0.232.142.24

 AS 2007 6609

Originaltext

Protokoll
über die Zentralisierung des europäischen
Patentsystems und seine Einführung

(Zentralisierungsprotokoll)

Abgeschlossen in München am 29. November 2000

Von der Bundesversammlung genehmigt am 16. Dezember 20051

Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 12. Juni 2006

In Kraft getreten für die Schweiz am 13. Dezember 2007

(Stand am 13. Dezember 2007)

Abschnitt I

(1) (a) Bei Inkrafttreten des Übereinkommens treffen die Vertragsstaaten des Übereinkommens2, die gleichzeitig Mitgliedstaaten des durch das Haager Abkommen vom 6. Juni 19473 errichteten Internationalen Patentinstituts sind, die notwendigen Massnahmen, um sicherzustellen, dass alle Aktiva und Passiva sowie das gesamte Personal des Internationalen Patentinstituts spätestens zu dem in Artikel 162 Absatz 1 des Übereinkommens vorgesehenen Zeitpunkt auf das Europäische Patentamt übertragen werden. Diese Übertragung erfolgt im Wege eines Vertrags zwischen dem Internationalen Patentinstitut und der Europäischen Patentorganisation. Die oben erwähnten Staaten und die anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens treffen die notwendigen Massnahmen, um sicherzustellen, dass dieser Vertrag spätestens zu dem in Artikel 162 Absatz 1 des Übereinkommens vorgesehenen Zeitpunkt angewendet wird. Die Mitgliedstaaten des Internationalen Patentinstituts, die gleichzeitig Vertragsstaaten des Übereinkommens sind, verpflichten sich ferner, ihre Mitgliedschaft am Haager Abkommen zum Zeitpunkt der Anwendung des Vertrags zu beenden.

(b)
Die Vertragsstaaten des Übereinkommens treffen die notwendigen Massnahmen, um sicherzustellen, dass die Aktiva und Passiva sowie das gesamte Personal des Internationalen Patentinstituts in das Europäische Patentamt nach Massgabe des unter Buchstabe a erwähnten Vertrags übernommen werden. Das Europäische Patentamt übernimmt von der Anwendung dieses Vertrags an einerseits die Aufgaben, die dem Internationalen Patentinstitut am Tag der Auflage des Übereinkommens zur Unterzeichnung obliegen, insbesondere diejenigen, die es zu diesem Zeitpunkt gegenüber seinen Mitgliedstaaten wahrnimmt, wobei es unerheblich ist, ob diese Staaten Vertragsstaaten des Übereinkommens werden oder nicht, und andererseits die Aufgaben, zu deren Wahrnehmung es sich bei Inkrafttreten des Über­einkommens gegenüber Staaten verpflichtet hat, die in diesem Zeitpunkt sowohl Mitgliedstaaten des Internationalen Patentinstituts als auch Vertragsstaaten des Übereinkommens sind. Ausserdem kann der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation dem Europäischen Patentamt weitere Aufgaben auf dem Gebiet der Recherche übertragen.
(c)
Die obengenannten Verpflichtungen beziehen sich sinngemäss auch auf die gemäss dem Haager Abkommen geschaffene Dienststelle unter den im Abkommen zwischen dem Internationalen Patentinstitut und der Regierung des beteiligten Vertragsstaats vorgesehenen Bedingungen. Diese Regierung verpflichtet sich, mit der Europäischen Patentorganisation ein neues Abkommen, das das bereits bestehende Abkommen mit dem Internationalen Patentinstitut ablöst, zu schliessen, um die Bestimmungen über die Organisation, die Tätigkeit und die Finanzierung der Dienststelle mit diesem Protokoll in Einklang zu bringen.

(2)  Die Vertragsstaaten des Übereinkommens verzichten zu dem in Artikel 162 Absatz 1 des Übereinkommens genannten Zeitpunkt vorbehaltlich des Abschnitts III für ihre Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz zugunsten des Europäischen Patentamts auf die Tätigkeit als Internationale Recherchenbehörde nach dem Zusammenarbeitsvertrag4.

(3) (a) Zu dem in Artikel 162 Absatz 1 des Übereinkommens genannten Zeitpunkt wird in Berlin eine Dienststelle des Europäischen Patentamts errichtet. Diese Dienststelle untersteht der Zweigstelle in Den Haag.

(b)
Der Verwaltungsrat legt die Befugnisse der Dienststelle Berlin unter Berücksichtigung allgemeiner Erwägungen und der Bedürfnisse des Europäischen Patentamts fest.
(c)
Zumindest am Anfang des Zeitabschnitts nach der stufenweisen Ausdehnung des Tätigkeitsbereichs des Europäischen Patentamts muss der Umfang der dieser Dienststelle übertragenen Arbeiten eine volle Auslastung des im Zeitpunkt der Auflage des Übereinkommens zur Unterzeichnung bei der Dienststelle Berlin des Deutschen Patentamts beschäftigten Prüferpersonals ermöglichen.
(d)
Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt die zusätzlichen Kosten, die der Europäischen Patentorganisation aus der Errichtung und dem Betrieb der Dienststelle Berlin entstehen.

Abschnitt II

Die Vertragsstaaten des Übereinkommens verzichten vorbehaltlich der Abschnitte III und IV für ihre Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz zugunsten des Europäischen Patentamts auf die Tätigkeit als mit der internationalen vor­läufigen Prüfung beauftragte Behörde nach dem Zusammenarbeitsvertrag. Diese Verpflichtung wird nur in dem Umfang, in dem das Europäische Patentamt nach Artikel 162 Absatz 2 des Übereinkommens die Prüfung europäischer Patentanmeldungen durchführen kann, wirksam; diese Wirkung tritt zwei Jahre nach dem Zeitpunkt ein, zu dem das Europäische Patentamt nach einem Fünfjahresplan, der die Zuständigkeit des Amts stufenweise auf alle Gebiete der Technik ausdehnt und nur durch einen Beschluss des Verwaltungsrats geändert werden kann, seine Prüfungstätigkeit auf die betreffenden Gebiete der Technik ausgedehnt hat. Die Einzelheiten der Erfüllung der genannten Verpflichtung werden durch Beschluss des Verwaltungsrats festgelegt.

Abschnitt III

(1)  Die Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz jedes Vertragsstaats des Übereinkommens, dessen Amtssprache nicht eine der Amtssprachen des Europäischen Patentamts ist, ist berechtigt, eine Tätigkeit als Internationale Recherchen­behörde und als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde nach dem Zusammenarbeitsvertrag auszuüben. Die Inanspruchnahme dieses Rechts setzt die Verpflichtung des betreffenden Staats voraus, diese Tätigkeit auf internatio­nale Anmeldungen zu beschränken, die von Staatsangehörigen des betreffenden Staats, von Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet dieses Staats, von Staatsangehörigen eines diesem Übereinkommen angehörenden Nachbarstaats dieses Staats oder von Personen, die in einem solchen Nachbarstaat ihren Wohnsitz oder Sitz haben, eingereicht werden. Der Verwaltungsrat kann der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Vertragsstaats durch Beschluss gestatten, die genannte Tätigkeit auf solche internationale Anmeldungen auszudehnen, die von Staatsangehörigen oder von Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Nichtvertragsstaats, der die gleiche Amtssprache wie der betreffende Vertragsstaat hat, eingereicht werden und die in dieser Sprache abgefasst sind.

(2)  Im Hinblick auf eine Harmonisierung der nach dem Zusammenarbeitsvertrag vorgesehenen Recherchentätigkeiten im Rahmen des europäischen Patenterteilungssystems wird eine Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Patentamt und den nach diesem Abschnitt zugelassenen Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz hergestellt. Diese Zusammenarbeit erfolgt aufgrund einer besonderen Ver­einbarung, die sich zum Beispiel erstrecken kann auf Recherchenverfahren und ‑methoden, die Anforderungen für die Einstellung und Ausbildung von Prüfern, Richtlinien für den Austausch von Recherchen und anderen Diensten zwischen den Behörden sowie andere, zur Sicherstellung der erforderlichen Kontrolle und Überwachung notwendige Massnahmen.

Abschnitt IV

(1) (a) Um den nationalen Patentämtern der Vertragsstaaten des Übereinkommens die Anpassung an das europäische Patentsystem zu erleichtern, kann der Verwaltungsrat, wenn er es für wünschenswert hält, unter den nachstehend festgelegten Bedingungen den Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz dieser Staaten, in denen das Verfahren in einer der Amtssprachen des Europäischen Patentamts durchgeführt werden kann, die Bearbeitung der europäischen Patentanmeldungen, die in der betreffenden Sprache abgefasst sind, übertragen, soweit nach Artikel 18 Absatz 2 des Übereinkommens in der Regel ein Prüfer der Prüfungsabteilung beauftragt wird. Diese Aufgaben sind im Rahmen des im Übereinkommen vorgesehenen Erteilungsverfahrens durchzuführen; die Entscheidung über diese Anmeldungen trifft die Prüfungsabteilung in ihrer nach Artikel 18 Absatz 2 vorgesehenen Zusammensetzung.

(b)
Die nach Massgabe des Buchstabens a übertragenen Arbeiten dürfen nicht mehr als 40 Prozent der Gesamtzahl der eingereichten europäischen Patentanmeldungen betragen; die einem einzelnen Staat übertragenen Arbeiten dürfen nicht mehr als ein Drittel der Gesamtzahl der eingereichten europäischen Patentanmeldungen betragen. Diese Arbeiten werden für einen Zeitraum übertragen, der von der Aufnahme der Tätigkeit des Europäischen Patentamts an gerechnet 15 Jahre beträgt, und werden während der letzten 5 Jahre schrittweise (um grundsätzlich 20 % jährlich) bis auf Null verringert.
(c)
Aufgrund des Buchstabens b beschliesst der Verwaltungsrat über die Art, den Ursprung und die Anzahl der europäischen Patentanmeldungen, mit deren Bearbeitung die Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines der genannten Vertragsstaaten beauftragt werden kann.
(d)
Die vorstehenden Durchführungsbestimmungen werden in ein besonderes Abkommen aufgenommen, das zwischen der Zentralbehörde für den gewerb­lichen Rechtsschutz des betreffenden Vertragsstaats und der Europäischen Patentorganisation geschlossen wird.
(e)
Ein Patentamt, mit dem ein solches besonderes Abkommen geschlossen worden ist, kann bis zum Ablauf des Zeitraums von 15 Jahren eine Tätigkeit als eine mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde nach dem Zusammenarbeitsvertrag ausüben.

(2) (a) Ist der Verwaltungsrat der Auffassung, dass dies mit dem guten Funktionieren des Europäischen Patentamts vereinbar ist, so kann er, um Schwierigkeiten abzuhelfen, die für bestimmte Vertragsstaaten aus der Anwendung von Abschnitt 1 Nummer 2 erwachsen können, den Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz dieser Staaten die Aufgabe übertragen, Recherchen für europäische Patentanmeldungen durchzuführen, sofern deren Amtssprache eine der Amtssprachen des Europäischen Patentamts ist und diese Behörden die Voraussetzungen erfüllen, um gemäss den im Zusammen­arbeitsvertrag vorgesehenen Bedingungen als internationale Recherchen­behörde ernannt zu werden.

(b)
Bei diesen Arbeiten, die unter der Verantwortung des Europäischen Patentamts durchgeführt werden, hat sich die betreffende Zentralbehörde an die für die Erstellung des Europäischen Recherchenberichts geltenden Richtlinien zu halten.
(c)
Nummer 1 Buchstabe b Satz 2 und Buchstabe d5 ist entsprechend anzu­wenden.

5 Im französischen Originaltext ist der Buchstabe d nicht erwähnt.

Abschnitt V

(1)  Die in Abschnitt I Nummer 1 Buchstabe c genannte Dienststelle ist berechtigt, für europäische Patentanmeldungen, die von Angehörigen des Staats, in dem die Dienststelle ihren Sitz hat, und von Personen mit Wohnsitz oder Sitz in diesem Staat eingereicht werden, eine Recherche in der ihr zur Verfügung stehenden Dokumentation durchzuführen, soweit diese in der Amtssprache dieses Staats abgefasst ist. Hierdurch darf jedoch weder das europäische Patenterteilungsverfahren verzögert werden noch dürfen der Europäischen Patentorganisation zusätzliche Kosten entstehen.

(2)  Die in Nummer 1 genannte Dienststelle ist berechtigt, auf Antrag und auf Kosten des Anmelders eines europäischen Patents eine Recherche für die von ihm eingereichte Patentanmeldung in der unter Nummer 1 vorgesehenen Dokumentation durchzuführen. Die Berechtigung gilt, solange die in Artikel 92 des Übereinkommens vorgesehene Recherche nicht gemäss Abschnitt VI auf diese Dokumentation ausgedehnt worden ist; doch darf dadurch das europäische Patenterteilungsverfahren nicht verzögert werden.

(3)  Der Verwaltungsrat kann die in den Nummern 1 und 2 vorgesehenen Berechtigungen unter den in den genannten Nummern vorgesehenen Voraussetzungen auch auf Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz der Vertragsstaaten ausdehnen, die als Amtssprache keine der Amtssprachen des Europäischen Patentamts haben.

Abschnitt VI

Die in Artikel 92 des Übereinkommens vorgesehene Recherche wird grundsätzlich für alle europäischen Patentanmeldungen auf Patentschriften und veröffentlichte Patentanmeldungen sowie weitere einschlägige Dokumente von Vertragsstaaten ausgedehnt, die zu dem in Artikel 162 Absatz 1 des Übereinkommens erwähnten Zeitpunkt nicht im Prüfstoff des Europäischen Patentamts enthalten sind. Der Verwaltungsrat legt aufgrund der Ergebnisse einer Studie, die sich insbesondere mit den technischen und finanziellen Aspekten zu befassen hat, den Umfang, die näheren Bedingungen und den Zeitplan der Ausdehnung fest.

Abschnitt VII

Dieses Protokoll geht entgegenstehenden Vorschriften des Übereinkommens vor.

Abschnitt VIII

Die in diesem Protokoll vorgesehenen Beschlüsse des Verwaltungsrats werden mit Dreiviertelmehrheit getroffen (Artikel 35 Absatz 2 des Übereinkommens). Die Vorschriften über Stimmenwägung (Artikel 36 des Übereinkommens) sind anzuwenden.

Geltungsbereich des Protokolls6

6 Siehe Geltungsbereich des Europäischen Patentübereinkommens (SR 0.232.142.2).