(1) Soweit dem Aufnahmestaat gemäss Artikel I des PfP-Truppenstatuts in Verbindung mit Artikel VII des NATO-Truppenstatuts das Recht auf Ausübung der Strafgerichtsbarkeit gegenüber Mitgliedern der Streitkräfte des Entsendestaats zusteht, wird die zuständige Behörde des Aufnahmestaats von der Ausübung dieser Gerichtsbarkeit absehen, es sei denn, dass wesentliche Belange der Rechtspflege des Aufnahmestaats die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit erfordern.
(2) Wesentliche Belange der Rechtspflege können die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit insbesondere in den folgenden Fällen erfordern:
- a)
- strafbare Handlungen nach Artikel VII Absatz 2 Buchstabe c des NATO-Truppenstatuts sowie vergleichbare strafbare Handlungen von erheblicher Bedeutung gegen die Sicherheit des Aufnahmestaats;
- b)
- strafbare Handlungen, durch die der Tod eines Menschen verursacht wird, sowie schwerwiegende Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung, soweit sich diese nicht gegen ein Mitglied der Streitkräfte des Entsendestaats richten;
- c)
- der Versuch solcher strafbarer Handlungen und die Teilnahme an diesen.
(3) Wird von der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit abgesehen, so entfernt der Entsendestaat den Tatverdächtigen auf Ersuchen des Aufnahmestaats unverzüglich aus dem Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats.
(4) Ist der Tatverdächtige in den Entsendestaat zurückgekehrt und liegt ein Fall nach Absatz 3 nicht vor, so unterbreitet der Entsendestaat auf Ersuchen des Aufnahmestaats den Fall seinen zuständigen Behörden zur Entscheidung über die Einleitung eines Strafverfahrens.
(5) Ist im Rahmen eines Strafverfahrens im Aufnahmestaat gegen ein Mitglied der Streitkräfte des Entsendestaats zu entscheiden, ob eine Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Dienstes erfolgt ist, ist für diese Entscheidung das Recht des Entsendestaats massgebend. Auf Ersuchen des Aufnahmestaats kann hierüber durch eine von dem Entsendestaat benannte Behörde eine Bescheinigung erstellt werden, die der Aufnahmestaat seinen zuständigen Behörden unterbreitet und von diesen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung angemessen berücksichtigt wird.
(6) Die zuständigen Gerichte und Behörden beider Staaten leisten einander im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts Rechtshilfe zur Unterstützung in Strafverfahren. Sehen die zuständigen Behörden des Aufnahmestaats nicht von der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit ab, so wirkt der Entsendestaat im Rahmen seiner Rechtsordnung darauf hin, dass sich Mitglieder seiner Streitkräfte, die verdächtigt werden, während des Aufenthalts im Aufnahmestaat eine Straftat begangen zu haben, den Gerichten und Behörden des Aufnahmestaats stellen.
(7) Die Gerichte und Behörden des Aufnahmestaats sind im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Befugnisse berechtigt, Zwangsmassnahmen gegenüber Mitgliedern der Streitkräfte des Entsendestaats während ihres Aufenthalts im Aufnahmestaat anzuordnen und durchzuführen.
(8) Wird ein Mitglied der Streitkräfte des Entsendestaats durch Behörden des Aufnahmestaats vorläufig festgenommen oder werden andere Zwangsmassnahmen angewendet, die den Entzug der Freiheit zur Folge haben, so unterrichtet die zuständige Behörde des Aufnahmestaats unverzüglich die diplomatische Vertretung des Entsendestaats im Aufnahmestaat. Dabei wird mitgeteilt, welches Gericht oder welche Behörde für das weitere Verfahren zuständig ist.
(9) Die Gerichte und Behörden des Entsendestaats üben ihre Strafgerichtsbarkeit nicht im Aufnahmestaat aus.