0.975.249.8

 AS 2006 3229

Übersetzung1

Abkommen

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Grossen Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

Abgeschlossen am 8. Dezember 2003

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 28. Mai 2004

(Stand am 28. Mai 2004)

1 Übersetzung des französischen Originaltextes.

Präambel

Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
die Grosse Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Dschamahirija,

vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen der beiden Staaten zu verstärken,

im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu schaffen und zu erhalten,

in der Erkenntnis, dass die Förderung und der Schutz von ausländischen Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,

haben Folgendes vereinbart:

Art. 1

Für die Zwecke dieses Abkommens:

(1)  bezieht sich der Begriff «Investor» hinsichtlich jeder Vertragspartei auf:

(a)
natürliche Personen, die nach dem Recht der betreffenden Vertragspartei als ihre Staatsangehörigen betrachtet werden;
(b)
juristische Gebilde, einschliesslich Gesellschaften, Körperschaften, wirtschaftlicher Vereinigungen und anderer Organisationen, die nach dem Recht der betreffenden Vertragspartei konstituiert oder sonst wie rechtmässig organisiert sind.

(2)  umfasst der Begriff «Investition» alle Arten von Vermögenswerten und ins­besondere:

(a)
bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche anderen dinglichen Rechte wie Dienstbarkeiten, Hypotheken, Grundlasten, Grund- und Fahrnispfandrechte sowie Nutzniessungen;
(b)
Aktien, Anteile und andere Arten der Beteiligung an Gesellschaften;
(c)
Forderungen auf Geld oder auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen, sofern solche Forderungen mit einer Investi­tion im Zusammenhang stehen;
(d)
Rechte an geistigem und gewerblichem Eigentum (wie Urheberrechte, Patente, Gebrauchsmuster, gewerbliche Muster oder Modelle, Handels- und Dienstleistungsmarken, Handelsnamen, Herkunftsangaben), «Know-how» und «Goodwill»;
(e)
öffentlich-rechtliche Konzessionen, einschliesslich solcher zur Prospektion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen, sowie sämtliche anderen Rechte, die durch Gesetz oder Vertrag oder Entscheid einer Behörde in Anwendung des Gesetzes verliehen werden.

(3)  umfasst der Begriff «Erträge» diejenigen Beträge, die eine Investition erbringt, insbesondere Gewinne, Zinsen, Kapitalgewinne, Dividenden, Lizenz- und andere Gebühren.

(4)  umfasst der Begriff «Hoheitsgebiet» die an die Küste des betreffenden Staates angrenzenden Seezonen, soweit der betreffende Staat über diese Gebiete gemäss Völkerrecht souveräne Rechte oder Gerichtsbarkeit ausüben kann.

Art. 2 Anwendungsbereich

Dieses Abkommen ist anwendbar auf Investitionen auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, die direkt oder indirekt Investoren der anderen Vertragspartei gehören oder von solchen Investoren kontrolliert werden. Es ist auf solche Investitionen unabhängig davon anwendbar, ob diese vor oder nach seinem Inkrafttreten getätigt wurden, jedoch nicht auf Streitigkeiten, die sich auf Tatsachen beziehen, welche vor diesem Zeitpunkt entstanden sind.

Art. 3 Förderung, Zulassung

(1)  Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Hoheitsgebiet nach Möglichkeit Investi­tionen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu.

(2)  Hat eine Vertragspartei auf ihrem Hoheitsgebiet eine Investition zugelassen, so erteilt sie, in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften, die erforderlichen Bewilligungen oder Genehmigungen im Zusammenhang mit einer solchen Investition, einschliesslich der Bewilligungen für die Ausführung von Lizenzverträgen und Verträgen über technische, kommerzielle oder administrative Unterstützung sowie der Genehmigungen, die für die Tätigkeit von Beratern und Experten nach Wahl des Investors erforderlich sind.

Art. 4 Schutz, Behandlung

(1)  Investitionen und Erträge von Investoren jeder Vertragspartei sind auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei jederzeit gerecht und billig zu behandeln und geniessen dort vollen Schutz und Sicherheit. Keine Vertragspartei behindert auf irgendeine Weise durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzung, die Erweiterung oder die Veräusserung solcher Investitionen.

(2)  Jede Vertragspartei gewährt auf ihrem Hoheitsgebiet Investitionen und Erträgen von Investoren der anderen Vertragspartei eine nicht weniger günstige Behandlung als jene, welche sie Investitionen und Erträgen ihrer eigenen Investoren oder Investitionen und Erträgen von Investoren irgendeines Drittstaates angedeihen lässt, je nachdem welche für den betroffenen Investor günstiger ist.

(3)  Jede Vertragspartei gewährt auf ihrem Hoheitsgebiet Investoren der anderen Vertragspartei hinsichtlich Verwaltung, Unterhalt, Gebrauch, Nutzung oder Veräusserung ihrer Investitionen eine nicht weniger günstige Behandlung als jene, welche sie ihren eigenen Investoren oder den Investoren irgendeines Drittstaates angedeihen lässt, je nachdem welche für den betroffenen Investor günstiger ist.

(4)  Gewährt eine Vertragspartei den Investoren eines Drittstaates besondere Vor­teile aufgrund eines Abkommens zur Gründung einer Freihandelszone, einer Zollunion oder eines gemeinsamen Marktes oder aufgrund eines Doppelbesteuerungs­abkommens, so ist sie nicht verpflichtet, solche Vorteile den Investoren der anderen Vertragspartei einzuräumen.

Art. 5 Freier Transfer

(1)  Jede Vertragspartei gewährt Investoren der anderen Vertragspartei den unverzüglichen Transfer in einer frei konvertierbaren Währung von Zahlungen im Zusammenhang mit ihren Investitionen, insbesondere von:

(a)
Erträgen;
(b)
Zahlungen in Bezug auf Darlehen oder andere vertragliche Verpflichtungen, welche hinsichtlich der Investition eingegangen wurden;
(c)
Erlösen aus der teilweisen oder vollständigen Veräusserung oder Liquidation der Investition, einschliesslich allfälliger Wertzunahmen;
(d)
dem Anfangskapital und weiteren Beiträgen für den Unterhalt oder die Ausweitung der Investition.

(2)  Transfers erfolgen zum Wechselkurs, der am Tag des Transfers gemäss den geltenden Wechselkursbestimmungen derjenigen Vertragspartei anwendbar ist, auf deren Hoheitsgebiet die Investition getätigt wurde.

(3)  Ein Transfer gilt als «unverzüglich» erfolgt, wenn er innerhalb einer Frist vorgenommen wird, die für die Erfüllung der Transferformalitäten üblicherweise benötigt wird.

Art. 6 Enteignung, Entschädigung

(1)  Keine Vertragspartei trifft direkt oder indirekt Enteignungs- oder Verstaat­lichungsmassnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen derselben Art oder Wirkung gegenüber Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei, es sei denn, solche Massnahmen erfolgen im öffentlichen Interesse, sind nicht diskriminierend und entsprechen den gesetzlichen Vorschriften. Zudem wird vorausgesetzt, dass eine tatsächlich verwertbare und wertentsprechende Entschädigung vorgesehen ist. Diese Entschädigung hat dem Marktwert der enteigneten Investition unmittelbar vor dem Zeitpunkt zu entsprechen, als die enteignende Massnahme getroffen oder öffentlich bekannt wurde, je nachdem welcher Fall früher eingetreten ist. Der Entschädigungsbetrag, einschliesslich Zinsen, wird in einer frei konvertierbaren Währung geleistet und unverzüglich an die berechtigte Person gezahlt, unabhängig von deren Wohn- oder Geschäftssitz.

(2)  Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen Verluste erlitten haben als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, einer Revolution, eines Ausnahmezustandes oder einer Rebellion, die auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei stattfanden, wird seitens der letzteren Vertragspartei hinsichtlich Rückerstattung, Entschädigung, Vergütung oder einer sonstigen Regelung eine Behandlung gemäss Artikel 4 dieses Abkommens gewährt.

Art. 7 Subrogation

Hat eine Vertragspartei in Bezug auf eine Investition eines ihrer Investoren auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eine finanzielle Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken geleistet, so anerkennt die letztere Vertragspartei aufgrund des Subrogationsprinzips die Rechte der ersten Vertragspartei auf die Rechte des Investors, wenn aufgrund dieser Garantie eine Zahlung durch die erste Vertragspartei geleistet wurde.

Art. 8 Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei

(1)  Zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei hinsichtlich einer Verpflichtung dieses Abkommens finden Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.

(2)  Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten seit dem schriftlichen Begehren, solche aufzunehmen, nicht zu einer Lösung, so kann der Investor die Streitigkeit entweder den zuständigen Gerichten beziehungsweise Verwaltungs­gerichten derjenigen Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet die Investition getätigt wurde, oder internationaler Schiedsgerichtsbarkeit unterbreiten. Im letzteren Fall hat der Investor die Wahl zwischen:

(a)
dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), welches durch das am 18. März 19652 in Washington zur Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten geschaffen wurde, sofern beide Vertragsparteien Mitglieder dieses Übereinkommens sind; und
(b)
einem Ad-hoc-Schiedsgericht, welches, sofern von den Streitparteien nicht anders vereinbart, gemäss den Schiedsregeln der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) geschaffen wird.

Jede Vertragspartei erteilt hiermit ihre Zustimmung, Streitigkeiten über Investitionen solcher Schiedsgerichtsbarkeit zu unterbreiten.

(3)  Die am Streit beteiligte Vertragspartei macht in keinem Zeitpunkt während des Verfahrens als Einwand ihre Immunität geltend oder den Umstand, dass der Investor aufgrund eines Versicherungsvertrages eine Entschädigung für die Gesamtheit oder einen Teil des erlittenen Schadens erhalten hat.

(4)  Keine Vertragspartei wird eine der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterbreitete Streitigkeit auf diplomatischem Wege weiterverfolgen, es sei denn, die andere Vertragspartei befolge den Schiedsspruch nicht.

(5)  Der Schiedsspruch ist endgültig und für die Streitparteien bindend und wird unverzüglich gemäss dem Recht der betroffenen Vertragspartei vollzogen.

Art. 9 Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien

(1)  Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien in Bezug auf die Auslegung oder die Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens werden auf diplomatischem Wege beigelegt.

(2)  Wird die Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien innerhalb von sechs Monaten seit dem Tag, an welchem die Streitfrage von einer Vertragspartei schriftlich aufgebracht wurde, nicht beigelegt, ist sie auf Begehren einer Streitpartei einem Schiedsgericht zu unterbreiten.

(3)  Ein solches Schiedsgericht wird für jeden einzelnen Streitfall wie folgt errichtet. Innerhalb von zwei Monaten seit dem Empfang des Begehrens um Streitschlichtung ernennt jede Vertragspartei ein Mitglied des Gerichts. Diese beiden Mitglieder wählen innerhalb von zwei Monaten einen Angehörigen eines Drittstaates, welcher Vorsitzender des Gerichts wird.

(4)  Sind die erforderlichen Ernennungen innerhalb der in Absatz 3 dieses Artikels festgelegten Fristen nicht erfolgt, so kann jede Vertragspartei, sofern nicht anders vereinbart, den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ersuchen, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Ist der Präsident Staatsangehöriger einer Vertragspartei oder ist er aus einem anderen Grund verhindert, die besagte Aufgabe wahrzunehmen, wird der Vizepräsident ersucht, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Ist der Vizepräsident Staatsangehöriger einer Vertragspartei oder ist auch er aus einem anderen Grund verhindert, die besagte Aufgabe wahrzunehmen, wird das amtsälteste Mitglied des Internationalen Gerichtshofes, das kein Staats­angehöriger einer Vertragspartei ist, ersucht, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.

(5)  Das Schiedsgericht regelt sein Verfahren selber, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren. Es fällt seine Entscheide mit der Mehrheit der Stimmen. Diese Entscheide sind endgültig und bindend für beide Vertragsparteien.

(6)  Jede Vertragspartei trägt die Kosten für ihr Mitglied des Schiedsgerichts und für ihre Vertretung im Schiedsverfahren; die Kosten des Vorsitzenden und die übrigen Kosten werden von den Vertragsparteien zu gleichen Teilen getragen.

Art. 10 Günstigere Bestimmungen

Erkennen Vorschriften in der Gesetzgebung einer Vertragspartei oder Regeln des Völkerrechts Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eine günstigere Behandlung zu als jene, die in diesem Abkommen vorgesehen ist, so gehen solche Vorschriften oder Regeln, in dem Masse als sie günstiger sind, diesem Abkommen vor.

Art. 11 Andere Verpflichtungen

Jede Vertragspartei hält alle Verpflichtungen ein, die sie in Bezug auf Investitionen auf ihrem Hoheitsgebiet von Investoren der anderen Vertragspartei eingegangen ist.

Art. 12 Schlussbestimmungen

(1)  Dieses Abkommen tritt am Tage in Kraft, an dem beide Staaten sich mitgeteilt haben, dass sie die rechtlichen Erfordernisse für das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erfüllt haben, und gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird das Abkommen nicht durch schriftliche Mitteilung mit einer Frist von sechs Monaten vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, verlängert es sich unverändert um zwei Jahre, und so fort.

(2)  Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden die in den Artikeln 1 bis 11 enthaltenen Bestimmungen während weiteren zehn Jahren für Investitionen angewandt, die vor der Kündigung getätigt wurden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen gehörig dazu ermächtigten Unterzeichneten dieses Abkommen unterzeichnet.

Dieses Abkommen wurde im Doppel erstellt und am 8. Dezember 2003 in der Stadt Bern unterzeichnet, je in Französisch, Arabisch und Englisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist. Bei unterschiedlichen Auslegungen geht der englische Text vor.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Joseph Deiss

Für die Grosse Sozialistische
Libysch-Arabische Volks-Dschamahirija:

Abdulrahman Mohamed Shalgam