0.514.126.81 (Stand am 1. Juni 2008)
0.514.126.81
AS 2008 4065
Übersetzung1
Abkommen
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Europäischen Union über die Sicherheitsverfahren für den Austausch von Verschlusssachen
Abgeschlossen am 28. April 2008
In Kraft getreten durch Notenaustausch am 1. Juni 2008
(Stand am 1. Juni 2008)
Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
die Europäische Union,
nachstehend «EU» genannt,
vertreten durch den Vorsitz des Rates der Europäischen Union,
nachstehend «die Vertragsparteien» genannt,
in der Erwägung, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft und die EU das gleiche Ziel verfolgen, ihre eigene Sicherheit auf jede Weise zu stärken und ihren Bürgern in einem Raum der Sicherheit ein hohes Mass an Sicherheit zu bieten,
in der Erwägung, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft und die EU darin übereinstimmen, dass sie eine gegenseitige Konsultation und eine Zusammenarbeit in Fragen von gemeinsamem Interesse im Bereich der Sicherheit entwickeln sollten,
in der Erwägung, dass in diesem Zusammenhang daher ein ständiger Bedarf besteht, Verschlusssachen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EU auszutauschen,
in Anerkennung dessen, dass eine umfassende und wirksame Konsultation und Zusammenarbeit den Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen und als Verschlusssache eingestuftem Material der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EU sowie den Austausch solcher Informationen und damit zusammenhängenden Materials zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EU erfordern kann,
in dem Bewusstsein, dass ein solcher Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen und damit zusammenhängendem Material und der Austausch solcher Informationen und solchen Materials geeignete Geheimschutzmassnahmen erforderlich machen –
sind wie folgt übereingekommen:
Zur Verwirklichung des Ziels der Vertragsparteien, ihre Sicherheit auf jede Weise zu stärken, findet dieses Abkommen Anwendung auf als Verschlusssachen eingestufte Informationen bzw. als Verschlusssache eingestuftes Material jeder Form, die (das) von den Vertragsparteien bereitgestellt oder zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht werden (wird).
Im Sinne dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck «Verschlusssachen» Informationen (d.h. Kenntnisse, die in irgendeiner Form übermittelt werden können) oder Material, für die (das) bestimmt wurde, dass sie (es) vor einer unbefugten Weitergabe geschützt werden müssen (muss) und die (das) durch einen Geheimhaltungsgrad als solche (solches) gekennzeichnet wurden (wurde) (nachstehend «Verschlusssachen» genannt).
Im Sinne dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck «EU» den Rat der Europäischen Union (nachstehend «Rat» genannt), den Generalsekretär/Hohen Vertreter und das Generalsekretariat des Rates sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend «Europäische Kommission» genannt).
Jede Vertragspartei verfährt wie folgt:
- a)
- Sie schützt und sichert Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens, die von der jeweils anderen Vertragspartei bereitgestellt oder ausgetauscht werden.
- b)
- Sie stellt sicher, dass Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens, die bereitgestellt oder ausgetauscht werden, den von der bereitstellenden Vertragspartei zugewiesenen Geheimhaltungsgrad beibehalten. Die empfangende Vertragspartei schützt und sichert die Verschlusssachen gemäss den Bestimmungen ihrer eigenen Geheimschutzregelungen für Informationen und Material mit einem entsprechenden Geheimhaltungsgrad, wie in den nach den Artikeln 11 und 12 zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen näher ausgeführt.
- c)
- Sie verwendet solche Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens nur für die vom Urheber bestimmten Zwecke und nur zu den Zwecken, zu denen die Informationen bereitgestellt oder ausgetauscht werden.
- d)
- Sie gibt solche Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens nicht ohne vorherige Zustimmung des Urhebers an Dritte oder an nicht in Artikel 3 genannte EU-Organe und ‑Einrichtungen weiter.
1. Verschlusssachen können gemäss dem Grundsatz der Kontrolle durch den Urheber von einer Vertragspartei, «der bereitstellenden Vertragspartei», gegenüber der anderen Vertragspartei, «der empfangenden Vertragspartei», weiter‑ bzw. freigegeben werden.
2. Für die Freigabe gegenüber anderen Empfängern als den Vertragsparteien dieses Abkommens wird von der empfangenden Vertragspartei nach Zustimmung der bereitstellenden Vertragspartei gemäss dem Grundsatz der Kontrolle durch den Urheber – im Sinne der Geheimschutzvorschriften der bereitstellenden Vertragspartei – ein Beschluss über die Weiter- bzw. Freigabe von Verschlusssachen gefasst.
3. In Anwendung der Absätze 1 und 2 ist eine grundsätzliche Freigabe nicht zulässig, es sei denn, zwischen den Vertragsparteien werden für bestimmte Kategorien von Informationen, die für ihre operativen Erfordernisse relevant sind, Verfahren festgelegt und vereinbart.
Jede Vertragspartei und jede ihrer in Artikel 3 bestimmten Einrichtungen muss über eine Sicherheitsorganisation und Sicherheitsprogramme verfügen, die auf den Sicherheitsgrundsätzen und ‑mindeststandards beruhen, welche im Rahmen der nach den Artikeln 11 und 12 einzurichtenden Geheimschutzsysteme der Vertragsparteien umgesetzt werden, um die Anwendung eines gleichwertigen Geheimschutzstandards auf Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens sicherzustellen.
1. Die Vertragsparteien stellen sicher, dass alle Personen, die in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Zugang zu Verschlusssachen haben müssen, die im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt bzw. ausgetauscht werden, oder deren Tätigkeit oder Aufgaben Zugang zu solchen Verschlusssachen bieten kann, in angemessener Weise einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, bevor ihnen Zugang zu solchen Informationen gewährt wird.
2. Die Verfahren der Sicherheitsüberprüfung sind so zu gestalten, dass sie der Feststellung dienen, ob einer Person in Anbetracht ihrer Loyalität, ihrer Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit Zugang zu Verschlusssachen gewährt werden kann.
Die Vertragsparteien leisten sich gegenseitig Hilfe in Fragen des Schutzes von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens sowie bei Fragen von gemeinsamem Sicherheitsinteresse. Die in Artikel 11 bestimmten Stellen führen einvernehmlich vereinbarte, gegenseitige Sicherheitskonsultationen und Besichtigungen durch, um die Wirksamkeit der gemäss den Artikeln 11 und 12 im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen zu beurteilen.
1. Im Sinne dieses Abkommens gilt Folgendes:
- a)
- Für die EU:
Die gesamte Korrespondenz ist an den Rat zu richten, und zwar an folgende Adresse: - Rat der Europäischen Union
Chief Registry Officer
Rue de la Loi/Wetstraat 175
B-1048 Brüssel.- Der Chief Registry Officer des Rates leitet die gesamte Korrespondenz vorbehaltlich des Absatzes 2 an die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission weiter.
- b)
- Für die Schweizerische Eidgenossenschaft:
Die gesamte Korrespondenz ist an den Chief Registry Officer des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten zu richten und gegebenenfalls über die Schweizerische Mission bei der Europäischen Union an folgende Adresse weiterzuleiten: - Schweizerische Mission bei der Europäischen Union
Registry Officer
Place du Luxembourg 1
B-1050 Brüssel.
2. Erforderlichenfalls kann die Korrespondenz einer Vertragspartei, die lediglich speziell zuständigen Beamten, Einrichtungen oder Dienststellen dieser Vertragspartei zugänglich ist, aus operativen Gründen an einzelne zuständige Beamte, Einrichtungen oder Dienststellen der anderen Vertragspartei gerichtet werden, die speziell als Empfänger benannt sind, und lediglich diesen zugänglich sein, wobei deren Zuständigkeiten Rechnung zu tragen und nach dem Grundsatz «Kenntnis nur, wenn nötig» zu verfahren ist. Für die EU wird diese Korrespondenz über den Chief Registry Officer des Rates übermittelt. Für die Schweizerische Eidgenossenschaft kann diese Korrespondenz über die Schweizerische Mission bei der Europäischen Union übermittelt werden.
Der Staatssekretär des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Generalsekretäre des Rates und der Europäischen Kommission überwachen die Anwendung dieses Abkommens.
Für die Anwendung dieses Abkommens gilt Folgendes:
- 1.
- Die nationalen Sicherheitsbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, das Bundesamt für Polizei und das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, Gruppe Verteidigung – Stab des Chefs der Armee, Informationssicherheit und Objektschutz), die im Namen der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und unter deren Aufsicht handeln, sind für die Schaffung von Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherheit von Verschlusssachen, die der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt werden, verantwortlich.
- 2.
- Das Sicherheitsbüro des Generalsekretariats des Rates, unter der Leitung und im Auftrag des Generalsekretärs des Rates, der im Namen des Rates und unter dessen Aufsicht handelt, ist für die Schaffung von Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherung von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens der EU bereitgestellt werden, verantwortlich.
- 3.
- Die Direktion Sicherheit der Europäischen Kommission, die im Namen der Europäischen Kommission und unter deren Aufsicht handelt, ist für die Schaffung von Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens innerhalb der Europäischen Kommission und ihrer Räumlichkeiten bereitgestellt oder ausgetauscht werden, verantwortlich.
Mit den Sicherheitsvorkehrungen, die gemäss Artikel 11 einvernehmlich zwischen den vier betreffenden Stellen zu treffen sind, werden die Standards für die gegenseitige Gewährleistung des Geheimschutzes für Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens festgelegt. Diese Standards müssen vom Sicherheitsausschuss des Rates im Namen der EU gebilligt werden.
Die in Artikel 11 bestimmten Stellen legen Verfahren fest, nach denen im Falle einer erwiesenen oder mutmasslichen Kompromittierung von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens vorzugehen ist.
Vor der Bereitstellung von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens zwischen den Vertragsparteien müssen die für Sicherheit zuständigen Stellen im Sinne des Artikels 11 übereinstimmend feststellen, dass die empfangende Vertragspartei in der Lage ist, Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens so zu schützen und zu sichern, dass damit den nach den Artikeln 11 und 12 zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen entsprochen wird.
Dieses Abkommen hindert die Vertragsparteien nicht, andere Übereinkünfte im Zusammenhang mit der Bereitstellung oder dem Austausch von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens zu schliessen, sofern diese nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Abkommens stehen.
Alle Streitfragen zwischen den Vertragsparteien, die sich aus der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens ergeben, werden durch Verhandlungen zwischen ihnen geregelt.
1. Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des ersten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die Vertragsparteien einander den Abschluss der hierfür erforderlichen innerstaatlichen Verfahren notifiziert haben.
2. Dieses Abkommen kann auf Antrag einer der beiden Vertragsparteien im Hinblick auf etwaige Änderungen überprüft werden.
3. Änderungen dieses Abkommens bedürfen stets der Schriftform und sind im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien vorzunehmen. Sie treten nach der gegenseitigen Notifizierung gemäss Absatz 1 in Kraft.
Dieses Abkommen kann von einer Vertragspartei durch eine an die andere Vertragspartei gerichtete schriftliche Kündigung gekündigt werden. Die Kündigung wird sechs Monate nach ihrem Eingang bei der anderen Vertragspartei wirksam, berührt jedoch nicht die aufgrund dieses Abkommens bereits eingegangenen Verpflichtungen. Insbesondere sind sämtliche nach Massgabe dieses Abkommens bereitgestellten oder ausgetauschten Verschlusssachen auch weiterhin nach den Bestimmungen dieses Abkommens zu schützen.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Abkommen unterzeichnet.
Geschehen zu Brüssel am 28. April 2008, in zwei Urschriften, jede in englischer Sprache.
Für die Schweizerische Eidgenossenschaft: | Für die Europäische Union: |
Jacques de Watteville | Javier Solana |