362.1

Vereinbarung
zwischen Bund und Kantonen
betreffend Umsetzung, Anwendung und Entwicklung
des Schengen/Dublin-Besitzstands

vom 20. März 2009 (Stand am 1. April 2009)

Gestützt auf Artikel 1 Absatz 2 des Bundesbeschlusses vom 17. Dezember 20041 über die Genehmigung und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen
der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und an Dublin:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand

Diese Vereinbarung regelt insbesondere:

a.
die Informationsübermittlung zwischen Bund und Kantonen im Geltungs­bereich des Abkommens vom 26. Oktober 20042 zwischen der Schweize­rischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (SAA) und des Abkommens vom 26. Oktober 20043 zwischen der Schweizerischen Eid­genossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (DAA);
b.
die Vertretung und Mitwirkung der Kantone in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der Europäischen Union (EU);
c.
die Erarbeitung gemeinsamer Positionen der schweizerischen Delegation in den Gemischten Ausschüssen;
d.
die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Bund und Kantonen bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung von neuen Rechtsakten und Massnahmen der EU gemäss Artikel 7 SAA und Artikel 4 DAA, die von der EU an die Schweiz notifiziert sind (nachfolgend neue Rechtsakte und Massnahmen).
Art. 2 Zusammenarbeit

1 Bund und Kantone arbeiten im Rahmen ihrer Zuständigkeit in den vom Schengen/Dublin-Besitzstand tangierten Bereichen eng und einvernehmlich zusammen. Die Kantone wirken insbesondere an der Entwicklung sowie an der Anwendung und Umsetzung des Schengen/Dublin-Besitzstands mit.

2 Bund und Kantone sorgen dabei für die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen, damit die internationalen Verpflichtungen der Schweiz aus dem SAA4 und dem DAA5 zeitgerecht und effizient erfüllt werden.

3 Sie informieren sich gegenseitig umfassend und frühzeitig über die internen Rechtsetzungsprojekte in den Anwendungsbereichen des SAA und des DAA.

4 Sie tauschen sich über die Rechtsprechung in diesen Gebieten aus.

2. Abschnitt: Sicherstellung der Information, Koordination und Kooperation


Art. 4 Informationsübermittlung

1 Bund und Kantone informieren sich in der Regel über ihre Kontaktstellen.

2 Der Bund stellt sicher, dass die von der EU an die Schweiz adressierten Informa­tionen, Daten und Dokumente den Kantonen umgehend übermittelt werden.

3 Er betreibt ein elektronisches Portal, das Bund und Kantonen die unmittelbare Verfügbarkeit von Informationen und Daten gewährleistet.

Art. 5 Koordination

1 Bund und Kantone sprechen ihre Stellungnahmen in der Regel intern ab, bevor sie diese über die Kontaktstellen übermitteln.

2 Sie koordinieren die Umsetzung von Rechtsakten und Massnahmen in den Anwendungsbereichen des SAA6 und des DAA7, insbesondere in zeitlicher Hinsicht.

3. Abschnitt: Entwicklung, Umsetzung und Anwendung des Schengen/Dublin-Besitzstands



Art. 6 Mitwirkung der Kantone in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der EU

1 Die Kantone beteiligen sich an der Erarbeitung der schweizerischen Position in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der EU in Bereichen, die ihre Zuständigkeiten betreffen oder ihre wesentlichen Interessen berühren.

2 Sie entsenden Vertreterinnen und Vertreter in Arbeitsgruppen des Bundes, welche die Vorbereitungs- und Hintergrundarbeiten für Verhandlungen in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der EU leisten.

3 Sie sind Teil der schweizerischen Delegation und wirken in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der EU mit.

4 Die schweizerischen Delegationen in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der EU werden in der Regel durch eine Vertreterin oder einen Vertreter des Bundes geleitet.

Art. 7 Notifikation

Der Bund leitet die von den EU-Institutionen erhaltenen Notifikationen über neue und von der Schweiz zu übernehmende Rechtsakte oder Massnahmen der EU im Rahmen des Schengen/Dublin-Besitzstands umgehend an die Kontaktstelle der Kantone weiter.

Art. 8 Übernahmeverfahren

1 Der Bund entscheidet über die Übernahme von neuen Rechtsakten und Massnahmen der EU sowie über die dafür benötigten Fristen.

2 Kommen die Kantone zum Schluss, dass die Übernahme eines neuen Rechtsaktes oder einer neuen Massnahme der EU ihre Zuständigkeiten betrifft oder ihre wesentlichen Interessen berührt, so kommt ihrer Stellungnahme nach Artikel 5 Absatz 1 besondere Bedeutung zu.

Art. 9 Umsetzung

1 Bund und Kantone gewährleisten die rechtzeitige Umsetzung von Rechtsakten oder Massnahmen.

2 Sie informieren sich frühzeitig über die eingeleiteten Massnahmen und den Abschluss der Umsetzungsarbeiten.

4. Abschnitt: Berichterstattung und Kostentragung

Art. 10 Berichterstattung

Bund und Kantone erstatten den Gemischten Ausschüssen Bericht im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 SAA8 und Artikel 6 Absatz 1 DAA9 über die Auslegung und Anwendung des Schengen- beziehungsweise des Dublin-Besitzstands durch Verwaltungsbehörden und Gerichte.

Art. 11 Kostentragung

1 Bund und Kantone übernehmen ihre eigenen mit der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands verbundenen Kosten sowie die Kosten der Teilnahme in den Gemischten Ausschüssen und den Arbeitsgruppen der EU.

2 Die Kantone leisten einen angemessenen Beitrag an den technischen Betrieb des Schengen-Portals gemäss Artikel 4 Absatz 3.

5. Abschnitt: Konfliktregelung

Art. 12

1 Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung sind durch den Bundesrat und die Konferenz der Kantonsregierungen (nachfolgend KdK) einvernehmlich zu lösen.

2 Unterschiedliche Auffassungen zur Umsetzung, Anwendung und Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstands sind durch Verhandlungen zu bereinigen.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 13 Kündigung

1 Die vorliegende Vereinbarung kann schriftlich unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden.

2 Bund und Kantone haben ihre laufenden Verpflichtungen in jedem Fall einzuhalten.

Art. 14 Inkrafttreten

1 Die vorliegende Vereinbarung erfordert die Genehmigung durch alle Kantone.

2 Die KdK informiert den Bundesrat über die Genehmigungen nach Absatz 1.

3 Der Bundesrat legt das Datum des Inkrafttretens dieser Vereinbarung nach Anhörung der KdK fest.10

20. März 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz
Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

Im Namen der Kantone

Der Präsident der KdK: Lorenz Bösch

10 Das Datum des Inkrafttretens dieser Vereinbarung ist der 1. April 2009 (BRB vom 13. März 2009).