0.360.336.1

 AS 2007 6941; BBl 2006 7781

Originaltext

Vereinbarung

zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und dem Justizdepartement der Vereinigten Staaten von Amerika,
handelnd für die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Vereinigten Staaten
von Amerika über den Einsatz von gemeinsamen Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung des Terrorismus und dessen Finanzierung

Abgeschlossen in Washington am 12. Juli 2006

Von der Bundesversammlung genehmigt am 22. Juni 20071

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 1. Dezember 2007

(Stand am 1. Dezember 2007)

vom Wunsch geleitet, die Strafverfolgung in der Bekämpfung des Terrorismus und der Finanzierung des Terrorismus zu ergänzen und zu stärken, können die Schweizerische Bundesanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft der Vereinigten Staaten gemäss den in dieser Vereinbarung festgehaltenen Rahmenbedingungen den Einsatz von gemeinsamen Ermittlungsgruppen beschliessen:

1. Kapitel: Anwendungsbereich und Achtung der nationalen Gesetze

Art. 1 Anwendungsbereich – Ermittlungs- und/oder Strafverfahren

1.  Diese Vereinbarung regelt den Austausch von Beamten der zuständigen Straf­verfolgungsbehörden (Behörden) der Schweiz und der Vereinigten Staaten von Amerika und deren Einsatz in gemeinsamen Ermittlungsgruppen im Zusammenhang mit in beiden Ländern hängigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahren zur Bekämpfung des Terrorismus und dessen Finanzierung.

2.  Der Einsatz und die Zusammensetzung gemeinsamer Ermittlungsgruppen erfolgt nach Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Bundesanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft der Vereinigten Staaten von Amerika.

Art. 2 Achtung der nationalen Gesetze

Die Beamten beider Staaten arbeiten in der gemeinsamen Ermittlungsgruppe des jeweiligen Gaststaates gemäss dessen anwendbarem Recht. Die Beamten, welche in der gemeinsamen Ermittlungsgruppe arbeiten, haben Zugang zu allen für ihre Aufgaben notwendigen Informationen im Umfang des in dem Gaststaat anwendbaren nationalen Rechts und im Umfang ihres Berechtigungsstatus.

2. Kapitel: Entsendung und Zusammenarbeit

Art. 3 Delegation amerikanischer Beamter in die gemeinsamen Ermittlungsgruppen

1.  Ist eine in der Schweiz tätige gemeinsame Ermittlungsgruppe eingesetzt worden, so delegieren das Department of Justice (DOJ) und das Department of Homeland Security (DHS) einen oder mehrere Beamte des Federal Bureau of Investigation FBI und/oder der Immigration and Customs Enforcement (ICE) in diese gemeinsame Ermittlungsgruppe in der Schweiz. Während der Dauer ihres Einsatzes arbeiten der oder die Beamten ausschliesslich im Rahmen derjenigen Ermittlungs- und Straf­verfahren, welche in der Zuständigkeit der fraglichen gemeinsamen Ermittlungsgruppe liegen.

2.  Der für die Schweiz zuständige Legal Attaché des Federal Bureau of Investiga­tion FBI und/oder der Attaché der Immigration and Customs Enforcement (ICE) sowie weitere diesen Dienststellen zugeteilte Beamte sind, vorbehältlich der Zustimmung durch den Leiter der schweizerischen gemeinsamen Ermittlungs­gruppe, nebst ihren üblichen Aufgaben und Pflichten uneingeschränkt als Mitglieder der im Rahmen dieser Vereinbarung in der Schweiz eingesetzten gemeinsamen Ermittlungsgruppen akkreditiert.

3.  Die Kommunikation der Beamten des FBI und/oder des ICE mit Behörden in den Vereinigten Staaten betreffend die Arbeit der gemeinsamen Ermittlungsgruppe wird von dem genannten Legal Attaché des FBI und/oder dem genannten Attaché des ICE in Absprache mit dem Schweizer Leiter der gemeinsamen Ermittlungsgruppe koordiniert. Diese Kommunikation steht unter dem Vorbehalt von Kapitel 3 hiernach.

Art. 4 Delegation schweizerischer Beamter in die gemeinsamen Ermittlungsgruppen

1.  Ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika tätige gemeinsame Ermittlungsgruppe eingesetzt worden, so delegiert die Bundesanwaltschaft in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Polizei einen oder mehrere Beamte der Abteilung Ermittlungen Terrorismusfinanzierung der Bundeskriminalpolizei in diese gemeinsame Ermittlungsgruppe in den Vereinigten Staaten. Während der Dauer ihres Einsatzes arbeiten der oder die Beamten ausschliesslich im Rahmen derjenigen Ermittlungs- und Strafverfahren, welche in der Zuständigkeit der fraglichen gemeinsamen Ermittlungsgruppe liegen.

2.  Der oder die für die Vereinigten Staaten zuständigen schweizerischen Verbindungsoffiziere sowie weitere diesen Dienststellen zugeteilte Beamte sind, vorbehältlich der Zustimmung durch den Leiter der amerikanischen gemeinsamen Ermittlungsgruppe, nebst ihren üblichen Aufgaben und Pflichten uneingeschränkt als Mitglieder der im Rahmen dieser Vereinbarung in den Vereinigten Staaten ein­gesetzten gemeinsamen Ermittlungsgruppen akkreditiert

3.  Die Kommunikation der Beamten der Abteilung Ermittlungen Terrorismusfinanzierung mit Behörden in der Schweiz betreffend die Arbeit der in den Vereinigten Staaten eingesetzten gemeinsamen Ermittlungsgruppe wird von dem genannten Verbindungsoffizier der Schweiz in Absprache mit dem Leiter der amerikanischen gemeinsamen Ermittlungsgruppe koordiniert. Diese Kommunikation steht unter dem Vorbehalt von Kapitel 3 hiernach.

Art. 5 Beamte, Anzahl und Anforderungen

1.  Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden teilen einander die Namen der Leiter ihrer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und/oder den verantwortlichen Leiter des betreffenden Ermittlungs- und/oder Strafverfahrens mit; diese können ab diesem Zeitpunkt direkt miteinander kommunizieren, wobei sie die jeweiligen Attachés oder Verbindungsoffiziere jeweils über die Kommunikation informieren.

2.  Die delegierten Beamten müssen folgende Anforderungen erfüllen:

sie verfügen über vertiefte Kenntnisse der relevanten hängigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahren in ihren eigenen Staaten, soweit diese im Bezug zum Gaststaat stehen;
sie haben Zugang zu relevanten Informationen über die Ermittlungs- und/oder Strafverfahren in ihrem Staat und die Berechtigung, solche Informationen weiterzugeben;
sie verfügen so weit möglich über angemessene sprachliche Fähigkeiten; und
soweit sie Zugang zu klassifizierten Informationen haben, verfügen sie über den entsprechenden Berechtigungsstatus.

3.  Die Zahl der delegierten Beamten hängt vom Stand und dem Bedarf der jeweils hängigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahren ab und wird nach Beratungen zwischen den Leitern der jeweiligen gemeinsamen Ermittlungsgruppen in gemeinsamer Absprache zwischen der schweizerischen Bundesanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft der Vereinigten Staaten von Amerika festgelegt.

Art. 6 Einsatz der Beamten in den gemeinsamen Ermittlungsgruppen

1.  Vorbehältlich durch das Gesetz oder durch diese Vereinbarung vorgegebener Einschränkungen erfüllen die ausländischen Beamten in der gemeinsamen Ermittlungsgruppe grundsätzlich die gleichen Aufgaben wie die Beamten des Gaststaates. Alle Beamten unterstützen in gleicher Weise die Analyse der im Rahmen der hängigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahren erhobenen Informationen und empfehlen Strategien für die weitere Ermittlungstätigkeit.

2.  Die Teilnahme an der Einvernahme von Zeugen und Angeschuldigten sowie an anderen Ermittlungshandlungen, welche Zwangsmassnahmen beinhalten, unterliegt der vorgängigen Bewilligung durch den jeweils verantwortlichen Leiter des Ermittlungs- und/oder Strafverfahrens.

3.  Die ausländischen Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe tragen in ihrem Gaststaat keine Feuerwaffen.

4.  Recherchen in amtlichen automatisierten Datensystemen und Archiven erfolgen ausschliesslich über ein Mitglied der gemeinsamen Ermittlungsgruppe des Gast­staates. Die Weitergabe solcher Informationen an ausländische Beamte unterliegt der Bewilligung durch den Leiter der gemeinsamen Ermittlungsgruppe oder durch dessen Stellvertreter.

5.  Der Zugang der delegierten Beamten zu Bürogebäuden und -räumen untersteht der Bewilligung durch den Leiter der gemeinsamen Ermittlungsgruppe sowie sämtlichen für die betreffenden Räumlichkeiten intern geltenden Weisungen und Bestimmungen.

Art. 7 Kosten

Jeder Staat trägt die Kosten, die sich aus der Entsendung seiner Beamten in den anderen Staat ergeben.

3.  Kapitel: Organisation und Information in den Bereichen Rechtshilfe und polizeiliche Zusammenarbeit



Art. 8 Beschränkung der Verwendung von Informationen

1.  Vorbehältlich der anderweitigen Bewilligung durch die Generalstaatsanwaltschaft oder die Bundesanwaltschaft des jeweiligen Gastlandes dürfen die im Rahmen der gemeinsamen Ermittlungsgruppe erlangten Informationen ausschliesslich benutzt werden für:

a.
diejenigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahren, für welche die gemeinsame Ermittlungsgruppe eingesetzt wurde; oder
b.
für Ermittlungs- und/oder Strafverfahren im Zusammenhang mit anderen Personen, welche an den Verbrechen, aufgrund derer die gemeinsame Ermittlungsgruppe eingesetzt wurde, teilgenommen oder diese begünstigt haben;

2.   Ungeachtet der Bestimmungen in Absatz 1 hievor dürfen Informationen, welche im Rahmen dieser Vereinbarung durch Zwangsmassnahmen erlangt wurden und/oder den Geheimbereich betreffen, nur in justiziellen Verfahren unter den Bestimmungen des Staatsvertrag vom 25. Mai 19732 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen, welcher die förmliche Rechtshilfe regelt, verwendet werden.

3.  Die zuständige Strafverfolgungsbehörde jedes Landes informiert auf Ersuchen die zuständige Strafverfolgungsbehörde der Vereinbarungspartei über die Verwendung von im Rahmen dieser Vereinbarung erlangten Informationen.

Art. 9 Informationspflicht bei wesentlichen Polizeiaktionen

Die schweizerische Bundesanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft der Vereinigten Staaten von Amerika konsultieren und informieren wenn immer möglich die andere Vertragspartei, über den jeweils zuständigen Leiter des hängigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahrens, betreffend anstehende Polizeiaktionen, wel­che Auswirkungen auf die hängigen Ermittlungs- und/oder Strafverfahren der gemeinsamen Ermittlungsgruppe haben könnten.

4. Kapitel: Notifizierung der Anwesenheit von Mitgliedern der gemeinsamen Ermittlungsgruppe


Art. 10 Notifizierung

Die Botschaft des entsendenden Staates notifiziert dem Eidgenössischen Department für auswärtige Angelegenheiten respektive dem Department of State des Gaststaates die Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe, sowie deren Ankunft und definitive Abreise.

5. Kapitel Schlussbestimmungen

Art. 11 Meinungsaustausch

Der Meinungsaustausch über die Auslegung dieser Vereinbarung erfolgt gegebenenfalls über die schweizerische Bundesanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft der Vereinigten Staaten von Amerika.

Art. 12 Inkrafttreten

Diese Vereinbarung tritt am ersten Tag des Monats nach dem Datum in Kraft, an dem sich die Unterzeichner gegenseitig den Abschluss ihrer für das Inkrafttreten erforderlichen innerstaatlichen Voraussetzungen mitgeteilt haben. Das Inkrafttreten dieser Vereinbarung setzt das am 4. September 2002 unterzeichnete Operative Working Arrangement ausser Kraft.

Art. 13 Beendigung der Vereinbarung

1.  Jede Vereinbarungspartei kann dieses Abkommen durch schriftliche Mitteilung an die andere Vereinbarungspartei kündigen. Die Kündigung gilt für sämtliche an diesem Abkommen beteiligten Amtsstellen.

2.  Die Kündigung wird am ersten Tag des zweiten Monats nach Eingang der Mitteilung wirksam.

Art. 14 Anwendbares Recht

Diese Vereinbarung untersteht dem jeweils geltenden Landesrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der schweizerischen Eidgenossenschaft.

Unterzeichnet am 12. Juli 2006 in Washington, in zwei Exemplaren in deutscher und eng­lischer Sprache, wobei beide Texte gleichermassen verbindlich sind.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für das
Justizdepartement der
Vereinigten Staaten von Amerika:

Christoph Blocher

Alberto Gonzales