366.1

Verordnung
über das Nationale Zentralbüro Interpol Bern

(Interpol-Verordnung)

vom 21. Juni 2013 (Stand am 1. Januar 2019)

Der Schweizerische Bundesrat,

gestützt auf die Artikel 350–353 des Strafgesetzbuches1,

verordnet:

1. Abschnitt: Organisation und Aufgaben

Art. 1 Organisation

Das Bundesamt für Polizei (fedpol) führt das Nationale Zentralbüro (NZB) im Sinne von Artikel 32 der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation2 (Interpol).

2 Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation, in Kraft getreten am 13. Juni 1956, in der Fassung vom 7. Okt. 2008, in Kraft getreten am 5. Dez. 2008. Die Statuten können beim Bundesamt für Polizei (fedpol), 3003 Bern un­­entgeltlich bestellt oder unter www.fedpol.admin.ch eingesehen werden.

Art. 2 Aufgaben des NZB

1 Das NZB sorgt für den Kontakt mit:

a.
den zuständigen schweizerischen Behörden;
b.
den als Nationale Zentralbüros tätigen Dienststellen anderer Länder;
c.
dem Generalsekretariat von Interpol.

2 Es erfüllt folgende, weitere Aufgaben:

a.
Es unterstützt die Verhütung und Verfolgung von Straftaten sowie die Vollstreckung von Strafen und Massnahmen, indem es polizeiliche Informationen zwischen den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von Interpol einerseits und den schweizerischen Strafverfol­gungsbehörden andererseits vermittelt.
b.
Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten bearbeiten und austauschen.
c.
Es stellt einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst sicher für den Empfang und die Verteilung aller Interpol-Anfragen an die betroffenen Dienststellen von fedpol einerseits und für die Behandlung und Koordination in dringenden kriminalpolizeilichen Fällen andererseits.
d.
Es stellt den Zugang zum polizeilichen Informationssystem von Interpol sicher.
e.
Es koordiniert und unterstützt die Zusammenarbeit im Rahmen der operationellen Tätigkeit von Interpol.
f.
Es stellt die Weiterleitung der via Interpol-Kanal ein- und ausgehenden internationalen Rechtshilfeersuchen im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Justiz sicher.
g.
Es nimmt an den strategischen und operationellen Arbeiten von Interpol teil und vertritt die Schweiz in den entsprechenden Gremien.
h.
Es delegiert eine oder mehrere Personen als Polizeiattachés an das Generalsekretariat von Interpol.

3 Auf den Austausch polizeilicher Informationen zwischen dem NZB und dem Generalsekretariat von Interpol sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten sind die Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation3 sowie das Reglement über die Bearbeitung von Daten4 (Interpol-Reglement) anwendbar, soweit die Statuten und das Reglement mit dem schweizerischen Recht vereinbar sind.

4 Das NZB ist bei seiner Tätigkeit für die Einhaltung des schweizerischen Rechts verantwortlich und trifft nötigenfalls die entsprechenden Massnahmen.

3 Siehe Fussnote zu Art. 1.

4 Reglement vom 2. Nov. 2011 über die Bearbeitung von Daten, in Kraft getreten am 1. Juli 2012. Das Reglement kann beim Bundesamt für Polizei (fedpol), 3003 Bern, unentgeltlich bestellt oder unter www.fedpol.admin.ch eingesehen werden.

Art. 3 Informationsaustausch über das polizeiliche Informationssystem von Interpol

1 Das NZB kann den Informationsaustausch mit dem Generalsekretariat von Interpol und den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten über das polizeiliche Informationssystem von Interpol vornehmen und dazu auch Daten aus dem Informationssystem des Generalsekretariats abrufen und speichern.

2 Es kann Sach- und Personendaten durch ein Abrufverfahren zugänglich machen und direkt im polizeilichen Informationssystem von Interpol speichern.

Art. 4 Zugriffsrechte

1 Folgende Behörden können im Abrufverfahren auf die Daten im polizeilichen Informationssystem von Interpol zugreifen:

a.
die zuständigen Stellen von fedpol zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Bundesgesetz vom 7. Oktober 19945 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes, der Strafprozessordnung6, dem Bundesgesetz vom 23. Dezember 20117 über den ausserprozessualen Zeugenschutz, dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 19818 und der Organisationsverordnung vom 17. November 19999 für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement;
b.
die zuständigen Stellen des Bundesamtes für Justiz zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 1981 und der Organisa­tionsverordnung vom 17. November 1999 für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement;
c.
kantonale Polizeibehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach der Strafprozessordnung sowie kantonalen Polizeigesetzen;
d.
die Zoll- und Grenzbehörden des Bundes zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Zollgesetz vom 18. März 200510 und der Kantone im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben;
e.
die Fremdenpolizeien der Kantone, soweit sie gemäss kantonalem Recht mit gerichts- und sicherheitspolizeilichen Aufgaben betraut sind;
f.
der oder die Datenschutz- und Informationsschutzverantwortliche von fedpol zur Erfüllung der Kontrollaufgaben;
g.
die mit Wartungsaufgaben betrauten Stellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben.

2 Fedpol erlässt ein Bearbeitungsreglement.

Art. 5 Informationsaustausch mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden

1 Das NZB teilt ausländischen Strafverfolgungsbehörden Informationen mit, die für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten oder für die Vollstreckung von Strafen oder Massnahmen bedeutsam sind.

2 Kann es eine Anfrage nicht selber beantworten, so gibt es diese an die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden weiter, die es als zuständig erachtet. Diese erteilen dem NZB die gewünschte Auskunft.

Art. 6 Informationsaustausch mit den Strafverfolgungsbehörden der Kantone

1 Benötigt eine kantonale Strafverfolgungsbehörde zur Verhütung oder Verfolgung von Straftaten oder für die Vollstreckung von Strafen oder Massnahmen Informationen von einer ausländischen Strafverfolgungsbehörde, so kann sie das NZB ersuchen, ihre Anfrage an Nationale Zentralbüros anderer Länder und an das Generalsekretariat von Interpol zu übermitteln.

2 Die Befugnis der kantonalen Polizeibehörden, in Fällen nach Artikel 35 Absatz 2 der Rechtshilfeverordnung vom 24. Februar 198211 mit ausländischen Polizeibehörden direkt zu verkehren, bleibt vorbehalten.

Art. 7 Zusammenarbeit mit Bundesbehörden

In Strafverfahren nach der Strafprozessordnung12 sowie zur Verhütung von Straf­taten, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, kann die Bundesanwaltschaft über das NZB Informationen von anderen Ländern einholen.

Art. 8 Zusammenarbeit mit Privaten

1 Das NZB kann zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten juristische Personen orientieren:

a.
zur Abwendung einer drohenden Gefahr;
b.
wenn die Mitteilung im Interesse der betroffenen Personen erfolgt und ihre Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.

2 Das NZB kann zur Verhinderung und Aufklärung von Fahrzeugdiebstählen, -ent­wendungen, -unterschlagungen von juristischen Personen Informationen einholen, wenn eine der unter Absatz 1 genannten Bedingungen erfüllt ist. Das Aufgeben einer Anzeige gilt in jedem Fall als Zustimmung.13

13 Eingefügt durch Anhang 2 Ziff. II der RIPOL-Verordnung vom 26. Okt. 2016, in Kraft seit 1. Dez. 2016 (AS 2016 3931).

Art. 10 Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ)14

1 Das NZB kann aus dem IVZ die folgenden Daten zum Vergleich mit Fahndungsmeldungen abfragen:15

a.
Marke, Fahrgestellnummer und zugehöriges Kennzeichen;
b.
Nachvermerke (Diebstahlsanzeige);
c.
letztbekannter Halter oder letztbekannte Halterin mit Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Adresse.

2 Stellt das NZB fest, dass ein im Ausland gestohlenes Fahrzeug in der Schweiz immatrikuliert ist, so teilt es dies den ausländischen Strafverfolgungsbehörden mit, die die Fahndung gemeldet haben.

14 Fassung gemäss Anhang 4 Ziff. II 4 der V vom 30. Nov. 2018 über das Informations­system Verkehrszulassung, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4997).

15 Fassung gemäss Anhang 4 Ziff. II 4 der V vom 30. Nov. 2018 über das Informations­system Verkehrszulassung, in Kraft seit 1. Jan. 2019 (AS 2018 4997).

2. Abschnitt: Bearbeitung polizeilicher Informationen

Art. 11 Bedingungen des Informationsaustauschs

1 Der Informationsaustausch beschränkt sich auf polizeiliche Informationen nach Artikel 1 Absatz 2 des Interpol-Reglements16.

2 Die Empfängerinnen und Empfänger dürfen die Daten nur zu dem Zweck bearbeiten, für den sie ihnen weitergegeben worden sind. Bei jeder Übermittlung von Daten ist auf diese Bearbeitungsbeschränkung hinzuweisen, ebenso darauf, dass sich das NZB vorbehält, Auskunft über die Bearbeitung zu verlangen.

3 Zusätzlich unterrichtet das NZB das Generalsekretariat von Interpol und die Nationalen Zentralbüros anderer Staaten entweder bei jeder Übermittlung von Daten oder bei bestimmten Datenkategorien vorgängig mit einer generellen Mitteilung:

a.
darüber, dass die Weitergabe der Daten an andere Stellen als ausländische Behörden mit Strafverfolgungs- und Polizeiaufgaben nur mit der ausdrück­lichen Zustimmung des NZB im Einzelfall zulässig ist;
b.
über alle anderen Bearbeitungsbeschränkungen, die dem NZB nach Mass­gabe der Gesetzgebung von Bund und Kantonen auferlegt sind.

4 Die Zustimmung nach Absatz 3 Buchstabe a erfolgt nach Massgabe des schweizerischen Rechts. Zuständig ist der Chef oder die Chefin des NZB. Der oder die Datenschutz- und Informationsschutzverantwortliche von fedpol ist vorgängig anzu­hören.

5 Beabsichtigt das NZB, Daten von sich in der Schweiz befindenden Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen und Schutzbedürftigen an deren Heimat- oder Herkunftsstaat bekannt zu geben, so gelten die Voraussetzungen nach Artikel 2 der Asylverordnung 3 vom 11. August 199917.

16 Siehe Fussnote zu Art. 2 Abs. 3.

17 SR 142.314

Art. 12 Anfragen des Generalsekretariats von Interpol

1 Das NZB ist verpflichtet, Anfragen des Generalsekretariats von Interpol nach Massgabe des schweizerischen Rechts zu beantworten. Dies gilt insbesondere für Anfragen betreffend:

a.
die Weitergabe von Daten der Schweiz, die beim Generalsekretariat gespeichert sind, an externe Stellen nach Artikel 27 des Interpol-Reglements18;
b.
den Zugriff neuer Stellen auf Daten der Schweiz, die beim Generalsekreta­riat gespeichert sind;
c.
das Abrufen und Speichern von Daten der Schweiz, die beim Generalsekretariat gespeichert sind, durch neue Stellen.

2 Der Entscheid über Anfragen nach Absatz 1 Buchstaben b und c bedarf der Zustimmung des Chefs oder der Chefin des NZB. Der oder die Datenschutz- und Informationsschutzverantwortliche von fedpol ist vorgängig anzuhören.

3 Der Zugriff auf Daten der Schweiz, die beim Generalsekretariat gespeichert sind, oder das Abrufen solcher Daten ist für eine Stelle nur zulässig, wenn auch die Weitergabe der Daten an sie zulässig wäre.

18 Siehe Fussnote zu Art. 2 Abs. 3.

Art. 14 Löschung der Daten im polizeilichen Informationssystem von Interpol

1 Die Daten im polizeilichen Informationssystem von Interpol sind zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden.

2 Strafrechtlich relevante Daten nach den Artikeln 95–99 der Strafprozessordnung19 sind längstens bis zum Ablauf der Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung aufzubewahren.

3 Für die Löschung der Daten ist der Kontrolldienst von fedpol zuständig.

3. Abschnitt: Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsrecht

Art. 16

1 Will eine Person Auskunft über die sie betreffenden Informationen, diese berichtigen oder löschen lassen, so muss sie sich über ihre Identität ausweisen (Kopie des Passes oder der Identitätskarte) und ein schriftliches Gesuch bei dem oder der Datenschutz- und Informationsschutzverantwortlichen von fedpol einreichen.

2 Die Auskunftserteilung richtet sich nach dem Recht des Gemeinwesens (anderer Staat, Bund, Kanton), dessen Behörde die Strafuntersuchung führt oder geführt hat. Fedpol leitet das Gesuch zum Entscheid an die zuständige Behörde weiter.

3 Hat fedpol das Verfahren geführt und wurde dieses nicht an einen Kanton delegiert, so entscheidet es über das Gesuch.

4 Die Auskunft kann verweigert werden, soweit die Interessen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder polizeilichen Verbrechensverhütung es erfordern.

5 Die Auskunftserteilung über Fahndungsdaten richtet sich nach der RIPOL-Ver­ordnung vom 15. Oktober 200821.

6 Die Auskunftserteilung über Daten von Behörden anderer Staaten richtet sich nach Artikel 18 des Interpol-Reglements22.

21 SR 361.0

22 Siehe Fussnote zu Art. 2 Abs. 3.

4. Abschnitt: Aufsicht und Datensicherung

Art. 17

1 Der oder die Datenschutz- und Informationsschutzverantwortliche von fedpol beaufsichtigt die Bearbeitung von Personendaten im NZB.

2 Fedpol regelt die Zugriffs- und Zugangsberechtigung in einem Bearbeitungsreglement und sichert die Arbeitsräume gegen den Zutritt unbefugter Personen.

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen