0.142.390

 AS 2008 159; BBl 2006 5905

Originaltext

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat,
der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung
des Fürstentums Liechtenstein über den gegenseitigen Datenaustausch in Asylangelegenheiten

Abgeschlossen in Bregenz am 29. September 2005
Von der Bundesversammlung genehmigt am 22. Juni 20071

Für die Schweiz in Kraft getreten durch Notenaustausch am 1. Dezember 2007

(Stand am 1. Dezember 2007)

Der Schweizerische Bundesrat, die Österreichische Bundesregierung, sowie die Regierung des Fürstentums Liechtenstein (im weiteren Vertragsparteien genannt) haben

in der Absicht die Zusammenarbeit in Asylangelegenheiten zu vertiefen,

unter Beachtung der Genfer Konvention vom 28. Juli 19512 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, abgeändert durch das Protokoll von New York vom 31. Januar 19673 (im weiteren Genfer Flüchtlingskonvention genannt) und

in Anwendung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit,

unter Beachtung des Datenschutzes und nach Massgabe der Bestimmungen der nationalen Rechtsordnungen,

Folgendes vereinbart:

Art. 1 Begriffsbestimmungen

(1)  Daten in Asylangelegenheiten im Sinne dieses Abkommens sind Daten von Asylwerbern, die nicht die österreichische, schweizerische oder liechtensteinische Staatsangehörigkeit besitzen.

(2)  Asylwerber im Sinne des Absatzes 1 sind Personen, die einen Antrag zur Anerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt haben bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder dessen Einstellung.

Art. 2 Zweck des Abkommens

Die zuständigen Stellen der Vertragsparteien leisten einander auf Ersuchen Amts­hilfe durch Datenübermittlung in Asylangelegenheiten nach Massgabe dieses Ab­kommens.

Art. 3 Datenübermittlung

(1)  Folgende personenbezogene Daten dürfen übermittelt werden: Namen einschliesslich früherer Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift, Staatsangehörigkeit, Namen der Eltern, Aliasdaten, Identitätsdokumente, Informa­tionen über im Ausland eingebrachte Asylanträge und den Verfahrensstand, allenfalls vorhandene erkennungsdienstliche Daten sowie jene personenbezogenen Daten, die für die Einreise- und Aufenthaltsberechtigung sowie für die Anhaltung in Schubhaft massgeblich sind oder sein können.

(2)  Daten nach Absatz 1 dürfen nur übermittelt werden soweit dies zur Vollziehung der Gesetze der Vertragsparteien zur Regelung des Asyl- und Flüchtlingswesens erforderlich ist.

(3)  Die in Absatz 1 genannten Daten werden der ersuchenden Stelle unverzüglich, längstens jedoch innerhalb von 20 Arbeitstagen, übermittelt.

(4)  Sollte eine Übermittlung innerhalb von 20 Arbeitstagen ab Datum des Ersuchens nicht möglich sein, teilt die ersuchte Vertragspartei der ersuchenden Vertragspartei in geeigneter Form mit, welche Gründe der Übermittlung entgegenstehen.

(5)  Die übermittelnde ebenso wie die empfangende Vertragspartei (bzw. Behörde) machen die Übermittlung, den Empfang und auch die allfällige Löschung von Daten aktenkundig. In den Aufzeichnungen werden Anlass, Inhalt, übermittelnde bzw. em­pfangende Stelle und Zeitpunkt der Datenübermittlung festgehalten. Die Protokollaufzeichnungen werden mindestens drei Jahre aufbewahrt und dürfen ausschliesslich zur Kontrolle, ob die massgeblichen Datenschutzvorschriften eingehalten worden sind, verwendet werden.

(6)  Die Vertragsparteien übermitteln einander die in Absatz 1 genannten Daten in schriftlicher Form.

(7)  Ein Ersuchen um Datenübermittlung ermächtigt die ersuchte Vertragspartei nicht zur Ermittlung von Daten ausserhalb des in Artikel 1 genannten Bereichs.

Art. 4 Zweckbindung

(1)  Die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Daten, die auf Grund dieses Abkommens übermittelt worden sind, dürfen von der ersuchenden Vertragspartei nur mit schriftlicher Zustimmung der ersuchten Vertragspartei zu anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken verwendet werden. Die Zulässigkeit der Erteilung einer Zustimmung richtet sich nach dem innerstaatlichen Recht der ersuchten Vertragspartei.

(2)  Das Verwenden von Daten schliesst das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen und jede sonstige Handhabung ein.

Art. 5 Vertraulichkeit und Datensicherheit

(1)  Sämtliche auf der Grundlage dieses Abkommens übermittelte Daten werden vertraulich behandelt. Sie unterliegen dem Amtsgeheimnis und geniessen den für ver­gleichbare Daten geltenden Schutz nach dem innerstaatlichen Recht der empfang­enden Vertragspartei.

(2)  Die empfangenden Behörden sind verpflichtet, die übermittelten Daten wirksam gegen zufällige oder unbefugte Zerstörung, zufälligen Verlust, unbefugten Zugang, unbefugte oder zufällige Veränderung oder unbefugte Bekanntgabe zu schützen.

(3)  Die Vertragsparteien treffen Vorsorge, dass für die Datenübermittlung nur solche Kommunikationsmittel verwendet werden, die einen angemessenen Schutz der Daten vor unbefugter Kenntnisnahme oder Veränderung durch Dritte während des Übermittlungsvorganges gewährleisten.

Art. 6 Pflicht zur Richtigstellung, Löschung, Vernichtung und Auskunft

(1)  Die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Daten, die auf Grund dieses Abkommens übermittelt worden sind, sind von der ersuchenden Vertragspartei zu löschen, sobald die Voraussetzungen für das Verwenden weggefallen sind oder die Daten sonst dem Zweck entsprechend nicht mehr benötigt werden.

(2)  Die übermittelten Daten sind ausserdem zu löschen, wenn sich ergibt, dass die ersuchte Vertragspartei zur Löschung der Daten deshalb verpflichtet ist, weil die Ermittlung oder Verarbeitung dieser Daten durch die übermittelnde Vertragspartei in Widerspruch zu Gesetzen oder völkerrechtlichen Übereinkommen erfolgt ist. Die Vertragsparteien informieren einander unverzüglich, wenn ihnen ein solcher Um­stand bekannt wird.

(3)  Die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Daten sind jedenfalls zu löschen, sobald bekannt wird, dass der Betroffene die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei oder eines Mitgliedstaates der Europäischen Union einschliesslich Norwegen und Island erlangt hat, ansonsten zehn Jahre nach rechtskräftiger Abweisung, Zurückweisung oder Zurückziehung eines Antrags zur Anerkennung des Flüchtlingsstatus oder Asylerstreckungsantrags oder jede andere Form der Beendigung eines Asylverfahrens gemäß der innerstaatlichen Gesetzgebung der Vertragsparteien.

(4)  Die Löschung der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Daten durch die ersuchte Vertragspartei hat zu einer Löschung der übermittelten Daten auch durch die er­suchende Vertragspartei zu führen. Die ersuchte Vertragspartei benachrichtigt die ersuchende Vertragspartei über derartige Löschungen unverzüglich.

(5)  Die übermittelnde Behörde ist verpflichtet, auf die Richtigkeit der zu übermittelnden Daten zu achten. Sie teilt der ersuchenden Vertragspartei gleichzeitig mit der Datenübermittlung allfällige besondere Aufbewahrungsfristen mit, an die sich die ersuchende Vertragspartei zu halten hat.

(6)  Auf Ersuchen der übermittelnden Vertragspartei erteilt die empfangende Vertragspartei Auskunft über jegliches Verwenden der auf Grund dieses Abkommens übermittelten Daten.

(7)  Jedem Betroffenen ist bei Nachweis seiner Identität auf Antrag über die zu seiner Person vorhandenen Daten, deren Herkunft, den vorgesehenen Verwendungszweck, die Rechtsgrundlage der Verarbeitung seiner Daten und die Datenempfänger in angemessener Frist und ohne unzumutbare Verzögerung oder übermäßige Kosten in allgemein verständlicher Form Auskunft zu erteilen. Die näheren Einzelheiten richten sich nach den jeweiligen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Verfahren der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die Auskunft beantragt wird.

(8)  Stellt sich heraus, dass personenbezogene Daten entgegen den Vorschriften dieses Abkommens oder entgegen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts übermittelt oder verarbeitet worden sind, muss der Betroffene die Möglichkeit haben, eine Löschung, Berichtigung oder Sperrung der Daten zu erwirken. Für den Fall, dass einem entsprechenden Begehren nicht entsprochen wird, muss der Betroffene über ein wirksames Beschwerderecht an ein Gericht oder eine andere unabhängige Kontrollstelle verfügen.

Art. 7 Zuständige Stellen

(1)  Die zuständigen Stellen für Ersuchen und das Erledigen von Ersuchen in Bezug auf Daten im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 sind:

Auf österreichischer Seite:

Das Bundesministerium für Inneres
Abteilung III/5, Asyl und Betreuung

Auf schweizerischer Seite:

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
Bundesamt für Migration4, Sektion Datenaustausch und Identifikation

Auf liechtensteinischer Seite:

Das Ausländer- und Passamt, Abteilung Asyl und Flüchtlinge

(2)  Die Bekanntgabe der Erreichbarkeiten und allfällige Änderungen der in Absatz 1 genannten zuständigen Stellen erfolgt auf diplomatischem Wege an die anderen Vertragsparteien.

4 Heute: Staatssekretariat für Migration (SEM) (siehe AS 2014 4451).

Art. 8 Verhältnis zu anderen Abkommen

Durch dieses Abkommen werden die in bestehenden zwei- oder mehrseitigen Ab­kommen der Vertragsparteien enthaltenen Rechte und Verpflichtungen nicht beeinträchtigt.5

5 Änderung auf Vorschlag des Fürstentums Liechtenstein und Zustimmung der Schweiz und Österreichs.

Art. 9 Schlussbestimmungen

(1)  Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Es kann im gegenseitigen Einvernehmen geändert oder ergänzt werden.

(2)  Die Vertragsparteien teilen einander auf diplomatischem Wege mit, dass ihre jeweiligen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach Mitteilung der Erfüllung der innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten durch mindestens zwei Vertragsparteien für jene Vertragsparteien in Kraft, welche diese Mitteilung abgegeben haben.

(3)  Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen schriftlich auf diplomatischem Wege kündigen. Die Kündigung wird in Bezug auf die kündigende Vertragspartei mit dem ersten Tag des Monats wirksam, der auf den Monat folgt, in dem die Notifikation den anderen Vertragsparteien zugegangen ist.

(4)  Die Vertragsparteien unterstützen einander bei der Anwendung und Aus­legung dieses Abkommens.

(5)  Jede Vertragspartei kann die Zusammenkunft von Experten der Vertragsparteien verlangen, um Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages einer Lösung zuzuführen und Vorschläge zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit zu unterbreiten.

Geschehen zu Bregenz, am 29. September 2005, in drei Urschriften in deutscher Sprache.

Für den Schweizerischen Bundesrat:

Christoph Blocher

Für die Österreichische Bundesregierung:

Liese Prokop

Für die Regierung des Fürstentums Liechtenstein:

Martin Meyer

Geltungsbereich am 26. Oktober 2007

Vertragsstaaten

Ratifikation

Inkrafttreten

Liechtenstein

23. Januar

2006

  1. Dezember

2007

Österreich

19. Oktober

2007

  1. Dezember

2007

Schweiz

11. Oktober

2007

  1. Dezember

2007