901.0

Bundesgesetz
über Regionalpolitik

vom 6. Oktober 2006 (Stand am 1. Januar 2013)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 103 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 16. November 20052,

beschliesst:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Zweck

Dieses Gesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Regionen stärken und deren Wertschöpfung erhöhen und so zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in den Regionen, zur Erhaltung einer dezentralen Besiedlung und zum Abbau regio­naler Disparitäten beitragen.

Art. 2 Grundsätze

Die Regionalpolitik beruht auf folgenden Grundsätzen:

a.
Die Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung werden berücksichtigt.
b.
Die Regionen entwickeln eigene Initiativen zur Verbesserung der Wett­bewerbsfähigkeit und zur Erhöhung der Wertschöpfung.
c.
Die regionalen Zentren bilden die Entwicklungsmotoren.
d.
Die Kantone sind die zentralen Ansprechpartner des Bundes und stellen die Zusammenarbeit mit den Regionen sicher.
e.
Die Bundesstellen pflegen untereinander und mit in- und ausländischen Institutionen und Organisationen eine enge Zusammenarbeit.
Art. 3 Regionen

1 Als Regionen gelten Gruppen von Kantonen und Gemeinden sowie Zusammenschlüsse von Kantonen oder Gemeinden mit anderen öffentlich-rechtlichen oder privaten Körperschaften oder Verbänden.

2 Bei der Bildung von Regionen ist der geografischen Verbundenheit, der wirtschaftlichen Funktionalität und dem Ziel der gemeinsamen Aufgabenlösung gegenüber institutionellen Grenzen Priorität einzuräumen.

3 Den bestehenden regionalen Strukturen ist Rechnung zu tragen, soweit sie sich zur Erfüllung des Zweckes dieses Gesetzes eignen.

4 Es obliegt den Regionen zu entscheiden, welche organisatorischen Einheiten sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben schaffen wollen.

2. Abschnitt: Massnahmen

Art. 4 Förderung von Initiativen, Programmen und Projekten

1 Finanzhilfen können gewährt werden an die Vorbereitung, die Durchführung und die Evaluation von Initiativen, Programmen und Projekten, die:

a.
das unternehmerische Denken und Handeln in einer Region fördern;
b.
die Innovationsfähigkeit in einer Region stärken;
c.
regionale Potenziale ausschöpfen und Wertschöpfungssysteme aufbauen oder verbessern; oder
d.
die Zusammenarbeit unter öffentlichen und privaten Institutionen, unter Regionen und mit den Agglomerationen fördern.

2 Die Finanzhilfen werden nur gewährt, wenn:

a.
die Initiativen, Programme und Projekte für die betroffene Region Innova­tionscharakter haben; und
b.
der Nutzen der geförderten Initiativen, Programme und Projekte zum grössten Teil in Regionen anfällt, die mehrheitlich spezifische Entwicklungs­probleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Berggebietes und des weiteren ländlichen Raumes aufweisen.
Art. 6 Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

1 Mit Finanzhilfen kann die schweizerische Beteiligung an Programmen, Projekten und innovativen Aktionen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefördert werden, sofern:

a.
dadurch die Wertschöpfung einer Grenzregion mittelbar oder unmittelbar erhöht wird; oder
b.
ihr aus nationaler Sicht strategische Bedeutung zukommt.

2 Beteiligungen von nationaler strategischer Bedeutung sind in Zusammenarbeit mit den Kantonen durch den Bund zu koordinieren.

3 An Bauprojekte werden keine Finanzhilfen gewährt.

4 Bei der Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind die euro­päische und die nationale territoriale Zusammenarbeit sowie ihre Umsetzung und ihr Zeitplan zu berücksichtigen.

Art. 7 Darlehen für Infrastrukturvorhaben

1 Der Bund kann zinsgünstige oder zinslose Darlehen für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben gewähren, soweit diese:

a.
in einem direkten Zusammenhang mit der Realisierung und der Weiterführung von Vorhaben nach Artikel 4 stehen;
b.
Bestandteil eines Wertschöpfungssystems sind und zu dessen Stärkung beitragen; oder
c.
unmittelbar Nachfolgeinvestitionen in anderen Wirtschaftsbereichen einer Region induzieren.

2 Diese Darlehen können nur für Infrastrukturvorhaben gewährt werden:

a.
deren Nutzen zum grössten Teil in Regionen anfällt, die mehrheitlich spe­zifische Entwicklungsprobleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Berg­gebietes und des weiteren ländlichen Raumes aufweisen;
b.
an deren Finanzierung sich der Kanton mindestens gleichwertig beteiligt; und
c.
die der Bund nicht schon auf andere Weise unterstützt.
Art. 8 Verzinsung, Rückzahlung der Darlehen und Darlehensverluste

1 Bei der Festlegung des Zinssatzes ist den finanziellen Möglichkeiten des Dar­lehensnehmers oder der Darlehensnehmerin Rechnung zu tragen.

2 Die gewährten Darlehen müssen nach höchstens 25 Jahren zurückbezahlt sein. Bei der Festlegung der Laufzeit ist die Lebensdauer der geförderten Infrastruktureinrichtung zu berücksichtigen.

3 Allfällige Verluste aus gewährten Darlehen sind zur Hälfte vom Kanton zu tragen, der sie dem Darlehensnehmer oder der Darlehensnehmerin zugesprochen hat.

Art. 9 Allgemeine Voraussetzungen und Bedingungen

1 Alle Empfängerinnen und Empfänger von Finanzhilfen nach den Artikeln 4–6 und von Darlehen nach Artikel 7 haben sich angemessen mit eigenen Mitteln am Vor­haben zu beteiligen.

2 Sie ergreifen geeignete Massnahmen zur Überwachung der Realisierung und zur Evaluation der geförderten Vorhaben.

3 Den Zielen der raumrelevanten Sektoralpolitiken des Bundes und der Raumplanung ist soweit möglich Rechnung zu tragen.

4 Die Finanzhilfen und die Darlehen können im Einzelfall von weiteren Bedingungen abhängig gemacht oder mit weiteren Auflagen verknüpft werden.

Art. 10 Berggebiet und weiterer ländlicher Raum

Der Bundesrat legt zusammen mit den Kantonen das Gebiet fest, welches mehrheitlich spezifische Entwicklungsprobleme und Entwicklungsmöglichkeiten des Berggebietes und des weiteren ländlichen Raumes aufweist (Art. 4 Abs. 2 Bst. b und 7 Abs. 2 Bst. a).

Art. 11 Ausrichtung der Finanzhilfen und Darlehen

1 Die Finanzhilfen nach den Artikeln 4–6 und die Darlehen nach Artikel 7 werden auf der Grundlage von Programmvereinbarungen in Form von Pauschalbeträgen ausgerichtet.

2 Die Höhe der Finanzhilfen und Darlehen richtet sich nach der Gesamtwirkung der Programme und Massnahmen.

Art. 12 Steuererleichterungen

1 Soweit ein Kanton Steuererleichterungen nach Artikel 23 Absatz 3 des Bundes­gesetzes vom 14. Dezember 19903 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden gewährt, kann der Bund für die direkte Bundessteuer ebenfalls Steuererleichterungen gewähren.

2 Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer werden nur gewährt, soweit:

a.
ein industrielles Unternehmen oder ein produktionsnaher Dienstleistungs­betrieb neue Arbeitsplätze schafft oder bestehende neu ausrichtet;
b.
das Vorhaben die regionalwirtschaftlichen Anforderungen dieses Gesetzes erfüllt;
c.
der Kanton die Nachzahlung von missbräuchlich beanspruchten Steuererleichterungen verlangt.

3 Der Bundesrat legt, nach Konsultation der Kantone, die Gebiete fest, in denen Unternehmen von diesen Erleichterungen profitieren können, und regelt die Moda­litäten der Finanzaufsicht, insbesondere die Pflicht, Informationen über die Wirkung der gewährten Steuererleichterungen einzuholen und weiterzuleiten.

Art. 13 Flankierende Massnahmen

Der Bund kann Massnahmen treffen für:

a.
die Stärkung der Kooperation sowie die Nutzung von Synergien zwischen der Regionalpolitik und den anderen Sektoralpolitiken des Bundes;
b.
die Förderung von Regionen mit besonderen Problemen;
c.
die Schaffung und den Betrieb eines Wissenssystems zur Regionalentwicklung;
d.
die Qualifizierung der regionalen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und der anderen regionalen Akteure sowie der Verantwortlichen für die Vor­bereitung und Realisierung von Initiativen, Programmen und Projekten.

3. Abschnitt: Umsetzung

Art. 14 Mehrjahresprogramm

1 Die Bundesversammlung legt in einem Mehrjahresprogramm fest:

a.
die Förderschwerpunkte und Förderinhalte für die Regionalpolitik;
b.
die Schwerpunkte der flankierenden Massnahmen nach Artikel 13.

2 Das Mehrjahresprogramm umfasst acht Jahre.

3 Die Kantone bringen bei der Ausarbeitung des Mehrjahresprogramms ihre Bedürfnisse und strategischen Überlegungen ein und tragen dabei auch den Bedürfnissen ihrer Regionen Rechnung.

Art. 15 Aufgaben der Kantone

1 Die Kantone erarbeiten gestützt auf die Vorgaben des Mehrjahresprogramms zusammen mit ihren Entwicklungsträgern, regionalen Geschäftsstellen oder anderen regionalen Akteuren mehrjährige kantonale Umsetzungsprogramme und aktualisieren sie periodisch.

2 Sie stellen zusammen mit den Entwicklungsträgern und den regionalen Geschäftsstellen oder anderen regionalen Akteuren die Koordination der regions- und kantonsübergreifenden sowie der grenzüberschreitenden Vorhaben sicher.

3 Sie entscheiden im Rahmen der verfügbaren Mittel, für welche Vorhaben Finanzhilfen oder Darlehen gewährt werden.

Art. 16 Programmvereinbarungen und finanzielle Beteiligung der Kantone

1 Der Bund schliesst gestützt auf die kantonalen Umsetzungsprogramme mit den Kantonen mehrjährige Programmvereinbarungen ab. Diese bilden die Grundlage für einen pauschal bemessenen Beitrag des Bundes.

2 Die Kantone haben sich an der Realisierung ihrer Umsetzungsprogramme im gleichen Ausmass finanziell zu beteiligen wie der Bund.

Art. 17 Überwachung

1 Der Kanton sorgt für geeignete Massnahmen zur Überwachung der Realisierung der geförderten Initiativen, Programme, Projekte und Infrastrukturvorhaben.

2 Der Bund trifft geeignete Massnahmen zur Überwachung der Realisierung des Mehrjahresprogramms.

Art. 19 Gesuche um Steuererleichterungen und Verfahren

1 Der Kanton entscheidet über die Gewährung kantonaler Steuererleichterungen. Er leitet das Gesuch mit seinen Entscheiden und Anträgen an das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) weiter.

2 Das SECO prüft die Gesuche zuhanden des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)4. Dieses entscheidet über die Einräumung und das Ausmass von Steuer­erleichterungen bei der direkten Bundessteuer.

3 Die Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer werden, nach Massgabe des vom WBF getroffenen Entscheides und im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement, von der für die Ver­anlagung der Unternehmen zuständigen kantonalen Behörde verfügt.

4 Ausdruck gemäss Ziff. I 26 der V vom 15. Juni 2012 (Neugliederung der Departemente), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2012 3655). Diese Änd. wurde im ganzen Erlass berücksichtigt.

Art. 20 Zusammenarbeit

Der Bundesrat entscheidet, wie die Zusammenarbeit mit den Kantonen, dem Berggebiet und dem weiteren ländlichen Raum organisatorisch sichergestellt wird.

4. Abschnitt: Finanzierung

Art. 21 Fonds für Regionalentwicklung

1 Der Bund äufnet zur Finanzierung der Massnahmen nach diesem Gesetz einen Fonds für Regionalentwicklung.

2 Die jährlichen Zinserträge, Rückzahlungen und Garantieleistungen aus den Dar­lehen, welche nach dem Bundesgesetz vom 21. März 19975 über Investitionshilfe für Berggebiete (IHG) zugesichert und ausbezahlt worden sind, und aus den Dar­lehen, die nach Artikel 7 gewährt werden, sind dem Fonds für Regionalentwicklung gutzuschreiben.

3 Die Fondsentnahmen und Darlehenskonditionen sind unter Berücksichtigung der Verluste aus laufenden Darlehen, den Zinserträgen und der Teuerung festzulegen. Soweit möglich ist eine längerfristige Werterhaltung des Fonds anzustreben.

5 [AS 1997 2995, 2000 179 187 Art. 9, 2002 290 2504, 2003 267, 2004 3439 Art. 1, 2006 2197 Anhang Ziff. 122 2359 Art. 1]

Art. 22 Bereitstellung der Mittel

1 Die Bundesversammlung bewilligt mit einfachem Bundesbeschluss einen auf acht Jahre befristeten Zahlungsrahmen für weitere Einlagen in den Fonds für Regionalentwicklung.

2 Bei der Festlegung des Zahlungsrahmens ist dem im Mehrjahresprogramm ausgewiesenen Bedarf, den aus dem Fonds für Regionalentwicklung verfügbaren Mitteln sowie der Finanzlage des Bundes Rechnung zu tragen.

5. Abschnitt: Rechtsschutz

Art. 23

Entscheide von Bundesverwaltungsbehörden sowie letztinstanzliche kantonale Ent­scheide unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 25 Übergangsbestimmungen

1 Die Mittel des Investitionshilfefonds nach Artikel 14 IHG6 werden auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in den Fonds für Regionalentwicklung überführt.

2 Für die Investitionshilfedarlehen gelten bis zu deren vollständiger Rückzahlung die Bestimmungen des IHG.

3 Die Auszahlung der Verpflichtungen, welche gestützt auf das IHG, das Bundes­gesetz vom 8. Oktober 19997 über die Förderung der schweizerischen Beteiligung an die Gemeinschaftsinitiative für grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (INTERREG III) in den Jahren 2000–2006, den Bundesbeschluss vom 21. März 19978 über die Unterstützung des Strukturwandels im länd­lichen Raum und den Artikel 6a des Bundesbeschlusses vom 6. Oktober 19959 zu­gunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete vom Bund eingegangen wurden, wird nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch den Fonds für Regionalentwicklung sichergestellt.

6 [AS 1997 2995, 2000 179 187 Art. 9, 2002 290 2504, 2003 267, 2004 3439 Art. 1, 2006 2197 Anhang Ziff. 122 2359 Art. 1]

7 [AS 2000 609, 2006 4275]

8 [AS 1997 1610, 2000 187 Art. 11, 2006 2197 Anhang Ziff. 124 4297]

9 [AS 1996 1918, 2001 1911, 2006 2197 Anhang Ziff. 144 4301]

Art. 26 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. Jan. 200810
Art. 14 und 22: 15. März 200711

10 V vom 28. November 2007 (AS 2007 6861)

11 BRB vom 28. Febr. 2007

Anhang

(Art. 24)

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

I

Folgende Erlasse werden aufgehoben:

1.
Bundesgesetz vom 8. Oktober 199912 über die Förderung der schweizerischen Beteiligung an der Gemeinschaftsinitiative für grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit (INTERREG III) in den Jahren 2000–2006.
2.
Bundesgesetz vom 21. März 199713 über Investitionshilfe für Berggebiete.
3.
Bundesbeschluss vom 21. März 199714 über die Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum.
4.
Bundesbeschluss vom 6. Oktober 199515 zugunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete

II

16

12 [AS 2000 609, 2006 4275]

13 [AS 1997 2995, 2000 179 187 Art. 9, 2002 290 2504, 2003 267, 2004 3439 Art. 1, 2006 2197 Anhang Ziff. 122 2359 Art. 1]

14 [AS 1997 1610, 2000 187 Art. 11, 2006 2197 Anhang Ziff. 124 4297]

15 [AS 1996 1918, 2001 1911, 2006 2197 Anhang Ziff. 144 4301]

16 Die Änderung kann unter AS 2007 681 konsultiert werden.