810.308
Organisationsverordnung
zum Humanforschungsgesetz
(Organisationsverordnung HFG, OV-HFG)
vom 20. September 2013 (Stand am 26. Mai 2022)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf die Artikel 49 Absätze 1 und 2, 53 Absatz 3, 59 Absatz 6, 60 Absatz 2 und 65 des Humanforschungsgesetzes vom 30. September 20111 (HFG),
verordnet:
1 Die Ethikkommission für die Forschung (Ethikkommission) setzt sich mindestens zusammen aus Personen, die über ausgewiesene Fachkenntnisse in folgenden Bereichen verfügen:
- a.
- Medizin;
- b.
- Psychologie;
- c.
- Pflege;
- d.
- Pharmazie oder Pharmazeutische Medizin;
- e.
- Biologie;
- f.
- Biostatistik;
- g.
- Ethik; und
- h.
- Recht, einschliesslich Datenschutz.
2 Sie ist nach Geschlecht und Berufsgruppen ausgewogen zusammenzusetzen.
3 In der Ethikkommission müssen Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich vorhanden sein.
4 Fehlen die notwendigen Fachkenntnisse für die Beurteilung eines Forschungsprojekts, so muss die Ethikkommission externe Fachpersonen beiziehen.
1 Die Mitglieder der Ethikkommission müssen zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Ausbildung betreffend die Aufgaben der Ethikkommission und die Grundlagen der Beurteilung von Forschungsprojekten besuchen und sich diesbezüglich regelmässig weiterbilden.
2 Die Mitglieder nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a–c müssen über Erfahrung in der Durchführung von Forschungsprojekten verfügen.
1 Personen, die im wissenschaftlichen Sekretariat tätig sind, müssen verfügen über:
- a.
- ein abgeschlossenes Hochschulstudium in Medizin, Pharmazie, Naturwissenschaften, Psychologie oder Recht;
- b.
- eine hinreichende Ausbildung in der Guten Klinischen Praxis;
- c.
- Kenntnisse über die wissenschaftliche Methodik von Forschungsprojekten am Menschen; und
- d.
- Kenntnisse der gesetzlichen Voraussetzungen der Forschung am Menschen.
2 Die personellen Ressourcen des wissenschaftlichen Sekretariats sind so zu bemessen, dass:
- a.
- dessen Verfügbarkeit für die Kommission und die Gesuchsteller sichergestellt; und
- b.
- die Einhaltung der Verfahrensfristen gewährleistet ist.
1 Die Mitglieder der Ethikkommission treten in den Ausstand, wenn:
- a.
- sie selber am Forschungsprojekt mitwirken oder aus anderen Gründen ein persönliches Interesse haben;
- b.
- Personen am Forschungsprojekt mitwirken, denen gegenüber sie weisungsbefugt, weisungsunterworfen oder mit denen sie persönlich verbunden sind; oder
- c.
- sie aus anderen Gründen in der Sache befangen sind.
2 Befangene Mitglieder dürfen nicht an der Beratung und an der Entscheidfindung über den betreffenden Gegenstand teilnehmen.
1 Die Ethikkommission entscheidet im ordentlichen Verfahren in einer Besetzung von mindestens sieben Mitgliedern. Sie ist so zusammenzusetzen, dass eine kompetente und interdisziplinäre Beurteilung des Gesuchs gewährleistet ist.
2 Der Entscheid erfolgt nach mündlicher Beratung. In begründeten Ausnahmefällen ist die Durchführung eines schriftlichen Verfahrens zulässig; ein Mitglied kann jederzeit eine mündliche Beratung verlangen.
3 Die Ethikkommission entscheidet mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit trifft die Präsidentin oder der Präsident beziehungsweise die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident den Stichentscheid.
4 Vorbehalten bleiben die Artikel 6 und 7.
1 Die Ethikkommission entscheidet in einer Besetzung von drei Mitgliedern über:
- a.2
- klinische Versuche der Kategorie A nach den Artikeln 19 Absatz 1, 20 Absatz 1, 49 Absatz 1 und 61 Absatz 1 der Verordnung vom 20. September 20133 über klinische Versuche (KlinV), wenn der Versuch nicht mit besonderen Fragen in ethischer, wissenschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht verbunden ist;
- abis.4
- klinische Versuche der Unterkategorie A1 nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 6a Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vom 1. Juli 20205 über klinische Versuche mit Medizinprodukten, wenn der Versuch nicht mit besonderen Fragen in ethischer, wissenschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht verbunden ist;
- b.
- Forschungsprojekte mit Personen der Kategorie A nach Artikel 7 Absatz 1 der Humanforschungsverordnung vom 20. September 20136;
- c.
- die Weiterverwendung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten für die Forschung bei fehlender Einwilligung oder Information nach Artikel 34 HFG, die nicht mit besonderen Fragen in ethischer, wissenschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht verbunden ist;
- d.
- Forschungsprojekte an verstorbenen Personen, mit Ausnahme der Forschungsprojekte an künstlich beatmeten verstorbenen Personen nach Artikel 37 Absatz 2 HFG;
- e.
- wesentliche Änderungen an bewilligten Forschungsprojekten, die mit besonderen Fragen in ethischer, wissenschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht verbunden sind.
2 Der Dreierbesetzung müssen Mitglieder verschiedener Bereiche nach Artikel 1 angehören.7
3 Ein schriftliches Verfahren ist zulässig, wenn kein Mitglied eine mündliche Beratung verlangt.
4 Das ordentliche Verfahren wird durchgeführt, wenn:
- a.
- sich keine Einstimmigkeit ergibt; oder
- b.
- ein Mitglied der Dreierbesetzung dies verlangt.
1 Die Präsidentin oder der Präsident beziehungsweise die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident der Ethikkommission entscheidet:
- a.
- über Forschungsprojekte mit bereits vorhandenem biologischem Material und bereits vorhandenen gesundheitsbezogenen Personendaten, mit Ausnahme der Weiterverwendung nach Artikel 34 HFG;
- b.
- über wesentliche Änderungen an bewilligten Forschungsprojekten, die nicht mit besonderen Fragen in ethischer, wissenschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht verbunden sind;
- c.
- ob die Anforderungen an die lokalen Gegebenheiten bei multizentrischen Forschungsprojekten erfüllt sind;
- d.
- über Nichteintreten auf unvollständige Gesuche;
- e.
- über Abschreiben von Gesuchen infolge Gegenstandslosigkeit oder Rückzug;
- f.
- über die Erfüllung von Auflagen;
- g.
- die Anordnung behördlicher Massnahmen nach Artikel 48 HFG.
2 Sie oder er kann jederzeit die Durchführung des vereinfachten oder ordentlichen Verfahrens anordnen.
1 Die Ethikkommission muss die ihr vorgelegten Gesuchsunterlagen, die Sitzungsprotokolle und die Korrespondenz während zehn Jahren nach Abschluss oder nach Abbruch eines Forschungsprojekts aufbewahren.
2 Die kantonale Aufsichtsbehörde kann diese Dokumente einsehen.
Die kantonale Aufsichtsbehörde meldet der Koordinationsstelle nach Artikel 10 die zuständige Ethikkommission.
1 Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt die Koordinationsstelle nach Artikel 55 HFG.
2 Die Koordinationsstelle hat insbesondere folgende Aufgaben:
- a.
- Sie stellt einen regelmässigen Austausch zwischen den beteiligten Prüfbehörden sicher.
- b.
- Sie stellt einen regelmässigen Austausch mit Vertretungen und Institutionen der Forschung sicher.
- c.
- Sie stellt in Zusammenarbeit mit den Ethikkommissionen und allenfalls weiteren betroffenen Prüfbehörden Empfehlungen zum Bewilligungs- und zum Meldeverfahren und zu einzelnen Aspekten der Entscheidpraxis bereit.
- d.
- Sie wirkt bei der Konzeption und Durchführung von Aus- und Weiterbildungsinhalten für Mitglieder der Ethikkommissionen mit.
- e.
- Sie informiert die Öffentlichkeit, namentlich erstellt sie eine Zusammenfassung der Jahresberichte der Ethikkommissionen und eine statistische Übersicht über die bewilligten Forschungsprojekte.
3 Sie kann im Rahmen des Betriebs des Portals und der ergänzenden Datenbank des Bundes nach Artikel 67 KlinV8 den elektronischen Austausch von Dokumenten des Bewilligungs- und Meldeverfahrens zwischen Gesuchsteller und Bewilligungsbehörden ermöglichen.
4 Sie erlässt Richtlinien über den Inhalt der Berichterstattung der Ethikkommissionen nach Artikel 55 Absatz 2 HFG.
1 Bevor die Vollzugsbehörde Personendaten an die zuständigen Stellen nach Artikel 59 Absätze 1 und 2 HFG bekannt gibt, lädt sie die betroffene Person zur Stellungnahme ein und informiert sie gleichzeitig über:
- a.
- den Zweck der Datenbekanntgabe;
- b.
- den Umfang der Daten, die bekannt gegeben werden sollen; und
- c.
- den Datenempfänger.
2 Die Pflichten gemäss Absatz 1 entfallen, wenn:
- a.
- die betroffene Person bereits hinlänglich informiert wurde;
- b.
- die Datenbekanntgabe aus den Umständen des Einzelfalles ersichtlich ist;
- c.
- die unmittelbare Gefahr besteht, dass Rechtsansprüche oder wichtige Interessen Dritter beeinträchtigt oder die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben vereitelt werden; oder
- d.
- die betroffene Person unauffindbar ist.
3 Sollen Daten in Anwendung von Artikel 59 Absatz 3 HFG veröffentlicht werden, so müssen alle Angaben, die in ihrer Kombination die Wiederherstellung des Bezugs zur betroffenen Person ohne unverhältnismässigen Aufwand erlauben, unkenntlich gemacht oder gelöscht werden. Hierzu gehören insbesondere der Name, die Adresse, das Geburtsdatum und eindeutig kennzeichnende Identifikationsnummern.
1 Zum Austausch vertraulicher Daten mit ausländischen Behörden und Institutionen sowie internationalen Organisationen sind befugt:
- a.
- die zuständige Ethikkommission;
- b.
- die kantonale Aufsichtsbehörde;
- c.
- das Schweizerische Heilmittelinstitut; und
- d.
- das BAG.
2 Enthalten die vertraulichen Daten Personendaten, so dürfen diese nur dann an ausländische Behörden und Institutionen sowie an internationale Organisationen weitergegeben werden, wenn dadurch die Persönlichkeit der betroffenen Person nicht schwerwiegend gefährdet wird, namentlich weil eine Gesetzgebung fehlt, die einen angemessenen Schutz gewährleistet.
3 Fehlt eine Gesetzgebung, die einen angemessenen Schutz gewährleistet, so können die Personendaten nur ins Ausland weitergegeben werden, wenn:
- a.
- die Bekanntgabe erforderlich ist, um das Leben oder die körperliche Integrität der betroffenen Person zu schützen;
- b.
- die Bekanntgabe zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit unerlässlich ist;
- c.
- hinreichende Garantien, insbesondere durch Vertrag einen angemessenen Schutz im Ausland gewährleisten; oder
- d.
- die betroffene Person im Einzelfall eingewilligt hat.
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2014 in Kraft.