung der Voraussetzungen für die Benennung der TBS.

7 Der Bundesrat bestimmt die Anforderungen an TBS und regelt das Verfahren der Benennung solcher Stellen.

Art. 18 Entschädigung für die Koordinierung Technischer Bewertungsstellen

1 Auf Antrag entschädigt der Bund die TBS für Kosten, die durch ihre Mitgliedschaft und Tätigkeit in der OTB entstehen, soweit diese Kosten nicht im Rahmen der Leistungserbringung an Dritte zu verrechnen sind.

2 Der Bundesrat legt fest:

a.
die Voraussetzungen für die Entrichtung der Entschädigung;
b.
die Höhe der Entschädigung.
Art. 19 Produktinformationsstelle für das Bauwesen

1 Das BBL betreibt eine Produktinformationsstelle für das Bauwesen.

2 Es kann private oder kantonale Stellen durch Vertrag beauftragen, die Tätigkeiten der Produktinformationsstelle wahrzunehmen und dafür ein Entgelt vorsehen. Das BBL bleibt die verantwortliche Produktinformationsstelle.

3 Der Bundesrat bestimmt, welche Informationen die Produktinformationsstelle zur Verfügung stellen muss, und regelt, inwieweit dafür ein Entgelt verlangt werden kann. Er kann der Produktinformationsstelle weitere Auflagen machen.

6. Abschnitt: Marktüberwachung

Art. 20 Kontrollbefugnisse der Marktüberwachungsorgane

1 Die Marktüberwachungsorgane kontrollieren auf geeignete Weise und in angemessenem Umfang, insbesondere anhand von Stichproben, ob ein Bauprodukt die deklarierten Produktleistungen erbringt und mit den geltenden Vorschriften übereinstimmt.

2 Die Kontrolle nach Absatz 1 kann insbesondere durchgeführt werden:

a.
durch die formelle Überprüfung der Leistungserklärung und der sie beglei­tenden Nachweisdokumente und Unterlagen;
b.
durch physische Kontrollen und Laborprüfungen.

3 Die Marktüberwachungsorgane berücksichtigen die geltenden Grundsätze der Risikobewertung, die eingegangenen Beschwerden und sonstige relevante Informa­tionen.

4 Im Rahmen der Kontrolle nach Absatz 1 sind die Marktüberwachungsorgane insbesondere befugt:

a.
von der Wirtschaftsakteurin den Zugang zu den Unterlagen und Informa­tionen zu verlangen, die für die Kontrolle erforderlich sind;
b.
Muster zu erheben;
c.
Prüfungen anzuordnen;
d.
die Betriebs- oder Produktionsräume oder den Verwendungsort der Produkte zu betreten.

5 Bauprodukte können während der Herstellung, der Lagerung, des Transports oder auf der Baustelle kontrolliert werden.

6 Die Marktüberwachungsorgane können eine technische Überprüfung des Bauproduktes anordnen, wenn Zweifel bestehen, ob:

a.
die tatsächlichen Leistungen eines Bauprodukts mit den von der Herstellerin deklarierten Produktleistungen in den eingereichten Unterlagen überein­stimmt; oder
b.
das Bauprodukt trotz korrekter Unterlagen den geltenden Vorschriften entspricht.
Art. 21 Formale Nichtkonformität

1 Ergibt eine Kontrollmassnahme eine formale Nichtkonformität, so fordert das Marktüberwachungsorgan die betroffene Wirtschaftsakteurin dazu auf, den Mangel zu beheben.

2 Eine formale Nichtkonformität liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

a.
Die Leistungserklärung wurde nicht erstellt, obwohl dies nach Artikel 5 erforderlich ist.
b.
Die Leistungserklärung wurde nicht in Übereinstimmung mit den Artikeln 5–8 erstellt.
c.
Andere erforderliche technische Unterlagen, Dokumente oder Kennzeich­nungen sind entweder nicht verfügbar oder unvollständig oder stimmen nicht mit der Leistungserklärung überein. Dies betrifft ausdrücklich auch fehlende oder mangelbehaftete erforderliche Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen sowie Sicherheitsinformationen.

3 Eine amtliche Feststellung der formalen Nichtkonformität nach Absatz 2 gibt ausserdem einen hinreichenden Grund zu der Annahme, dass mit dem Bauprodukt ein Risiko verbunden ist.

4 Kommt die Wirtschaftakteurin der Aufforderung nach Absatz 1 nicht nach, so sorgt das Marktüberwachungsorgan dafür, dass das Produkt zurückgerufen oder zurückgenommen wird.

Art. 22 Massnahmen zur Abwendung oder Minderung von Risiken

1 Hat ein Marktüberwachungsorgan Grund zur Annahme, dass ein in Verkehr gebrachtes, auf dem Markt bereitgestelltes oder im Zuge der Erbringung einer Dienst­leistung verwendetes Bauprodukt mit einem Risiko verbunden ist, so untersucht es, ob das betreffende Bauprodukt die Anforderungen nach diesem Gesetz erfüllt. Aus der Möglichkeit, einen höheren Sicherheitsgrad zu erreichen, oder aus der Verfügbarkeit eines anderen Bauprodukts, von dem eine geringere Gefährdung ausgeht, darf jedoch nicht geschlossen werden, dass von dem kon­trollierten Bau­produkt ein Risiko ausgeht.

2 Ein mit einem Risiko verbundenes Produkt ist ein Produkt, das öffentliche Inter­essen wie die Gesundheit und Sicherheit im Allgemeinen, die Gesundheit und Sicher­heit am Arbeitsplatz, den Verbraucher- und Umweltschutz und die öffentliche Sicherheit stärker negativ beeinflussen kann, als bei normaler oder vernünftiger­weise vorhersehbarer Verwendung als vernünftig und vertretbar gilt; dies schliesst auch die Gebrauchsdauer und gegebenenfalls die Inbetriebnahme, Installation und Wartungsanforderungen ein.

3 Gelangt das Marktüberwachungsorgan im Verlauf der Untersuchung nach Absatz 1 zu dem Ergebnis, dass das Bauprodukt die Anforderungen nach diesem Gesetz nicht erfüllt, so fordert es die betroffene Wirtschaftsakteurin unverzüglich auf:

a.
innerhalb einer der Art des Risikos angemessenen Frist alle geeigneten Massnahmen zu ergreifen, damit das Bauprodukt diese Anforderungen erfüllt, insbesondere damit die erklärten und die tatsächlichen Leistungen des Bauprodukts übereinstimmen;
b.
das Bauprodukt zurückzunehmen oder das Bauprodukt zurückzurufen; oder
c.
anstelle von Korrekturmassnahmen nach den Buchstaben a und b technische Kompensationsmassnahmen am Bauwerk vorzuschlagen, mit denen die festgestellten Risiken gemindert werden.

4 Ergibt eine Kontrollmassnahme, dass ein Bauprodukt ein Risiko für die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke darstellt, obwohl es die sonstigen Anforde­rungen nach diesem Gesetz erfüllt, so hat die Wirtschaftsakteurin dafür zu sorgen, dass das betreffende Bauprodukt dieses Risiko bei seinem Inverkehrbringen nicht mehr aufweist.

5 Die Wirtschaftsakteurin stellt sicher, dass sich alle geeigneten Korrekturmass­nahmen, die sie ergreift, auf sämtliche betroffenen Bauprodukte erstrecken, die sie auf dem Markt bereitgestellt hat.

6 Ergreift die betreffende Wirtschaftsakteurin innerhalb der in Absatz 3 Buchstabe a genannten Frist keine angemessenen Korrekturmassnahmen, so kann das Marktüber­wachungsorgan:

a.
alle geeigneten vorläufigen Massnahmen treffen, um die Bereitstellung des Bauprodukts auf dem Markt zu untersagen oder einzuschränken;
b.
die Rücknahme oder den Rückruf des Bauprodukts veranlassen; oder
c.
die Verwenderinnen und Verwender des Bauprodukts vor mit dem Produkt verbundenen Risiken warnen, um das Risiko einer Verletzung oder des Ein­tre­tens eines anderen Schadens zu verringern; in diesem Falle macht das Marktüberwachungsorgan die Informationen über die Gefährlichkeit des Bauprodukts und über die getroffenen Massnahmen öffentlich zugänglich.
Art. 23 Massnahmen zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen

1 Ist es zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen erforderlich, so kann das Marktüberwachungsorgan neben den Massnahmen nach Artikel 22 weitere geeig­nete Massnahmen treffen und insbesondere:

a.
das Bereitstellen eines Bauprodukts auf dem Markt verbieten;
b.
die Warnung vor den Risiken eines Bauprodukts, seine Rücknahme oder seinen Rückruf anordnen und nötigenfalls selbst vollziehen;
c.
die Ausfuhr eines Bauprodukts, dessen Bereitstellung auf dem Markt nach Buchstabe a verboten worden ist, verbieten.

2 Ist in den Fällen nach Absatz 1 mit dem Bauprodukt ein ernstes Risiko verbunden und erfordert dies ein rasches Eingreifen, so kann das Marktüberwachungsorgan das Bauprodukt auch einziehen und vernichten oder unbrauchbar machen.

3 Die Entscheidung, ob ein Bauprodukt ein ernstes Risiko darstellt, wird auf der Grundlage einer angemessenen Risikobewertung unter Berücksichtigung der Art des Risikos und der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts getroffen.

4 Massnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden, sofern dies zum Schutz der Bevölkerung erforderlich ist, als Allgemeinverfügung erlassen. Hat eine beauftragte Organisation das Bauprodukt überprüft, so stellt sie dem BBL Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung.

Art. 24 Weitere Kontroll- und Massnahmenbefugnisse

1 Um die Übereinstimmung mit Anpassungen des Rechts der EU zu gewährleisten, kann der Bundesrat in den Ausführungsbestimmungen:

a.
die Kontrollbefugnisse der Marktüberwachungsorgane nach Artikel 20 anpassen;
b.
weitere mögliche Massnahmen, die die Marktüberwachungsorgane nach den Artikeln 22 und 23 ergreifen können, festlegen;
c.
die Erstellung und Durchführung von nationalen und die Beteiligung an internationalen Marktüberwachungsprogrammen regeln;
d.
die Beteiligung an internationalen Informations- und Vollzugssystemen, soweit Bauprodukte betroffen sind (Art. 29 Abs. 5), anpassen;
e.
die Aspekte, die für die Risikobewertung in Betracht gezogen werden müssen, regeln.

2 Führt eine Bestimmung nach Absatz 1 zu Abweichungen von diesem Gesetz, so beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung innert angemessener Frist einen Gesetzesentwurf.

3 Das BBL bezeichnet im Einvernehmen mit dem SECO und nach Anhörung der Eidgenössischen Kommission für Bauprodukte (Art. 30) diejenigen Rechtsakte der EU im Bereich der Marktüberwachung, die:

a.
einheitliche Bedingungen für die Kontrolle eines Bauprodukts, einer Produktkategorie oder der Merkmale der zu kontrollierenden Risiken festlegen;
b.
die Informationen festlegen, die die Wirtschaftsakteurinnen den Marktüber­wachungsorganen zur Durchführung ihrer Marktüberwachungstätigkeit zu übermitteln haben.
Art. 25 Einbezug und Mitwirkungspflichten

1 Die Marktüberwachungsorgane beziehen die betroffenen Wirtschaftsakteurinnen bei den Massnahmen nach den Artikeln 20–22, 23 Absatz 1 und 24 ein, durch die Risiken abgewendet oder gemindert werden können.

2 Die betroffenen Wirtschaftsakteurinnen und allfällige weitere betroffene Personen sind beim Vollzug der Marktüberwachung im erforderlichen Umfang zur Mitwirkung verpflichtet. Sie haben insbesondere unentgeltlich den Marktüberwachungs­organen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie die erforderlichen Nach­weise und Unterlagen herauszugeben.

3 Vor der Entscheidung über Massnahmen geben die Marktüberwachungsorgane der betroffenen Wirtschaftsakteurin Gelegenheit zur Stellungnahme.

4 Wurde das Bauprodukt, das Gegenstand einer Massnahme ist, von einer bezeichneten oder gemäss des Abkommens vom 21. Juni 19998 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen anerkannten Stelle bewertet, so unterrichtet das Marktüberwachungsorgan diese Stelle.

7. Abschnitt: Strafbestimmungen

Art. 26 Vergehen

1 Wer vorsätzlich ein Bauprodukt in Verkehr bringt oder auf dem Markt bereitstellt, das die Anforderungen dieses Gesetzes nicht erfüllt, und dadurch die Sicherheit oder Gesundheit von Personen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

2 Handelt die Täterin oder der Täter gewerbsmässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

3 Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.

4 Für Fälschungen, Falschbeurkundungen, das Erschleichen falscher Beurkundun­gen, den Gebrauch unechter oder unwahrer Bescheinigungen, das unberechtigte Ausstellen von Leistungserklärungen sowie das unberechtigte Anbringen und Verwenden von Konformitätszeichen im Sinne der Artikel 23–28 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 19959 über die technischen Handelshemmisse gelten die dort genannten Strafandrohungen.

Art. 27 Übertretungen

1 Mit Busse bis zu 40 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:

a.
ein Bauprodukt in Verkehr bringt oder auf dem Markt bereitstellt, das die Anforderungen dieses Gesetzes nicht erfüllt, ohne dass dadurch die Sicher­heit und Gesundheit von Personen gefährdet wird;
b.
die Mitwirkungs- und Auskunftspflicht nach Artikel 25 Absatz 2 verletzt;
c.
gegen eine Ausführungsvorschrift, deren Übertretung für strafbar erklärt wird, oder eine unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an sie oder ihn gerichtete Verfügung verstösst.

2 Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 20 000 Franken.

3 Die Artikel 6 und 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197410 über das Verwal­tungs­­straf­recht sind anwendbar.

8. Abschnitt: Vollzug, Finanzierung und Rechtsschutz

Art. 29 Zuständige Behörde und Koordination

1 Das BBL vollzieht dieses Gesetz und seine Ausführungsbestimmungen.

2 Es vertritt die Bundesverwaltung in den entsprechenden internationalen Fach­gremien.

3 Es ist das zentrale Marktüberwachungsorgan.

4 Der Bundesrat kann die Kantone sowie geeignete Organisationen mit Marktüber­wachungsaufgaben betrauen. Das BBL koordiniert und beaufsichtigt die Ausführung dieser Aufgaben.

5 Das BBL koordiniert den Vollzug der Marktüberwachung mit anderen Stellen, die Aufgaben im Bereich der Produktesicherheit wahrnehmen. Dazu gehört auch deren Beteiligung an internationalen Informations- und Vollzugssystemen gemäss den entsprechenden Bundeserlassen.

6 Das BBL kann dem SECO für den internationalen Austausch Daten nach Artikel 32 durch ein Abrufverfahren zugänglich machen.

7 Sind durch Massnahmen im Rahmen des Vollzugs anderer Bundeserlasse Bauprodukte betroffen, so informieren die für die anderen Bundeserlasse zuständigen Marktüberwachungsorgane das BBL über ihre Vollzugsmassnahmen.

Art. 30 Eidgenössische Kommission für Bauprodukte

1 Der Bundesrat bestellt eine Kommission für Bauprodukte. Er legt deren Organi­sation und Aufgaben fest. Er wählt die Kommissionsmitglieder und bestimmt die Präsidentin oder den Präsidenten.

2 Die Kommission berät die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Organe und nimmt die übrigen ihr vom Bundesrat übertragenen Aufgaben wahr.

Art. 31 Schweigepflicht

Die Vollzugsorgane unterstehen der Schweigepflicht, soweit ihre Wahrnehmungen nicht für die Sicherheit von Bauprodukten oder für den Erfahrungsaustausch über sicherheitstechnische Massnahmen bedeutsam sind.

Art. 32 Datenschutz und Amtshilfe

1 Das BBL führt zum Zweck der Marktüberwachung eine zentrale Vollzugsdatenbank. Diese enthält Daten über:

a.
die bezeichneten Stellen, die TBS und die Produktinformationsstellen;
b.
die Zuständigkeiten der Marktüberwachungsorgane;
c.
die Planung, Durchführung, Koordination und Auswertung der Marktüber­wachung;
d.
die administrativen und strafrechtlichen Verfolgungen und Sanktionen nach den Artikeln 20–23 sowie nach den Artikeln 26 und 27;
e.
den internationalen Informationsaustausch und die Gewährung von Amts­hilfe.

2 Die Marktüberwachungsorgane sind berechtigt, Personendaten einschliesslich Daten über administrative und strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen zu bearbeiten. Sie geben die entsprechenden Daten in die zentrale Vollzugsdatenbank zur Marktüberwachung ein. Dabei gelten die Bestimmungen über die Beschaffung von Personendaten nach Artikel 18 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199211 über den Datenschutz.

3 Das BBL koordiniert die Datenbearbeitung durch die Marktüberwachungsorgane und kontrolliert, ob die Daten vorschriftsgemäss bearbeitet werden. Es kann fehlerhafte Eingaben selbstständig berichtigen oder das betreffende Marktüberwachungs­organ zur Berichtigung auffordern.

4 Die Marktüberwachungsorgane haben Zugriff auf die Datenbank der Marktüberwachung. Sie können die bearbeiteten Daten ausserdem elektronisch auf eigenen Datenbanken aufbewahren und sie, soweit dies für den einheitlichen Voll­zug dieses Gesetzes erforderlich ist, untereinander austauschen.

5 Die Gewährung von Amtshilfe richtet sich nach den Artikeln 21 und 22 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 199512 über die technischen Handelshemmnisse.

Art. 33 Gebühren und Finanzierung des Vollzugs

1 Die Vollzugsorgane können für die Kontrolle von Bauprodukten und für den Voll­zug von Massnahmen Gebühren erheben. Der Bundesrat legt die Gebühren fest.

2 Der Bund kann Behörden und private Organisationen, die Marktüberwachungs­aufgaben wahrnehmen, entschädigen, sofern die Kosten nicht über Gebühren nach Absatz 1 gedeckt werden. Der Bundesrat legt die Voraussetzungen für die Entrich­tung der Abgeltungen und deren Höhe fest.

Art. 34 Rechtsschutz

1 Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

2 Gegen Verfügungen der Vollzugsorgane kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde geführt werden.

Art. 35 Ausführungsbestimmungen

1 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.

2 Er kann den Erlass administrativer und technischer Vorschriften dem BBL übertragen.

3 Er kann das BBL auch beauftragen, nach Anhörung des SECO und der Eidgenös­sischen Kommis­sion für Bauprodukte diejenigen Rechtsakte der EU zu bezeichnen, die die entsprechenden technischen Vorschriften enthalten. Dies gilt insbesondere für Rechtsakte, die:

a.
die anzuwendenden Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit festlegen (Art. 6 Abs. 1);
b.
die Festlegungen von Leistungsklassen oder die produktbezogene Ein­ordnung in bestimmte Leistungsstufen oder -klassen vorsehen (Art. 7 Abs. 1 Bst. a und b);
c.
die wesentlichen Merkmale eines Bauprodukts festlegen, für die die Herstellerin die Leistung des Produkts in jedem Fall zu erklären hat (Art. 8 Abs. 3);
d.
die Schwellenwerte für die Produktleistung festlegen, die in Bezug auf die wesentlichen Merkmale zu erfüllen sind (Art. 8 Abs. 3);
e.
die Bedingungen für die Zurverfügungstellung der Leistungserklärung auf einer Webseite festlegen (Art. 10 Abs. 1 Bst. a);
f.
nach Bauproduktefamilien auf der Grundlage der Lebenserwartung oder der Bedeutung des Bauprodukts für die Bauwerke die Frist festlegen, wie lange ab dem Inverkehrbringen eines Bauprodukts die Leistungserklärung und die technischen Unterlagen aufzubewahren sind (Art. 10 Abs. 1 Bst. a und b);
g.
das Format der ETB vereinheitlichen (Art. 13 Abs. 4 Bst. b);
h.
das Verfahren zur Erstellung einer ETB auf der Grundlage eines EBD anpassen können (Art. 13 Abs. 4 Bst. c).

4 Titel und Fundstellen der nach diesem Gesetz bezeichneten Rechtsakte werden in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts publiziert.

9. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 37 Übergangsbestimmungen

1 Bauprodukte dürfen bis zum 30. Juni 2015 nach bisherigem Recht in Verkehr gebracht werden.

2 Die Herstellerin kann eine Leistungserklärung auf der Grundlage einer Konformi­tätsbescheinigung oder einer Konformitätserklärung erstellen, die nach bisherigem Recht erstellt wurde.

3 Leitlinien für die Europäische Technische Zulassung, die nach bisherigem Recht als Grundlage für die Erteilung Europäischer Technischer Zulassungen veröffent­licht wurden, können als EBD verwendet werden.

4 Herstellerinnen und Importeurinnen können Europäische Technische Zulassungen, die nach bisherigem Recht erteilt wurden, während ihrer Gültigkeitsdauer als ETB verwenden.