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Schweizerische Zivilprozessordnung

(Zivilprozessordnung, ZPO)

vom 19. Dezember 2008 (Stand am 1. Januar 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 1 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 28. Juni 20062,

beschliesst:

1. Teil: Allgemeine Bestimmungen

1. Titel: Gegenstand und Geltungsbereich

Art. 1 Gegenstand

Dieses Gesetz regelt das Verfahren vor den kantonalen Instanzen für:

a.
streitige Zivilsachen;
b.
gerichtliche Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
c.
gerichtliche Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts;
d.
die Schiedsgerichtsbarkeit.

2. Titel: Zuständigkeit der Gerichte und Ausstand

1. Kapitel: Sachliche und funktionelle Zuständigkeit

Art. 4 Grundsätze

1 Das kantonale Recht regelt die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

2 Hängt die sachliche Zuständigkeit vom Streitwert ab, so erfolgt dessen Berechnung nach diesem Gesetz.

Art. 5 Einzige kantonale Instanz

1 Das kantonale Recht bezeichnet das Gericht, welches als einzige kantonale Instanz zuständig ist für:

a.
Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum einschliesslich der Streitigkeiten betreffend Nichtigkeit, Inhaberschaft, Lizenzierung, Übertra­gung und Verletzung solcher Rechte;
b.
kartellrechtliche Streitigkeiten;
c.
Streitigkeiten über den Gebrauch einer Firma;
d.
Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 19864 gegen den unlauteren Wettbewerb, sofern der Streitwert mehr als 30 000 Franken beträgt oder sofern der Bund sein Klagerecht ausübt;
e.
Streitigkeiten nach dem Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 19835;
f.
Klagen gegen den Bund;
g.
die Einsetzung eines Sonderprüfers nach Artikel 697b des Obligationen­rechts (OR)6;
h.7
Streitigkeiten nach dem Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 20068, nach dem Finanzmarktinfra­strukturgesetz vom 19. Juni 20159 und nach dem Finanzinstitutsgesetz vom 15. Juni 201810;
i.11
Streitigkeiten nach dem Wappenschutzgesetz vom 21. Juni 201312, dem Bundesgesetz vom 25. März 195413 betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes und dem Bundesgesetz vom 15. Dezember 196114 zum Schutz von Namen und Zeichen der Organisation der Vereinten Nationen und anderer zwischenstaatlicher Organisationen.

2 Diese Instanz ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig.

4 SR 241

5 SR 732.44

6 SR 220

7 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 4 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2018 5247, 2019 4631; BBl 2015 8901).

8 SR 951.31

9 SR 958.1

10 SR 954.1

11 Eingefügt durch Anhang 3 Ziff. II 3 des Wappenschutzgesetzes vom 21. Juni 2013, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 3679; BBl 2009 8533).

12 SR 232.21

13 SR 232.22

14 SR 232.23

Art. 6 Handelsgericht

1 Die Kantone können ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht).

2 Eine Streitigkeit gilt als handelsrechtlich, wenn:

a.
die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist;
b.
gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht; und
c.
die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleich­­baren ausländischen Register eingetragen sind.

3 Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Vorausset­zungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.

4 Die Kantone können das Handelsgericht ausserdem zuständig erklären für:

a.
Streitigkeiten nach Artikel 5 Absatz 1;
b.
Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossen­schaf­ten.

5 Das Handelsgericht ist auch für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage zuständig.

Art. 8 Direkte Klage beim oberen Gericht

1 In vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann die klagende Partei mit Zustimmung der beklagten Partei direkt an das obere Gericht gelangen, sofern der Streitwert mindestens 100 000 Franken beträgt.

2 Dieses Gericht entscheidet als einzige kantonale Instanz.

2. Kapitel: Örtliche Zuständigkeit

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 9 Zwingende Zuständigkeit

1 Ein Gerichtsstand ist nur dann zwingend, wenn es das Gesetz ausdrücklich vor­schreibt.

2 Von einem zwingenden Gerichtsstand können die Parteien nicht abweichen.

Art. 10 Wohnsitz und Sitz

1 Sieht dieses Gesetz nichts anderes vor, so ist zuständig:

a.
für Klagen gegen eine natürliche Person: das Gericht an deren Wohnsitz;
b.
für Klagen gegen eine juristische Person und gegen öffentlich-rechtliche Anstalten und Körperschaften sowie gegen Kollektiv- und Kommandit­ge­sellschaften: das Gericht an deren Sitz;
c.
für Klagen gegen den Bund: das Obergericht des Kantons Bern oder das obere Gericht des Kantons, in dem die klagende Partei ihren Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat;
d.
für Klagen gegen einen Kanton: ein Gericht am Kantonshauptort.

2 Der Wohnsitz bestimmt sich nach dem Zivilgesetzbuch (ZGB)16. Artikel 24 ZGB ist nicht anwendbar.

Art. 11 Aufenthaltsort

1 Hat die beklagte Partei keinen Wohnsitz, so ist das Gericht an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständig.

2 Gewöhnlicher Aufenthaltsort ist der Ort, an dem eine Person während längerer Zeit lebt, selbst wenn die Dauer des Aufenthalts von vornherein befristet ist.

3 Hat die beklagte Partei keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort, so ist das Gericht an ihrem letzten bekannten Aufenthaltsort zuständig.

Art. 12 Niederlassung

Für Klagen aus dem Betrieb einer geschäftlichen oder beruflichen Niederlassung oder einer Zweigniederlassung ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort der Niederlassung zuständig.

Art. 13 Vorsorgliche Massnahmen

Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, ist für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zwingend zuständig das Gericht am Ort, an dem:

a.
die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben ist; oder
b.
die Massnahme vollstreckt werden soll.
Art. 14 Widerklage

1 Beim für die Hauptklage örtlich zuständigen Gericht kann Widerklage erhoben werden, wenn die Widerklage mit der Hauptklage in einem sachlichen Zusammen­hang steht.

2 Dieser Gerichtsstand bleibt auch bestehen, wenn die Hauptklage aus irgendeinem Grund dahinfällt.

Art. 15 Streitgenossenschaft und Klagenhäufung

1 Richtet sich die Klage gegen mehrere Streitgenossen, so ist das für eine beklagte Partei zuständige Gericht für alle beklagten Parteien zuständig, sofern diese Zustän­digkeit nicht nur auf einer Gerichtsstandsvereinbarung beruht.

2 Stehen mehrere Ansprüche gegen eine beklagte Partei in einem sachlichen Zusammenhang, so ist jedes Gericht zuständig, das für einen der Ansprüche zustän­dig ist.

Art. 17 Gerichtsstandsvereinbarung

1 Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, können die Parteien für einen beste­henden oder für einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einen Gerichtsstand vereinbaren. Geht aus der Vereinbarung nichts anderes hervor, so kann die Klage nur am vereinbarten Gerichtsstand erhoben wer­den.

2 Die Vereinbarung muss schriftlich oder in einer anderen Form erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht.

Art. 18 Einlassung

Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, wird das angerufene Gericht zuständig, wenn sich die beklagte Partei ohne Einrede der fehlenden Zuständigkeit zur Sache äussert.

Art. 19 Freiwillige Gerichtsbarkeit

In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist das Gericht oder die Behörde am Wohnsitz oder Sitz der gesuchstellenden Partei zwingend zuständig, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

2. Abschnitt: Personenrecht

Art. 20 Persönlichkeits- und Datenschutz

Für die folgenden Klagen und Begehren ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz einer der Parteien zuständig:

a.
Klagen aus Persönlichkeitsverletzung;
b.
Begehren um Gegendarstellung;
c.
Klagen auf Namensschutz und auf Anfechtung einer Namensänderung;
d.
Klagen und Begehren nach Artikel 15 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199217 über den Datenschutz.
Art. 22 Bereinigung des Zivilstandsregisters

Für Klagen, die eine Bereinigung des Zivilstandsregisters betreffen, ist zwingend das Gericht zuständig, in dessen Amtskreis die zu bereinigende Beurkundung von Personenstandsdaten erfolgt ist oder hätte erfolgen müssen.

3. Abschnitt: Familienrecht

Art. 23 Eherechtliche Gesuche und Klagen

1 Für eherechtliche Gesuche und Klagen sowie für Gesuche um Anordnung vor­sorglicher Massnahmen ist das Gericht am Wohnsitz einer Partei zwingend zustän­dig.

2 Für Gesuche der Aufsichtsbehörde in Betreibungssachen auf Anordnung der Gütertrennung ist das Gericht am Wohnsitz der Schuldnerin oder des Schuldners zwingend zuständig.

Art. 26 Unterhalts- und Unterstützungsklagen

Für selbstständige Unterhaltsklagen der Kinder gegen ihre Eltern und für Klagen gegen unterstützungspflichtige Verwandte ist das Gericht am Wohnsitz einer der Parteien zwingend zuständig.

4. Abschnitt: Erbrecht

Art. 28

1 Für erbrechtliche Klagen sowie für Klagen auf güterrechtliche Auseinandersetzung beim Tod eines Ehegatten, einer eingetragenen Partnerin oder eines eingetragenen Partners ist das Gericht am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers zuständig.

2 Für Massnahmen im Zusammenhang mit dem Erbgang ist die Behörde am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers zwingend zuständig. Ist der Tod nicht am Wohnsitz eingetreten, so macht die Behörde des Sterbeortes derjenigen des Wohnortes Mitteilung und trifft die nötigen Massnahmen, um die Vermögenswerte am Sterbeort zu sichern.

3 Selbstständige Klagen auf erbrechtliche Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstückes können auch am Ort der gelegenen Sache erhoben werden.

5. Abschnitt: Sachenrecht

Art. 29 Grundstücke

1 Für die folgenden Klagen ist das Gericht am Ort, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist oder aufzunehmen wäre, zuständig:

a.
dingliche Klagen;
b.
Klagen gegen die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümerinnen und Stock­werkeigentümer;
c.
Klagen auf Errichtung gesetzlicher Pfandrechte.

2 Andere Klagen, die sich auf Rechte an Grundstücken beziehen, können auch beim Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei erhoben werden.

3 Bezieht sich eine Klage auf mehrere Grundstücke oder ist das Grundstück in mehreren Kreisen in das Grundbuch aufgenommen worden, so ist das Gericht an dem Ort zuständig, an dem das flächenmässig grösste Grundstück oder der flächen­mässig grösste Teil des Grundstücks liegt.

4 Für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die sich auf Rechte an Grundstücken beziehen, ist das Gericht an dem Ort zwingend zuständig, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist oder aufzunehmen wäre.

Art. 30 Bewegliche Sachen

1 Für Klagen, welche dingliche Rechte, den Besitz an beweglichen Sachen oder Forderungen, die durch Fahrnispfand gesichert sind, betreffen, ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Ort der gelegenen Sache zuständig.

2 Für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der gesuchstellenden Partei oder am Ort der gelegenen Sache zwingend zuständig.

6. Abschnitt: Klagen aus Vertrag

Art. 31 Grundsatz

Für Klagen aus Vertrag ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder an dem Ort zuständig, an dem die charakteristische Leistung zu erbringen ist.

Art. 32 Konsumentenvertrag

1 Bei Streitigkeiten aus Konsumentenverträgen ist zuständig:

a.
für Klagen der Konsumentin oder des Konsumenten: das Gericht am Wohn­sitz oder Sitz einer der Parteien;
b.
für Klagen der Anbieterin oder des Anbieters: das Gericht am Wohnsitz der beklagten Partei.

2 Als Konsumentenverträge gelten Verträge über Leistungen des üblichen Ver­brauchs, die für die persönlichen oder familiären Bedürfnisse der Konsumentin oder des Konsumenten bestimmt sind und von der anderen Partei im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit angeboten werden.

Art. 34 Arbeitsrecht

1 Für arbeitsrechtliche Klagen ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder an dem Ort, an dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer gewöhn­lich die Arbeit verrichtet, zuständig.

2 Für Klagen einer stellensuchenden Person sowie einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers, die sich auf das Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 198919 stützen, ist zusätzlich das Gericht am Ort der Geschäftsniederlassung der vermit­telnden oder verleihenden Person, mit welcher der Vertrag abgeschlossen wurde, zuständig.

Art. 35 Verzicht auf die gesetzlichen Gerichtsstände

1 Auf die Gerichtsstände nach den Artikeln 32–34 können nicht zum Voraus oder durch Einlassung verzichten:

a.
die Konsumentin oder der Konsument;
b.
die Partei, die Wohn- oder Geschäftsräume gemietet oder gepachtet hat;
c.
bei landwirtschaftlichen Pachtverhältnissen: die pachtende Partei;
d.
die stellensuchende oder arbeitnehmende Partei.

2 Vorbehalten bleibt der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Entste­hung der Streitigkeit.

7. Abschnitt: Klagen aus unerlaubter Handlung

Art. 36 Grundsatz

Für Klagen aus unerlaubter Handlung ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der geschädigten Person oder der beklagten Partei oder am Handlungs- oder am Erfolgs­ort zuständig.

Art. 38 Motorfahrzeug- und Fahrradunfälle

1 Für Klagen aus Motorfahrzeug- und Fahrradunfällen ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Unfallort zuständig.

2 Für Klagen gegen das nationale Versicherungsbüro (Art. 74 des Strassenverkehrs­gesetzes vom 19. Dez. 195820; SVG) oder gegen den nationalen Garantiefonds (Art. 76 SVG) ist zusätzlich das Gericht am Ort einer Zweigniederlassung dieser Einrichtungen zuständig.

Art. 39 Adhäsionsklage

Für die Beurteilung adhäsionsweise geltend gemachter Zivilansprüche bleibt die Zuständigkeit des Strafgerichts vorbehalten.

8. Abschnitt: Handelsrecht

Art. 40 Gesellschaftsrecht und Handelsregister21

1 Für Klagen aus gesellschaftsrechtlicher Verantwortlichkeit ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Sitz der Gesellschaft zuständig.

2 Für die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit ins Handelsregister ist das Gericht am letzten eingetragenen Sitz der gelöschten Rechtseinheit zwingend zuständig.22

21 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 957; BBl 2015 3617).

22 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 957; BBl 2015 3617).

Art. 43 Kraftloserklärung von Wertpapieren und Versicherungspolicen; Zahlungsverbot

1 Für die Kraftloserklärung von Beteiligungspapieren ist das Gericht am Sitz der Gesellschaft zwingend zuständig.

2 Für die Kraftloserklärung von Grundpfandtiteln ist das Gericht an dem Ort zwin­gend zuständig, an dem das Grundstück im Grundbuch aufgenommen ist.

3 Für die Kraftloserklärung der übrigen Wertpapiere und der Versicherungspolicen ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der Schuldnerin oder des Schuldners zwin­gend zuständig.

4 Für Zahlungsverbote aus Wechsel und Check und für deren Kraftloserklärung ist das Gericht am Zahlungsort zwingend zuständig.

Art. 45 Kollektivanlagen

Für Klagen der Anlegerinnen und Anleger sowie der Vertretung der Anlegergemein­schaft ist das Gericht am Sitz des jeweils betroffenen Bewilligungsträgers zwingend zuständig.

9. Abschnitt: Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Art. 46

Für Klagen nach dem Bundesgesetz vom 11. April 188926 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach diesem Kapi­tel, soweit das SchKG keinen Gerichtsstand vorsieht.

3. Kapitel: Ausstand

Art. 47 Ausstandsgründe

1 Eine Gerichtsperson tritt in den Ausstand, wenn sie:

a.
in der Sache ein persönliches Interesse hat;
b.
in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechts­beiständin oder Rechtsbeistand, als Sachverständige oder Sachver­ständiger, als Zeugin oder Zeuge, als Mediatorin oder Mediator in der glei­chen Sache tätig war;
c.
mit einer Partei, ihrer Vertreterin oder ihrem Vertreter oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist oder war, in eingetragener Partnerschaft lebt oder lebte oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt;
d.
mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem drit­ten Grad verwandt oder verschwägert ist;
e.
mit der Vertreterin oder dem Vertreter einer Partei oder mit einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder im zweiten Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert ist;
f.
aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder ihrer Vertretung, befangen sein könnte.

2 Kein Ausstandsgrund für sich allein ist insbesondere die Mitwirkung:

a.
beim Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege;
b.
beim Schlichtungsverfahren;
c.
bei der Rechtsöffnung nach den Artikeln 80–84 SchKG27;
d.
bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen;
e.
beim Eheschutzverfahren.
Art. 48 Mitteilungspflicht

Die betroffene Gerichtsperson legt einen möglichen Ausstandsgrund rechtzeitig offen und tritt von sich aus in den Ausstand, wenn sie den Grund als gegeben erachtet.

Art. 49 Ausstandsgesuch

1 Eine Partei, die eine Gerichtsperson ablehnen will, hat dem Gericht unverzüglich ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat. Die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.

2 Die betroffene Gerichtsperson nimmt zum Gesuch Stellung.

Art. 50 Entscheid

1 Wird der geltend gemachte Ausstandsgrund bestritten, so entscheidet das Gericht.

2 Der Entscheid ist mit Beschwerde anfechtbar.

Art. 51 Folgen der Verletzung der Ausstandsvorschriften

1 Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Gerichtsperson mit­gewirkt hat, sind aufzuheben und zu wiederholen, sofern dies eine Partei innert zehn Tagen verlangt, nachdem sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat.

2 Nicht wiederholbare Beweismassnahmen darf das entscheidende Gericht berück­sichtigen.

3 Wird der Ausstandsgrund erst nach Abschluss des Verfahrens entdeckt, so gelten die Bestimmungen über die Revision.

3. Titel: Verfahrensgrundsätze und Prozessvoraussetzungen

1. Kapitel: Verfahrensgrundsätze

Art. 53 Rechtliches Gehör

1 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

2 Insbesondere können sie die Akten einsehen und Kopien anfertigen lassen, soweit keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen.

Art. 54 Öffentlichkeit des Verfahrens

1 Verhandlungen und eine allfällige mündliche Eröffnung des Urteils sind öffentlich. Die Entscheide werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

2 Das kantonale Recht bestimmt, ob die Urteilsberatung öffentlich ist.

3 Die Öffentlichkeit kann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn es das öffentliche Interesse oder das schutzwürdige Interesse einer beteiligten Person erfordert.

4 Die familienrechtlichen Verfahren sind nicht öffentlich.

Art. 55 Verhandlungs- und Untersuchungsgrundsatz

1 Die Parteien haben dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben.

2 Vorbehalten bleiben gesetzliche Bestimmungen über die Feststellung des Sachver­haltes und die Beweiserhebung von Amtes wegen.

Art. 56 Gerichtliche Fragepflicht

Ist das Vorbringen einer Partei unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offen­sichtlich unvollständig, so gibt ihr das Gericht durch entsprechende Fragen Gele­genheit zur Klarstellung und zur Ergänzung.

Art. 58 Dispositions- und Offizialgrundsatz

1 Das Gericht darf einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als sie verlangt, und nicht weniger, als die Gegenpartei anerkannt hat.

2 Vorbehalten bleiben gesetzliche Bestimmungen, nach denen das Gericht nicht an die Parteianträge gebunden ist.

2. Kapitel: Prozessvoraussetzungen

Art. 59 Grundsatz

1 Das Gericht tritt auf eine Klage oder auf ein Gesuch ein, sofern die Prozessvoraus­setzungen erfüllt sind.

2 Prozessvoraussetzungen sind insbesondere:

a.
die klagende oder gesuchstellende Partei hat ein schutzwürdiges Interesse;
b.
das Gericht ist sachlich und örtlich zuständig;
c.
die Parteien sind partei- und prozessfähig;
d.
die Sache ist nicht anderweitig rechtshängig;
e.
die Sache ist noch nicht rechtskräftig entschieden;
f.
der Vorschuss und die Sicherheit für die Prozesskosten sind geleistet wor­den.
Art. 61 Schiedsvereinbarung

Haben die Parteien über eine schiedsfähige Streitsache eine Schiedsvereinbarung getroffen, so lehnt das angerufene staatliche Gericht seine Zuständigkeit ab, es sei denn:

a.
die beklagte Partei habe sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen;
b.
das Gericht stelle fest, dass die Schiedsvereinbarung offensichtlich ungültig oder nicht erfüllbar sei; oder
c.
das Schiedsgericht könne nicht bestellt werden aus Gründen, für welche die im Schiedsverfahren beklagte Partei offensichtlich einzustehen hat.

4. Titel: Rechtshängigkeit und Folgen des Klagerückzugs

Art. 62 Beginn der Rechtshängigkeit

1 Die Einreichung eines Schlichtungsgesuches, einer Klage, eines Gesuches oder eines gemeinsamen Scheidungsbegehrens begründet Rechtshängigkeit.

2 Der Eingang dieser Eingaben wird den Parteien bestätigt.

Art. 63 Rechtshängigkeit bei fehlender Zuständigkeit und falscher Verfahrensart

1 Wird eine Eingabe, die mangels Zuständigkeit zurückgezogen oder auf die nicht eingetreten wurde, innert eines Monates seit dem Rückzug oder dem Nichteintre­tensentscheid bei der zuständigen Schlichtungsbehörde oder beim zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung.

2 Gleiches gilt, wenn eine Klage nicht im richtigen Verfahren eingereicht wurde.

3 Vorbehalten bleiben die besonderen gesetzlichen Klagefristen nach dem SchKG28.

Art. 64 Wirkungen der Rechtshängigkeit

1 Die Rechtshängigkeit hat insbesondere folgende Wirkungen:

a.
der Streitgegenstand kann zwischen den gleichen Parteien nicht anderweitig rechtshängig gemacht werden;
b.
die örtliche Zuständigkeit bleibt erhalten.

2 Für die Wahrung einer gesetzlichen Frist des Privatrechts, die auf den Zeitpunkt der Klage, der Klageanhebung oder auf einen anderen verfahrenseinleitenden Schritt abstellt, ist die Rechtshängigkeit nach diesem Gesetz massgebend.

Art. 65 Folgen des Klagerückzugs

Wer eine Klage beim zum Entscheid zuständigen Gericht zurückzieht, kann gegen die gleiche Partei über den gleichen Streitgegenstand keinen zweiten Prozess mehr führen, sofern das Gericht die Klage der beklagten Partei bereits zugestellt hat und diese dem Rückzug nicht zustimmt.

5. Titel: Die Parteien und die Beteiligung Dritter

1. Kapitel: Partei- und Prozessfähigkeit

Art. 67 Prozessfähigkeit

1 Prozessfähig ist, wer handlungsfähig ist.

2 Für eine handlungsunfähige Person handelt ihre gesetzliche Vertretung.

3 Soweit eine handlungsunfähige Person urteilsfähig ist, kann sie:

a.
selbstständig Rechte ausüben, die ihr um ihrer Persönlichkeit willen zuste­hen;
b.
vorläufig selbst das Nötige vorkehren, wenn Gefahr in Verzug ist.

2. Kapitel: Parteivertretung

Art. 68 Vertragliche Vertretung

1 Jede prozessfähige Partei kann sich im Prozess vertreten lassen.

2 Zur berufsmässigen Vertretung sind befugt:

a.
in allen Verfahren: Anwältinnen und Anwälte, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200029 berechtigt sind, Parteien vor schweizerischen Gerichten zu vertreten;
b.
vor der Schlichtungsbehörde, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten des ver­einfachten Verfahrens sowie in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens: patentierte Sachwalterinnen und Sachwalter sowie Rechtsagen­tinnen und Rechtsagenten, soweit das kantonale Recht es vorsieht;
c.
in den Angelegenheiten des summarischen Verfahrens nach Artikel 251 die­ses Gesetzes: gewerbsmässige Vertreterinnen und Vertreter nach Artikel 27 SchKG30;
d.
vor den Miet- und Arbeitsgerichten beruflich qualifizierte Vertreterinnen und Vertreter, soweit das kantonale Recht es vorsieht.

3 Die Vertreterin oder der Vertreter hat sich durch eine Vollmacht auszuweisen.

4 Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer vertretenen Partei anordnen.

Art. 69 Unvermögen der Partei

1 Ist eine Partei offensichtlich nicht imstande, den Prozess selbst zu führen, so kann das Gericht sie auffordern, eine Vertreterin oder einen Vertreter zu beauftragen. Leistet die Partei innert der angesetzten Frist keine Folge, so bestellt ihr das Gericht eine Vertretung.

2 Das Gericht benachrichtigt die Erwachsenen- und Kindesschutzbehörde, wenn es Schutzmassnahmen für geboten hält.31

31 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

3. Kapitel: Streitgenossenschaft

Art. 70 Notwendige Streitgenossenschaft

1 Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden.

2 Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln.

Art. 71 Einfache Streitgenossenschaft

1 Sollen Rechte und Pflichten beurteilt werden, die auf gleichartigen Tatsachen oder Rechtsgründen beruhen, so können mehrere Personen gemeinsam klagen oder beklagt werden.

2 Die einfache Streitgenossenschaft ist ausgeschlossen, wenn für die einzelnen Klagen nicht die gleiche Verfahrensart anwendbar ist.

3 Jeder Streitgenosse kann den Prozess unabhängig von den andern Streitgenossen führen.

Art. 72 Gemeinsame Vertretung

Die Streitgenossen können eine gemeinsame Vertretung bezeichnen, sonst ergehen Zustellungen an jeden einzelnen Streitgenossen.

4. Kapitel: Intervention

1. Abschnitt: Hauptintervention

Art. 73

1 Wer am Streitgegenstand ein besseres Recht behauptet, das beide Parteien ganz oder teilweise ausschliesst, kann beim Gericht, bei dem der Prozess erstinstanzlich rechtshängig ist, gegen beide Parteien Klage erheben.

2 Das Gericht kann den Prozess bis zur rechtskräftigen Erledigung der Klage des Hauptintervenienten einstellen oder die Verfahren vereinigen.

2. Abschnitt: Nebenintervention

Art. 74 Grundsatz

Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, dass eine rechtshängige Streitigkeit zugunsten der einen Partei entschieden werde, kann im Prozess jederzeit als Neben­partei intervenieren und zu diesem Zweck beim Gericht ein Interventionsgesuch stellen.

Art. 75 Gesuch

1 Das Interventionsgesuch enthält den Grund der Intervention und die Bezeichnung der Partei, zu deren Unterstützung interveniert wird.

2 Das Gericht entscheidet über das Gesuch nach Anhörung der Parteien. Der Ent­scheid ist mit Beschwerde anfechtbar.

Art. 76 Rechte der intervenierenden Person

1 Die intervenierende Person kann zur Unterstützung der Hauptpartei alle Prozess­handlungen vornehmen, die nach dem Stand des Verfahrens zulässig sind, insbeson­dere alle Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und auch Rechtsmittel ergreifen.

2 Stehen die Prozesshandlungen der intervenierenden Person mit jenen der Haupt­partei im Widerspruch, so sind sie im Prozess unbeachtlich.

Art. 77 Wirkungen der Intervention

Ein für die Hauptpartei ungünstiges Ergebnis des Prozesses wirkt auch gegen die intervenierende Person, es sei denn:

a.
sie sei durch die Lage des Prozesses zur Zeit ihres Eintritts oder durch Handlungen oder Unterlassungen der Hauptpartei verhindert gewesen, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen; oder
b.
ihr unbekannte Angriffs- oder Verteidigungsmittel seien von der Hauptpartei absichtlich oder grobfahrlässig nicht geltend gemacht worden.

5. Kapitel: Streitverkündung

1. Abschnitt: Einfache Streitverkündung

Art. 78 Grundsätze

1 Eine Partei, die für den Fall ihres Unterliegens eine dritte Person belangen will oder den Anspruch einer dritten Person befürchtet, kann diese auffordern, sie im Prozess zu unterstützen.

2 Die streitberufene Person kann den Streit weiter verkünden.

Art. 79 Stellung der streitberufenen Person

1 Die streitberufene Person kann:

a.
zugunsten der Partei, die ihr den Streit verkündet hat, ohne weitere Vorausset­zungen intervenieren; oder
b.
anstelle der Partei, die ihr den Streit verkündet hat, mit deren Einverständnis den Prozess führen.

2 Lehnt sie den Eintritt ab oder erklärt sie sich nicht, so wird der Prozess ohne Rück­sicht auf sie fortgesetzt.

2. Abschnitt: Streitverkündungsklage

Art. 81 Grundsätze

1 Die streitverkündende Partei kann ihre Ansprüche, die sie im Falle des Unterlie­gens gegen die streitberufene Person zu haben glaubt, beim Gericht, das mit der Hauptklage befasst ist, geltend machen.

2 Die streitberufene Person kann keine weitere Streitverkündungsklage erheben.

3 Im vereinfachten und im summarischen Verfahren ist die Streitverkündungsklage unzulässig.

Art. 82 Verfahren

1 Die Zulassung der Streitverkündungsklage ist mit der Klageantwort oder mit der Replik im Hauptprozess zu beantragen. Die Rechtsbegehren, welche die streitver­kündende Partei gegen die streitberufene Person zu stellen gedenkt, sind zu nennen und kurz zu begründen.

2 Das Gericht gibt der Gegenpartei sowie der streitberufenen Person Gelegenheit zur Stellungnahme.

3 Wird die Streitverkündungsklage zugelassen, so bestimmt das Gericht Zeitpunkt und Umfang des betreffenden Schriftenwechsels; Artikel 125 bleibt vorbehalten.

4 Der Entscheid über die Zulassung der Klage ist mit Beschwerde anfechtbar.

6. Kapitel: Parteiwechsel

Art. 83

1 Wird das Streitobjekt während des Prozesses veräussert, so kann die Erwerberin oder der Erwerber an Stelle der veräussernden Partei in den Prozess eintreten.

2 Die eintretende Partei haftet für die gesamten Prozesskosten. Für die bis zum Parteiwechsel aufgelaufenen Prozesskosten haftet die ausscheidende Partei solida­risch mit.

3 In begründeten Fällen hat die eintretende Partei auf Verlangen der Gegenpartei für die Vollstreckung des Entscheides Sicherheit zu leisten.

4 Ohne Veräusserung des Streitobjekts ist ein Parteiwechsel nur mit Zustimmung der Gegenpartei zulässig; besondere gesetzliche Bestimmungen über die Rechtsnach­folge bleiben vorbehalten.

6. Titel: Klagen

Art. 84 Leistungsklage

1 Mit der Leistungsklage verlangt die klagende Partei die Verurteilung der beklagten Partei zu einem bestimmten Tun, Unterlassen oder Dulden.

2 Wird die Bezahlung eines Geldbetrages verlangt, so ist dieser zu beziffern.

Art. 85 Unbezifferte Forderungsklage

1 Ist es der klagenden Partei unmöglich oder unzumutbar, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern, so kann sie eine unbezifferte Forderungsklage erheben. Sie muss jedoch einen Mindestwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt.

2 Die Forderung ist zu beziffern, sobald die klagende Partei nach Abschluss des Beweisverfahrens oder nach Auskunftserteilung durch die beklagte Partei dazu in der Lage ist. Das angerufene Gericht bleibt zuständig, auch wenn der Streitwert die sachliche Zuständigkeit übersteigt.

Art. 87 Gestaltungsklage

Mit der Gestaltungsklage verlangt die klagende Partei die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines bestimmten Rechts oder Rechtsverhältnisses.

Art. 88 Feststellungsklage

Mit der Feststellungsklage verlangt die klagende Partei die gerichtliche Feststellung, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht.

Art. 89 Verbandsklage

1 Vereine und andere Organisationen von gesamtschweizerischer oder regionaler Bedeutung, die nach ihren Statuten zur Wahrung der Interessen bestimmter Perso­nengruppen befugt sind, können in eigenem Namen auf Verletzung der Persönlich­keit der Angehörigen dieser Personengruppen klagen.

2 Mit der Verbandsklage kann beantragt werden:

a.
eine drohende Verletzung zu verbieten;
b.
eine bestehende Verletzung zu beseitigen;
c.
die Widerrechtlichkeit einer Verletzung festzustellen, wenn sich diese weiter­hin störend auswirkt.

3 Besondere gesetzliche Bestimmungen über die Verbandsklage bleiben vorbehalten.

Art. 90 Klagenhäufung

Die klagende Partei kann mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei in einer Klage vereinen, sofern:

a.
das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig ist; und
b.
die gleiche Verfahrensart anwendbar ist.

7. Titel: Streitwert

Art. 91 Grundsatz

1 Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt. Zinsen und Kosten des laufenden Verfahrens oder einer allfälligen Publikation des Entscheids sowie allfäl­lige Eventualbegehren werden nicht hinzugerechnet.

2 Lautet das Rechtsbegehren nicht auf eine bestimmte Geldsumme, so setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht einigen oder ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind.

Art. 92 Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen

1 Als Wert wiederkehrender Nutzungen oder Leistungen gilt der Kapitalwert.

2 Bei ungewisser oder unbeschränkter Dauer gilt als Kapitalwert der zwanzigfache Betrag der einjährigen Nutzung oder Leistung und bei Leibrenten der Barwert.

Art. 93 Streitgenossenschaft und Klagenhäufung

1 Bei einfacher Streitgenossenschaft und Klagenhäufung werden die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig aus­schliessen.

2 Bei einfacher Streitgenossenschaft bleibt die Verfahrensart trotz Zusammenrech­nung des Streitwerts erhalten.

Art. 94 Widerklage

1 Stehen sich Klage und Widerklage gegenüber, so bestimmt sich der Streitwert nach dem höheren Rechtsbegehren.

2 Zur Bestimmung der Prozesskosten werden die Streitwerte zusammengerechnet, sofern sich Klage und Widerklage nicht gegenseitig ausschliessen.

8. Titel: Prozesskosten und unentgeltliche Rechtspflege

1. Kapitel: Prozesskosten

Art. 95 Begriffe

1 Prozesskosten sind:

a.
die Gerichtskosten;
b.
die Parteientschädigung.

2 Gerichtskosten sind:

a.
die Pauschalen für das Schlichtungsverfahren;
b.
die Pauschalen für den Entscheid (Entscheidgebühr);
c.
die Kosten der Beweisführung;
d.
die Kosten für die Übersetzung;
e.
die Kosten für die Vertretung des Kindes (Art. 299 und 300).

3 Als Parteientschädigung gilt:

a.
der Ersatz notwendiger Auslagen;
b.
die Kosten einer berufsmässigen Vertretung;
c.
in begründeten Fällen: eine angemessene Umtriebsentschädigung, wenn eine Partei nicht berufsmässig vertreten ist.
Art. 98 Kostenvorschuss

Das Gericht kann von der klagenden Partei einen Vorschuss bis zur Höhe der mut­masslichen Gerichtskosten verlangen.

Art. 99 Sicherheit für die Parteientschädigung

1 Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädi­gung Sicherheit zu leisten, wenn sie:

a.
keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat;
b.
zahlungsunfähig erscheint, namentlich wenn gegen sie der Konkurs eröffnet oder ein Nachlassverfahren im Gang ist oder Verlustscheine bestehen;
c.
Prozesskosten aus früheren Verfahren schuldet; oder
d.
wenn andere Gründe für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädi­gung bestehen.

2 Bei notwendiger Streitgenossenschaft ist nur dann Sicherheit zu leisten, wenn bei allen Streitgenossen eine der Voraussetzungen gegeben ist.

3 Keine Sicherheit ist zu leisten:

a.
im vereinfachten Verfahren mit Ausnahme der vermögensrechtlichen Streitig­keiten nach Artikel 243 Absatz 1;
b.
im Scheidungsverfahren;
c.
im summarischen Verfahren mit Ausnahme des Rechtsschutzes in klaren Fällen (Art. 257).
Art. 100 Art und Höhe der Sicherheit

1 Die Sicherheit kann in bar oder durch Garantie einer in der Schweiz niedergelasse­nen Bank oder eines zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz zugelassenen Versiche­rungsunternehmens geleistet werden.

2 Das Gericht kann die zu leistende Sicherheit nachträglich erhöhen, herabsetzen oder aufheben.

Art. 101 Leistung des Vorschusses und der Sicherheit

1 Das Gericht setzt eine Frist zur Leistung des Vorschusses und der Sicherheit.

2 Vorsorgliche Massnahmen kann es schon vor Leistung der Sicherheit anordnen.

3 Werden der Vorschuss oder die Sicherheit auch nicht innert einer Nachfrist geleis­tet, so tritt das Gericht auf die Klage oder auf das Gesuch nicht ein.

Art. 102 Vorschuss für Beweiserhebungen

1 Jede Partei hat die Auslagen des Gerichts vorzuschiessen, die durch von ihr bean­tragte Beweiserhebungen veranlasst werden.

2 Beantragen die Parteien dasselbe Beweismittel, so hat jede Partei die Hälfte vorzu­schiessen.

3 Leistet eine Partei ihren Vorschuss nicht, so kann die andere die Kosten vorschies­sen; andernfalls unterbleibt die Beweiserhebung. Vorbehalten bleiben Streitigkeiten, in denen das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen hat.

Art. 103 Rechtsmittel

Entscheide über die Leistung von Vorschüssen und Sicherheiten sind mit Beschwerde anfechtbar.

2. Kapitel: Verteilung und Liquidation der Prozesskosten

Art. 104 Entscheid über die Prozesskosten

1 Das Gericht entscheidet über die Prozesskosten in der Regel im Endentscheid.

2 Bei einem Zwischenentscheid (Art. 237) können die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Prozesskosten verteilt werden.

3 Über die Prozesskosten vorsorglicher Massnahmen kann zusammen mit der Haupt­sache entschieden werden.

4 In einem Rückweisungsentscheid kann die obere Instanz die Verteilung der Pro­zesskosten des Rechtsmittelverfahrens der Vorinstanz überlassen.

Art. 106 Verteilungsgrundsätze

1 Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt. Bei Nichteintreten und bei Klagerückzug gilt die klagende Partei, bei Anerkennung der Klage die beklagte Partei als unterliegend.

2 Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Aus­gang des Verfahrens verteilt.

3 Sind am Prozess mehrere Personen als Haupt- oder Nebenparteien beteiligt, so bestimmt das Gericht ihren Anteil an den Prozesskosten. Es kann auf solidarische Haftung erkennen.

Art. 107 Verteilung nach Ermessen

1 Das Gericht kann von den Verteilungsgrundsätzen abweichen und die Prozess­kosten nach Ermessen verteilen:

a.
wenn die Klage zwar grundsätzlich, aber nicht in der Höhe der Forderung gutgeheissen wurde und diese Höhe vom gerichtlichen Ermessen abhängig oder die Bezifferung des Anspruchs schwierig war;
b.
wenn eine Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst war;
c.
in familienrechtlichen Verfahren;
d.
in Verfahren bei eingetragener Partnerschaft;
e.
wenn das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben wird und das Gesetz nichts anderes vorsieht;
f.
wenn andere besondere Umstände vorliegen, die eine Verteilung nach dem Ausgang des Verfahrens als unbillig erscheinen lassen.

1bis Das Gericht kann die Prozesskosten bei Abweisung gesellschaftsrechtlicher Klagen, die auf Leistung an die Gesellschaft lauten, nach Ermessen auf die Gesellschaft und die klagende Partei aufteilen.32

2 Das Gericht kann Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auferlegen.

32 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 957; BBl 2015 3617).

Art. 109 Verteilung bei Vergleich

1 Bei einem gerichtlichen Vergleich trägt jede Partei die Prozesskosten nach Mass­gabe des Vergleichs.

2 Die Kosten werden nach den Artikeln 106–108 verteilt, wenn:

a.
der Vergleich keine Regelung enthält; oder
b.
die getroffene Regelung einseitig zulasten einer Partei geht, welcher die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist.
Art. 111 Liquidation der Prozesskosten

1 Die Gerichtskosten werden mit den geleisteten Vorschüssen der Parteien verrech­net. Ein Fehlbetrag wird von der kostenpflichtigen Person nachgefordert.

2 Die kostenpflichtige Partei hat der anderen Partei die geleisteten Vorschüsse zu ersetzen sowie die zugesprochene Parteientschädigung zu bezahlen.

3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege.

3. Kapitel: Besondere Kostenregelungen

Art. 113 Schlichtungsverfahren

1 Im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen. Vor­behalten bleibt die Entschädigung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin oder eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes durch den Kanton.

2 Keine Gerichtskosten werden gesprochen in Streitigkeiten:

a.
nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199533;
b.
nach dem Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 200234;
c.
aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirt­schaftlicher Pacht;
d.
aus dem Arbeitsverhältnis sowie nach dem Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 198935 bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken;
e.
nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 199336;
f.
aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bun­desgesetz vom 18. März 199437 über die Krankenversicherung.
Art. 114 Entscheidverfahren

Im Entscheidverfahren werden keine Gerichtskosten gesprochen bei Streitigkeiten:

a.
nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199538;
b.
nach dem Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 200239;
c.
aus dem Arbeitsverhältnis sowie nach dem Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 198940 bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken;
d.
nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 199341;
e.
aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bun­desgesetz vom 18. März 199442 über die Krankenversicherung;
f.43
wegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen nach Artikel 28b ZGB44 oder betreffend die elektronische Überwachung nach Artikel 28c ZGB.

38 SR 151.1

39 SR 151.3

40 SR 823.11

41 SR 822.14

42 SR 832.10

43 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

44 SR 210

Art. 115 Kostentragungspflicht

1 Bei bös- oder mutwilliger Prozessführung können die Gerichtskosten auch in den unentgeltlichen Verfahren einer Partei auferlegt werden.

2 Bei Streitigkeiten nach Artikel 114 Buchstabe f können die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden, wenn gegen sie ein Verbot nach Artikel 28b ZGB45 oder eine elektronische Überwachung nach Artikel 28c ZGB angeordnet wird.46

45 SR 210

46 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

Art. 116 Kostenbefreiung nach kantonalem Recht

1 Die Kantone können weitere Befreiungen von den Prozesskosten gewähren.

2 Befreiungen, welche ein Kanton sich selbst, seinen Gemeinden und anderen kanto­nalrechtlichen Körperschaften gewährt, gelten auch für den Bund.

4. Kapitel: Unentgeltliche Rechtspflege

Art. 117 Anspruch

Eine Person hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn:

a.
sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt; und
b.
ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
Art. 118 Umfang

1 Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst:

a.
die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen;
b.
die Befreiung von den Gerichtskosten;
c.
die gerichtliche Bestellung einer Rechtsbeiständin oder eines Rechtsbeistan­des, wenn dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist, insbesondere wenn die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist; die Rechtsbeiständin oder der Rechtsbeistand kann bereits zur Vorbereitung des Prozesses bestellt werden.

2 Sie kann ganz oder teilweise gewährt werden.

3 Sie befreit nicht von der Bezahlung einer Parteientschädigung an die Gegenpartei.

Art. 119 Gesuch und Verfahren

1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann vor oder nach Eintritt der Rechtshängigkeit gestellt werden.

2 Die gesuchstellende Person hat ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen und sich zur Sache sowie über ihre Beweismittel zu äussern. Sie kann die Person der gewünschten Rechtsbeiständin oder des gewünschten Rechtsbeistands im Gesuch bezeichnen.

3 Das Gericht entscheidet über das Gesuch im summarischen Verfahren. Die Gegen­partei kann angehört werden. Sie ist immer anzuhören, wenn die unentgeltliche Rechtspflege die Leistung der Sicherheit für die Parteientschädigung umfassen soll.

4 Die unentgeltliche Rechtspflege kann ausnahmsweise rückwirkend bewilligt werden.

5 Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen.

6 Ausser bei Bös- oder Mutwilligkeit werden im Verfahren um die unentgeltliche Rechtspflege keine Gerichtskosten erhoben.

Art. 121 Rechtsmittel

Wird die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise abgelehnt oder entzogen, so kann der Entscheid mit Beschwerde angefochten werden.

Art. 122 Liquidation der Prozesskosten

1 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so werden die Prozesskosten wie folgt liquidiert:

a.
die unentgeltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand wird vom Kanton angemessen entschädigt;
b.
die Gerichtskosten gehen zulasten des Kantons;
c.
der Gegenpartei werden die Vorschüsse, die sie geleistet hat, zurück­erstattet;
d.
die unentgeltlich prozessführende Partei hat der Gegenpartei die Parteientschä­digung zu bezahlen.

2 Obsiegt die unentgeltlich prozessführende Partei und ist die Parteientschädigung bei der Gegenpartei nicht oder voraussichtlich nicht einbringlich, so wird die unent­geltliche Rechtsbeiständin oder der unentgeltliche Rechtsbeistand vom Kanton angemessen entschädigt. Mit der Zahlung geht der Anspruch auf den Kanton über.

Art. 123 Nachzahlung

1 Eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, ist zur Nachzah­lung verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage ist.

2 Der Anspruch des Kantons verjährt zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens.

9. Titel: Prozessleitung, prozessuales Handeln und Fristen

1. Kapitel: Prozessleitung

Art. 124 Grundsätze

1 Das Gericht leitet den Prozess. Es erlässt die notwendigen prozessleitenden Verfü­gungen zur zügigen Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens.

2 Die Prozessleitung kann an eines der Gerichtsmitglieder delegiert werden.

3 Das Gericht kann jederzeit versuchen, eine Einigung zwischen den Parteien her­beizuführen.

Art. 125 Vereinfachung des Prozesses

Zur Vereinfachung des Prozesses kann das Gericht insbesondere:

a.
das Verfahren auf einzelne Fragen oder auf einzelne Rechtsbegehren beschrän­ken;
b.
gemeinsam eingereichte Klagen trennen;
c.
selbstständig eingereichte Klagen vereinigen;
d.
eine Widerklage vom Hauptverfahren trennen.
Art. 126 Sistierung des Verfahrens

1 Das Gericht kann das Verfahren sistieren, wenn die Zweckmässigkeit dies ver­langt. Das Verfahren kann namentlich sistiert werden, wenn der Entscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig ist.

2 Die Sistierung ist mit Beschwerde anfechtbar.

Art. 127 Überweisung bei zusammenhängenden Verfahren

1 Sind bei verschiedenen Gerichten Klagen rechtshängig, die miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen, so kann ein später angerufenes Gericht die bei ihm rechtshängige Klage an das zuerst angerufene Gericht überweisen, wenn dieses mit der Übernahme einverstanden ist.

2 Die Überweisung ist mit Beschwerde anfechtbar.

Art. 128 Verfahrensdisziplin und mutwillige Prozessführung

1 Wer im Verfahren vor Gericht den Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, wird mit einem Verweis oder einer Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken bestraft. Das Gericht kann zudem den Ausschluss von der Verhandlung anordnen.

2 Das Gericht kann zur Durchsetzung seiner Anordnungen die Polizei beiziehen.

3 Bei bös- oder mutwilliger Prozessführung können die Parteien und ihre Vertre­tungen mit einer Ordnungsbusse bis zu 2000 Franken und bei Wiederholung bis zu 5000 Franken bestraft werden.

4 Die Ordnungsbusse ist mit Beschwerde anfechtbar.

2. Kapitel: Formen des prozessualen Handelns

1. Abschnitt: Verfahrenssprache

Art. 129

Das Verfahren wird in der Amtssprache des zuständigen Kantons geführt. Bei meh­reren Amtssprachen regeln die Kantone den Gebrauch der Sprachen.

2. Abschnitt: Eingaben der Parteien

Art. 13047 Form

1 Eingaben sind dem Gericht in Papierform oder elektronisch einzureichen. Sie sind zu unterzeichnen.

2 Bei elektronischer Einreichung muss die Eingabe mit einer qualifizierten elektro­nischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201648 über die elektronische Signatur versehen werden. Der Bundesrat regelt:

a.
das Format der Eingabe und ihrer Beilagen;
b.
die Art und Weise der Übermittlung;
c.
die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.

47 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

48 SR 943.03

Art. 131 Anzahl

Eingaben und Beilagen in Papierform sind in je einem Exemplar für das Gericht und für jede Gegenpartei einzureichen; andernfalls kann das Gericht eine Nachfrist ansetzen oder die notwendigen Kopien auf Kosten der Partei erstellen.

Art. 132 Mangelhafte, querulatorische und rechtsmissbräuchliche Eingaben

1 Mängel wie fehlende Unterschrift und fehlende Vollmacht sind innert einer gerichtlichen Nachfrist zu verbessern. Andernfalls gilt die Eingabe als nicht erfolgt.

2 Gleiches gilt für unleserliche, ungebührliche, unverständliche oder weitschweifige Eingaben.

3 Querulatorische und rechtsmissbräuchliche Eingaben werden ohne Weiteres zurückgeschickt.

3. Abschnitt: Gerichtliche Vorladung

Art. 133 Inhalt

Die Vorladung enthält:

a.
Name und Adresse der vorgeladenen Person;
b.
die Prozesssache und die Parteien;
c.
die Eigenschaft, in welcher die Person vorgeladen wird;
d.
Ort, Datum und Zeit des geforderten Erscheinens;
e.
die Prozesshandlung, zu der vorgeladen wird;
f.
die Säumnisfolgen;
g.
das Datum der Vorladung und die Unterschrift des Gerichts.
Art. 134 Zeitpunkt

Die Vorladung muss mindestens zehn Tage vor dem Erscheinungstermin versandt werden, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

4. Abschnitt: Gerichtliche Zustellung

Art. 138 Form

1 Die Zustellung von Vorladungen, Verfügungen und Entscheiden erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung.

2 Sie ist erfolgt, wenn die Sendung von der Adressatin oder vom Adressaten oder von einer angestellten oder im gleichen Haushalt lebenden, mindestens 16 Jahre alten Person entgegengenommen wurde. Vorbehalten bleiben Anweisungen des Gerichts, eine Urkunde dem Adressaten oder der Adressatin persönlich zuzustellen.

3 Sie gilt zudem als erfolgt:

a.
bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist: am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste;
b.
bei persönlicher Zustellung, wenn die Adressatin oder der Adressat die Annahme verweigert und dies von der überbringenden Person festgehalten wird: am Tag der Weigerung.

4 Andere Sendungen kann das Gericht durch gewöhnliche Post zustellen.

Art. 13949 Elektronische Zustellung

1 Mit dem Einverständnis der betroffenen Person können Vorladungen, Verfügungen und Entscheide elektronisch zugestellt werden. Sie sind mit einer elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201650 über die elektronische Signatur zu versehen.

2 Der Bundesrat regelt:

a.
die zu verwendende Signatur;
b.
das Format der Vorladungen, Verfügungen und Entscheide sowie ihrer Beilagen;
c.
die Art und Weise der Übermittlung;
d.
den Zeitpunkt, zu dem die Vorladung, die Verfügung oder der Entscheid als zugestellt gilt.

49 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

50 SR 943.03

Art. 140 Zustellungsdomizil

Das Gericht kann Parteien mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland anweisen, ein Zustellungsdomizil in der Schweiz zu bezeichnen.

Art. 141 Öffentliche Bekanntmachung

1 Die Zustellung erfolgt durch Publikation im kantonalen Amtsblatt oder im Schwei­zerischen Handelsamtsblatt, wenn:

a.
der Aufenthaltsort der Adressatin oder des Adressaten unbekannt ist und trotz zumutbarer Nachforschungen nicht ermittelt werden kann;
b.
eine Zustellung unmöglich ist oder mit ausserordentlichen Umtrieben verbun­den wäre;
c.
eine Partei mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland entgegen der Anweisung des Gerichts kein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnet hat.

2 Die Zustellung gilt am Tag der Publikation als erfolgt.

3. Kapitel: Fristen, Säumnis und Wiederherstellung

1. Abschnitt: Fristen

Art. 142 Beginn und Berechnung

1 Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen.

2 Berechnet sich eine Frist nach Monaten, so endet sie im letzten Monat an dem Tag, der dieselbe Zahl trägt wie der Tag, an dem die Frist zu laufen begann. Fehlt der entsprechende Tag, so endet die Frist am letzten Tag des Monats.

3 Fällt der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen am Gerichtsort vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endet sie am nächsten Werktag.

Art. 143 Einhaltung

1 Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diploma­tischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.

2 Bei elektronischer Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind.51

3 Die Frist für eine Zahlung an das Gericht ist eingehalten, wenn der Betrag spätes­tens am letzten Tag der Frist zugunsten des Gerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist.

51 Fassung gemäss Anhang Ziff. II 5 des BG vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 4651; BBl 2014 1001).

Art. 144 Erstreckung

1 Gesetzliche Fristen können nicht erstreckt werden.

2 Gerichtliche Fristen können aus zureichenden Gründen erstreckt werden, wenn das Gericht vor Fristablauf darum ersucht wird.

Art. 145 Stillstand der Fristen

1 Gesetzliche und gerichtliche Fristen stehen still:

a.
vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern;
b.
vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c.
vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.

2 Dieser Fristenstillstand gilt nicht für:

a.
das Schlichtungsverfahren;
b.
das summarische Verfahren.

3 Die Parteien sind auf die Ausnahmen nach Absatz 2 hinzuweisen.

4 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des SchKG52 über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand.

Art. 146 Wirkungen des Stillstandes

1 Bei Zustellung während des Stillstandes beginnt der Fristenlauf am ersten Tag nach Ende des Stillstandes.

2 Während des Stillstandes der Fristen finden keine Gerichtsverhandlungen statt, es sei denn, die Parteien seien einverstanden.

2. Abschnitt: Säumnis und Wiederherstellung

Art. 147 Säumnis und Säumnisfolgen

1 Eine Partei ist säumig, wenn sie eine Prozesshandlung nicht fristgerecht vornimmt oder zu einem Termin nicht erscheint.

2 Das Verfahren wird ohne die versäumte Handlung weitergeführt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

3 Das Gericht weist die Parteien auf die Säumnisfolgen hin.

Art. 148 Wiederherstellung

1 Das Gericht kann auf Gesuch einer säumigen Partei eine Nachfrist gewähren oder zu einem Termin erneut vorladen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie kein oder nur ein leichtes Verschulden trifft.

2 Das Gesuch ist innert zehn Tagen seit Wegfall des Säumnisgrundes einzureichen.

3 Ist ein Entscheid eröffnet worden, so kann die Wiederherstellung nur innerhalb von sechs Monaten seit Eintritt der Rechtskraft verlangt werden.

10. Titel: Beweis

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 150 Beweisgegenstand

1 Gegenstand des Beweises sind rechtserhebliche, streitige Tatsachen.

2 Beweisgegenstand können auch Übung, Ortsgebrauch und, bei vermögensrecht­lichen Streitigkeiten, ausländisches Recht sein.

Art. 151 Bekannte Tatsachen

Offenkundige und gerichtsnotorische Tatsachen sowie allgemein anerkannte Erfah­rungssätze bedürfen keines Beweises.

Art. 152 Recht auf Beweis

1 Jede Partei hat das Recht, dass das Gericht die von ihr form- und fristgerecht angebotenen tauglichen Beweismittel abnimmt.

2 Rechtswidrig beschaffte Beweismittel werden nur berücksichtigt, wenn das Inte­resse an der Wahrheitsfindung überwiegt.

Art. 153 Beweiserhebung von Amtes wegen

1 Das Gericht erhebt von Amtes wegen Beweis, wenn der Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ist.

2 Es kann von Amtes wegen Beweis erheben, wenn an der Richtigkeit einer nicht streitigen Tatsache erhebliche Zweifel bestehen.

Art. 154 Beweisverfügung

Vor der Beweisabnahme werden die erforderlichen Beweisverfügungen getroffen. Darin werden insbesondere die zugelassenen Beweismittel bezeichnet und wird bestimmt, welcher Partei zu welchen Tatsachen der Haupt- oder der Gegenbeweis obliegt. Beweisverfügungen können jederzeit abgeändert oder ergänzt werden.

Art. 155 Beweisabnahme

1 Die Beweisabnahme kann an eines oder mehrere der Gerichtsmitglieder delegiert werden.

2 Aus wichtigen Gründen kann eine Partei die Beweisabnahme durch das urteilende Gericht verlangen.

3 Die Parteien haben das Recht, an der Beweisabnahme teilzunehmen.

Art. 156 Wahrung schutzwürdiger Interessen

Gefährdet die Beweisabnahme die schutzwürdigen Interessen einer Partei oder Dritter, wie insbesondere deren Geschäftsgeheimnisse, so trifft das Gericht die erforderlichen Massnahmen.

Art. 158 Vorsorgliche Beweisführung

1 Das Gericht nimmt jederzeit Beweis ab, wenn:

a.
das Gesetz einen entsprechenden Anspruch gewährt; oder
b.
die gesuchstellende Partei eine Gefährdung der Beweismittel oder ein schutz­würdiges Interesse glaubhaft macht.

2 Anzuwenden sind die Bestimmungen über die vorsorglichen Massnahmen.

2. Kapitel: Mitwirkungspflicht und Verweigerungsrecht

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 160 Mitwirkungspflicht

1 Die Parteien und Dritte sind zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet. Insbesondere haben sie:

a.
als Partei, als Zeugin oder als Zeuge wahrheitsgemäss auszusagen;
b.53
Urkunden herauszugeben; ausgenommen sind Unterlagen aus dem Verkehr einer Partei oder einer Drittperson mit einer Anwältin oder einem Anwalt, die oder der zur berufsmässigen Vertretung berechtigt ist, oder mit einer Patentanwältin oder einem Patentanwalt im Sinne von Artikel 2 des Patent­anwaltsgesetzes vom 20. März 200954;
c.
einen Augenschein an Person oder Eigentum durch Sachverständige zu dul­den.

2 Über die Mitwirkungspflicht einer minderjährigen Person entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen.55 Es berücksichtigt dabei das Kindeswohl.

3 Dritte, die zur Mitwirkung verpflichtet sind, haben Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

53 Fassung gemäss Ziff. I 4 des BG vom 28. Sept. 2012 über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 847; BBl 2011 8181).

54 SR 935.62

55 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

Art. 161 Aufklärung

1 Das Gericht klärt die Parteien und Dritte über die Mitwirkungspflicht, das Verwei­gerungsrecht und die Säumnisfolgen auf.

2 Unterlässt es die Aufklärung über das Verweigerungsrecht, so darf es die erhobe­nen Beweise nicht berücksichtigen, es sei denn, die betroffene Person stimme zu oder die Verweigerung wäre unberechtigt gewesen.

2. Abschnitt: Verweigerungsrecht der Parteien

Art. 163 Verweigerungsrecht

1 Eine Partei kann die Mitwirkung verweigern, wenn sie:

a.
eine ihr im Sinne von Artikel 165 nahestehende Person der Gefahr strafrechtli­cher Verfolgung oder zivilrechtlicher Verantwortlichkeit ausset­zen würde;
b.
sich wegen Verletzung eines Geheimnisses nach Artikel 321 des Straf­gesetz­buchs (StGB)56 strafbar machen würde; ausgenommen sind die Revisorin­nen und Revisoren; Artikel 166 Absatz 1 Buchstabe b dritter Teilsatz gilt sinngemäss.

2 Die Trägerinnen und Träger anderer gesetzlich geschützter Geheimnisse können die Mitwirkung verweigern, wenn sie glaubhaft machen, dass das Geheimhaltungs­interesse das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt.

3. Abschnitt: Verweigerungsrecht Dritter

Art. 165 Umfassendes Verweigerungsrecht

1 Jede Mitwirkung können verweigern:

a.
wer mit einer Partei verheiratet ist oder war oder eine faktische Lebens­gemein­schaft führt;
b.
wer mit einer Partei gemeinsame Kinder hat;
c.
wer mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist;
d.
die Pflegeeltern, die Pflegekinder und die Pflegegeschwister einer Partei;
e.57
die für eine Partei zur Vormundschaft oder zur Beistandschaft eingesetzte Person.

2 Die eingetragene Partnerschaft ist der Ehe gleichgestellt.

3 Die Stiefgeschwister sind den Geschwistern gleichgestellt.

57 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

Art. 166 Beschränktes Verweigerungsrecht

1 Eine dritte Person kann die Mitwirkung verweigern:

a.
zur Feststellung von Tatsachen, die sie oder eine ihr im Sinne von Arti­kel 165 nahestehende Person der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder zivilrechtlicher Verantwortlichkeit aussetzen würde;
b.
soweit sie sich wegen Verletzung eines Geheimnisses nach Artikel 321 StGB58 strafbar machen würde; ausgenommen sind die Revisorinnen und Revi­soren; mit Ausnahme der Anwältinnen und Anwälte sowie der Geistli­chen haben Dritte jedoch mitzuwirken, wenn sie einer Anzeigepflicht unter­liegen oder wenn sie von der Geheimhaltungspflicht entbunden worden sind, es sei denn, sie machen glaubhaft, dass das Geheimhaltungsinteresse das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt;
c.
zur Feststellung von Tatsachen, die ihr als Beamtin oder Beamter im Sinne von Artikel 110 Absatz 359 StGB oder als Behördenmitglied in ihrer amtli­chen Eigenschaft anvertraut worden sind oder die sie bei Ausübung ihres Amtes wahrgenommen hat; sie hat auszusagen, wenn sie einer Anzeige­pflicht unterliegt oder wenn sie von ihrer vorgesetzten Behörde zur Aussage ermächtigt worden ist;
d.60
wenn sie als Ombudsperson, Ehe- oder Familienberaterin oder -berater, Mediatorin oder Mediator über Tatsachen aussagen müsste, die sie im Rah­men der betreffenden Tätigkeit wahrgenommen hat;
e.
über die Identität der Autorin oder des Autors oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen, wenn sie sich beruflich oder als Hilfsperson mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befasst.

2 Die Trägerinnen und Träger anderer gesetzlich geschützter Geheimnisse können die Mitwirkung verweigern, wenn sie glaubhaft machen, dass das Geheimhaltungs­interesse das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt.

3 Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts über die Datenbekanntgabe.

58 SR 311.0

59 Berichtigt von der Redaktionskommission der BVers (Art. 58 Abs. 1 ParlG ‒ SR 171.10).

60 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 167 Unberechtigte Verweigerung

1 Verweigert die dritte Person die Mitwirkung unberechtigterweise, so kann das Gericht:

a.
eine Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken anordnen;
b.
die Strafdrohung nach Artikel 292 StGB61 aussprechen;
c.
die zwangsweise Durchsetzung anordnen;
d.
die Prozesskosten auferlegen, die durch die Verweigerung verursacht wor­den sind.

2 Säumnis der dritten Person hat die gleichen Folgen wie deren unberechtigte Ver­weigerung der Mitwirkung.

3 Die dritte Person kann die gerichtliche Anordnung mit Beschwerde anfechten.

3. Kapitel: Beweismittel

1. Abschnitt: Zulässige Beweismittel

Art. 168

1 Als Beweismittel sind zulässig:

a.
Zeugnis;
b.
Urkunde;
c.
Augenschein;
d.
Gutachten;
e.
schriftliche Auskunft;
f.
Parteibefragung und Beweisaussage.

2 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten.

2. Abschnitt: Zeugnis

Art. 169 Gegenstand

Wer nicht Partei ist, kann über Tatsachen Zeugnis ablegen, die er oder sie unmittel­bar wahrgenommen hat.

Art. 170 Vorladung

1 Zeuginnen und Zeugen werden vom Gericht vorgeladen.

2 Das Gericht kann den Parteien gestatten, Zeuginnen oder Zeugen ohne Vorladung mitzubringen.

3 Die Befragung kann am Aufenthaltsort der Zeugin oder des Zeugen erfolgen. Die Parteien sind darüber rechtzeitig zu informieren.

Art. 171 Form der Einvernahme

1 Die Zeugin oder der Zeuge wird vor der Einvernahme zur Wahrheit ermahnt; nach Vollendung des 14. Altersjahres wird die Zeugin oder der Zeuge zudem auf die strafrechtlichen Folgen des falschen Zeugnisses (Art. 307 StGB62) hingewiesen.

2 Das Gericht befragt jede Zeugin und jeden Zeugen einzeln und in Abwesenheit der andern; vorbehalten bleibt die Konfrontation.

3 Das Zeugnis ist frei abzulegen; das Gericht kann die Benützung schriftlicher Unterlagen zulassen.

4 Das Gericht schliesst Zeuginnen und Zeugen von der übrigen Verhandlung aus, solange sie nicht aus dem Zeugenstand entlassen sind.

Art. 172 Inhalt der Einvernahme

Das Gericht befragt die Zeuginnen und Zeugen über:

a.
ihre Personalien;
b.
ihre persönlichen Beziehungen zu den Parteien sowie über andere Umstände, die für die Glaubwürdigkeit der Aussage von Bedeutung sein können;
c.
ihre Wahrnehmungen zur Sache.
Art. 176 Protokoll

1 Die Aussagen werden in ihrem wesentlichen Inhalt zu Protokoll genommen, der Zeugin oder dem Zeugen vorgelesen oder zum Lesen vorgelegt und von der Zeugin oder dem Zeugen unterzeichnet. Zu Protokoll genommen werden auch abgelehnte Ergänzungsfragen der Parteien, wenn dies eine Partei verlangt.63

2 Die Aussagen können zusätzlich auf Tonband, auf Video oder mit anderen geeig­neten technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet werden.

3 Werden die Aussagen während einer Verhandlung mit technischen Hilfsmitteln nach Absatz 2 aufgezeichnet, so kann das Gericht oder das einvernehmende Gerichtsmitglied darauf verzichten, der Zeugin oder dem Zeugen das Protokoll vorzulesen oder zum Lesen vorzulegen und von der Zeugin oder dem Zeugen unter­zeichnen zu lassen. Die Auf­zeichnungen werden zu den Akten genommen und zusammen mit dem Protokoll aufbewahrt.64

63 Fassung gemäss Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2012 (Protokollierungsvorschriften), in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 851; BBl 2012 5707 5719).

64 Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2012 (Protokollierungsvorschriften), in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 851; BBl 2012 5707 5719).

3. Abschnitt: Urkunde

Art. 177 Begriff

Als Urkunden gelten Dokumente wie Schriftstücke, Zeichnungen, Pläne, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, elektronische Dateien und dergleichen, die geeignet sind, rechtserhebliche Tatsachen zu beweisen.

Art. 178 Echtheit

Die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, hat deren Echtheit zu beweisen, sofern die Echtheit von der andern Partei bestritten wird; die Bestreitung muss ausreichend begründet werden.

Art. 180 Einreichung

1 Die Urkunde kann in Kopie eingereicht werden. Das Gericht oder eine Partei kann die Einreichung des Originals oder einer amtlich beglaubigten Kopie verlangen, wenn begründete Zweifel an der Echtheit bestehen.

2 Bei umfangreichen Urkunden ist die für die Beweisführung erhebliche Stelle zu bezeichnen.

4. Abschnitt: Augenschein

Art. 181 Durchführung

1 Das Gericht kann zur unmittelbaren Wahrnehmung von Tatsachen oder zum besse­ren Verständnis des Sachverhaltes auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen einen Augenschein durchführen.

2 Es kann Zeuginnen und Zeugen sowie sachverständige Personen zum Augenschein beiziehen.

3 Kann der Gegenstand des Augenscheins ohne Nachteil vor Gericht gebracht wer­den, ist er einzureichen.

Art. 182 Protokoll

Über den Augenschein ist Protokoll zu führen. Es wird gegebenenfalls mit Plänen, Zeichnungen, fotografischen und andern technischen Mitteln ergänzt.

5. Abschnitt: Gutachten

Art. 183 Grundsätze

1 Das Gericht kann auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen bei einer oder mehreren sachverständigen Personen ein Gutachten einholen. Es hört vorgängig die Parteien an.

2 Für eine sachverständige Person gelten die gleichen Ausstandsgründe wie für die Gerichtspersonen.

3 Eigenes Fachwissen hat das Gericht offen zu legen, damit die Parteien dazu Stel­lung nehmen können.

Art. 184 Rechte und Pflichten der sachverständigen Person

1 Die sachverständige Person ist zur Wahrheit verpflichtet und hat ihr Gutachten fristgerecht abzuliefern.

2 Das Gericht weist sie auf die Strafbarkeit eines falschen Gutachtens nach Arti­kel 307 StGB65 und der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach Artikel 320 StGB sowie auf die Folgen von Säumnis und mangelhafter Auftragserfüllung hin.

3 Die sachverständige Person hat Anspruch auf Entschädigung. Der gerichtliche Entscheid über die Entschädigung ist mit Beschwerde anfechtbar.

Art. 185 Auftrag

1 Das Gericht instruiert die sachverständige Person und stellt ihr die abzuklärenden Fragen schriftlich oder mündlich in der Verhandlung.

2 Es gibt den Parteien Gelegenheit, sich zur Fragestellung zu äussern und Ände­rungs- oder Ergänzungsanträge zu stellen.

3 Es stellt der sachverständigen Person die notwendigen Akten zur Verfügung und bestimmt eine Frist für die Erstattung des Gutachtens.

Art. 186 Abklärungen der sachverständigen Person

1 Die sachverständige Person kann mit Zustimmung des Gerichts eigene Abklärun­gen vornehmen. Sie hat sie im Gutachten offenzulegen.

2 Das Gericht kann auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen die Abklärungen nach den Regeln des Beweisverfahrens nochmals vornehmen.

Art. 187 Erstattung des Gutachtens

1 Das Gericht kann mündliche oder schriftliche Erstattung des Gutachtens anordnen. Es kann überdies anordnen, dass die sachverständige Person ihr schriftliches Gut­achten in der Verhandlung erläutert.

2 Über ein mündliches Gutachten ist sinngemäss nach Artikel 176 Protokoll zu führen.

3 Sind mehrere sachverständige Personen beauftragt, so erstattet jede von ihnen ein Gutachten, sofern das Gericht nichts anderes anordnet.

4 Das Gericht gibt den Parteien Gelegenheit, eine Erläuterung des Gutachtens oder Ergänzungsfragen zu beantragen.

Art. 188 Säumnis und Mängel

1 Erstattet die sachverständige Person das Gutachten nicht fristgemäss, so kann das Gericht den Auftrag widerrufen und eine andere sachverständige Person beauftra­gen.

2 Das Gericht kann ein unvollständiges, unklares oder nicht gehörig begründetes Gutachten auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen ergänzen und erläutern lassen oder eine andere sachverständige Person beiziehen.

Art. 189 Schiedsgutachten

1 Die Parteien können vereinbaren, über streitige Tatsachen ein Schiedsgutachten einzuholen.

2 Für die Form der Vereinbarung gilt Artikel 17 Absatz 2.

3 Das Schiedsgutachten bindet das Gericht hinsichtlich der darin festgestellten Tatsachen, wenn:

a.
die Parteien über das Rechtsverhältnis frei verfügen können;
b.
gegen die beauftragte Person kein Ausstandsgrund vorlag; und
c.
das Schiedsgutachten ohne Bevorzugung einer Partei erstellt wurde und nicht offensichtlich unrichtig ist.

6. Abschnitt: Schriftliche Auskunft

Art. 190

1 Das Gericht kann Amtsstellen um schriftliche Auskunft ersuchen.

2 Es kann von Privatpersonen schriftliche Auskünfte einholen, wenn eine Zeugen­befragung nicht erforderlich erscheint.

7. Abschnitt: Parteibefragung und Beweisaussage

Art. 191 Parteibefragung

1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien zu den rechtserheblichen Tatsachen befragen.

2 Die Parteien werden vor der Befragung zur Wahrheit ermahnt und darauf hinge­wiesen, dass sie mit einer Ordnungsbusse bis zu 2000 Franken und im Wiederho­lungsfall bis zu 5000 Franken bestraft werden können, wenn sie mutwillig leugnen.

Art. 192 Beweisaussage

1 Das Gericht kann eine oder beide Parteien von Amtes wegen zur Beweisaussage unter Strafdrohung verpflichten.

2 Die Parteien werden vor der Beweisaussage zur Wahrheit ermahnt und auf die Straffolgen einer Falschaussage hingewiesen (Art. 306 StGB66).

Art. 193 Protokoll

Für das Protokoll der Parteibefragung und der Beweisaussage gilt Artikel 176 sinn­gemäss.

11. Titel: Rechtshilfe zwischen schweizerischen Gerichten

Art. 194 Grundsatz

1 Die Gerichte sind gegenseitig zur Rechtshilfe verpflichtet.

2 Sie verkehren direkt miteinander67.

67 Die örtlich zuständige schweizerische Justizbehörde für Rechtshilfeersuchen kann über folgende Internetseite ermittelt werden: www.elorge.admin.ch

Art. 196 Rechtshilfe

1 Das Gericht kann um Rechtshilfe ersuchen. Das Rechtshilfegesuch kann in der Amtssprache des ersuchenden oder des ersuchten Gerichts abgefasst werden.

2 Das ersuchte Gericht informiert das ersuchende Gericht und die Parteien über Ort und Zeit der Prozesshandlung.

3 Das ersuchte Gericht kann für seine Auslagen Ersatz verlangen.

2. Teil: Besondere Bestimmungen

1. Titel: Schlichtungsversuch

1. Kapitel: Geltungsbereich und Schlichtungsbehörde

Art. 197 Grundsatz

Dem Entscheidverfahren geht ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungs­behörde voraus.

Art. 198 Ausnahmen

Das Schlichtungsverfahren entfällt:

a.
im summarischen Verfahren;
abis.68
bei Klagen wegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen nach Arti­kel 28b ZGB69 oder betreffend eine elektronische Über­wachung nach Artikel 28c ZGB;
b.
bei Klagen über den Personenstand;
bbis.70
bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, wenn vor der Klage ein Elternteil die Kindesschutzbehörde angerufen hat (Art. 298b und 298d ZGB71);
c.
im Scheidungsverfahren;
d.72
im Verfahren zur Auflösung und zur Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft;
e.
bei folgenden Klagen aus dem SchKG73:
1.
Aberkennungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG),
2.
Feststellungsklage (Art. 85a SchKG),
3.
Widerspruchsklage (Art. 106–109 SchKG),
4.
Anschlussklage (Art. 111 SchKG),
5.
Aussonderungs- und Admassierungsklage (Art. 242 SchKG),
6.
Kollokationsklage (Art. 148 und 250 SchKG),
7.
Klage auf Feststellung neuen Vermögens (Art. 265a SchKG),
8.
Klage auf Rückschaffung von Retentionsgegenständen (Art. 284 SchKG);
f.
bei Streitigkeiten, für die nach den Artikeln 5 und 6 dieses Gesetzes eine ein­zige kantonale Instanz zuständig ist;
g.
bei der Hauptintervention, der Widerklage und der Streitverkündungsklage;
h.
wenn das Gericht Frist für eine Klage gesetzt hat.

68 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

69 SR 210

70 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

71 SR 210

72 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

73 SR 281.1

Art. 199 Verzicht auf das Schlichtungsverfahren

1 Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von mindestens 100 000 Franken können die Parteien gemeinsam auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens verzichten.

2 Die klagende Partei kann einseitig auf das Schlichtungsverfahren verzichten, wenn:

a.
die beklagte Partei Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat;
b.
der Aufenthaltsort der beklagten Partei unbekannt ist;
c.
in Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199574.
Art. 200 Paritätische Schlichtungsbehörden

1 Bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen besteht die Schlichtungsbehörde aus einer vorsitzenden Person und einer paritätischen Ver­tretung.

2 Bei Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199575 besteht die Schlichtungsbehörde aus einer vorsitzenden Person und einer paritätischen Vertretung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite und des öffentlichen und priva­ten Bereichs; die Geschlechter müssen paritätisch vertreten sein.

Art. 201 Aufgaben der Schlichtungsbehörde

1 Die Schlichtungsbehörde versucht in formloser Verhandlung, die Parteien zu versöhnen. Dient es der Beilegung des Streites, so können in einen Vergleich auch ausserhalb des Verfahrens liegende Streitfragen zwischen den Parteien einbezogen werden.

2 In den Angelegenheiten nach Artikel 200 ist die Schlichtungsbehörde auch Rechtsberatungsstelle.

2. Kapitel: Schlichtungsverfahren

Art. 202 Einleitung

1 Das Verfahren wird durch das Schlichtungsgesuch eingeleitet. Dieses kann in den Formen nach Artikel 130 eingereicht oder mündlich bei der Schlichtungsbehörde zu Protokoll gegeben werden.

2 Im Schlichtungsgesuch sind die Gegenpartei, das Rechtsbegehren und der Streit­gegenstand zu bezeichnen.

3 Die Schlichtungsbehörde stellt der Gegenpartei das Schlichtungsgesuch unverzüg­lich zu und lädt gleichzeitig die Parteien zur Vermittlung vor.

4 In den Angelegenheiten nach Artikel 200 kann sie, soweit ein Urteilsvorschlag nach Artikel 210 oder ein Entscheid nach Artikel 212 in Frage kommt, ausnahms­weise einen Schriftenwechsel durchführen.

Art. 203 Verhandlung

1 Die Verhandlung hat innert zwei Monaten seit Eingang des Gesuchs oder nach Abschluss des Schriftenwechsels stattzufinden.

2 Die Schlichtungsbehörde lässt sich allfällige Urkunden vorlegen und kann einen Augenschein durchführen. Soweit ein Urteilsvorschlag nach Artikel 210 oder ein Entscheid nach Artikel 212 in Frage kommt, kann sie auch die übrigen Beweismittel abnehmen, wenn dies das Verfahren nicht wesentlich verzögert.

3 Die Verhandlung ist nicht öffentlich. In den Angelegenheiten nach Artikel 200 kann die Schlichtungsbehörde die Öffentlichkeit ganz oder teilweise zulassen, wenn ein öffentliches Interesse besteht.

4 Mit Zustimmung der Parteien kann die Schlichtungsbehörde weitere Verhandlun­gen durchführen. Das Verfahren ist spätestens nach zwölf Monaten abzuschliessen.

Art. 204 Persönliches Erscheinen

1 Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen.

2 Sie können sich von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Ver­trauensperson begleiten lassen.

3 Nicht persönlich erscheinen muss und sich vertreten lassen kann, wer:

a.
ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz hat;
b.
wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen verhindert ist;
c.
in Streitigkeiten nach Artikel 243 als Arbeitgeber beziehungsweise als Versi­cherer eine angestellte Person oder als Vermieter die Liegenschafts­verwaltung delegiert, sofern diese zum Abschluss eines Vergleichs schrift­lich ermächtigt sind.

4 Die Gegenpartei ist über die Vertretung vorgängig zu orientieren.

Art. 205 Vertraulichkeit des Verfahrens

1 Aussagen der Parteien dürfen weder protokolliert noch später im Entscheidverfah­ren verwendet werden.

2 Vorbehalten ist die Verwendung der Aussagen im Falle eines Urteilsvorschlages oder Entscheides der Schlichtungsbehörde.

Art. 206 Säumnis

1 Bei Säumnis der klagenden Partei gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen; das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

2 Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsbehörde, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre (Art. 209–212).

3 Bei Säumnis beider Parteien wird das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben.

Art. 207 Kosten des Schlichtungsverfahrens

1 Die Kosten des Schlichtungsverfahrens werden der klagenden Partei auferlegt:

a.
wenn sie das Schlichtungsgesuch zurückzieht;
b.
wenn das Verfahren wegen Säumnis abgeschrieben wird;
c.
bei Erteilung der Klagebewilligung.

2 Bei Einreichung der Klage werden die Kosten zur Hauptsache geschlagen.

3. Kapitel: Einigung und Klagebewilligung

Art. 208 Einigung der Parteien

1 Kommt es zu einer Einigung, so nimmt die Schlichtungsbehörde einen Vergleich, eine Klageanerkennung oder einen vorbehaltlosen Klagerückzug zu Protokoll und lässt die Parteien dieses unterzeichnen. Jede Partei erhält ein Exemplar des Proto­kolls.

2 Ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein vorbehaltloser Klagerückzug haben die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids.

Art. 209 Klagebewilligung

1 Kommt es zu keiner Einigung, so hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung:

a.
bei der Anfechtung von Miet- und Pachtzinserhöhungen: dem Vermieter oder Verpächter;
b.
in den übrigen Fällen: der klagenden Partei.

2 Die Klagebewilligung enthält:

a.
die Namen und Adressen der Parteien und allfälliger Vertretungen;
b.
das Rechtsbegehren der klagenden Partei mit Streitgegenstand und eine allfäl­lige Widerklage;
c.
das Datum der Einleitung des Schlichtungsverfahrens;
d.
die Verfügung über die Kosten des Schlichtungsverfahrens;
e.
das Datum der Klagebewilligung;
f.
die Unterschrift der Schlichtungsbehörde.

3 Nach Eröffnung berechtigt die Klagebewilligung während dreier Monate zur Einreichung der Klage beim Gericht.

4 In Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht beträgt die Klagefrist 30 Tage. Vorbehalten bleiben weitere besondere gesetzliche und gerichtliche Klagefristen.

4. Kapitel: Urteilsvorschlag und Entscheid

Art. 210 Urteilsvorschlag

1 Die Schlichtungsbehörde kann den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten in:

a.
Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199576;
b.
Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- und Pachtverhältnisses betroffen ist;
c.
den übrigen vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 5000 Franken.

2 Der Urteilsvorschlag kann eine kurze Begründung enthalten; im Übrigen gilt Artikel 238 sinngemäss.

Art. 211 Wirkungen

1 Der Urteilsvorschlag gilt als angenommen und hat die Wirkungen eines rechts­kräftigen Entscheids, wenn ihn keine Partei innert 20 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung ablehnt. Die Ablehnung bedarf keiner Begründung.

2 Nach Eingang der Ablehnung stellt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung zu:

a.
in den Angelegenheiten nach Artikel 210 Absatz 1 Buchstabe b: der ablehnen­den Partei;
b.
in den übrigen Fällen: der klagenden Partei.

3 Wird die Klage in den Angelegenheiten nach Artikel 210 Absatz 1 Buchstabe b nicht rechtzeitig eingereicht, so gilt der Urteilsvorschlag als anerkannt und er hat die Wirkungen eines rechtskräftigen Entscheides.

4 Die Parteien sind im Urteilsvorschlag auf die Wirkungen nach den Absätzen 1–3 hinzuweisen.

Art. 212 Entscheid

1 Vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 2000 Franken kann die Schlichtungsbehörde entscheiden, sofern die klagende Partei einen entsprechen­den Antrag stellt.

2 Das Verfahren ist mündlich.

2. Titel: Mediation

Art. 213 Mediation statt Schlichtungsverfahren

1 Auf Antrag sämtlicher Parteien tritt eine Mediation an die Stelle des Schlichtungs­verfahrens.

2 Der Antrag ist im Schlichtungsgesuch oder an der Schlichtungsverhandlung zu stellen.

3 Teilt eine Partei der Schlichtungsbehörde das Scheitern der Mediation mit, so wird die Klagebewilligung ausgestellt.

Art. 214 Mediation im Entscheidverfahren

1 Das Gericht kann den Parteien jederzeit eine Mediation empfehlen.

2 Die Parteien können dem Gericht jederzeit gemeinsam eine Mediation beantragen.

3 Das gerichtliche Verfahren bleibt bis zum Widerruf des Antrages durch eine Partei oder bis zur Mitteilung der Beendigung der Mediation sistiert.

Art. 217 Genehmigung einer Vereinbarung

Die Parteien können gemeinsam die Genehmigung der in der Mediation erzielten Vereinbarung beantragen. Die genehmigte Vereinbarung hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids.

Art. 218 Kosten der Mediation

1 Die Parteien tragen die Kosten der Mediation.

2 In kindesrechtlichen Angelegenheiten haben die Parteien Anspruch auf eine unent­geltliche Mediation, wenn:77

a.
ihnen die erforderlichen Mittel fehlen; und
b.
das Gericht die Durchführung einer Mediation empfiehlt.

3 Das kantonale Recht kann weitere Kostenerleichterungen vorsehen.

77 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

3. Titel: Ordentliches Verfahren

1. Kapitel: Geltungsbereich

Art. 219

Die Bestimmungen dieses Titels gelten für das ordentliche Verfahren sowie sinn­gemäss für sämtliche anderen Verfahren, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

2. Kapitel: Schriftenwechsel und Vorbereitung der Hauptverhandlung

Art. 221 Klage

1 Die Klage enthält:

a.
die Bezeichnung der Parteien und allfälliger Vertreterinnen und Vertreter;
b.
das Rechtsbegehren;
c.
die Angabe des Streitwerts;
d.
die Tatsachenbehauptungen;
e.
die Bezeichnung der einzelnen Beweismittel zu den behaupteten Tatsachen;
f.
das Datum und die Unterschrift.

2 Mit der Klage sind folgende Beilagen einzureichen:

a.
eine Vollmacht bei Vertretung;
b.
gegebenenfalls die Klagebewilligung oder die Erklärung, dass auf das Schlichtungsverfahren verzichtet werde;
c.
die verfügbaren Urkunden, welche als Beweismittel dienen sollen;
d.
ein Verzeichnis der Beweismittel.

3 Die Klage kann eine rechtliche Begründung enthalten.

Art. 222 Klageantwort

1 Das Gericht stellt die Klage der beklagten Partei zu und setzt ihr gleichzeitig eine Frist zur schriftlichen Klageantwort.

2 Für die Klageantwort gilt Artikel 221 sinngemäss. Die beklagte Partei hat darzu­legen, welche Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei im Einzelnen anerkannt oder bestritten werden.

3 Das Gericht kann die beklagte Partei auffordern, die Klageantwort auf einzelne Fragen oder einzelne Rechtsbegehren zu beschränken (Art. 125).

4 Es stellt die Klageantwort der klagenden Partei zu.

Art. 223 Versäumte Klageantwort

1 Bei versäumter Klageantwort setzt das Gericht der beklagten Partei eine kurze Nachfrist.

2 Nach unbenutzter Frist trifft das Gericht einen Endentscheid, sofern die Angele­genheit spruchreif ist. Andernfalls lädt es zur Hauptverhandlung vor.

Art. 224 Widerklage

1 Die beklagte Partei kann in der Klageantwort Widerklage erheben, wenn der geltend gemachte Anspruch nach der gleichen Verfahrensart wie die Hauptklage zu beurteilen ist.

2 Übersteigt der Streitwert der Widerklage die sachliche Zuständigkeit des Gerichts, so hat dieses beide Klagen dem Gericht mit der höheren sachlichen Zuständigkeit zu überweisen.

3 Wird Widerklage erhoben, so setzt das Gericht der klagenden Partei eine Frist zur schriftlichen Antwort. Widerklage auf Widerklage ist unzulässig.

Art. 226 Instruktionsverhandlung

1 Das Gericht kann jederzeit Instruktionsverhandlungen durchführen.

2 Die Instruktionsverhandlung dient der freien Erörterung des Streitgegenstandes, der Ergänzung des Sachverhaltes, dem Versuch einer Einigung und der Vorberei­tung der Hauptverhandlung.

3 Das Gericht kann Beweise abnehmen.

Art. 227 Klageänderung

1 Eine Klageänderung ist zulässig, wenn der geänderte oder neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und:

a.
mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht;
oder
b.
die Gegenpartei zustimmt.

2 Übersteigt der Streitwert der geänderten Klage die sachliche Zuständigkeit des Gerichts, so hat dieses den Prozess an das Gericht mit der höheren sachlichen Zuständigkeit zu überweisen.

3 Eine Beschränkung der Klage ist jederzeit zulässig; das angerufene Gericht bleibt zuständig.

3. Kapitel: Hauptverhandlung

Art. 228 Erste Parteivorträge

1 Nach der Eröffnung der Hauptverhandlung stellen die Parteien ihre Anträge und begründen sie.

2 Das Gericht gibt ihnen Gelegenheit zu Replik und Duplik.

Art. 229 Neue Tatsachen und Beweismittel

1 In der Hauptverhandlung werden neue Tatsachen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und:

a.78
erst nach Abschluss des Schriftenwechsels oder nach der letzten Instruk­tionsverhandlung entstanden sind (echte Noven); oder
b.
bereits vor Abschluss des Schriftenwechsels oder vor der letzten Instruk­tions­verhandlung vorhanden waren, aber trotz zumutbarer Sorgfalt nicht vorher vorgebracht werden konnten (unechte Noven).

2 Hat weder ein zweiter Schriftenwechsel noch eine Instruktionsverhandlung statt­gefunden, so können neue Tatsachen und Beweismittel zu Beginn der Hauptverhand­lung unbeschränkt vorgebracht werden.

3 Hat das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, so berücksichtigt es neue Tatsachen und Beweismittel bis zur Urteilsberatung.

78 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

Art. 230 Klageänderung

1 Eine Klageänderung ist in der Hauptverhandlung nur noch zulässig, wenn:

a.
die Voraussetzungen nach Artikel 227 Absatz 1 gegeben sind; und
b.79
sie auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln beruht.

2 Artikel 227 Absätze 2 und 3 ist anwendbar.

79 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

Art. 232 Schlussvorträge

1 Nach Abschluss der Beweisabnahme können die Parteien zum Beweisergebnis und zur Sache Stellung nehmen. Die klagende Partei plädiert zuerst. Das Gericht gibt Gelegenheit zu einem zweiten Vortrag.

2 Die Parteien können gemeinsam auf die mündlichen Schlussvorträge verzichten und beantragen, schriftliche Parteivorträge einzureichen. Das Gericht setzt ihnen dazu eine Frist.

Art. 234 Säumnis an der Hauptverhandlung

1 Bei Säumnis einer Partei berücksichtigt das Gericht die Eingaben, die nach Mass­gabe dieses Gesetzes eingereicht worden sind. Im Übrigen kann es seinem Entscheid unter Vorbehalt von Artikel 153 die Akten sowie die Vorbringen der anwesenden Partei zu Grunde legen.

2 Bei Säumnis beider Parteien wird das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben. Die Gerichtskosten werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.

4. Kapitel: Protokoll

Art. 235

1 Das Gericht führt über jede Verhandlung Protokoll. Dieses enthält insbesondere:

a.
den Ort und die Zeit der Verhandlung;
b.
die Zusammensetzung des Gerichts;
c.
die Anwesenheit der Parteien und ihrer Vertretungen;
d.
die Rechtsbegehren, Anträge und Prozesserklärungen der Parteien;
e.
die Verfügungen des Gerichts;
f.
die Unterschrift der protokollführenden Person.

2 Ausführungen tatsächlicher Natur sind dem wesentlichen Inhalt nach zu protokol­lieren, soweit sie nicht in den Schriftsätzen der Parteien enthalten sind. Sie können zusätzlich auf Tonband, auf Video oder mit anderen geeigneten technischen Hilfs­mitteln aufgezeichnet werden.

3 Über Gesuche um Protokollberichtigung entscheidet das Gericht.

5. Kapitel: Entscheid

Art. 236 Endentscheid

1 Ist das Verfahren spruchreif, so wird es durch Sach- oder Nichteintretensentscheid beendet.

2 Das Gericht urteilt durch Mehrheitsentscheid.

3 Auf Antrag der obsiegenden Partei ordnet es Vollstreckungsmassnahmen an.

Art. 237 Zwischenentscheid

1 Das Gericht kann einen Zwischenentscheid treffen, wenn durch abweichende oberinstanzliche Beurteilung sofort ein Endentscheid herbeigeführt und so ein bedeutender Zeit- oder Kostenaufwand gespart werden kann.

2 Der Zwischenentscheid ist selbstständig anzufechten; eine spätere Anfechtung zusammen mit dem Endentscheid ist ausgeschlossen.

Art. 238 Inhalt

Ein Entscheid enthält:

a.
die Bezeichnung und die Zusammensetzung des Gerichts;
b.
den Ort und das Datum des Entscheids;
c.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer Vertretung;
d.
das Dispositiv (Urteilsformel);
e.
die Angabe der Personen und Behörden, denen der Entscheid mitzuteilen ist;
f.
eine Rechtsmittelbelehrung, sofern die Parteien auf die Rechtsmittel nicht verzichtet haben;
g.
gegebenenfalls die Entscheidgründe;
h.
die Unterschrift des Gerichts.
Art. 239 Eröffnung und Begründung

1 Das Gericht kann seinen Entscheid ohne schriftliche Begründung eröffnen:

a.
in der Hauptverhandlung durch Übergabe des schriftlichen Dispositivs an die Parteien mit kurzer mündlicher Begründung;
b.
durch Zustellung des Dispositivs an die Parteien.

2 Eine schriftliche Begründung ist nachzuliefern, wenn eine Partei dies innert zehn Tagen seit der Eröffnung des Entscheides verlangt. Wird keine Begründung verlangt, so gilt dies als Verzicht auf die Anfechtung des Entscheides mit Berufung oder Beschwerde.

3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200580 über die Eröffnung von Entscheiden, die an das Bundesgericht weiterge­zogen werden können.

6. Kapitel: Beendigung des Verfahrens ohne Entscheid

Art. 241 Vergleich, Klageanerkennung, Klagerückzug

1 Wird ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein Klagerückzug dem Gericht zu Protokoll gegeben, so haben die Parteien das Protokoll zu unterzeichnen.

2 Ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein Klagerückzug hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides.

3 Das Gericht schreibt das Verfahren ab.

4. Titel: Vereinfachtes Verfahren

Art. 243 Geltungsbereich

1 Das vereinfachte Verfahren gilt für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken.

2 Es gilt ohne Rücksicht auf den Streitwert bei Streitigkeiten:81

a.
nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199582;
b.83
wegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen nach Artikel 28b ZGB84 oder betreffend eine elektronische Überwachung nach Arti­kel 28c ZGB;
c.
aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirt­schaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz oder die Erstreckung des Miet- oder Pachtverhältnisses betroffen ist;
d.
zur Durchsetzung des Auskunftsrechts nach dem Bundesgesetz vom 19. Juni 199285 über den Datenschutz;
e.
nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 199386;
f.
aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bun­desgesetz vom 18. März 199487 über die Krankenversicherung.

3 Es findet keine Anwendung in Streitigkeiten vor der einzigen kantonalen Instanz nach den Artikeln 5 und 8 und vor dem Handelsgericht nach Artikel 6.

81 Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

82 SR 151.1

83 Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

84 SR 210

85 SR 235.1

86 SR 822.14

87 SR 832.10

Art. 244 Vereinfachte Klage

1 Die Klage kann in den Formen nach Artikel 130 eingereicht oder mündlich bei Gericht zu Protokoll gegeben werden. Sie enthält:

a.
die Bezeichnung der Parteien;
b.
das Rechtsbegehren;
c.
die Bezeichnung des Streitgegenstandes;
d.
wenn nötig die Angabe des Streitwertes;
e.
das Datum und die Unterschrift.

2 Eine Begründung der Klage ist nicht erforderlich.

3 Als Beilagen sind einzureichen:

a.
eine Vollmacht bei Vertretung;
b.
die Klagebewilligung oder die Erklärung, dass auf das Schlichtungsverfah­ren verzichtet werde;
c.
die verfügbaren Urkunden, welche als Beweismittel dienen sollen.
Art. 245 Vorladung zur Verhandlung und Stellungnahme

1 Enthält die Klage keine Begründung, so stellt das Gericht sie der beklagten Partei zu und lädt die Parteien zugleich zur Verhandlung vor.

2 Enthält die Klage eine Begründung, so setzt das Gericht der beklagten Partei zunächst eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme.

Art. 246 Prozessleitende Verfügungen

1 Das Gericht trifft die notwendigen Verfügungen, damit die Streitsache möglichst am ersten Termin erledigt werden kann.

2 Erfordern es die Verhältnisse, so kann das Gericht einen Schriftenwechsel anord­nen und Instruktionsverhandlungen durchführen.

Art. 247 Feststellung des Sachverhaltes

1 Das Gericht wirkt durch entsprechende Fragen darauf hin, dass die Parteien unge­nügende Angaben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen.

2 Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest:

a.
in den Angelegenheiten nach Artikel 243 Absatz 2;
b.
bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken:
1.
in den übrigen Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht,
2.
in den übrigen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.

5. Titel: Summarisches Verfahren

1. Kapitel: Geltungsbereich

Art. 248 Grundsatz

Das summarische Verfahren ist anwendbar:

a.
in den vom Gesetz bestimmten Fällen;
b.
für den Rechtsschutz in klaren Fällen;
c.
für das gerichtliche Verbot;
d.
für die vorsorglichen Massnahmen;
e.
für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Art. 249 Zivilgesetzbuch

Das summarische Verfahren gilt insbesondere für folgende Angelegenheiten:

a.88
Personenrecht:
1.
Fristansetzung zur Genehmigung von Rechtsgeschäften einer minderjäh­rigen Person oder einer Person unter umfassender Beistandschaft (Art. 19a ZGB89),
2.
Anspruch auf Gegendarstellung (Art. 28l ZGB),
3.
Verschollenerklärung (Art. 35–38 ZGB),
4.
Bereinigung einer Eintragung im Zivilstandsregister (Art. 42 ZGB);
b.90
c.
Erbrecht:
1.
Entgegennahme eines mündlichen Testamentes (Art. 507 ZGB),
2.
Sicherstellung bei Beerbung einer verschollenen Person (Art. 546 ZGB),
3.
Verschiebung der Erbteilung und Sicherung der Ansprüche der Mit­erbin­nen und Miterben gegenüber zahlungsunfähigen Erben (Art. 604 Abs. 2 und 3 ZGB);
d.
Sachenrecht:
1.
Massnahmen zur Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache bei Miteigentum (Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB),
2.
Eintragung dinglicher Rechte an Grundstücken bei ausserordentlicher Er­sitzung (Art. 662 ZGB),
3.
Aufhebung der Einsprache gegen die Verfügungen über ein Stockwerk (Art. 712c Abs. 3 ZGB),
4.
Ernennung und Abberufung des Verwalters bei Stockwerkeigentum (Art. 712q und 712r ZGB),
5.
vorläufige Eintragung gesetzlicher Grundpfandrechte (Art. 712i, 779d, 779k und 837–839 ZGB),
6.
Fristansetzung zur Sicherstellung bei Nutzniessung und Entzug des Besitzes (Art. 760 und 762 ZGB),
7.
Anordnung der Schuldenliquidation des Nutzniessungsvermögens (Art. 766 ZGB),
8.
Massnahmen zu Gunsten des Pfandgläubigers zur Sicherung des Grund­pfands (Art. 808 Abs. 1 und 2 sowie Art. 809–811 ZGB),
9.91
Anordnung über die Stellvertretung bei Schuldbrief (Art. 850 Abs. 3 ZGB),
10.92
Kraftloserklärung von Schuldbrief (Art. 856 und 865 ZGB),
11.
Vormerkung von Verfügungsbeschränkungen und vorläufigen Eintragungen im Streitfall (Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1, 961 Abs. 1 Ziff. 1 und 966 Abs. 2 ZGB).

88 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

89 SR 210

90 Aufgehoben durch Anhang 2 Ziff. 3, mit Wirkung seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

91 Fassung gemäss Ziff. II 3 des BG vom 11. Dez. 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 4637; BBl 2007 5283).

92 Fassung gemäss Ziff. II 3 des BG vom 11. Dez. 2009 (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2012 (AS 2011 4637; BBl 2007 5283).

Art. 250 Obligationenrecht

Das summarische Verfahren gilt insbesondere für folgende Angelegenheiten:

a.
Allgemeiner Teil:
1.
gerichtliche Hinterlegung einer erloschenen Vollmacht (Art. 36 Abs. 1 OR93),
2.
Ansetzung einer angemessenen Frist zur Sicherstellung (Art. 83 Abs. 2 OR),
3.
Hinterlegung und Verkauf der geschuldeten Sache bei Gläubigerverzug (Art. 92 Abs. 2 und 93 Abs. 2 OR),
4.
Ermächtigung zur Ersatzvornahme (Art. 98 OR),
5.
Ansetzung einer Frist zur Vertragserfüllung (Art. 107 Abs. 194 OR),
6.
Hinterlegung eines streitigen Betrages (Art. 168 Abs. 1 OR);
b.
Einzelne Vertragsverhältnisse:
1.
Bezeichnung einer sachverständigen Person zur Nachprüfung des Geschäftsergebnisses oder der Provisionsabrechnung (Art. 322a Abs. 2 und 322c Abs. 2 OR),
2.
Ansetzung einer Frist zur Sicherheitsleistung bei Lohngefährdung (Art. 337a OR),
3.
Ansetzung einer Frist bei vertragswidriger Ausführung eines Werkes (Art. 366 Abs. 2 OR),
4.
Bezeichnung einer sachverständigen Person zur Prüfung eines Werkes (Art. 367 OR),
5.
Ansetzung einer Frist zur Herstellung der neuen Auflage eines litera­ri­schen oder künstlerischen Werkes (Art. 383 Abs. 3 OR),
6.
Herausgabe der beim Sequester hinterlegten Sache (Art. 480 OR),
7.
Beurteilung der Pfanddeckung bei Solidarbürgschaft (Art. 496 Abs. 2 OR),
8.
Einstellung der Betreibung gegen den Bürgen bei Leistung von Real­­sicherheit (Art. 501 Abs. 2 OR),
9.
Sicherstellung durch den Hauptschuldner und Befreiung von der Bürg­schaft (Art. 506 OR);
c.
Gesellschaftsrecht und Handelsregister:95
1.
vorläufiger Entzug der Vertretungsbefugnis (Art. 565 Abs. 2, 603 und 767 Abs. 1 OR),
2.
Bezeichnung der gemeinsamen Vertretung (Art. 690 Abs. 1, 764 Abs. 2, 792 Ziff. 1 und 847 Abs. 4 OR),
3.
Bestimmung, Abberufung und Ersetzung von Liquidatoren (Art. 583 Abs. 2, 619, 740, 741, 770, 826 Abs. 2 und 913 OR),
4.
Verkauf zu einem Gesamtübernahmepreis und Art der Veräusserung von Grundstücken (Art. 585 Abs. 3 und 619 OR),
5.
Bezeichnung der sachverständigen Person zur Prüfung der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz der Kommanditgesellschaft (Art. 600 Abs. 3 OR),
6.96
Ansetzung einer Frist bei ungenügender Anzahl von Mitgliedern oder bei Fehlen von notwendigen Organen (Art. 731b, 819, 908 und 941a OR),
7.97
Anordnung der Auskunftserteilung an Aktionäre und Gläubiger einer Aktiengesellschaft, an Mitglieder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und an Genossenschafter (Art. 697 Abs. 4, 802 Abs. 4, 857 Abs. 3 und 958e OR),
8.
Sonderprüfung bei der Aktiengesellschaft (Art. 697a–697g OR),
9.
Einberufung der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft, Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes und Einberufung der Gesellschafterversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Art. 699 Abs. 4, 805 Abs. 5 Ziff. 2 und 881 Abs. 3 OR),
10.
Bezeichnung einer Vertretung der Gesellschaft oder der Genossenschaft bei Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen durch die Ver­waltung (Art. 706a Abs. 2, 808c und 891 Abs. 1 OR),
11.
Ernennung und Abberufung der Revisionsstelle (Art. 731b OR),
12.
Hinterlegung von Forderungsbeiträgen bei der Liquidation (Art. 744, 770, 826 Abs. 2 und 913 OR),
13.98
Abberufung der Verwaltung und der Revisionsstelle der Genossen­schaft (Art. 890 Abs. 2 OR),
14.99
Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit ins Handelsregister (Art. 935 OR);
d.
Wertpapierrecht:
1.
Kraftloserklärung von Wertpapieren (Art. 981 OR),
2.
Verbot der Bezahlung eines Wechsels und Hinterlegung des Wechselbe­trages (Art. 1072 OR),
3.
Erlöschen einer Vollmacht, welche die Gläubigerversammlung bei Anleihensobligationen einer Vertretung erteilt hat (Art. 1162 Abs. 4 OR),
4.
Einberufung einer Gläubigerversammlung auf Gesuch der Anleihensgläu­biger (Art. 1165 Abs. 3 und 4 OR).

93 SR 220

94 Berichtigt von der Redaktionskommission der BVers (Art. 58 Abs. 1 ParlG – SR 171.10).

95 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 957; BBl 2015 3617).

96 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

97 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

98 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

99 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 957; BBl 2015 3617).

Art. 251 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs

Das summarische Verfahren gilt insbesondere für folgende Angelegenheiten:

a.
Entscheide, die vom Rechtsöffnungs-, Konkurs-, Arrest- und Nachlass­ge­richt getroffen werden;
b.
Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlages (Art. 77 Abs. 3 SchKG100) und des Rechtsvorschlages in der Wechselbetreibung (Art. 181 SchKG);
c.
Aufhebung oder Einstellung der Betreibung (Art. 85 SchKG);
d.
Entscheid über das Vorliegen neuen Vermögens (Art. 265a Abs. 1–3 SchKG);
e.
Anordnung der Gütertrennung (Art. 68b SchKG).
Art. 251a101 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht

Das summarische Verfahren gilt insbesondere für folgende Angelegenheiten:

a.
Ernennung und Ersetzung von Mitgliedern des Schiedsgerichts (Art. 179 Abs. 2–5 IPRG102);
b.
Ablehnung und Abberufung eines Mitglieds des Schiedsgerichts (Art. 180a Abs. 2 und Art. 180b Abs. 2 IPRG);
c.
Mitwirkung des staatlichen Gerichts bei der Umsetzung vorsorglicher Massnahmen (Art. 183 Abs. 2 IPRG) und bei der Beweisabnahme (Art. 184 Abs. 2 IPRG);
d.
sonstige Mitwirkung des staatlichen Gerichts im Schiedsverfahren (Art. 185 IPRG);
e.
Mitwirkung des staatlichen Gerichts bei ausländischen Schiedsverfahren (Art. 185a IPRG);
f.
Hinterlegung des Schiedsentscheids und Ausstellung einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung (Art. 193 IPRG);
g.
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide (Art. 194 IPRG).

101 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

102 SR 291

2. Kapitel: Verfahren und Entscheid

Art. 252 Gesuch

1 Das Verfahren wird durch ein Gesuch eingeleitet.

2 Das Gesuch ist in den Formen nach Artikel 130 zu stellen; in einfachen oder drin­genden Fällen kann es mündlich beim Gericht zu Protokoll gegeben werden.

Art. 253 Stellungnahme

Erscheint das Gesuch nicht offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegrün­det, so gibt das Gericht der Gegenpartei Gelegenheit, mündlich oder schriftlich Stellung zu nehmen.

Art. 254 Beweismittel

1 Beweis ist durch Urkunden zu erbringen.

2 Andere Beweismittel sind nur zulässig, wenn:

a.
sie das Verfahren nicht wesentlich verzögern;
b.
es der Verfahrenszweck erfordert; oder
c.
das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat.
Art. 255 Untersuchungsgrundsatz

Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest:

a.
wenn es als Konkurs- oder Nachlassgericht zu entscheiden hat;
b.
bei Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Art. 256 Entscheid

1 Das Gericht kann auf die Durchführung einer Verhandlung verzichten und auf­grund der Akten entscheiden, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

2 Erweist sich eine Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Nachhinein als unrichtig, so kann sie von Amtes wegen oder auf Antrag aufgehoben oder abgeän­dert werden, es sei denn, das Gesetz oder die Rechtssicherheit ständen entgegen.

3. Kapitel: Rechtsschutz in klaren Fällen

Art. 257

1 Das Gericht gewährt Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn:

a.
der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar ist; und
b.
die Rechtslage klar ist.

2 Ausgeschlossen ist dieser Rechtsschutz, wenn die Angelegenheit dem Offizial­grundsatz unterliegt.

3 Kann dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden, so tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein.

4. Kapitel: Gerichtliches Verbot

Art. 258 Grundsatz

1 Wer an einem Grundstück dinglich berechtigt ist, kann beim Gericht beantragen, dass jede Besitzesstörung zu unterlassen ist und eine Widerhandlung auf Antrag mit einer Busse bis zu 2000 Franken bestraft wird. Das Verbot kann befristet oder unbe­fristet sein.

2 Die gesuchstellende Person hat ihr dingliches Recht mit Urkunden zu beweisen und eine bestehende oder drohende Störung glaubhaft zu machen.

Art. 259 Bekanntmachung

Das Verbot ist öffentlich bekannt zu machen und auf dem Grundstück an gut sicht­barer Stelle anzubringen.

Art. 260 Einsprache

1 Wer das Verbot nicht anerkennen will, hat innert 30 Tagen seit dessen Bekannt­machung und Anbringung auf dem Grundstück beim Gericht Einsprache zu erheben. Die Einsprache bedarf keiner Begründung.

2 Die Einsprache macht das Verbot gegenüber der einsprechenden Person unwirk­sam. Zur Durchsetzung des Verbotes ist beim Gericht Klage einzureichen.

5. Kapitel: Vorsorgliche Massnahmen und Schutzschrift

1. Abschnitt: Vorsorgliche Massnahmen

Art. 261 Grundsatz

1 Das Gericht trifft die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuch­stellende Partei glaubhaft macht, dass:

a.
ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist; und
b.
ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.

2 Leistet die Gegenpartei angemessene Sicherheit, so kann das Gericht von vorsorg­lichen Massnahmen absehen.

Art. 262 Inhalt

Eine vorsorgliche Massnahme kann jede gerichtliche Anordnung sein, die geeignet ist, den drohenden Nachteil abzuwenden, insbesondere:

a.
ein Verbot;
b.
eine Anordnung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands;
c.
eine Anweisung an eine Registerbehörde oder eine dritte Person;
d.
eine Sachleistung;
e.
die Leistung einer Geldzahlung in den vom Gesetz bestimmten Fällen.
Art. 263 Massnahmen vor Rechtshängigkeit

Ist die Klage in der Hauptsache noch nicht rechtshängig, so setzt das Gericht der gesuchstellenden Partei eine Frist zur Einreichung der Klage, mit der Androhung, die angeordnete Massnahme falle bei ungenutztem Ablauf der Frist ohne Weiteres dahin.

Art. 264 Sicherheitsleistung und Schadenersatz

1 Ist ein Schaden für die Gegenpartei zu befürchten, so kann das Gericht die Anord­nung vorsorglicher Massnahmen von der Leistung einer Sicherheit durch die gesuchstellende Partei abhängig machen.

2 Die gesuchstellende Partei haftet für den aus einer ungerechtfertigten vorsorglichen Massnahme erwachsenen Schaden. Beweist sie jedoch, dass sie ihr Gesuch in guten Treuen gestellt hat, so kann das Gericht die Ersatzpflicht herabsetzen oder gänzlich von ihr entbinden.

3 Eine geleistete Sicherheit ist freizugeben, wenn feststeht, dass keine Schaden­ersatzklage erhoben wird; bei Ungewissheit setzt das Gericht eine Frist zur Klage.

Art. 265 Superprovisorische Massnahmen

1 Bei besonderer Dringlichkeit, insbesondere bei Vereitelungsgefahr, kann das Gericht die vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen.

2 Mit der Anordnung lädt das Gericht die Parteien zu einer Verhandlung vor, die unverzüglich stattzufinden hat, oder setzt der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme. Nach Anhörung der Gegenpartei entscheidet das Gericht unverzüg­lich über das Gesuch.

3 Das Gericht kann die gesuchstellende Partei von Amtes wegen zu einer vorgän­gigen Sicherheitsleistung verpflichten.

Art. 266 Massnahmen gegen Medien

Gegen periodisch erscheinende Medien darf das Gericht eine vorsorgliche Mass­nahme nur anordnen, wenn:

a.
die drohende Rechtsverletzung der gesuchstellenden Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann;
b.
offensichtlich kein Rechtfertigungsgrund vorliegt; und
c.
die Massnahme nicht unverhältnismässig erscheint.
Art. 267 Vollstreckung

Das Gericht, das die vorsorgliche Massnahme anordnet, trifft auch die erforderlichen Vollstreckungsmassnahmen.

Art. 268 Änderung und Aufhebung

1 Haben sich die Umstände geändert oder erweisen sich vorsorgliche Massnahmen nachträglich als ungerechtfertigt, so können sie geändert oder aufgehoben werden.

2 Mit Rechtskraft des Entscheides in der Hauptsache fallen die Massnahmen von Gesetzes wegen dahin. Das Gericht kann die Weitergeltung anordnen, wenn es der Vollstreckung dient oder das Gesetz dies vorsieht.

Art. 269 Vorbehalt

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen:

a.
des SchKG103 über sichernde Massnahmen bei der Vollstreckung von Geldfor­derungen;
b.
des ZGB104 über die erbrechtlichen Sicherungsmassregeln;
c.
des Patentgesetzes vom 25. Juni 1954105 über die Klage auf Lizenzerteilung.

2. Abschnitt: Schutzschrift

Art. 270

1 Wer Grund zur Annahme hat, dass gegen ihn ohne vorgängige Anhörung die Anordnung einer superprovisorischen Massnahme, eines Arrests nach den Arti­keln 271–281 SchKG106 oder einer anderen Massnahme beantragt wird, kann seinen Standpunkt vorsorglich in einer Schutzschrift darlegen.107

2 Die Schutzschrift wird der Gegenpartei nur mitgeteilt, wenn diese das entspre­chende Verfahren einleitet.

3 Die Schutzschrift ist sechs Monate nach Einreichung nicht mehr zu beachten.

106 SR 281.1

107 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 1 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777).

6. Titel: Besondere eherechtliche Verfahren

1. Kapitel: Angelegenheiten des summarischen Verfahrens

Art. 271 Geltungsbereich

Das summarische Verfahren ist unter Vorbehalt der Artikel 272 und 273 anwendbar für Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft, insbesondere für:

a.
die Massnahmen nach den Artikeln 172–179 ZGB108;
b.
die Ausdehnung der Vertretungsbefugnis eines Ehegatten für die eheliche Gemeinschaft (Art. 166 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB);
c.
die Ermächtigung eines Ehegatten zur Verfügung über die Wohnung der Fami­lie (Art. 169 Abs. 2 ZGB);
d.
die Auskunftspflicht der Ehegatten über Einkommen, Vermögen und Schul­den (Art. 170 Abs. 2 ZGB);
e.
die Anordnung der Gütertrennung und Wiederherstellung des früheren Güterstands (Art. 185, 187 Abs. 2, 189 und 191 ZGB);
f.
die Verpflichtung eines Ehegatten zur Mitwirkung bei der Aufnahme eines Inventars (Art. 195a ZGB);
g.
die Festsetzung von Zahlungsfristen und Sicherheitsleistungen zwischen Ehegatten ausserhalb eines Prozesses über die güterrechtliche Auseinander­setzung (Art. 203 Abs. 2, 218, 235 Abs. 2 und 250 Abs. 2 ZGB);
h.
die Zustimmung eines Ehegatten zur Ausschlagung oder zur Annahme einer Erbschaft (Art. 230 Abs. 2 ZGB);
i.
die Anweisung an die Schuldner und die Sicherstellung nachehelichen Unterhalts ausserhalb eines Prozesses über den nachehelichen Unterhalt (Art. 132 ZGB).

108 SR 210

Art. 273 Verfahren

1 Das Gericht führt eine mündliche Verhandlung durch. Es kann nur darauf verzich­ten, wenn der Sachverhalt aufgrund der Eingaben der Parteien klar oder unbestritten ist.

2 Die Parteien müssen persönlich erscheinen, sofern das Gericht sie nicht wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen dispensiert.

3 Das Gericht versucht, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen.

2. Kapitel: Scheidungsverfahren

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 274 Einleitung

Das Scheidungsverfahren wird durch Einreichung eines gemeinsamen Scheidungs­begehrens oder einer Scheidungsklage eingeleitet.

Art. 276 Vorsorgliche Massnahmen

1 Das Gericht trifft die nötigen vorsorglichen Massnahmen. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwend­bar.

2 Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, dauern weiter. Für die Aufhebung oder die Änderung ist das Scheidungsgericht zuständig.

3 Das Gericht kann vorsorgliche Massnahmen auch dann anordnen, wenn die Ehe aufgelöst ist, das Verfahren über die Scheidungsfolgen aber andauert.

Art. 277 Feststellung des Sachverhalts

1 Für die güterrechtliche Auseinandersetzung und den nachehelichen Unterhalt gilt der Verhandlungsgrundsatz.

2 Stellt das Gericht fest, dass für die Beurteilung von vermögensrechtlichen Schei­dungsfolgen notwendige Urkunden fehlen, so fordert es die Parteien auf, diese nachzureichen.

3 Im Übrigen stellt das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest.

Art. 278 Persönliches Erscheinen

Die Parteien müssen persönlich zu den Verhandlungen erscheinen, sofern das Gericht sie nicht wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen dispen­siert.

Art. 279 Genehmigung der Vereinbarung

1 Das Gericht genehmigt die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Ehegatten sie aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung geschlossen haben und sie klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen ist; vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die berufliche Vor­sorge.

2 Die Vereinbarung ist erst rechtsgültig, wenn das Gericht sie genehmigt hat. Sie ist in das Dispositiv des Entscheids aufzunehmen.

Art. 280 Vereinbarung über die berufliche Vorsorge

1 Das Gericht genehmigt eine Vereinbarung über den Ausgleich der Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, wenn:109

a.110
die Ehegatten sich über den Ausgleich und dessen Durchführung geeinigt haben;
b.111
die Ehegatten eine Bestätigung der beteiligten Einrichtungen der beruflichen Vorsorge über die Durchführbarkeit der getroffenen Regelung und die Höhe der Guthaben oder der Renten vorlegen; und
c.
das Gericht sich davon überzeugt hat, dass die Vereinbarung dem Gesetz ent­spricht.

2 Das Gericht teilt den beteiligten Einrichtungen den rechtskräftigen Entscheid bezüglich der sie betreffenden Punkte unter Einschluss der nötigen Angaben für die Überweisung des vereinbarten Betrages mit. Der Entscheid ist für die Einrichtungen verbindlich.

3 Weichen die Ehegatten in einer Vereinbarung von der hälftigen Teilung ab oder verzichten sie darin auf den Vorsorgeausgleich, so prüft das Gericht von Amtes wegen, ob eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge gewährleistet bleibt.112

109 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

110 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

111 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

112 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

Art. 281 Fehlende Einigung über den Vorsorgeausgleich113

1 Kommt keine Vereinbarung zustande, stehen jedoch die massgeblichen Guthaben und Renten fest, so entscheidet das Gericht nach den Vorschriften des ZGB114 und des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993115 (FZG) über das Teilungsverhältnis (Art. 122–124e ZGB in Verbindung mit den Art. 22–22f FZG), legt den zu überweisenden Betrag fest und holt bei den beteiligten Einrichtungen der beruf­lichen Vorsorge unter Ansetzung einer Frist die Bestätigung über die Durchführ­barkeit der in Aussicht genommenen Regelung ein.116

2 Artikel 280 Absatz 2 gilt sinngemäss.

3 In den übrigen Fällen, in denen keine Vereinbarung zustande kommt, überweist das Gericht bei Rechtskraft des Entscheides über das Teilungsverhältnis die Streit­sache von Amtes wegen dem nach dem FZG zuständigen Gericht und teilt diesem insbesondere mit:117

a.
den Entscheid über das Teilungsverhältnis;
b.
das Datum der Eheschliessung und das Datum der Ehescheidung;
c.118
die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, bei denen den Ehegatten voraus­sichtlich Guthaben zustehen, und die Höhe dieser Guthaben;
d.119
die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, die den Ehegatten Renten ausrichten, die Höhe dieser Renten und die zugesprochenen Rentenanteile.

113 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

114 SR 210

115 SR 831.42

116 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

117 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

118 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

119 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

Art. 282 Unterhaltsbeiträge

1 Werden durch Vereinbarung oder Entscheid Unterhaltsbeiträge festgelegt, so ist anzugeben:

a.
von welchem Einkommen und Vermögen jedes Ehegatten ausgegangen wird;
b.
wie viel für den Ehegatten und wie viel für jedes Kind bestimmt ist;
c.
welcher Betrag zur Deckung des gebührenden Unterhalts des berechtigten Ehegatten fehlt, wenn eine nachträgliche Erhöhung der Rente vorbehalten wird;
d.
ob und in welchem Ausmass die Rente den Veränderungen der Lebenskos­ten angepasst wird.

2 Wird der Unterhaltsbeitrag für den Ehegatten angefochten, so kann die Rechtsmit­telinstanz auch die nicht angefochtenen Unterhaltsbeiträge für die Kinder neu beur­teilen.

Art. 283 Einheit des Entscheids

1 Das Gericht befindet im Entscheid über die Ehescheidung auch über deren Folgen.

2 Die güterrechtliche Auseinandersetzung kann aus wichtigen Gründen in ein sepa­rates Verfahren verwiesen werden.

3 Der Ausgleich von Ansprüchen aus der beruflichen Vorsorge kann gesamthaft in ein separates Verfahren verwiesen werden, wenn Vorsorgeansprüche im Ausland betroffen sind und über deren Ausgleich eine Entscheidung im betreffenden Staat erwirkt werden kann. Das Gericht kann das separate Verfahren aussetzen, bis die ausländische Entscheidung vorliegt; es kann bereits das Teilungsverhältnis festlegen.120

120 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

Art. 284 Änderung rechtskräftig entschiedener Scheidungsfolgen

1 Die Voraussetzungen und die sachliche Zuständigkeit für eine Änderung des Entscheids richten sich nach den Artikeln 124e Absatz 2, 129 und 134 ZGB121.122

2 Nicht streitige Änderungen können die Parteien in einfacher Schriftlichkeit verein­baren; vorbehalten bleiben die Bestimmungen des ZGB betreffend Kinderbelange (Art. 134 Abs. 3 ZGB).

3 Für streitige Änderungsverfahren gelten die Vorschriften über die Scheidungsklage sinngemäss.

121 SR 210

122 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

2. Abschnitt: Scheidung auf gemeinsames Begehren

Art. 285 Eingabe bei umfassender Einigung

Die gemeinsame Eingabe der Ehegatten enthält:

a.
die Namen und Adressen der Ehegatten sowie die Bezeichnung allfälliger Vertreterinnen und Vertreter;
b.
das gemeinsame Scheidungsbegehren;
c.
die vollständige Vereinbarung über die Scheidungsfolgen;
d.
die gemeinsamen Anträge hinsichtlich der Kinder;
e.
die erforderlichen Belege;
f.
das Datum und die Unterschriften.
Art. 286 Eingabe bei Teileinigung

1 In der Eingabe haben die Ehegatten zu beantragen, dass das Gericht die Schei­dungsfolgen beurteilt, über die sie sich nicht einig sind.

2 Jeder Ehegatte kann begründete Anträge zu den streitigen Scheidungsfolgen stel­len.

3 Im Übrigen gilt Artikel 285 sinngemäss.

Art. 288 Fortsetzung des Verfahrens und Entscheid

1 Sind die Voraussetzungen für eine Scheidung auf gemeinsames Begehren erfüllt, so spricht das Gericht die Scheidung aus und genehmigt die Vereinbarung.

2 Sind Scheidungsfolgen streitig geblieben, so wird das Verfahren in Bezug auf diese kontradiktorisch fortgesetzt.125 Das Gericht kann die Parteirollen verteilen.

3 Sind die Voraussetzungen für eine Scheidung auf gemeinsames Begehren nicht erfüllt, so weist das Gericht das gemeinsame Scheidungsbegehren ab und setzt gleichzeitig jedem Ehegatten eine Frist zur Einreichung einer Scheidungsklage.126 Das Verfahren bleibt während dieser Frist rechtshängig und allfällige vorsorgliche Massnahmen gelten weiter.

125 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2009 (Bedenkzeit im Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 281 1861; BBl 2008 1959 1975).

126 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2009 (Bedenkzeit im Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 281 1861; BBl 2008 1959 1975).

3. Abschnitt: Scheidungsklage

Art. 290 Einreichung der Klage

Die Scheidungsklage kann ohne schriftliche Begründung eingereicht werden. Sie enthält:

a.
Namen und Adressen der Ehegatten sowie die Bezeichnung allfälliger Vertrete­rinnen und Vertreter;
b.
das Rechtsbegehren, die Ehe sei zu scheiden sowie die Bezeichnung des Schei­dungsgrunds (Art. 114 oder 115 ZGB127);
c.
die Rechtsbegehren hinsichtlich der vermögensrechtlichen Scheidungsfol­gen;
d.
die Rechtsbegehren hinsichtlich der Kinder;
e.
die erforderlichen Belege;
f.
das Datum und die Unterschriften.

127 SR 210

Art. 291 Einigungsverhandlung

1 Das Gericht lädt die Ehegatten zu einer Verhandlung vor und klärt ab, ob der Scheidungsgrund gegeben ist.

2 Steht der Scheidungsgrund fest, so versucht das Gericht zwischen den Ehegatten eine Einigung über die Scheidungsfolgen herbeizuführen.

3 Steht der Scheidungsgrund nicht fest oder kommt keine Einigung zustande, so setzt das Gericht der klagenden Partei Frist, eine schriftliche Klagebegründung nach­zureichen. Bei Nichteinhalten der Frist wird die Klage als gegenstandslos abge­schrieben.

Art. 292 Wechsel zur Scheidung auf gemeinsames Begehren

1 Das Verfahren wird nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt, wenn die Ehegatten:

a.
bei Eintritt der Rechtshängigkeit noch nicht seit mindestens zwei Jahren getrennt gelebt haben; und
b.
mit der Scheidung einverstanden sind.

2 Steht der geltend gemachte Scheidungsgrund fest, so findet kein Wechsel zur Scheidung auf gemeinsames Begehren statt.

Art. 293 Klageänderung

Die Scheidungsklage kann bis zum Beginn der Urteilsberatung in eine Trennungs­klage umgewandelt werden.

4. Abschnitt: Eheungültigkeits- und Ehetrennungsklagen

Art. 294

1 Das Verfahren bei Eheungültigkeits- und Ehetrennungsklagen richtet sich sinnge­mäss nach den Vorschriften über die Scheidungsklage.

2 Eine Trennungsklage kann bis zum Beginn der Urteilsberatung in eine Schei­dungsklage umgewandelt werden.

7. Titel: Kinderbelange in familienrechtlichen Angelegenheiten

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 296 Untersuchungs- und Offizialgrundsatz

1 Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amtes wegen.

2 Zur Aufklärung der Abstammung haben Parteien und Dritte an Untersuchungen mitzuwirken, die nötig und ohne Gefahr für die Gesundheit sind. Die Bestimmungen über die Verweigerungsrechte der Parteien und von Dritten sind nicht anwendbar.

3 Das Gericht entscheidet ohne Bindung an die Parteianträge.

Art. 298 Anhörung des Kindes

1 Das Kind wird durch das Gericht oder durch eine beauftragte Drittperson in geeig­neter Weise persönlich angehört, sofern sein Alter oder andere wichtige Gründe nicht dagegen sprechen.

2 Im Protokoll der Anhörung werden nur die für den Entscheid wesentlichen Ergeb­nisse festgehalten. Die Eltern und die Beiständin oder der Beistand werden über diese Ergebnisse informiert.

3 Das urteilsfähige Kind kann die Verweigerung der Anhörung mit Beschwerde anfechten.

Art. 299 Anordnung einer Vertretung des Kindes

1 Das Gericht ordnet wenn nötig die Vertretung des Kindes an und bezeichnet als Beiständin oder Beistand eine in fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person.

2 Es prüft die Anordnung der Vertretung insbesondere, wenn:

a.128
die Eltern unterschiedliche Anträge stellen bezüglich:
1.
der Zuteilung der elterlichen Sorge,
2.
der Zuteilung der Obhut,
3.
wichtiger Fragen des persönlichen Verkehrs,
4.
der Aufteilung der Betreuung,
5.
des Unterhaltsbeitrages;
b.129
die Kindesschutzbehörde oder ein Elternteil eine Vertretung beantragen;
c.
es aufgrund der Anhörung der Eltern oder des Kindes oder aus anderen Gründen:130
1.131
erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der gemeinsamen Anträge der Eltern bezüglich der Fragen nach Buchstabe a hat, oder
2.
den Erlass von Kindesschutzmassnahmen erwägt.

3 Stellt das urteilsfähige Kind Antrag auf eine Vertretung, so ist diese anzuordnen. Das Kind kann die Nichtanordnung mit Beschwerde anfechten.

128 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

129 Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. 3, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221; AS 2011 725; BBl 2006 7001).

130 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

131 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 300132 Kompetenzen der Vertretung

Die Vertretung des Kindes kann Anträge stellen und Rechtsmittel ein­legen, soweit es um folgende Angelegenheiten geht:

a.
die Zuteilung der elterlichen Sorge;
b.
die Zuteilung der Obhut;
c.
wichtige Fragen des persönlichen Verkehrs;
d.
die Aufteilung der Betreuung;
e.
den Unterhaltsbeitrag;
f.
die Kindesschutzmassnahmen.

132 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 301 Eröffnung des Entscheides

Ein Entscheid wird eröffnet:

a.
den Eltern;
b.
dem Kind, welches das 14. Altersjahr vollendet hat;
c.133
gegebenenfalls der Beiständin oder dem Beistand, soweit es um eine der folgenden Fragen geht:
1.
die Zuteilung der elterlichen Sorge,
2.
die Zuteilung der Obhut,
3.
wichtige Fragen des persönlichen Verkehrs,
4.
die Aufteilung der Betreuung,
5.
den Unterhaltsbeitrag,
6.
die Kindesschutzmassnahmen.

133 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 301a134 Unterhaltsbeiträge

Werden im Unterhaltsvertrag oder im Entscheid Unterhaltsbeiträge festgelegt, so ist darin anzugeben:

a.
von welchem Einkommen und Vermögen jedes Elternteils und jedes Kindes ausgegangen wird;
b.
welcher Betrag für jedes Kind bestimmt ist;
c.
welcher Betrag zur Deckung des gebührenden Unterhalts jedes Kindes fehlt;
d.
ob und in welchem Ausmass die Unterhaltsbeiträge den Veränderungen der Lebenskosten angepasst werden.

134 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

2. Kapitel: Summarisches Verfahren: Geltungsbereich135

135 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 302136

1 Das summarische Verfahren ist insbesondere anwendbar für:

a.
Entscheide nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980137 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und nach dem Europäischen Übereinkommen vom 20. Mai 1980138 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts;
b.
die Leistung eines besonderen Beitrags bei nicht vorgesehenen ausserordentli­chen Bedürfnissen des Kindes (Art. 286 Abs. 3 ZGB139);
c.
die Anweisung an die Schuldner und die Sicherstellung des Kinderunterhalts ausserhalb eines Prozesses über die Unterhaltspflicht der Eltern (Art. 291 und 292 ZGB).

2 Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 2007140 über internatio­nale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen sind vorbehalten.

136 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), mit Wirkung seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

137 SR 0.211.230.02

138 SR 0.211.230.01

139 SR 210

140 SR 211.222.32

3. Kapitel: Unterhalts- und Vaterschaftsklage141

141 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 303 Vorsorgliche Massnahmen

1 Steht das Kindesverhältnis fest, so kann der Beklagte verpflichtet werden, ange­messene Beiträge an den Unterhalt des Kindes zu hinterlegen oder vorläufig zu zahlen.

2 Ist die Unterhaltsklage zusammen mit der Vaterschaftsklage eingereicht worden, so hat der Beklagte auf Gesuch der klagenden Partei:

a.
die Entbindungskosten und angemessene Beiträge an den Unterhalt von Mut­ter und Kind zu hinterlegen, wenn die Vaterschaft glaubhaft gemacht ist;
b.
angemessene Beiträge an den Unterhalt des Kindes zu zahlen, wenn die Vaterschaft zu vermuten ist und die Vermutung durch die sofort verfügbaren Beweismittel nicht umgestossen wird.
Art. 304 Zuständigkeit

1 Über die Hinterlegung, die vorläufige Zahlung, die Auszahlung hinterlegter Beiträge und die Rückerstattung vorläufiger Zahlungen entscheidet das für die Beurteilung der Klage zuständige Gericht.

2 Im Fall einer Unterhaltsklage entscheidet das Gericht auch über die elterliche Sorge sowie die weiteren Kinderbelange.142

142 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

8. Titel: Verfahren bei eingetragener Partnerschaft

1. Kapitel: Angelegenheiten des summarischen Verfahrens

Art. 305 Geltungsbereich

Das summarische Verfahren ist insbesondere anwendbar für:143

a.
die Festsetzung von Geldbeiträgen an den Unterhalt und Anweisung an die Schuldnerin oder den Schuldner (Art. 13 Abs. 2 und 3 des Partnerschafts­gesetzes vom 18. Juni 2004144, PartG);
b.
die Ermächtigung einer Partnerin oder eines Partners zur Verfügung über die gemeinsame Wohnung (Art. 14 Abs. 2 PartG);
c.
die Ausdehnung oder den Entzug der Vertretungsbefugnis einer Partnerin oder eines Partners für die Gemeinschaft (Art. 15 Abs. 2 Bst. a und 4 PartG);
d.
die Auskunftspflicht der Partnerin oder des Partners über Einkommen, Vermö­gen und Schulden (Art. 16 Abs. 2 PartG);
e.
die Festlegung, Anpassung oder Aufhebung der Geldbeiträge und die Rege­lung der Benützung der Wohnung und des Hausrats (Art. 17 Abs. 2 und 4 PartG);
f.
die Verpflichtung einer Partnerin oder eines Partners zur Mitwirkung bei der Aufnahme eines Inventars (Art. 20 Abs. 1 PartG);
g.
die Beschränkung der Verfügungsbefugnis einer Partnerin oder eines Part­ners über bestimmte Vermögenswerte (Art. 22 Abs. 1 PartG);
h.
die Einräumung von Fristen zur Begleichung von Schulden zwischen den Partnerinnen oder Partnern (Art. 23 Abs. 1 PartG).

143 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

144 SR 211.231

2. Kapitel: Auflösung und Ungültigkeit der eingetragenen Partnerschaft


Art. 307

Für das Verfahren zur Auflösung und zur Ungültigerklärung der eingetragenen Partnerschaft gelten die Bestimmungen über das Scheidungsverfahren sinngemäss.

3. Kapitel:145 Kinderbelange in Verfahren bei eingetragener Partnerschaft

145 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 17. Juni 2016 (Adoption), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 3699; BBl 2015 877).


Art. 307a

Hat eine Person das minderjährige Kind ihrer eingetragenen Partnerin oder ihres eingetragenen Partners adoptiert, so gelten die Artikel 295–302 sinngemäss.

9. Titel: Rechtsmittel

1. Kapitel: Berufung

1. Abschnitt: Anfechtbare Entscheide und Berufungsgründe

Art. 308 Anfechtbare Entscheide

1 Mit Berufung sind anfechtbar:

a.
erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide;
b.
erstinstanzliche Entscheide über vorsorgliche Massnahmen.

2 In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens 10 000 Franken beträgt.

Art. 309 Ausnahmen

Die Berufung ist unzulässig:

a.
gegen Entscheide des Vollstreckungsgerichts;
b.
in den folgenden Angelegenheiten des SchKG146:
1.
Aufhebung des Rechtsstillstandes (Art. 57d SchKG),
2.
Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlages (Art. 77 SchKG),
3.
Rechtsöffnung (Art. 80–84 SchKG),
4.
Aufhebung oder Einstellung der Betreibung (Art. 85 SchKG),
5.
Bewilligung des Rechtsvorschlages in der Wechselbetreibung (Art. 185 SchKG),
6.147
Arrest (Art. 272 und 278 SchKG),
7.148
Entscheide, die nach SchKG in die Zuständigkeit des Konkurs- oder des Nachlassgerichts fallen.

146 SR 281.1

147 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 1 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777).

148 Eingefügt durch Art. 3 Ziff. 1 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777).

Art. 310 Berufungsgründe

Mit Berufung kann geltend gemacht werden:

a.
unrichtige Rechtsanwendung;
b.
unrichtige Feststellung des Sachverhaltes.

2. Abschnitt: Berufung, Berufungsantwort und Anschlussberufung

Art. 311 Einreichen der Berufung

1 Die Berufung ist bei der Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheides beziehungsweise seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung (Art. 239) schriftlich und begründet einzureichen.

2 Der angefochtene Entscheid ist beizulegen.

Art. 312 Berufungsantwort

1 Die Rechtsmittelinstanz stellt die Berufung der Gegenpartei zur schriftlichen Stellungnahme zu, es sei denn, die Berufung sei offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

2 Die Frist für die Berufungsantwort beträgt 30 Tage.

Art. 313 Anschlussberufung

1 Die Gegenpartei kann in der Berufungsantwort Anschlussberufung erheben.

2 Die Anschlussberufung fällt dahin, wenn:

a.
die Rechtsmittelinstanz nicht auf die Berufung eintritt;
b.
die Berufung als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird;
c.
die Berufung vor Beginn der Urteilsberatung zurückgezogen wird.
Art. 314 Summarisches Verfahren

1 Gegen einen im summarischen Verfahren ergangenen Entscheid beträgt die Frist zur Einreichung der Berufung und zur Berufungsantwort je zehn Tage.

2 Die Anschlussberufung ist unzulässig.

3. Abschnitt: Wirkungen und Verfahren der Berufung

Art. 315 Aufschiebende Wirkung

1 Die Berufung hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge.

2 Die Rechtsmittelinstanz kann die vorzeitige Vollstreckung bewilligen. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an.

3 Richtet sich die Berufung gegen einen Gestaltungsentscheid, so kann die aufschie­bende Wirkung nicht entzogen werden.

4 Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung gegen Entscheide über:

a.
das Gegendarstellungsrecht;
b.
vorsorgliche Massnahmen.

5 Die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen kann ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht.

Art. 317 Neue Tatsachen, neue Beweismittel und Klageänderung

1 Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie:

a.
ohne Verzug vorgebracht werden; und
b.
trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten.

2 Eine Klageänderung ist nur noch zulässig, wenn:

a.
die Voraussetzungen nach Artikel 227 Absatz 1 gegeben sind; und
b.149
sie auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln beruht.

149 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 25. Sept. 2015 (Gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 3643; BBl 2014 8669).

Art. 318 Entscheid

1 Die Rechtsmittelinstanz kann:

a.
den angefochtenen Entscheid bestätigen;
b.
neu entscheiden; oder
c.
die Sache an die erste Instanz zurückweisen, wenn:
1.
ein wesentlicher Teil der Klage nicht beurteilt wurde, oder
2.
der Sachverhalt in wesentlichen Teilen zu vervollständigen ist.

2 Die Rechtsmittelinstanz eröffnet ihren Entscheid mit einer schriftlichen Begrün­dung.

3 Trifft die Rechtsmittelinstanz einen neuen Entscheid, so entscheidet sie auch über die Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

2. Kapitel: Beschwerde

Art. 319 Anfechtungsobjekt

Mit Beschwerde sind anfechtbar:

a.
nicht berufungsfähige erstinstanzliche Endentscheide, Zwischenentscheide und Entscheide über vorsorgliche Massnahmen;
b.
andere erstinstanzliche Entscheide und prozessleitende Verfügungen:
1.
in den vom Gesetz bestimmten Fällen,
2.
wenn durch sie ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht;
c.
Fälle von Rechtsverzögerung.
Art. 320 Beschwerdegründe

Mit der Beschwerde kann geltend gemacht werden:

a.
unrichtige Rechtsanwendung;
b.
offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes.
Art. 321 Einreichen der Beschwerde

1 Die Beschwerde ist bei der Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit der Zustellung des begründeten Entscheides oder seit der nachträglichen Zustellung der Entscheid­begründung (Art. 239) schriftlich und begründet einzureichen.

2 Wird ein im summarischen Verfahren ergangener Entscheid oder eine prozess­leitende Verfügung angefochten, so beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.

3 Der angefochtene Entscheid oder die angefochtene prozessleitende Verfügung ist beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat.

4 Gegen Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde eingereicht werden.

Art. 322 Beschwerdeantwort

1 Die Rechtsmittelinstanz stellt der Gegenpartei die Beschwerde zur schriftlichen Stellungnahme zu, es sei denn, die Beschwerde sei offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

2 Für die Beschwerdeantwort gilt die gleiche Frist wie für die Beschwerde.

Art. 325 Aufschiebende Wirkung

1 Die Beschwerde hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochte­nen Entscheids nicht.

2 Die Rechtsmittelinstanz kann die Vollstreckung aufschieben. Nötigenfalls ordnet sie sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an.

Art. 327 Verfahren und Entscheid

1 Die Rechtsmittelinstanz verlangt bei der Vorinstanz die Akten.

2 Sie kann aufgrund der Akten entscheiden.

3 Soweit sie die Beschwerde gutheisst:

a.
hebt sie den Entscheid oder die prozessleitende Verfügung auf und weist die Sache an die Vorinstanz zurück; oder
b.
entscheidet sie neu, wenn die Sache spruchreif ist.

4 Wird die Beschwerde wegen Rechtsverzögerung gutgeheissen, so kann die Rechtsmittelinstanz der Vorinstanz eine Frist zur Behandlung der Sache setzen.

5 Die Rechtsmittelinstanz eröffnet ihren Entscheid mit einer schriftlichen Begrün­dung.

Art. 327a150 Vollstreckbarerklärung nach Lugano-Übereinkommen

1 Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid des Vollstreckungsgerichts nach den Artikeln 38–52 des Übereinkommens vom 30. Oktober 2007151 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen), so prüft die Rechtsmittelinstanz die im Lugano-Überein­kommen vorgesehenen Verweigerungsgründe mit voller Kognition.

2 Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Sichernde Massnahmen, insbeson­dere der Arrest nach Artikel 271 Absatz 1 Ziffer 6 SchKG152, sind vorbehalten.

3 Die Frist für die Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung richtet sich nach Artikel 43 Absatz 5 des Lugano-Übereinkommens.

150 Eingefügt durch Art. 3 Ziff. 1 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777).

151 SR 0.275.12

152 SR 281.1

3. Kapitel: Revision

Art. 328 Revisionsgründe

1 Eine Partei kann beim Gericht, welches als letzte Instanz in der Sache entschieden hat, die Revision des rechtskräftigen Entscheids verlangen, wenn:

a.
sie nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismit­tel findet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte; ausge­schlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind;
b.
ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Ver­ge­hen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Entscheid eingewirkt wurde; eine Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erforderlich; ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden;
c.
geltend gemacht wird, dass die Klageanerkennung, der Klagerückzug oder der gerichtliche Vergleich unwirksam ist.

2 Die Revision wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950153 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:

a.
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt wor­den sind;
b.
eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszuglei­chen; und
c.
die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
Art. 329 Revisionsgesuch und Revisionsfristen

1 Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes schriftlich und begründet einzureichen.

2 Nach Ablauf von zehn Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des Entscheids kann die Revision nicht mehr verlangt werden, ausser im Falle von Artikel 328 Absatz 1 Buchstabe b.

Art. 330 Stellungnahme der Gegenpartei

Das Gericht stellt das Revisionsgesuch der Gegenpartei zur Stellungnahme zu, es sei denn, das Gesuch sei offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

Art. 331 Aufschiebende Wirkung

1 Das Revisionsgesuch hemmt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des Ent­scheids nicht.

2 Das Gericht kann die Vollstreckung aufschieben. Nötigenfalls ordnet es sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit an.

Art. 333 Neuer Entscheid in der Sache

1 Heisst das Gericht das Revisionsgesuch gut, so hebt es seinen früheren Entscheid auf und entscheidet neu.

2 Im neuen Entscheid entscheidet es auch über die Kosten des früheren Verfahrens.

3 Es eröffnet seinen Entscheid mit einer schriftlichen Begründung.

4. Kapitel: Erläuterung und Berichtigung

Art. 334

1 Ist das Dispositiv unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt das Gericht auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheids vor. Im Gesuch sind die beanstandeten Stellen und die gewünschten Änderungen anzugeben.

2 Die Artikel 330 und 331 gelten sinngemäss. Bei der Berichtigung von Schreib- oder Rechnungsfehlern kann das Gericht auf eine Stellungnahme der Parteien ver­zichten.

3 Ein Entscheid über das Erläuterungs- oder Berichtigungsgesuch ist mit Beschwerde anfechtbar.

4 Der erläuterte oder berichtigte Entscheid wird den Parteien eröffnet.

10. Titel: Vollstreckung

1. Kapitel: Vollstreckung von Entscheiden

Art. 335 Geltungsbereich

1 Die Entscheide werden nach den Bestimmungen dieses Kapitels vollstreckt.

2 Lautet der Entscheid auf eine Geldzahlung oder eine Sicherheitsleistung, so wird er nach den Bestimmungen des SchKG154 vollstreckt.

3 Die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung ausländischer Ent­scheide richten sich nach diesem Kapitel, soweit weder ein Staatsvertrag noch das IPRG155 etwas anderes bestimmen.

Art. 336 Vollstreckbarkeit

1 Ein Entscheid ist vollstreckbar, wenn er:

a.
rechtskräftig ist und das Gericht die Vollstreckung nicht aufgeschoben hat (Art. 325 Abs. 2 und 331 Abs. 2); oder
b.
noch nicht rechtskräftig ist, jedoch die vorzeitige Vollstreckung bewilligt worden ist.

2 Auf Verlangen bescheinigt das Gericht, das den zu vollstreckenden Entscheid getroffen hat, die Vollstreckbarkeit.

Art. 337 Direkte Vollstreckung

1 Hat bereits das urteilende Gericht konkrete Vollstreckungsmassnahmen angeordnet (Art. 236 Abs. 3), so kann der Entscheid direkt vollstreckt werden.

2 Die unterlegene Partei kann beim Vollstreckungsgericht um Einstellung der Voll­streckung ersuchen; Artikel 341 gilt sinngemäss.

Art. 338 Vollstreckungsgesuch

1 Kann nicht direkt vollstreckt werden, so ist beim Vollstreckungsgericht ein Voll­streckungsgesuch einzureichen.

2 Die gesuchstellende Partei hat die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit darzule­gen und die erforderlichen Urkunden beizulegen.

Art. 339 Zuständigkeit und Verfahren

1 Zwingend zuständig für die Anordnung von Vollstreckungsmassnahmen und die Einstellung der Vollstreckung ist das Gericht:

a.
am Wohnsitz oder Sitz der unterlegenen Partei;
b.
am Ort, wo die Massnahmen zu treffen sind; oder
c.
am Ort, wo der zu vollstreckende Entscheid gefällt worden ist.

2 Das Gericht entscheidet im summarischen Verfahren.

Art. 340156 Sichernde Massnahmen

Das Vollstreckungsgericht kann sichernde Massnahmen anordnen, nötigenfalls ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei.

156 Fassung gemäss Art. 3 Ziff. 1 des BB vom 11. Dez. 2009 (Genehmigung und Umsetzung des Lugano-Übereink.), in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 5601; BBl 2009 1777).

Art. 341 Prüfung der Vollstreckbarkeit und Stellungnahme der unterlegenen Partei

1 Das Vollstreckungsgericht prüft die Vollstreckbarkeit von Amtes wegen.

2 Es setzt der unterlegenen Partei eine kurze Frist zur Stellungnahme.

3 Materiell kann die unterlegene Partei einwenden, dass seit Eröffnung des Ent­scheids Tatsachen eingetreten sind, welche der Vollstreckung entgegenstehen, wie insbesondere Tilgung, Stundung, Verjährung oder Verwirkung der geschuldeten Leistung. Tilgung und Stundung sind mit Urkunden zu beweisen.

Art. 343 Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden

1 Lautet der Entscheid auf eine Verpflichtung zu einem Tun, Unterlassen oder Dul­den, so kann das Vollstreckungsgericht anordnen:

a.
eine Strafdrohung nach Artikel 292 StGB157;
b.
eine Ordnungsbusse bis zu 5000 Franken;
c.
eine Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken für jeden Tag der Nichterfüllung;
d.
eine Zwangsmassnahme wie Wegnahme einer beweglichen Sache oder Räu­mung eines Grundstückes; oder
e.
eine Ersatzvornahme.

1bis Enthält der Entscheid ein Verbot nach Artikel 28b ZGB158, so kann das Voll­streckungsgericht auf Antrag der gesuchstellenden Person eine elektronische Über­wachung nach Arti­kel 28c ZGB anordnen.159

2 Die unterlegene Partei und Dritte haben die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Durchsuchungen zu dulden.

3 Die mit der Vollstreckung betraute Person kann die Hilfe der zuständigen Behörde in Anspruch nehmen.

157 SR 311.0

158 SR 210

159 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).

Art. 344 Abgabe einer Willenserklärung

1 Lautet der Entscheid auf Abgabe einer Willenserklärung, so wird die Erklärung durch den vollstreckbaren Entscheid ersetzt.

2 Betrifft die Erklärung ein öffentliches Register wie das Grundbuch und das Handelsregister, so erteilt das urteilende Gericht der registerführenden Person die nötigen Anweisungen.

Art. 345 Schadenersatz und Umwandlung in Geld

1 Die obsiegende Partei kann verlangen:

a.
Schadenersatz, wenn die unterlegene Partei den gerichtlichen Anordnungen nicht nachkommt;
b.
die Umwandlung der geschuldeten Leistung in eine Geldleistung.

2 Das Vollstreckungsgericht setzt den entsprechenden Betrag fest.

Art. 346 Rechtsmittel Dritter

Dritte, die von einem Vollstreckungsentscheid in ihren Rechten betroffen sind, können den Entscheid mit Beschwerde anfechten.

2. Kapitel: Vollstreckung öffentlicher Urkunden

Art. 347 Vollstreckbarkeit

Öffentliche Urkunden über Leistungen jeder Art können wie Entscheide vollstreckt werden, wenn:

a.
die verpflichtete Partei in der Urkunde ausdrücklich erklärt hat, dass sie die direkte Vollstreckung anerkennt;
b.
der Rechtsgrund der geschuldeten Leistung in der Urkunde erwähnt ist; und
c.
die geschuldete Leistung:
1.
in der Urkunde genügend bestimmt ist,
2.
in der Urkunde von der verpflichteten Partei anerkannt ist, und
3.
fällig ist.
Art. 348 Ausnahmen

Nicht direkt vollstreckbar sind Urkunden über Leistungen:

a.
nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995160;
b.
aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirt­schaftlicher Pacht;
c.
nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 1993161;
d.
aus dem Arbeitsverhältnis und nach dem Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 1989162;
e.
aus Konsumentenverträgen (Art. 32).
Art. 350 Urkunde über eine andere Leistung

1 Ist eine Urkunde über eine andere Leistung zu vollstrecken, so stellt die Urkunds­person der verpflichteten Partei auf Antrag der berechtigten Partei eine beglaubigte Kopie der Urkunde zu und setzt ihr für die Erfüllung eine Frist von 20 Tagen. Die berechtigte Partei erhält eine Kopie der Zustellung.

2 Nach unbenütztem Ablauf der Erfüllungsfrist kann die berechtigte Partei beim Vollstreckungsgericht ein Vollstreckungsgesuch stellen.

Art. 351 Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht

1 Die verpflichtete Partei kann Einwendungen gegen die Leistungspflicht nur geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.

2 Ist die Abgabe einer Willenserklärung geschuldet, so wird die Erklärung durch den Entscheid des Vollstreckungsgerichts ersetzt. Dieses trifft die erforderlichen Anwei­sungen nach Artikel 344 Absatz 2.

Art. 352 Gerichtliche Beurteilung

Die gerichtliche Beurteilung der geschuldeten Leistung bleibt in jedem Fall vorbe­halten. Insbesondere kann die verpflichtete Partei jederzeit auf Feststellung klagen, dass der Anspruch nicht oder nicht mehr besteht oder gestundet ist.

3. Teil: Schiedsgerichtsbarkeit

1. Titel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 353 Geltungsbereich

1 Die Bestimmungen dieses Teils gelten für Verfahren vor Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz, sofern nicht die Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG164 anwendbar sind.

2 Die Parteien können die Geltung dieses Teils durch eine Erklärung in der Schieds­vereinbarung oder in einer späteren Übereinkunft ausschliessen und die Anwendung der Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG vereinbaren. Die Erklärung bedarf der Form gemäss Artikel 358.165

164 SR 291

165 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

Art. 355 Sitz des Schiedsgerichtes

1 Der Sitz des Schiedsgerichtes wird von den Parteien oder von der durch sie beauf­tragten Stelle bestimmt. Erfolgt keine Sitzbestimmung, so bestimmt das Schieds­gericht seinen Sitz selbst.

2 Bestimmen weder die Parteien noch die von ihnen beauftragte Stelle noch das Schiedsgericht den Sitz, so ist dieser am Ort des staatlichen Gerichtes, das bei Feh­len einer Schiedsvereinbarung zur Beurteilung der Sache zuständig wäre.

3 Sind mehrere staatliche Gerichte zuständig, so hat das Schiedsgericht seinen Sitz am Ort des staatlichen Gerichtes, das als erstes in Anwendung von Artikel 356 angerufen wird.

4 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann das Schiedsgericht auch an jedem andern Ort verhandeln, Beweise abnehmen und beraten.

Art. 356 Zuständige staatliche Gerichte

1 Der Kanton, in dem sich der Sitz des Schiedsgerichts befindet, bezeichnet ein oberes Gericht, das zuständig ist für:

a.
Beschwerden und Revisionsgesuche;
b.
die Entgegennahme des Schiedsspruchs zur Hinterlegung und die Bescheini­gung der Vollstreckbarkeit.

2 Ein vom Sitzkanton bezeichnetes anderes oder anders zusammengesetztes Gericht ist als einzige Instanz zuständig für:

a.
die Ernennung, Ablehnung, Abberufung und Ersetzung der Schiedsrichte­rinnen und Schiedsrichter;
b.
die Verlängerung der Amtsdauer des Schiedsgerichts;
c.
die Unterstützung des Schiedsgerichts bei den Verfahrenshandlungen.

3 Mit Ausnahme von Absatz 1 Buchstabe a entscheidet das zuständige staatliche Gericht im summarischen Verfahren.166

166 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

2. Titel: Schiedsvereinbarung

2. Titel: Schiedsvereinbarung und Schiedsklausel167

167 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

Art. 357 Schiedsvereinbarung

1 Die Schiedsvereinbarung kann sich sowohl auf bestehende als auch auf künftige Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beziehen.

2 Gegen die Schiedsvereinbarung kann nicht eingewendet werden, der Hauptvertrag sei ungültig.

Art. 358 Form

1 Die Schiedsvereinbarung hat schriftlich oder in einer anderen Form zu erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht.

2 Für Schiedsklauseln, die in einseitigen Rechtsgeschäften oder in Statuten vorge­sehen sind, gelten die Bestimmungen dieses Teils sinngemäss.168

168 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

Art. 359 Bestreitung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts

1 Werden die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, ihr Inhalt, ihre Tragweite oder die richtige Konstituierung des Schiedsgerichts vor dem Schiedsgericht bestritten, so entscheidet dieses darüber mit Zwischenentscheid oder im Entscheid über die Hauptsache.

2 Die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts muss vor der Einlassung auf die Hauptsache erhoben werden.

3. Titel: Bestellung des Schiedsgerichts

Art. 360 Anzahl der Mitglieder

1 Die Parteien können frei vereinbaren, aus wie vielen Mitgliedern das Schieds­gericht besteht. Haben sie nichts vereinbart, so besteht es aus drei Mitgliedern.

2 Haben die Parteien eine gerade Zahl vereinbart, so ist anzunehmen, dass eine zusätzliche Person als Präsidentin oder Präsident zu bestimmen ist.

Art. 361 Ernennung durch die Parteien

1 Die Mitglieder des Schiedsgerichts werden nach der Vereinbarung der Parteien ernannt.

2 Bei Fehlen einer Vereinbarung ernennt jede Partei die gleiche Anzahl Mitglieder; diese wählen einstimmig eine Präsidentin oder einen Präsidenten.

3 Wird eine Schiedsrichterin oder ein Schiedsrichter der Stellung nach bezeichnet, so gilt als ernannt, wer diese Stellung bei Abgabe der Annahmeerklärung bekleidet.

4 In den Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen können die Par­teien einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen.

Art. 362 Ernennung durch das staatliche Gericht

1 Sieht die Schiedsvereinbarung keine andere Stelle für die Ernennung vor oder ernennt diese die Mitglieder nicht innert angemessener Frist, so nimmt das nach Artikel 356 Absatz 2 zuständige staatliche Gericht auf Antrag einer Partei die Ernennung vor, wenn:

a.
die Parteien sich über die Ernennung der Einzelschiedsrichterin, des Einzel­schiedsrichters, der Präsidentin oder des Präsidenten nicht einigen;
b.
eine Partei die von ihr zu bezeichnenden Mitglieder nicht innert 30 Tagen seit Aufforderung ernennt; oder
c.
die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sich nicht innert 30 Tagen seit ihrer Ernennung über die Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten einigen.

2 Im Falle einer Mehrparteienschiedssache kann das nach Artikel 356 Absatz 2 zuständige staatliche Gericht alle Mitglieder ernennen.

3 Wird ein staatliches Gericht mit der Ernennung betraut, so muss es die Ernennung vornehmen, es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht.

Art. 363 Offenlegungspflicht

1 Eine Person, der ein Schiedsrichteramt angetragen wird, hat das Vorliegen von Umständen unverzüglich offenzulegen, die berechtigte Zweifel an ihrer Unabhän­gigkeit oder Unparteilichkeit wecken können.

2 Diese Pflicht bleibt während des ganzen Verfahrens bestehen.

Art. 364 Annahme des Amtes

1 Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter bestätigen die Annahme des Amtes.

2 Das Schiedsgericht ist erst konstituiert, wenn alle Mitglieder die Annahme des Amtes erklärt haben.

Art. 365 Sekretariat

1 Das Schiedsgericht kann ein Sekretariat bestellen.

2 Die Artikel 363 Absatz 1 und 367–369 gelten sinngemäss.

Art. 366 Amtsdauer

1 In der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren Vereinbarung können die Par­teien die Amtsdauer des Schiedsgerichts befristen.

2 Die Amtsdauer, innert der das Schiedsgericht den Schiedsspruch zu fällen hat, kann verlängert werden:

a.
durch Vereinbarung der Parteien;
b.
auf Antrag einer Partei oder des Schiedsgerichts durch Entscheid des nach Artikel 356 Absatz 2 zuständigen staatlichen Gerichts.

4. Titel: Ablehnung, Abberufung und Ersetzung der Mitglieder des Schiedsgerichts


Art. 367 Ablehnung eines Mitgliedes

1 Ein Mitglied des Schiedsgerichts kann abgelehnt werden, wenn:

a.
es nicht den von den Parteien vereinbarten Anforderungen entspricht;
b.
ein Ablehnungsgrund vorliegt, der in der von den Parteien vereinbarten Verfah­rensordnung vorgesehen ist; oder
c.
berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit beste­hen.

2 Eine Partei kann ein Mitglied, das sie ernannt hat oder an dessen Ernennung sie mitgewirkt hat, nur aus Gründen ablehnen, von denen sie erst nach der Ernennung Kenntnis erhalten hat. Der Ablehnungsgrund ist dem Schiedsgericht und der anderen Partei unverzüglich mitzuteilen.

Art. 368 Ablehnung des Schiedsgerichts

1 Eine Partei kann das Schiedsgericht ablehnen, wenn die andere Partei einen über­wiegenden Einfluss auf die Ernennung der Mitglieder ausgeübt hat. Die Ablehnung ist dem Schiedsgericht und der anderen Partei unverzüglich mitzuteilen.

2 Das neue Schiedsgericht wird im Verfahren nach den Artikeln 361 und 362 bestellt.

3 Die Parteien sind berechtigt, Mitglieder des abgelehnten Schiedsgerichts wiederum als Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zu ernennen.

Art. 369 Ablehnungsverfahren

1 Die Parteien können das Ablehnungsverfahren frei vereinbaren.

2 Haben sie nichts vereinbart und ist das Schiedsverfahren noch nicht abgeschlossen, so ist das Ablehnungsgesuch schriftlich und begründet innert 30 Tagen, seit die gesuchstellende Partei Kenntnis vom Ablehnungsgrund hat oder bei gehöriger Auf­merksamkeit haben konnte, an das abgelehnte Mitglied zu richten und den übrigen Mitgliedern mitzuteilen.169

3 Die gesuchstellende Partei kann innert 30 Tagen seit Einreichung des Ableh­nungsgesuchs einen Entscheid von der von den Parteien bezeichneten Stelle oder, wenn keine solche bezeichnet wurde, von dem nach Artikel 356 Absatz 2 zustän­digen staatlichen Gericht verlangen.170

4 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann das Schiedsgericht während des Ablehnungsverfahrens das Verfahren ohne Ausschluss der abgelehnten Personen bis und mit Schiedsspruch weiterführen.

5 Der Entscheid über die Ablehnung kann nur zusammen mit dem ersten Schieds­spruch angefochten werden.

169 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

170 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

Art. 370 Abberufung

1 Jedes Mitglied des Schiedsgerichts kann durch schriftliche Vereinbarung der Parteien abberufen werden.

2 Ist ein Mitglied des Schiedsgerichts ausser Stande, seine Aufgaben innert nütz­licher Frist oder mit gehöriger Sorgfalt zu erfüllen und haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so kann auf Antrag einer Partei die von den Parteien bezeichnete Stelle oder, wenn keine solche bezeichnet wurde, das nach Artikel 356 Absatz 2 zuständige staatliche Gericht dieses Mitglied absetzen.171

3 Für die Anfechtung eines solchen Entscheides gilt Artikel 369 Absatz 5.

171 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

Art. 371 Ersetzung eines Mitglieds des Schiedsgerichts

1 Ist ein Mitglied des Schiedsgerichts zu ersetzen, so gilt das gleiche Verfahren wie für seine Ernennung, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben oder ver­einbaren.

2 Kann es nicht auf diese Weise ersetzt werden, so wird das neue Mitglied durch das nach Artikel 356 Absatz 2 zuständige staatliche Gericht ernannt, es sei denn, die Schiedsvereinbarung schliesse diese Möglichkeit aus oder falle nach Ausscheiden eines Mitglieds des Schiedsgerichts dahin.

3 Können sich die Parteien nicht darüber einigen, welche Prozesshandlungen, an denen das ersetzte Mitglied mitgewirkt hat, zu wiederholen sind, so entscheidet das neu konstituierte Schiedsgericht.

4 Während der Dauer des Ersetzungsverfahrens steht die Frist, innert der das Schiedsgericht seinen Schiedsspruch zu fällen hat, nicht still.

5. Titel: Das Schiedsverfahren

Art. 372 Rechtshängigkeit

1 Das Schiedsverfahren ist rechtshängig:

a.
sobald eine Partei das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete Schieds­ge­richt anruft; oder
b.
wenn die Vereinbarung kein Schiedsgericht bezeichnet: sobald eine Partei das Verfahren zur Bestellung des Schiedsgerichts oder das von den Parteien vereinbarte vorausgehende Schlichtungsverfahren einleitet.

2 Werden bei einem staatlichen Gericht und einem Schiedsgericht Klagen über denselben Streitgegenstand zwischen denselben Parteien rechtshängig gemacht, setzt das zuletzt angerufene Gericht das Verfahren aus, bis das zuerst angerufene Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hat.

Art. 373 Allgemeine Verfahrensregeln

1 Die Parteien können das Schiedsverfahren:

a.
selber regeln;
b.
durch Verweis auf eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung regeln;
c.
einem Verfahrensrecht ihrer Wahl unterstellen.

2 Haben die Parteien das Verfahren nicht geregelt, so wird dieses vom Schieds­gericht festgelegt.

3 Die Präsidentin oder der Präsident des Schiedsgerichts kann über einzelne Verfah­rensfragen allein entscheiden, wenn eine entsprechende Ermächtigung der Parteien oder der andern Mitglieder des Schiedsgerichts vorliegt.

4 Das Schiedsgericht muss die Gleichbehandlung der Parteien und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleisten und ein kontradiktorisches Verfahren durch­führen.

5 Jede Partei kann sich vertreten lassen.

6 Verstösse gegen die Verfahrensregeln sind sofort zu rügen, nachdem sie erkannt wurden oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar waren; andernfalls können sie später nicht mehr geltend gemacht werden.172

172 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

Art. 374 Vorsorgliche Massnahmen, Sicherheit und Schadenersatz

1 Das staatliche Gericht oder, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, das Schiedsgericht kann auf Antrag einer Partei vorsorgliche Massnahmen ein­schliesslich solcher für die Sicherung von Beweismitteln anordnen.

2 Unterzieht sich die betroffene Person einer vom Schiedsgericht angeordneten Massnahme nicht freiwillig, so trifft das staatliche Gericht auf Antrag des Schieds­gerichts oder einer Partei die erforderlichen Anordnungen; stellt eine Partei den Antrag, so muss die Zustimmung des Schiedsgerichts eingeholt werden.

3 Ist ein Schaden für die andere Partei zu befürchten, so kann das Schiedsgericht oder das staatliche Gericht die Anordnung vorsorglicher Massnahmen von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen.

4 Die gesuchstellende Partei haftet für den aus einer ungerechtfertigten vorsorglichen Massnahme erwachsenen Schaden. Beweist sie jedoch, dass sie ihr Gesuch in guten Treuen gestellt hat, so kann das Gericht die Ersatzpflicht herabsetzen oder gänzlich von ihr entbinden. Die geschädigte Partei kann den Anspruch im hängigen Schieds­verfahren geltend machen.

5 Eine geleistete Sicherheit ist freizugeben, wenn feststeht, dass keine Schaden­ersatzklage erhoben wird; bei Ungewissheit setzt das Schiedsgericht eine Frist zur Klage.

Art. 375 Beweisabnahme und Mitwirkung des staatlichen Gerichts

1 Das Schiedsgericht nimmt die Beweise selber ab.

2 Ist für die Beweisabnahme oder für die Vornahme sonstiger Handlungen des Schiedsgerichts staatliche Rechtshilfe erforderlich, so kann das Schiedsgericht das nach Artikel 356 Absatz 2 zuständige staatliche Gericht um Mitwirkung ersuchen. Mit Zustimmung des Schiedsgerichts kann dies auch eine Partei tun.

3 Die Mitglieder des Schiedsgerichts können an den Verfahrenshandlungen des staatlichen Gerichts teilnehmen und Fragen stellen.

Art. 376 Streitgenossenschaft, Klagenhäufung und Beteiligung Dritter

1 Ein Schiedsverfahren kann von oder gegen Streitgenossen geführt werden, wenn:

a.
alle Parteien unter sich durch eine oder mehrere übereinstimmende Schiedsver­einbarungen verbunden sind; und
b.
die geltend gemachten Ansprüche identisch sind oder in einem sachlichen Zusammenhang stehen.

2 Sachlich zusammenhängende Ansprüche zwischen den gleichen Parteien können im gleichen Schiedsverfahren beurteilt werden, wenn sie Gegenstand übereinstim­mender Schiedsvereinbarungen der Parteien sind.

3 Die Intervention einer dritten Person und der Beitritt einer durch Klage streitberu­fenen Person setzen eine Schiedsvereinbarung zwischen der dritten Person und den Streitparteien voraus und bedürfen der Zustimmung des Schiedsgerichts.

Art. 377 Verrechnung und Widerklage

1 Erhebt eine Partei die Verrechnungseinrede, so kann das Schiedsgericht die Ein­rede beurteilen, unabhängig davon, ob die zur Verrechnung gestellte Forderung unter die Schiedsvereinbarung fällt oder ob für sie eine andere Schiedsvereinbarung oder eine Gerichtsstandsvereinbarung besteht.

2 Eine Widerklage ist zulässig, wenn sie eine Streitsache betrifft, die unter eine übereinstimmende Schiedsvereinbarung der Parteien fällt.

Art. 378 Kostenvorschuss

1 Das Schiedsgericht kann einen Vorschuss für die mutmasslichen Verfahrenskosten verlangen und die Durchführung des Verfahrens von dessen Leistung abhängig machen. Soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, bestimmt es die Höhe des Vorschusses jeder Partei.

2 Leistet eine Partei den von ihr verlangten Vorschuss nicht, so kann die andere Partei die gesamten Kosten vorschiessen oder auf das Schiedsverfahren verzichten. Verzichtet sie auf das Schiedsverfahren, so kann sie für diese Streitsache ein neues Schiedsverfahren einleiten oder Klage vor dem staatlichen Gericht erheben.

Art. 379 Sicherstellung der Parteientschädigung

Erscheint die klagende Partei zahlungsunfähig, so kann das Schiedsgericht auf Antrag der beklagten Partei verfügen, dass deren mutmassliche Parteientschädigung innert bestimmter Frist sicherzustellen ist. Für die beklagte Partei gilt Artikel 378 Absatz 2 sinngemäss.

6. Titel: Schiedsspruch

Art. 381 Anwendbares Recht

1 Das Schiedsgericht entscheidet:

a.
nach den Rechtsregeln, welche die Parteien gewählt haben; oder
b.
nach Billigkeit, wenn es von den Parteien dazu ermächtigt worden ist.

2 Fehlt eine solche Wahl oder eine solche Ermächtigung, so entscheidet es nach dem Recht, das ein staatliches Gericht anwenden würde.

Art. 382 Beratung und Abstimmung

1 Bei den Beratungen und Abstimmungen haben alle Mitglieder des Schiedsgerichts mitzuwirken.

2 Verweigert ein Mitglied die Teilnahme an einer Beratung oder an einer Abstim­mung, so können die übrigen Mitglieder ohne es beraten und entscheiden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben.

3 Das Schiedsgericht fällt den Schiedsspruch mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder, es sei denn, die Parteien hätten etwas anderes vereinbart.

4 Ergibt sich keine Stimmenmehrheit, so fällt die Präsidentin oder der Präsident den Schiedsspruch.

Art. 384 Inhalt des Schiedsspruches

1 Der Schiedsspruch enthält:

a.
die Zusammensetzung des Schiedsgerichts;
b.
die Angabe des Sitzes des Schiedsgerichts;
c.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer Vertretung;
d.
die Rechtsbegehren der Parteien oder, bei Fehlen von Anträgen, eine Umschreibung der Streitfrage;
e.
sofern die Parteien nicht darauf verzichtet haben: die Darstellung des Sachver­haltes, die rechtlichen Entscheidungsgründe und gegebenenfalls die Billigkeitserwägungen;
f.
das Dispositiv in der Sache sowie die Höhe und die Verteilung der Verfahrens­kosten und der Parteientschädigung;
g.
das Datum des Schiedsspruches.

2 Der Schiedsspruch ist zu unterzeichnen; es genügt die Unterschrift der Präsidentin oder des Präsidenten.

Art. 385 Einigung der Parteien

Erledigen die Parteien während des Schiedsverfahrens die Streitsache, so hält das Schiedsgericht auf Antrag die Einigung in Form eines Schiedsspruches fest.

Art. 386 Zustellung und Hinterlegung

1 Jeder Partei ist ein Exemplar des Schiedsspruches zuzustellen.

2 Jede Partei kann auf ihre Kosten beim nach Artikel 356 Absatz 1 zuständigen staatlichen Gericht ein Exemplar des Schiedsspruches hinterlegen.

3 Auf Antrag einer Partei stellt dieses Gericht eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung aus.

Art. 388 Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung des Schiedsspruchs

1 Jede Partei kann beim Schiedsgericht beantragen, dass dieses:

a.
Redaktions- und Rechnungsfehler im Schiedsspruch berichtigt;
b.
bestimmte Teile des Schiedsspruchs erläutert;
c.
einen ergänzenden Schiedsspruch über Ansprüche fällt, die im Schiedsverfah­ren zwar geltend gemacht, im Schiedsspruch aber nicht be­handelt worden sind.

2 Der Antrag ist innert 30 Tagen seit Entdecken des Fehlers oder der erläuterungs- und ergänzungsbedürftigen Teile des Schiedsspruches zu stellen, spätestens aber innert eines Jahres seit Zustellung des Schiedsspruches.

3 Der Antrag hemmt die Rechtsmittelfristen nicht. Bezüglich des berichtigten, erläuterten oder ergänzten Teils des Schiedsspruchs läuft die Rechtsmittelfrist von Neuem.173

173 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

7. Titel: Rechtsmittel

1. Kapitel: Beschwerde

Art. 390 Beschwerde an das kantonale Gericht

1 Die Parteien können durch eine ausdrückliche Erklärung in der Schiedsverein­barung oder in einer späteren Übereinkunft vereinbaren, dass der Schiedsspruch mit Beschwerde beim nach Artikel 356 Absatz 1 zuständigen kantonalen Gericht ange­fochten werden kann.

2 Für das Verfahren gelten die Artikel 319–327, soweit dieses Kapitel nichts anderes bestimmt. Das kantonale Gericht entscheidet endgültig.

Art. 391 Subsidiarität

Die Beschwerde ist erst nach Ausschöpfung der in der Schiedsvereinbarung vorge­sehenen schiedsgerichtlichen Rechtsmittel zulässig.

Art. 393 Beschwerdegründe

Ein Schiedsspruch kann nur angefochten werden, wenn:

a.
die Einzelschiedsrichterin oder der Einzelschiedsrichter vorschriftswidrig ernannt oder das Schiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt worden ist;
b.
sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder für unzuständig erklärt hat;
c.
das Schiedsgericht über Streitpunkte entschieden hat, die ihm nicht unterbrei­tet wurden, oder wenn es Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat;
d.
der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt wurde;
e.
er im Ergebnis willkürlich ist, weil er auf offensichtlich aktenwidrigen tatsäch­lichen Feststellungen oder auf einer offensichtlichen Verletzung des Rechts oder der Billigkeit beruht;
f.
die vom Schiedsgericht festgesetzten Entschädigungen und Auslagen der Mitglieder des Schiedsgerichts offensichtlich zu hoch sind.
Art. 395 Entscheid

1 Wird der Schiedsspruch nicht an das Schiedsgericht zurückgewiesen oder von diesem nicht fristgerecht berichtigt oder ergänzt, so entscheidet die Rechtsmit­telinstanz über die Beschwerde und hebt bei deren Gutheissung den Schiedsspruch auf.

2 Wird der Schiedsspruch aufgehoben, so entscheidet das Schiedsgericht nach Mass­gabe der Erwägungen im Rückweisungsentscheid neu. Ist es nicht mehr vollständig, so ist Artikel 371 anwendbar.175

3 Die Aufhebung kann auf einzelne Teile des Schiedsspruches beschränkt werden, sofern die andern nicht davon abhängen.

4 Wird der Schiedsspruch wegen offensichtlich zu hoher Entschädigungen und Auslagen angefochten, so kann die Rechtsmittelinstanz über diese selber entschei­den.

175 Zweiter Satz eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

2. Kapitel: Revision

Art. 396 Revisionsgründe

1 Eine Partei kann beim nach Artikel 356 Absatz 1 zuständigen staatlichen Gericht die Revision eines Schiedsspruchs verlangen, wenn:

a.
sie nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismit­tel findet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte; ausge­schlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Schieds­spruch entstanden sind;
b.
wenn ein Strafverfahren ergeben hat, dass durch ein Verbrechen oder ein Ver­gehen zum Nachteil der betreffenden Partei auf den Schiedsspruch ein­gewirkt wurde; eine Verurteilung durch das Strafgericht ist nicht erfor­der­lich; ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden;
c.
geltend gemacht wird, dass die Klageanerkennung, der Klagerückzug oder der schiedsgerichtliche Vergleich unwirksam ist;
d.176
ein Ablehnungsgrund gemäss Artikel 367 Absatz 1 Buchstabe c trotz gehöriger Aufmerksamkeit erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens entdeckt wurde und kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht.

2 Die Revision wegen Verletzung der EMRK177 kann verlangt werden, wenn:

a.
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt wor­den sind;
b.
eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszu­glei­chen; und
c.
die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.

176 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2020, in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020 4179; BBl 2018 7163).

177 SR 0.101

Art. 397 Fristen

1 Das Revisionsgesuch ist innert 90 Tagen seit Entdeckung des Revisionsgrundes einzureichen.

2 Nach Ablauf von zehn Jahren seit Eintritt der Rechtskraft des Schiedsspruches kann die Revision nicht mehr verlangt werden, ausser im Fall von Artikel 396 Absatz 1 Buchstabe b.

Art. 399 Rückweisung an das Schiedsgericht

1 Heisst das Gericht das Revisionsgesuch gut, so hebt es den Schiedsspruch auf und weist die Sache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurück.

2 Ist das Schiedsgericht nicht mehr vollständig, so ist Artikel 371 anwendbar.

4. Teil: Schlussbestimmungen

1. Titel: Vollzug

Art. 400 Grundsätze

1 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.

2 Er stellt für Gerichtsurkunden und Parteieingaben Formulare zur Verfügung. Die Formulare für die Parteieingaben sind so zu gestalten, dass sie auch von einer recht­s­unkundigen Partei ausgefüllt werden können.

3 Er kann den Erlass administrativer und technischer Vorschriften dem Bundesamt für Justiz übertragen.

Art. 401 Pilotprojekte

1 Die Kantone können mit Genehmigung des Bundesrates Pilotprojekte durchführen.

2 Der Bundesrat kann die Zuständigkeit für die Genehmigung dem Bundesamt für Justiz übertragen.

2. Titel: Anpassung von Gesetzen

3. Titel: Übergangsbestimmungen

1. Kapitel: Übergangsbestimmungen vom 19. Dezember 2008178

178 Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2012 (Protokollierungsvorschriften), in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 851; BBl 2012 5707 5719).

Art. 404 Weitergelten des bisherigen Rechts

1 Für Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Verfahrensrecht bis zum Abschluss vor der betroffenen Instanz.

2 Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem neuen Recht. Eine bestehende Zuständigkeit nach dem alten Recht bleibt erhalten.

Art. 405 Rechtsmittel

1 Für die Rechtsmittel gilt das Recht, das bei der Eröffnung des Entscheides in Kraft ist.

2 Für die Revision von Entscheiden, die unter dem bisherigen Recht eröffnet worden sind, gilt das neue Recht.

Art. 407 Schiedsgerichtsbarkeit

1 Die Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen wurden, beurteilt sich nach dem für sie günstigeren Recht.

2 Für Schiedsverfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Recht. Die Parteien können jedoch die Anwendung des neuen Rechts vereinbaren.

3 Für die Rechtsmittel gilt das Recht, das bei der Eröffnung des Schiedsspruches in Kraft ist.

4 Für Verfahren vor den nach Artikel 356 zuständigen staatlichen Gerichten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Recht.

2. Kapitel:179 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 28. September 2012

179 Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 28. Sept. 2012 (Protokollierungsvorschriften), in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 851; BBl 2012 5707 5719).


Art. 407a

In Verfahren, die bei Inkrafttreten der Änderung vom 28. September 2012 dieses Gesetzes rechtshängig sind, gilt für Verfahrenshandlungen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens das neue Recht.

3. Kapitel:180 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 20. März 2015

180 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 20. März 2015 (Kindesunterhalt), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2015 4299; BBl 2014 529).

Art. 407b

1 Für Verfahren, die bei Inkrafttreten der Änderung vom 20. März 2015 rechtshängig sind, gilt das neue Recht.

2 Neue Rechtsbegehren, die durch den Wechsel des anwendbaren Rechts veranlasst werden, sind zulässig; nicht angefochtene Teile eines Entscheids bleiben verbindlich, sofern sie sachlich nicht derart eng mit noch zu beurteilenden Rechtsbegehren zusammenhängen, dass sinnvollerweise eine Gesamtbeurteilung stattfinden muss.

4. Kapitel:181 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2015

181 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Vorsorgeausgleich bei Scheidung), in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 2313; BBl 2013 4887).

Art. 407c

1 In Scheidungsverfahren, die beim Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni 2015 rechtshängig sind, gilt das neue Recht.

2 Neue Rechtsbegehren, die durch den Wandel des anwendbaren Rechts veranlasst werden, sind zulässig; nicht angefochtene Teile des Urteils bleiben verbindlich, sofern sie sachlich nicht derart eng mit noch zu beurteilenden Rechtsbegehren zusammenhängen, dass sinnvollerweise eine Gesamtbeurteilung stattfinden muss.

5. Kapitel:182 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 14. Dezember 2018

182 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307).


Art. 407d

Für Verfahren, die bei Inkrafttreten der Änderung vom 14. Dezember 2018 rechtshängig sind, gilt das neue Recht.

4. Titel: Referendum und Inkrafttreten

Art. 408

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttreten: 1. Januar 2011183

183 BRB vom 31. März 2010

Anhang 1

(Art. 402)

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

I. Aufhebung bisherigen Rechts

Das Gerichtsstandsgesetz vom 24. März 2000184 wird aufgehoben.

184 [AS 2000 2355, 2004 2617 Anhang Ziff. 3, 2005 5685 Anhang Ziff. 14, 2006 5379 Anhang Ziff. II 2]

II. Änderung bisherigen Rechts

Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:

185

185 Die Änderungen können unter AS 2010 1739 konsultiert werden.

Anhang 2

(Art. 403)

Koordinationsbestimmungen

1. Koordination der Zivilprozessordnung mit dem neuen Kernenergiehaftpflichtgesetz

Unabhängig davon, ob das Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008186 (neues KHG) oder die Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO) zuerst in Kraft tritt, wird mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten die ZPO wie folgt geändert:

Art. 5 Abs. 1 Bst. e

1 Das kantonale Recht bezeichnet das Gericht, welches als einzige kantonale Instanz zuständig ist für:

e.
Streitigkeiten nach dem Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008187;

Art. 38a Nuklearschäden

1 Für Klagen aus nuklearen Ereignissen ist zwingend das Gericht des Kantons zuständig, auf dessen Gebiet das Ereignis eingetreten ist.

2 Kann dieser Kanton nicht mit Sicherheit bestimmt werden, so ist zwingend das Gericht des Kantons zuständig, in welchem die Kernanlage des haftpflichtigen Inhabers gelegen ist.

3 Bestehen nach diesen Regeln mehrere Gerichtsstände, so ist zwingend das Gericht des Kantons zuständig, der die engste Verbindung zum Ereignis aufweist und am meisten von seinen Auswirkungen betroffen ist.

2. Koordination von Ziffer 19 des Anhangs 1 mit dem neuen KHG

Unabhängig davon, ob das neue KHG188 oder die ZPO zuerst in Kraft tritt, wird mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleichzeitigem Inkrafttreten Ziffer 19 des Anhangs 1 der ZPO gegenstandslos und das neue KHG wird gemäss Ziffer 20 des Anhangs 1 der ZPO geändert.

3. Koordination mit der Änderung vom 19. Dezember 2008 des ZGB (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht)

Unabhängig davon, ob die Änderung vom 19. Dezember 2008189 des ZGB (Erwachse­nenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) oder die ZPO zuerst in Kraft tritt, wird mit Inkrafttreten des später in Kraft tretenden Gesetzes sowie bei gleich­zei­tigem Inkrafttreten die ZPO wie folgt geändert:

190

189 SR 210

190 Die Änderungen können unter AS 2010 1739 konsultiert werden.