901.0
Bundesgesetz
über Regionalpolitik
vom 6. Oktober 2006 (Stand am 1. April 2024)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf Artikel 103 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 16. November 20052,
beschliesst:
Dieses Gesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Regionen stärken und deren Wertschöpfung erhöhen und so zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in den Regionen, zur Erhaltung einer dezentralen Besiedlung und zum Abbau regionaler Disparitäten beitragen.
Die Regionalpolitik beruht auf folgenden Grundsätzen:
- a.
- Die Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung werden berücksichtigt.
- b.
- Die Regionen entwickeln eigene Initiativen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Erhöhung der Wertschöpfung.
- c.
- Die regionalen Zentren bilden die Entwicklungsmotoren.
- d.
- Die Kantone sind die zentralen Ansprechpartner des Bundes und stellen die Zusammenarbeit mit den Regionen sicher.
- e.
- Die Bundesstellen pflegen untereinander und mit in- und ausländischen Institutionen und Organisationen eine enge Zusammenarbeit.
1 Als Regionen gelten Gruppen von Kantonen und Gemeinden sowie Zusammenschlüsse von Kantonen oder Gemeinden mit anderen öffentlich-rechtlichen oder privaten Körperschaften oder Verbänden.
2 Bei der Bildung von Regionen ist der geografischen Verbundenheit, der wirtschaftlichen Funktionalität und dem Ziel der gemeinsamen Aufgabenlösung gegenüber institutionellen Grenzen Priorität einzuräumen.
3 Den bestehenden regionalen Strukturen ist Rechnung zu tragen, soweit sie sich zur Erfüllung des Zweckes dieses Gesetzes eignen.
4 Es obliegt den Regionen zu entscheiden, welche organisatorischen Einheiten sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben schaffen wollen.
1 Finanzhilfen können gewährt werden an die Vorbereitung, die Durchführung und die Evaluation von Initiativen, Programmen und Projekten, die:
- a.
- das unternehmerische Denken und Handeln in einer Region fördern;
- b.
- die Innovationsfähigkeit in einer Region stärken;
- c.
- regionale Potenziale ausschöpfen und Wertschöpfungssysteme aufbauen oder verbessern; oder
- d.
- die Zusammenarbeit unter öffentlichen und privaten Institutionen, unter Regionen und mit den Agglomerationen fördern.
2 Die Finanzhilfen werden nur gewährt, wenn:
- a.
- die Initiativen, Programme und Projekte für die betroffene Region Innovationscharakter haben; und
- b.
- der Nutzen der geförderten Initiativen, Programme und Projekte zum grössten Teil in Regionen anfällt, die mehrheitlich spezifische Entwicklungsprobleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Berggebietes und des weiteren ländlichen Raumes aufweisen.
Finanzhilfen können den Entwicklungsträgern, regionalen Geschäftsstellen und anderen regionalen Akteuren gewährt werden für:
- a.
- die Erarbeitung und die Realisierung mehrjähriger Förderstrategien; oder
- b.
- die Koordination und die Begleitung der Initiativen, Programme und Projekte ihrer Region.
1 Mit Finanzhilfen kann die schweizerische Beteiligung an Programmen, Projekten und innovativen Aktionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefördert werden, sofern:
- a.
- dadurch die Wertschöpfung einer Grenzregion mittelbar oder unmittelbar erhöht wird; oder
- b.
- ihr aus nationaler Sicht strategische Bedeutung zukommt.
2 Beteiligungen von nationaler strategischer Bedeutung sind in Zusammenarbeit mit den Kantonen durch den Bund zu koordinieren.
3 An Bauprojekte werden keine Finanzhilfen gewährt.
4 Bei der Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind die europäische und die nationale territoriale Zusammenarbeit sowie ihre Umsetzung und ihr Zeitplan zu berücksichtigen.
1 Der Bund kann zinsgünstige oder zinslose Darlehen für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben sowie A-Fonds-perdu-Beiträge für die Finanzierung von kleinen Infrastrukturvorhaben gewähren, soweit diese:4
- a.
- in einem direkten Zusammenhang mit der Realisierung und der Weiterführung von Vorhaben nach Artikel 4 stehen;
- b.
- Bestandteil eines Wertschöpfungssystems sind und zu dessen Stärkung beitragen; oder
- c.
- unmittelbar Nachfolgeinvestitionen in anderen Wirtschaftsbereichen einer Region induzieren.
2 Die Darlehen und A-Fonds-perdu-Beiträge nach Absatz 1 können nur für Infrastrukturvorhaben gewährt werden:5
- a.
- deren Nutzen zum grössten Teil in Regionen anfällt, die mehrheitlich spezifische Entwicklungsprobleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Berggebietes und des weiteren ländlichen Raumes aufweisen;
- b.
- an deren Finanzierung sich der Kanton mindestens gleichwertig beteiligt; und
- c.
- die der Bund nicht schon auf andere Weise unterstützt.
3 Der Bundesrat legt die Kriterien für die Gewährung und den Höchstbetrag der A‑Fonds-perdu-Beiträge unter Berücksichtigung der Teuerung fest.6
1 Bei der Festlegung des Zinssatzes ist den finanziellen Möglichkeiten des Darlehensnehmers oder der Darlehensnehmerin Rechnung zu tragen.
2 Die gewährten Darlehen müssen nach höchstens 25 Jahren zurückbezahlt sein. Bei der Festlegung der Laufzeit ist die Lebensdauer der geförderten Infrastruktureinrichtung zu berücksichtigen.
3 Allfällige Verluste aus gewährten Darlehen sind zur Hälfte vom Kanton zu tragen, der sie dem Darlehensnehmer oder der Darlehensnehmerin zugesprochen hat.
1 Alle Empfängerinnen und Empfänger von Finanzhilfen nach den Artikeln 4–7 haben sich angemessen mit eigenen Mitteln am Vorhaben zu beteiligen.7
2 Sie ergreifen geeignete Massnahmen zur Überwachung der Realisierung und zur Evaluation der geförderten Vorhaben.
3 Den Zielen der raumrelevanten Sektoralpolitiken des Bundes und der Raumplanung ist soweit möglich Rechnung zu tragen.
4 Die Finanzhilfen können im Einzelfall von weiteren Bedingungen abhängig gemacht oder mit weiteren Auflagen verknüpft werden.8
Der Bundesrat legt zusammen mit den Kantonen das Gebiet fest, welches mehrheitlich spezifische Entwicklungsprobleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Berggebietes und des weiteren ländlichen Raumes aufweist (Art. 4 Abs. 2 Bst. b und 7 Abs. 2 Bst. a).
1 Die Finanzhilfen nach den Artikeln 4–7 werden auf der Grundlage von Programmvereinbarungen in Form von Pauschalbeträgen ausgerichtet.
2 Die Höhe der Finanzhilfen richtet sich nach der Gesamtwirkung der Programme und Massnahmen.
1 Soweit ein Kanton Steuererleichterungen nach Artikel 23 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199010 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden gewährt, kann der Bund für die direkte Bundessteuer ebenfalls Steuererleichterungen gewähren.
2 Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer werden nur gewährt, soweit:
- a.
- ein industrielles Unternehmen oder ein produktionsnaher Dienstleistungsbetrieb neue Arbeitsplätze schafft oder bestehende neu ausrichtet;
- b.
- das Vorhaben die regionalwirtschaftlichen Anforderungen dieses Gesetzes erfüllt;
- c.
- der Kanton die Nachzahlung von missbräuchlich beanspruchten Steuererleichterungen verlangt.
3 Der Bundesrat legt, nach Konsultation der Kantone, die Gebiete fest, in denen Unternehmen von diesen Erleichterungen profitieren können, und regelt die Modalitäten der Finanzaufsicht, insbesondere die Pflicht, Informationen über die Wirkung der gewährten Steuererleichterungen einzuholen und weiterzuleiten.
Der Bund kann Massnahmen treffen für:
- a.
- die Stärkung der Kooperation sowie die Nutzung von Synergien zwischen der Regionalpolitik und den anderen Sektoralpolitiken des Bundes;
- b.
- die Förderung von Regionen mit besonderen Problemen;
- c.
- die Schaffung und den Betrieb eines Wissenssystems zur Regionalentwicklung;
- d.
- die Qualifizierung der regionalen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und der anderen regionalen Akteure sowie der Verantwortlichen für die Vorbereitung und Realisierung von Initiativen, Programmen und Projekten.
1 Die Bundesversammlung legt in einem Mehrjahresprogramm fest:
- a.
- die Förderschwerpunkte und Förderinhalte für die Regionalpolitik;
- b.
- die Schwerpunkte der flankierenden Massnahmen nach Artikel 13.
2 Das Mehrjahresprogramm umfasst acht Jahre.
3 Die Kantone bringen bei der Ausarbeitung des Mehrjahresprogramms ihre Bedürfnisse und strategischen Überlegungen ein und tragen dabei auch den Bedürfnissen ihrer Regionen Rechnung.
1 Die Kantone erarbeiten gestützt auf die Vorgaben des Mehrjahresprogramms zusammen mit ihren Entwicklungsträgern, regionalen Geschäftsstellen oder anderen regionalen Akteuren mehrjährige kantonale Umsetzungsprogramme und aktualisieren sie periodisch.
2 Sie stellen zusammen mit den Entwicklungsträgern und den regionalen Geschäftsstellen oder anderen regionalen Akteuren die Koordination der regions- und kantonsübergreifenden sowie der grenzüberschreitenden Vorhaben sicher.
3 Sie entscheiden im Rahmen der verfügbaren Mittel, für welche Vorhaben Finanzhilfen gewährt werden.11
1 Der Bund schliesst gestützt auf die kantonalen Umsetzungsprogramme mit den Kantonen mehrjährige Programmvereinbarungen ab. Diese bilden die Grundlage für einen pauschal bemessenen Beitrag des Bundes.
2 Die Kantone haben sich an der Realisierung ihrer Umsetzungsprogramme im gleichen Ausmass finanziell zu beteiligen wie der Bund.
1 Der Kanton sorgt für geeignete Massnahmen zur Überwachung der Realisierung der geförderten Initiativen, Programme, Projekte und Infrastrukturvorhaben.
2 Der Bund trifft geeignete Massnahmen zur Überwachung der Realisierung des Mehrjahresprogramms.
Der Bundesrat sorgt für die wissenschaftliche Evaluation des Mehrjahresprogramms und erstattet der Bundesversammlung Bericht.
1 Der Kanton entscheidet über die Gewährung kantonaler Steuererleichterungen. Er leitet das Gesuch mit seinen Entscheiden und Anträgen an das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) weiter.
2 Das SECO prüft die Gesuche zuhanden des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)12. Dieses entscheidet über die Einräumung und das Ausmass von Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer.
3 Die Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer werden, nach Massgabe des vom WBF getroffenen Entscheides und im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement, von der für die Veranlagung der Unternehmen zuständigen kantonalen Behörde verfügt.
Der Bundesrat entscheidet, wie die Zusammenarbeit mit den Kantonen, dem Berggebiet und dem weiteren ländlichen Raum organisatorisch sichergestellt wird.
1 Der Bund äufnet zur Finanzierung der Massnahmen nach diesem Gesetz einen Fonds für Regionalentwicklung.
2 Die jährlichen Zinserträge, Rückzahlungen und Garantieleistungen aus den Darlehen, welche nach dem Bundesgesetz vom 21. März 199713 über Investitionshilfe für Berggebiete (IHG) zugesichert und ausbezahlt worden sind, und aus den Darlehen, die nach Artikel 7 gewährt werden, sind dem Fonds für Regionalentwicklung gutzuschreiben.
3 Die Fondsentnahmen und Darlehenskonditionen sind unter Berücksichtigung der Verluste aus laufenden Darlehen, den Zinserträgen und der Teuerung festzulegen. Soweit möglich ist eine längerfristige Werterhaltung des Fonds anzustreben.
1 Die Bundesversammlung bewilligt mit einfachem Bundesbeschluss einen auf acht Jahre befristeten Zahlungsrahmen für weitere Einlagen in den Fonds für Regionalentwicklung.
2 Bei der Festlegung des Zahlungsrahmens ist dem im Mehrjahresprogramm ausgewiesenen Bedarf, den aus dem Fonds für Regionalentwicklung verfügbaren Mitteln sowie der Finanzlage des Bundes Rechnung zu tragen.
Entscheide von Bundesverwaltungsbehörden sowie letztinstanzliche kantonale Entscheide unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die Aufhebung und die Änderung bisherigen Rechts werden im Anhang geregelt.
1 Die Mittel des Investitionshilfefonds nach Artikel 14 IHG14 werden auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in den Fonds für Regionalentwicklung überführt.
2 Für die Investitionshilfedarlehen gelten bis zu deren vollständiger Rückzahlung die Bestimmungen des IHG.
3 Die Auszahlung der Verpflichtungen, welche gestützt auf das IHG, das Bundesgesetz vom 8. Oktober 199915 über die Förderung der schweizerischen Beteiligung an die Gemeinschaftsinitiative für grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (INTERREG III) in den Jahren 2000–2006, den Bundesbeschluss vom 21. März 199716 über die Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum und den Artikel 6a des Bundesbeschlusses vom 6. Oktober 199517 zugunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete vom Bund eingegangen wurden, wird nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch den Fonds für Regionalentwicklung sichergestellt.
1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
Datum des Inkrafttretens: 1. Jan. 200818
Art. 14 und 22: 15. März 200719
(Art. 24)
I
Folgende Erlasse werden aufgehoben:
- 1.
- Bundesgesetz vom 8. Oktober 199920 über die Förderung der schweizerischen Beteiligung an der Gemeinschaftsinitiative für grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (INTERREG III) in den Jahren 2000–2006.
- 2.
- Bundesgesetz vom 21. März 199721 über Investitionshilfe für Berggebiete.
- 3.
- Bundesbeschluss vom 21. März 199722 über die Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum.
- 4.
- Bundesbeschluss vom 6. Oktober 199523 zugunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete
II
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