0.360.743.1 (Stand am 14. November 2006)

0.360.743.1

 AS 2006 4443; BBl 2005 3979

Originaltext

Vertrag

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und
der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit
bei der Bekämpfung strafbarer Handlungen

Abgeschlossen am 31. Mai 2005

Von der Bundesversammlung genehmigt am 24. März 20061

Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 12. Oktober 2006

In Kraft getreten am 1. November 2006

(Stand am 14. November 2006)

Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
die Tschechische Republik,

nachfolgend die Vertragsparteien genannt,

mit dem Ziel, zur Entwicklung gegenseitiger Beziehungen beizutragen,

überzeugt von der grundsätzlichen Bedeutung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen, des Terrorismus sowie anderer Arten schwerwiegender strafbarer Handlungen und

in der Achtung der Rechte und Pflichten ihrer Bürgerinnen und Bürger,

sind wie folgt übereingekommen:

Art. 1 Zweck des Vertrages

1.  Dieser Vertrag bezweckt die wirksame Zusammenarbeit der Vertragsparteien, insbesondere bei der Prävention und Aufdeckung von Straftaten sowie bei der Ermittlung der Täter, und zwar nach Massgabe ihrer Rechtsvorschriften und inter­nationalen Verpflichtungen.

2.  Die Zusammenarbeit nach diesem Vertrag schliesst Leistungen der Rechtshilfe, die im Zuständigkeitsbereich der Justizbehörden liegen, nicht ein.

Art. 2 Bereiche der Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit nach diesem Vertrag erfolgt vorwiegend in Bezug auf folgende Kriminalitätsbereiche:

a.
organisierte Kriminalität;
b.
Terrorismus und seine Finanzierung;
c.
illegaler Anbau, Besitz, Vertrieb, Handel sowie illegale Herstellung, Beschaffung, Ein-, Aus- und Durchfuhr von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen sowie Vorläuferstoffen;
d.
Menschenhandel und Menschenschmuggel;
e.
sexueller Missbrauch von Kindern und Kinderpornografie;
f.
Fälschung und Verfälschung von Geld, Zahlungsmitteln und amtlichen Dokumenten sowie deren Verbreitung;
g.
Geldwäscherei und Wirtschaftskriminalität;
h.
Straftaten gegen das Leben und Straftaten, die eine schwere Körperverletzung zur Folge haben;
i.
Motorfahrzeugdiebstähle und -verschiebungen;
j.
Korruption;
k.
Computerkriminalität.
Art. 3 Formen der Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden nach diesem Vertrag umfasst:

1.
den Informationsaustausch über:
a.
strafbare Handlungen, insbesondere Informationen über Straftäter, Teil­nehmer an Straftaten und Tatverdächtige sowie über die Begehungsweise und die getroffenen Massnahmen,
b.
geplante Straftaten, insbesondere Terrorakte, die gegen das Interesse der Vertragsparteien gerichtet sind,
c.
Gegenstände, mit denen Straftaten verübt worden sind oder die aus strafbaren Handlungen herrühren, sowie das Zurverfügungstellen von Mustern solcher Gegenstände,
d.
Rechts- und interne Vorschriften, die den Gegenstand dieses Vertrags betreffen, und deren Änderungen, sowie den Austausch von konzeptionellen und analytischen Unterlagen und von Fachliteratur;
2.
die Koordination von Massnahmen:
a.
bei der Fahndung nach Personen oder Sachen, einschliesslich der Umsetzung von Massnahmen, die auf das Aufspüren und Einziehen von Erträgen aus strafbaren Handlungen gerichtet sind,
b.
zur Gewährleistung der persönlichen, technischen und organisatorischen Unterstützung bei der Prävention und Aufdeckung von Straftaten sowie bei der Ermittlung der Täter, einschliesslich der Bildung gemeinsamer Ermittlungs- und Analysegruppen,
c.
zur Gewährleistung des Zeugenschutzes sowie des Schutzes anderer Personen, denen im Zusammenhang mit dem Strafverfahren Gesundheitsschäden oder andere ernste Gefahren drohen;
3.
die Weitergabe von Erfahrungen durch:
a.
die Entsendung von Konsultanten und die Durchführung von Arbeitstreffen,
b.
den Austausch von Erkenntnissen aus der Tätigkeit der zuständigen Behörden, unter anderem auf dem Gebiet des legalen Umgangs mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen, mit Vorläuferstoffen und Giften, einschliesslich des Austauschs von Mustern dieser Stoffe, wobei besonderes Gewicht auf die Möglichkeit von deren Missbrauch gelegt wird.
Art. 4 Schulung und Ausbildung

Die Vertragsparteien unterstützen einander im Bereich der Vertiefung von Fachkenntnissen und der Ausbildung, insbesondere durch:

a.
die Durchführung gemeinsamer Seminare;
b.
die Ausbildung von Spezialistinnen und Spezialisten;
c.
den Austausch von Expertinnen und Experten;
d.
die Teilnahme von Beobachtern an Übungen.
Art. 5 Hilfeersuchen

1.  Ersuchen um Informationen, um Abstimmung von Massnahmen oder um eine andere Form der Hilfeleistung nach diesem Vertrag sind schriftlich zu stellen; gegebenenfalls können sie per Telefax oder E-Mail gestellt werden, soweit ihr Inhalt eine Übermittlung auf diesem Weg erlaubt.

2.  Ohne die Bestimmungen der Artikel 8 und 9 zu berühren, kann in dringenden Fällen ein Ersuchen auch mündlich mit anschliessender unverzüglicher Bestätigung in Übereinstimmung mit Absatz 1 gestellt werden.

3.  Hilfeersuchen werden ohne unnötigen Verzug erledigt. Ergänzende Informationen können eingeholt werden, falls dies für erforderlich gehalten wird, damit dem Ersuchen stattgegeben werden kann.

4.  Die Vertragsparteien können gegenseitige Hilfe auch ohne ein Ersuchen leisten, wenn sie annehmen, dass diese Hilfe im Rahmen der Zusammenarbeit nach diesem Vertrag für die andere Vertragspartei von Nutzen sein kann.

Art. 6 Ablehnung der Zusammenarbeit

1.  Jede Vertragspartei kann ein Hilfeersuchen ganz oder teilweise ablehnen oder die Hilfeleistung an die Erfüllung von Bedingungen knüpfen, wenn sie annimmt, dass die Erfüllung des Ersuchens ihre Souveränität beeinträchtigen, ihre Sicherheit oder andere wesentliche Interessen gefährden könnte oder dass sie im Widerspruch zu ihren Rechtsvorschriften oder zu ihren internationalen Verpflichtungen stünde.

2.  Im Falle einer Ablehnung oder einer bloss teilweisen Erfüllung des Ersuchens unterrichten die Vertragsparteien einander unverzüglich unter Angabe der Gründe.

Art. 7 Polizeiverbindungsleute

Die Vertragsparteien können in Übereinstimmung mit ihren Rechtsvorschriften und im gegenseitigen Einvernehmen Polizeiverbindungsleute entsenden, die auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei unterstützende und beratende Tätigkeiten ausüben, jedoch keine polizeilichen Befugnisse wahrnehmen.

Art. 8 Übermittlung und Schutz personenbezogener Daten

1.  Im Rahmen der Zusammenarbeit nach diesem Vertrag übermitteln die Vertragsparteien auch personenbezogene Daten einschliesslich sensitiver Daten im Sinne des Artikels 6 des Übereinkommens vom 28. Januar 19812 über den Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Sensitive Daten dürfen nur übermittelt werden, soweit dies zur Erfüllung des in Artikel 1 dieses Vertrages festgelegten Zwecks erforderlich ist und nur zusammen mit anderen personenbezogenen Daten.

2.  Zum Schutz übermittelter personenbezogener Daten, einschliesslich sensitiver Daten (nachfolgend «Daten» genannt), halten die Vertragsparteien ihre Rechtsvorschriften und internationalen Verpflichtungen sowie folgende Bestimmungen ein:

a.
Die empfangende Vertragspartei darf Daten nur zu dem in diesem Vertrag aufgeführten Zweck und nur unter den von der übermittelnden Vertragspartei festgelegten Bedingungen verwenden. Die empfangende Vertragspartei darf die Daten für andere Zwecke nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei verwenden.
b.
Die empfangende Vertragspartei unterrichtet die übermittelnde Vertragspartei auf deren Ersuchen über die Verwendung der Daten und über die mit deren Hilfe erzielten Ergebnisse.
c.
Die Daten dürfen nur Polizeibehörden und anderen für Kriminalitätsprävention und -bekämpfung zuständigen Behörden übermittelt werden. Die Weiterleitung von Daten an andere Behörden ist nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei möglich.
d.
Die übermittelnde Vertragspartei ist verpflichtet, auf die Richtigkeit der Daten sowie darauf zu achten, ob die Übermittlung erforderlich und zweckmässig ist. Wird nachträglich festgestellt, dass unrichtige Daten oder Daten, die nicht übermittelt werden sollten, übermittelt worden sind, so ist die empfangende Vertragspartei unverzüglich zu benachrichtigen. Diese muss die unrichtigen Daten berichtigen oder Daten, die nicht übermittelt werden sollten, vernichten.
e.
Der Person, deren Daten übermittelt werden sollen oder übermittelt worden sind, wird auf ihren schriftlichen Antrag nach vorgängiger schriftlicher Zustimmung der anderen Vertragspartei Auskunft über die übermittelten Daten und über die vorgesehene Verwendung erteilt. Die Auskunftserteilung erfolgt nach Massgabe der Rechtsvorschriften der Vertragspartei, bei der der Antrag gestellt wird.
f.
Die empfangende Vertragspartei vernichtet die übermittelten Daten, sofern diese zur Erfüllung des Zwecks, zu dem sie übermittelt wurden, nicht mehr erforderlich sind. Falls dieser Vertrag ausser Kraft tritt, sind sämtliche empfangenen Daten zu vernichten, und zwar spätestens am Tag, an dem der Vertrag ausser Kraft tritt.
g.
Die Vertragsparteien sind verpflichtet, die Übermittlung, den Empfang und die Vernichtung der Daten aktenkundig zu machen, so dass mindestens der Zweck der Übermittlung, die beteiligten Behörden sowie die Gründe für die Vernichtung jederzeit einsehbar sind.
h.
Im Rahmen ihrer Haftung nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften kann sich die empfangende Vertragspartei in Bezug auf die Person, die infolge der Übermittlung von unrichtigen Daten rechtswidrig geschädigt worden ist, nicht darauf berufen, dass ihr die übermittelnde Vertragspartei solche Daten übermittelt hat, und sich dadurch der Verantwortung entziehen. Die übermittelnde Vertragspartei erstattet der empfangenden Vertragspartei auf Ersuchen den geleisteten Ersatz des Schadens, der infolge der Übermittlung unrichtiger Daten verursacht wurde.
i.
Die Vertragsparteien sind verpflichtet, die übermittelten Daten wirksam gegen unbefugten Zugang sowie gegen unbefugte Änderung oder unbefugte Veröffentlichung zu schützen.
Art. 9 Weitergabe klassifizierter Informationen

1.  Die übermittelnde Vertragspartei legt bei der Weitergabe von Informationen, die nach Massgabe ihrer Rechtsvorschriften klassifiziert sind, Bedingungen für den Umgang mit diesen fest. Die empfangende Vertragspartei gewährleistet den verlangten Schutz. Die übermittelnde Vertragspartei kann diese Bedingungen jederzeit ändern oder die Klassifizierung aufheben; sie unterrichtet die empfangende Vertragspartei unverzüglich darüber. Die Weitergabe klassifizierter Informationen erfolgt nach Massgabe der Rechtsvorschriften und internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien.

2.  Klassifizierte Informationen dürfen einzig zu dem Zweck, zu dem sie übermittelt worden sind, verwendet werden.

3.  Klassifizierte Informationen dürfen nur Polizeibehörden und anderen für Kriminalitätsprävention und -bekämpfung zuständigen Behörden zugänglich gemacht werden, die berechtigt sind, klassifizierte Informationen zu bearbeiten. An andere Behörden dürfen klassifizierte Informationen lediglich nach vorgängiger schrift­licher Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei weitergegeben werden. Der Zugang zu klassifizierten Informationen darf nur den Personen erlaubt werden, für die deren Kenntnis zur Erfüllung von Arbeitspflichten erforderlich ist und die dazu nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften berechtigt sind.

4.  Jede Verletzung des Schutzes von klassifizierten Informationen ist der anderen Vertragspartei unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

Art. 10 Zuständige Behörden

1.  Die für den Vollzug dieses Vertrags zuständigen Behörden sind auf schweizerischer Seite das Bundesamt für Polizei im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, auf tschechischer Seite das Ministerium des Innern, das Polizeipräsidium der Tschechischen Republik und die Generaldirektion der Zölle. Diese arbeiten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten direkt zusammen.

2.  Die Vertragsparteien übermitteln einander innerhalb von dreissig Tagen nach Inkrafttreten des Vertrags die Adressen, die Telefon- und Telefaxnummern sowie die E-Mail-Adressen der zuständigen Behörden.

3.  Die zuständigen Behörden informieren einander unverzüglich über Änderungen der nach Absatz 2 übermittelten Angaben.

4.  Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Tschechischen Republik können zum Vollzug dieses Vertrags Protokolle abschliessen.

Art. 11 Sprache

Beim Vollzug dieses Vertrags wird die englische Sprache verwendet, wenn in einem konkreten Fall nichts anderes vereinbart wird.

Art. 12 Kosten

Wird unter den zuständigen Behörden nichts anderes vereinbart, so trägt:

a.
die mit der Umsetzung der Zusammenarbeit nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c verbundenen Kosten diejenige Vertragspartei, die um die Hilfeleistung ersucht;
b.
die mit der Umsetzung sonstiger Formen der Zusammenarbeit verbundenen Kosten diejenige Vertragspartei, die der anderen Vertragspartei die Hilfe leistet, mit der Massgabe, dass die Vertragsparteien eine gegenseitige Ausgewogenheit und Reziprozität der Kosten beachten.
Art. 13 Schlussbestimmungen

1.  Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden in Bern ausgetauscht. Der Vertrag tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Tag des Austauschs der Ratifikationsurkunden folgt.

2.  Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jede Vertragspartei kann ihn jederzeit auf diplomatischem Weg durch schriftliche Mitteilung an die andere Vertragspartei kündigen. Die Kündigung wird sechs Monate nach dem Tag wirksam, an dem die Mitteilung der anderen Vertragspartei zugegangen ist.

Geschehen zu Prag, am 31. Mai 2005, in zwei Urschriften, jede in deutscher und in tschechischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die
Tschechische Republik:

Jean-François Kammer

František Bublan