1. Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den zuständigen Behörden des ersuchenden Staates einvernommen werden, so kann Letzterer, sofern das persönliche Erscheinen der einzuvernehmenden Person in seinem Hoheitsgebiet nicht zweckmässig oder möglich ist, darum ersuchen, dass die Einvernahme per Videokonferenz erfolgt.
2. Der ersuchte Staat kann der Einvernahme per Videokonferenz zustimmen. Sofern er zustimmt, erfolgt diese nach den Bestimmungen dieses Artikels.
3. Ein Ersuchen um Einvernahme per Videokonferenz muss zusätzlich zu den in Artikel 24 aufgeführten Informationen die folgenden Angaben enthalten: den Grund, warum es nicht zweckmässig oder nicht möglich ist, dass der Zeuge oder der Sachverständige persönlich bei der Einvernahme anwesend ist, den Namen der zuständigen Behörde und der Personen, welche die Einvernahme durchführen werden.
4. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates lädt die betroffene Person in der in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Form vor.
5. Für die Einvernahme per Videokonferenz gelten folgende Regeln:
- a)
- Bei der Einvernahme ist ein Vertreter der zuständigen Behörde des ersuchten Staates, bei Bedarf unterstützt durch einen Dolmetscher, anwesend. Dieser Vertreter ist auch für die Identifizierung der einzuvernehmenden Person und für die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates verantwortlich. Werden nach Ansicht der zuständigen Behörde des ersuchten Staates bei der Einvernahme die Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates verletzt, so trifft sie unverzüglich die erforderlichen Massnahmen, um die Einvernahme nach diesen Prinzipien fortführen zu können.
- b)
- Die zuständigen Behörden des ersuchenden Staates und des ersuchten Staates können gegebenenfalls Massnahmen zum Schutz der einzuvernehmenden Person vereinbaren.
- c)
- Die Einvernahme wird unmittelbar von oder unter Leitung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates nach dessen innerstaatlichen Rechtsvorschriften durchgeführt.
- d)
- Auf Verlangen des ersuchenden Staates oder der einzuvernehmenden Person trägt der ersuchte Staat dafür Sorge, dass diese Person bei Bedarf von einem Dolmetscher unterstützt wird.
- e)
- Die einzuvernehmende Person kann sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, das ihr von der Rechtsordnung des ersuchten Staates oder des ersuchenden Staates eingeräumt wird.
6. Unbeschadet allfälliger zum Schutz von Personen vereinbarter Massnahmen erstellt die zuständige Behörde des ersuchten Staates nach der Einvernahme ein Protokoll unter Angabe des Datums und Ortes der Einvernahme, der Identität der einvernommenen Person, der Identität und der Funktion der übrigen Personen des ersuchten Staates, die an der Einvernahme teilgenommen haben, aller allfälligen Vereidigungen und der technischen Bedingungen, unter denen die Einvernahme stattgefunden hat. Dieses Dokument wird von der zuständigen Behörde des ersuchten Staates an die zuständige Behörde des ersuchenden Staates übermittelt.
7. Jeder Vertragsstaat ergreift die erforderlichen Massnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Zeugen oder Sachverständige nach diesem Artikel in seinem Hoheitsgebiet einvernommen werden und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigern oder falsch aussagen, sein innerstaatliches Recht genauso gilt, als ob die Einvernahme im Rahmen eines innerstaatlichen Verfahrens erfolgen würde.
8. Die Vertragsstaaten können nach freiem Ermessen in Fällen, in denen dies angebracht erscheint, und mit Zustimmung ihrer zuständigen Behörden die Bestimmungen dieses Artikels auch auf Einvernahmen per Videokonferenz anwenden, an denen eine strafrechtlich verfolgte Person teilnimmt. In diesem Fall ist die Entscheidung, ob und in welcher Form eine Videokonferenz durchgeführt werden soll, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Vertragsstaaten, die diese Entscheidung im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und den einschlägigen internationalen Übereinkünften, einschliesslich des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 19665 über bürgerliche und politische Rechte, treffen. Die Einvernahmen, an denen die strafrechtlich verfolgte Person teilnimmt, können nur mit deren Einwilligung durchgeführt werden.