441.1
Bundesgesetz
über die Landessprachen und die Verständigung
zwischen den Sprachgemeinschaften
(Sprachengesetz, SpG)
vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Februar 2021)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf die Artikel 4, 18 und 70 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in den Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und
Kultur des Nationalrates vom 15. September 20062
und in die Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Oktober 20063,
beschliesst:
Dieses Gesetz regelt:
- a.
- den Gebrauch der Amtssprachen durch die Bundesbehörden und im Verkehr mit ihnen;
- b.
- die Förderung der Verständigung und des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften;
- c.
- die Unterstützung der mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben;
- d.
- die Unterstützung von Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zugunsten des Rätoromanischen und des Italienischen.
Mit diesem Gesetz will der Bund:
- a.
- die Viersprachigkeit als Wesensmerkmal der Schweiz stärken;
- b.
- den inneren Zusammenhalt des Landes festigen;
- c.
- die individuelle und die institutionelle Mehrsprachigkeit in den Landessprachen fördern;
- d.
- das Rätoromanische und das Italienische als Landessprachen erhalten und fördern.
1 Der Bund beachtet bei der Erfüllung seiner Aufgaben insbesondere folgende Grundsätze:
- a.
- Er achtet darauf, die vier Landessprachen gleich zu behandeln.
- b.
- Er gewährleistet und verwirklicht die Sprachenfreiheit in allen Bereichen seines Handelns.
- c.
- Er trägt der herkömmlichen sprachlichen Zusammensetzung der Gebiete Rechnung.
- d.
- Er fördert die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften.
2 Er arbeitet bei der Erfüllung seiner sprach- und verständigungspolitischen Aufgaben mit den Kantonen zusammen.
1 Dieser Abschnitt gilt für folgende Bundesbehörden:
- a.
- die Bundesversammlung und ihre Organe;
- b.
- den Bundesrat;
- c.
- die Bundesverwaltung nach Artikel 2 Absätze 1–3 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19974 (RVOG);
- d.
- die eidgenössischen Gerichte;
- e.
- die ausserparlamentarischen Kommissionen des Bundes.
2 Soweit die in diesem Gesetz festgelegten Ziele es erfordern, kann der Bundesrat vorsehen, dass:
- a.
- Bestimmungen dieses Abschnitts auf Organisationen oder Personen nach Artikel 2 Absatz 4 RVOG, die gestützt auf Bundesrecht mit Verwaltungsaufgaben betraut werden, anwendbar sind;
- b.
- die Erteilung von Konzessionen oder Aufträgen sowie die Zusprache von Finanzhilfen mit der Auflage zu verbinden sind, Bestimmungen dieses Abschnitts zu befolgen.
1 Die Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Rätoromanisch ist Amtssprache im Verkehr mit Personen dieser Sprache.
2 Die Bundesbehörden verwenden die Amtssprachen in ihren Standardformen.
1 Wer sich an eine Bundesbehörde wendet, kann dies in der Amtssprache eigener Wahl tun.
2 Die Bundesbehörden antworten in der Amtssprache, in der sie angegangen werden. Sie können sich mit den Personen, die an sie gelangen, auf eine andere Amtssprache einigen.
3 Personen rätoromanischer Sprache können sich in deren Idiomen oder in Rumantsch grischun an die Bundesbehörden wenden. Diese antworten in Rumantsch grischun.
4 Der Bundesrat kann die freie Wahl der Amtssprachen einschränken für den Verkehr mit Behörden, deren Tätigkeit regional begrenzt ist.
5 Im Verkehr mit Personen, die keine Amtssprache beherrschen, verwenden die Bundesbehörden nach Möglichkeit eine Sprache, welche diese Personen verstehen.
6 Die besonderen Bestimmungen der Bundesrechtpflege sind vorbehalten.
1 Die Bundesbehörden bemühen sich um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache und achten auf geschlechtergerechte Formulierungen.
2 Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen; er sorgt insbesondere für die Aus- und Weiterbildung des Personals und für die nötigen Hilfsmittel.5
1 In den Beratungen der eidgenössischen Räte und ihrer Kommissionen äussert sich jedes Mitglied in einer Landessprache seiner Wahl.
2 Für die Behandlung in den Räten und in ihren Kommissionen müssen Botschaften, Berichte, Erlassentwürfe und Anträge in der Regel in Deutsch, Französisch und Italienisch vorliegen.
1 Die Mitglieder des Bundesrates, die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler und die Angestellten der Bundesverwaltung arbeiten wahlweise in deutscher, französischer oder italienischer Sprache.
2 Die Arbeitgeber des Bundes im Sinne der Bundespersonalgesetzgebung stellen die erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung.
1 Die Erlasse des Bundes und andere Texte, die nach dem Publikationsgesetz vom 18. Juni 20046 oder aufgrund anderer Bestimmungen des Bundesrechts in der Amtlichen und der Systematischen Sammlung des Bundesrechts oder im Bundesblatt zu veröffentlichen sind, werden in Deutsch, Französisch und Italienisch veröffentlicht, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht.7
2 Die Veröffentlichung erfolgt gleichzeitig in Deutsch, Französisch und Italienisch.
Texte von besonderer Tragweite sowie die Unterlagen für eidgenössische Wahlen und Abstimmungen werden auch in Rätoromanisch veröffentlicht. Die Bundeskanzlei bestimmt diese Texte nach Anhörung der Standeskanzlei des Kantons Graubünden und der interessierten Bundesstellen.
1 Für Bekanntmachungen wählen die Bundesbehörden die lokale Amtssprache.
2 Die Bundesbehörden treten nach aussen in den vier Amtssprachen auf, insbesondere bei der Gestaltung:
- a.
- ihrer Drucksachen;
- b.
- der Interneteinstiegsseiten;
- c.
- der Beschriftungen ihrer Gebäude.
3 Persönliche Ausweise werden in den vier Amtssprachen gestaltet.
4 Für die Öffentlichkeit bestimmte Formulare des Bundes müssen in allen Amtssprachen verfügbar sein. Die Bundesbehörden können Ausnahmen vorsehen für Formulare, die für einen beschränkten Personenkreis bestimmt sind.
1 Von bilateralen Verträgen, die der Publikationspflicht unterstehen, muss eine Originalfassung in mindestens einer Amtssprache des Bundes vorliegen.
2 Bei multilateralen Verträgen, die der Publikationspflicht unterstehen, ist darauf zu achten, dass eine Originalfassung in mindestens einer Amtssprache des Bundes erstellt wird.
3 Vorbehalten bleiben Ausnahmen nach Artikel 14 Absatz 2 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 20048 und aufgrund besonderer Bestimmungen der Bundesgesetzgebung.
1 Bund und Kantone fördern den Austausch von Schülerinnen und Schülern sowie von Lehrkräften aller Schulstufen.
2 Der Bund kann den Kantonen sowie Austauschorganisationen Finanzhilfen gewähren.
1 Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeit dafür, dass die Unterrichtssprache, namentlich ihre Standardform, auf allen Unterrichtsstufen besonders gepflegt wird.
2 Sie fördern im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Mehrsprachigkeit der Lernenden und Lehrenden.
3 Sie setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit für einen Fremdsprachenunterricht ein, der gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache verfügen. Der Unterricht in den Landessprachen trägt den kulturellen Aspekten eines mehrsprachigen Landes Rechnung.
Der Bund kann den Kantonen Finanzhilfen gewähren für:
- a.
- die Gestaltung der Grundvoraussetzungen für den Unterricht einer zweiten und dritten Landessprache;
- b.
- die Förderung der Kenntnisse Anderssprachiger in der lokalen Landessprache;
- c.
- die Förderung der Kenntnisse Anderssprachiger in ihrer Erstsprache.
Zur Koordination, Einführung und Durchführung der angewandten Forschung im Bereich der Sprachen und der Mehrsprachigkeit können der Bund und die Kantone ein hierfür geeignetes wissenschaftliches Kompetenzzentrum unterstützen.
Der Bund kann Finanzhilfen gewähren an:
- a.
- Nachrichtenagenturen von gesamtschweizerischer Bedeutung, die über die vier Sprachregionen des Landes berichten;
- b.
- nicht gewinnorientierte Organisationen und Institutionen von gesamtschweizerischer Bedeutung, die durch ihre Tätigkeit in mindestens einer Sprachregion die Verständigung fördern oder Grundlagenarbeit für die Förderung der Mehrsprachigkeit leisten und die Ergebnisse vermitteln;
- c.
- Gemeinwesen, die Projekte zugunsten der Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften unterstützen.
Der Bund kann gesamtschweizerisch tätigen, nicht gewinnorientierten Organisationen und Institutionen Finanzhilfen gewähren für schriftliche Übersetzungen zwischen den Landessprachen.
1 Der Bund fördert die Kenntnisse seines Personals in den Landessprachen.
2 Der Bund sorgt für eine angemessene Vertretung der Sprachgemeinschaften in den Bundesbehörden sowie in den ausserparlamentarischen Kommissionen und fördert die Mehrsprachigkeit in der Armee.
3 Bund und Kantone stellen sich gegenseitig die Terminologiedatenbanken unentgeltlich zur Verfügung.
1 Im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt der Bund den mehrsprachigen Kantonen Finanzhilfen für die Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben.
2 Als mehrsprachig gelten die Kantone Bern, Freiburg, Graubünden und Wallis.
3 Als besondere Aufgaben gelten namentlich:
- a.
- die Schaffung geeigneter Voraussetzungen und Hilfsmittel für die mehrsprachige Arbeit in politischen Behörden, Justiz und Verwaltung;
- b.
- die Förderung der Mehrsprachigkeit der Lernenden und Lehrenden in den Amtssprachen des Kantons auf allen Unterrichtsstufen.
1 Im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt der Bund den Kantonen Graubünden und Tessin Finanzhilfen zur Unterstützung:
- a.
- von Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache und Kultur;
- b.
- von Organisationen und Institutionen, die überregionale Aufgaben der Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache und Kultur wahrnehmen;
- c.
- der Verlagstätigkeit in der rätoromanisch- und italienischsprachigen Schweiz.
2 Zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen Sprache kann der Bund Massnahmen zur Förderung der rätoromanischen Presse unterstützen.
3 Die Finanzhilfe des Bundes beträgt höchstens 75 Prozent der Gesamtkosten.
1 Der Bund gewährt die Finanzhilfen auf Gesuch hin. Die Gesuche müssen Auskunft über die beabsichtigten Massnahmen geben und einen Finanzierungsplan enthalten.
2 Der Bund spricht die Finanzhilfen in der Form der Leistungsvereinbarung oder der Verfügung zu. Leistungsvereinbarungen werden nach Möglichkeit über mehrere Jahre abgeschlossen.
Für dieselbe Massnahme können nicht mehrere Finanzhilfen nach diesem Gesetz gewährt werden.
1 Die Kantone, Organisationen und Institutionen berichten dem Bund periodisch über die Verwendung der Finanzhilfen.
2 Der Bund überprüft regelmässig die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der Massnahmen.
3 Er erstellt unter Mitwirkung der Kantone eine Statistik zum schulischen Austausch nach Artikel 14. Die Kantone stellen dem Bund die dazu notwendigen Daten in standardisierter Form zur Verfügung.10
Die Aufhebung und die Änderung bisherigen Rechts werden im Anhang geregelt.
1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
Datum des Inkrafttretens:11 1. Januar 2010
Ziffer I des Anhangs wird zum gleichen Zeitpunkt wie die Sprachenverordnung in Kraft gesetzt.
(Art. 26)
I
Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 199512 über Finanzhilfen für die Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache und Kultur wird aufgehoben.
II
Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:
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