0.520.33

 AS 2005 149; BBl 2003 6091

Übersetzung

Zweites Protokoll
zum Haager Abkommen von 1954 für den Schutz
von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten1

Abgeschlossen in Den Haag am 26. März 1999

Von der Bundesversammlung genehmigt am 19. März 20042

Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 9. Juli 2004

In Kraft getreten für die Schweiz am 9. Oktober 2004

(Stand am 29. April 2020)

1 Titel für Deutschland: «Zweites Protokoll zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten».

2 AS 2005 147

Die Vertragsparteien,

im Bewusstsein der Notwendigkeit, den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten zu verbessern und ein verstärktes Schutzsystem für besonders bezeich­netes Kulturgut zu schaffen;

in Bekräftigung der Bedeutung der Bestimmungen des am 14. Mai 19543 in Den Haag beschlossenen Abkommens für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten und unter Hinweis auf die Notwendigkeit, diese Bestimmungen durch Massnahmen zur verstärkten Durchführung zu ergänzen;

in dem Wunsch, den Hohen Vertragsparteien des Abkommens eine Möglichkeit zu bieten, sich eingehender mit dem Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten zu befassen, indem geeignete Verfahren geschaffen werden;

in der Erwägung, dass die Vorschriften über den Schutz von Kulturgut bei bewaff­neten Konflikten die Entwicklungen des Völkerrechts widerspiegeln sollen;

in Bekräftigung des Grundsatzes, dass die Sätze des Völkergewohnheitsrechts weiterhin für Fragen gelten, die in diesem Protokoll nicht geregelt sind

sind wie folgt übereingekommen:

Kapitel 1: Einleitung

Art. 1 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Protokolls bedeutet

a)
«Vertragspartei» einen Staat, der Vertragspartei dieses Protokolls ist;
b)
«Kulturgut» Kulturgut im Sinne des Artikels 1 des Abkommens;
c)
«Abkommen» das am 14. Mai 1954 in Den Haag beschlossene Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten;
d)
«Hohe Vertragspartei» einen Staat, der Vertragspartei des Abkommens ist;
e)
«verstärkter Schutz» das durch die Artikel 10 und 11 geschaffene System des verstärkten Schutzes;
f)
«militärisches Ziel» ein Objekt, das auf Grund seiner Beschaffenheit, seines Standorts, seiner Zweckbestimmung oder seiner Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beiträgt und dessen gänzliche oder teilweise Zer­störung, dessen Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betref­fenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt;
g)
«unerlaubt» durch Zwangsausübung oder anderweitig unter Verstoss gegen die anwendbaren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts des besetzten Gebiets oder des Völkerrechts;
h)
«Liste» die nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b erstellte Internationale Liste des unter verstärktem Schutz stehenden Kulturguts;
i)
«Generaldirektor» den Generaldirektor der UNESCO;
j)
«UNESCO» die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissen­schaft und Kultur;
k)
«Erstes Protokoll» das am 14. Mai 1954 in Den Haag beschlossene Protokoll über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.
Art. 3 Anwendungsbereich

(1) Zusätzlich zu den Bestimmungen, die in Friedenszeiten Anwendung finden, findet dieses Protokoll in den in Artikel 18 Absätze 1 und 2 des Abkommens und in Artikel 22 Absatz 1 bezeichneten Situationen Anwendung.

(2) Ist eine der an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien nicht durch dieses Protokoll gebunden, so bleiben dessen Vertragsparteien in ihren gegenseiti­gen Beziehungen durch das Protokoll gebunden. Sie sind durch das Protokoll auch gegenüber einem an dem Konflikt beteiligten Staat gebunden, der nicht durch das Protokoll gebunden ist, sofern er dessen Bestimmungen annimmt und solange er sie anwendet.

Art. 4 Verhältnis von Kapitel 3 zu anderen Bestimmungen des Abkommens und dieses Protokolls

Die Anwendung des Kapitels 3 dieses Protokolls berührt nicht

a)
die Anwendung des Kapitels I des Abkommens und des Kapitels 2 dieses Protokolls;
b)
die Anwendung des Kapitels II des Abkommens, ausser dass zwischen den Vertragsparteien dieses Protokolls oder zwischen einer Vertragspartei und einem Staat, der dieses Protokoll nach Artikel 3 Absatz 2 annimmt und anwendet, nur die Bestimmungen über verstärkten Schutz Anwendung finden, wenn Kulturgut sowohl Sonderschutz als auch verstärkter Schutz gewährt wurde.

Kapitel 2: Allgemeine Schutzbestimmungen

Art. 5 Sicherung des Kulturguts

Die nach Artikel 3 des Abkommens in Friedenszeiten getroffenen Vorbereitungs­massnahmen zur Sicherung des Kulturguts gegen die absehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts umfassen gegebenenfalls die Erstellung von Verzeichnissen, die Planung von Notfallmassnahmen zum Schutz gegen Feuer oder Gebäudeein­sturz, die Vorbereitung der Verlagerung von beweglichem Kulturgut oder die Bereitstellung von angemessenem Schutz solchen Gutes an Ort und Stelle sowie die Bezeichnung der für die Sicherung des Kulturguts zuständigen Behörden.

Art. 6 Respektierung des Kulturguts

Um die Respektierung des Kulturguts nach Artikel 4 des Abkommens zu gewähr­leisten,

a)
kann, wenn eine feindselige Handlung gegen Kulturgut gerichtet werden soll, eine Abweichung von den Verpflichtungen auf Grund der zwingenden militärischen Notwendigkeit nach Artikel 4 Absatz 2 des Abkommens nur geltend gemacht werden, sofern und solange
i)
dieses Kulturgut durch seine Funktion zu einem militärischen Ziel gemacht worden ist und
ii)
keine andere praktische Möglichkeit besteht, einen vergleichbaren militä­rischen Vorteil zu erlangen, wie er sich bietet, wenn eine feind­se­lige Handlung gegen dieses Ziel gerichtet wird;
b)
kann, wenn Kulturgut für Zwecke verwendet werden soll, die es möglicher­weise der Zerstörung oder Beschädigung aussetzen, eine Abweichung von den Verpflichtungen auf Grund der zwingenden militärischen Notwendigkeit nach Artikel 4 Absatz 2 des Abkommens nur geltend gemacht werden, sofern und solange keine Möglichkeit besteht, zwischen dieser Verwendung des Kulturguts und einer anderen praktisch möglichen Methode zur Erlan­gung eines vergleichbaren militärischen Vorteils zu wählen;
c)
ist die Entscheidung, eine zwingende militärische Notwendigkeit geltend zu machen, nur vom Kommandanten einer militärischen Einheit zu treffen, die der Grösse nach einem Bataillon oder einer höheren Einheit oder, wenn die Umstände nichts anderes erlauben, einer kleineren Einheit entspricht;
d)
muss im Fall eines Angriffs auf Grund einer nach Buchstabe a getroffenen Entscheidung eine wirksame Warnung vorausgehen, sofern die Umstände es erlauben.
Art. 7 Vorsichtsmassnahmen beim Angriff

Unbeschadet der durch das humanitäre Völkerrecht erforderlichen anderen Vor­sichtsmassnahmen bei der Durchführung militärischer Operationen hat jede an einem Konflikt beteiligte Vertragspartei

a)
alles praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele kein nach Artikel 4 des Abkommens geschütztes Kulturgut darstellen;
b)
bei der Wahl der Angriffsmittel und -methoden alle praktisch möglichen Vor­sichtsmassnahmen zu treffen, um eine damit verbundene Beschädigung von nach Artikel 4 des Abkommens geschütztem Kulturgut zu vermeiden und in jedem Fall auf ein Mindestmass zu beschränken;
c)
von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, dass er auch eine Beschädigung von nach Artikel 4 des Abkommens geschütztem Kulturgut verursacht, die in keinem Verhältnis zu dem erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht, und
d)
einen Angriff endgültig oder vorläufig einzustellen, wenn sich erweist,
i)
dass das Ziel nach Artikel 4 des Abkommens geschütztes Kulturgut dar­stellt;
ii)
dass damit zu rechnen ist, dass der Angriff auch eine Beschädigung von nach Artikel 4 des Abkommens geschütztem Kulturgut verursacht, die in keinem Verhältnis zu dem erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht.
Art. 8 Vorsichtsmassnahmen gegen die Wirkungen von Feindseligkeiten

Soweit dies praktisch irgend möglich ist, werden die an einem Konflikt beteiligten Vertragsparteien

a)
bewegliches Kulturgut aus der Umgebung militärischer Ziele entfernen oder für angemessenen Schutz an Ort und Stelle sorgen;
b)
es vermeiden, militärische Ziele in der Nähe von Kulturgut anzulegen.
Art. 9 Schutz von Kulturgut in besetztem Gebiet

(1) Unbeschadet der Artikel 4 und 5 des Abkommens verbietet und verhindert eine Vertragspartei, die das Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei ganz oder zum Teil besetzt hält, in Bezug auf das besetzte Gebiet Folgendes:

a)
jede unerlaubte Ausfuhr oder sonstige Entfernung von Kulturgut oder die unerlaubte Übertragung des Eigentums an diesem Kulturgut;
b)
jede archäologische Ausgrabung, ausser wenn sie unumgänglich ist, um Kul­turgut zu sichern, zu erfassen oder zu erhalten;
c)
jede Veränderung von Kulturgut oder die Änderung seiner Verwendung mit dem Ziel, kulturelle, historische oder wissenschaftliche Belege zu verbergen oder zu zerstören.

(2) Archäologische Ausgrabungen, Veränderungen von Kulturgut oder Änderungen seiner Verwendung in besetztem Gebiet werden, ausser wenn die Umstände es nicht erlauben, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden des besetzten Gebiets vorgenommen.

Kapitel 3: Verstärkter Schutz

Art. 10 Verstärkter Schutz

Kulturgut kann unter verstärkten Schutz gestellt werden, sofern es die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt:

a)
Es handelt sich um kulturelles Erbe von höchster Bedeutung für die Mensch­heit;
b)
es wird durch angemessene innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsmassnah­men geschützt, mit denen sein aussergewöhnlicher kultureller und historischer Wert anerkannt und das höchste Mass an Schutz gewährleistet wird;
c)
es wird weder für militärische Zwecke noch für den Schutz militärischer Anlagen verwendet, und die Vertragspartei, unter deren Kontrolle sich das Kulturgut befindet, hat in einer Erklärung bestätigt, dass es nicht dafür ver­wendet werden wird.
Art. 11 Gewährung des verstärkten Schutzes

(1) Jede Vertragspartei soll dem Ausschuss eine Liste des Kulturguts vorlegen, für das sie die Gewährung des verstärkten Schutzes zu beantragen beabsichtigt.

(2) Die Vertragspartei, unter deren Hoheitsgewalt oder Kontrolle sich das Kulturgut befindet, kann beantragen, dass es in die nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b zu erstellende Liste aufgenommen wird. Dieser Antrag muss alle notwendigen Anga­ben zu den in Artikel 10 genannten Kriterien enthalten. Der Ausschuss kann eine Vertragspartei auffordern, die Aufnahme eines Kulturguts in die Liste zu beantra­gen.

(3) Andere Vertragsparteien, das Internationale Komitee vom Blauen Schild und andere nichtstaatliche Organisationen mit einschlägiger Erfahrung können dem Ausschuss ein bestimmtes Kulturgut empfehlen. In diesen Fällen kann der Aus­schuss beschliessen, eine Vertragspartei aufzufordern, die Aufnahme dieses Kultur­guts in die Liste zu beantragen.

(4) Die Rechte der Streitparteien werden weder von dem Antrag auf Aufnahme eines Kulturguts, das sich in einem Gebiet befindet, über das von mehr als einem Staat Souveränität oder Hoheitsgewalt beansprucht wird, noch von seiner Aufnahme in die Liste berührt.

(5) Hat der Ausschuss einen Antrag auf Aufnahme in die Liste erhalten, so unter­richtet er alle Vertragsparteien davon. Die Vertragsparteien können dem Ausschuss innerhalb von sechzig Tagen ihre Einwände gegen diesen Antrag zuleiten. Diese Einwände dürfen nur auf der Grundlage der Kriterien des Artikels 10 erhoben wer­den. Sie müssen bestimmt sein und sich auf Tatsachen beziehen. Der Ausschuss prüft die Einwände, wobei er der die Aufnahme beantragenden Vertragspartei aus­reichend Gelegenheit zur Antwort gibt, bevor er einen Beschluss fasst. Liegen dem Ausschuss solche Einwände vor, so bedürfen Beschlüsse über die Aufnahme in die Liste unbeschadet des Artikels 26 der Vierfünftelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitglieder.

(6) Bei der Beschlussfassung über einen Antrag soll der Ausschuss den Rat von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen sowie von einzelnen Sachverständi­gen einholen.

(7) Ein Beschluss über die Gewährung oder Ablehnung des verstärkten Schutzes darf nur auf der Grundlage der Kriterien des Artikels 10 gefasst werden.

(8) Kommt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die die Aufnahme in die Liste beantragende Vertragspartei die Kriterien des Artikels 10 Buchstabe b nicht erfüllen kann, so kann der Ausschuss in Ausnahmefällen beschliessen, den verstärkten Schutz zu gewähren, sofern die beantragende Vertragspartei einen Antrag auf inter­nationale Unterstützung nach Artikel 32 stellt.

(9) Mit Beginn der Feindseligkeiten kann eine an dem Konflikt beteiligte Vertrags­partei in dringenden Fällen für Kulturgut unter ihrer Hoheitsgewalt oder Kontrolle den verstärkten Schutz beantragen, indem sie den Antrag dem Ausschuss zuleitet. Der Ausschuss übermittelt diesen Antrag unverzüglich allen an dem Konflikt betei­ligten Vertragsparteien. In diesem Fall prüft der Ausschuss die Einwände der betrof­fenen Vertragsparteien in einem beschleunigten Verfahren. Der Beschluss über die vorläufige Gewährung des verstärkten Schutzes wird so bald wie möglich gefasst; er bedarf unbeschadet des Artikels 26 der Vierfünftelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitglieder. Der vorläufige verstärkte Schutz kann vom Ausschuss gewährt werden, bevor das Ergebnis des normalen Verfahrens zur Gewährung des verstärkten Schutzes feststeht, sofern Artikel 10 Buchstaben a und c eingehalten wird.

(10) Kulturgut wird vom Ausschuss der verstärkte Schutz gewährt, sobald es in die Liste aufgenommen worden ist.

(11) Der Generaldirektor notifiziert dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und allen Vertragsparteien unverzüglich jeden Beschluss des Ausschusses über die Aufnahme von Kulturgut in die Liste.

Art. 12 Unverletzlichkeit des Kulturguts unter verstärktem Schutz

Die an einem Konflikt beteiligten Vertragsparteien gewährleisten die Unverletzlich­keit des unter verstärktem Schutz stehenden Kulturguts, indem sie dieses Gut weder zum Ziel eines Angriffs machen noch das Gut oder seine unmittelbare Umgebung zur Unterstützung militärischer Handlungen verwenden.

Art. 13 Verlust des verstärkten Schutzes

(1) Kulturgut unter verstärktem Schutz verliert diesen nur,

a)
sofern der Schutz nach Artikel 14 ausgesetzt oder aufgehoben wird oder
b)
sofern und solange das Gut auf Grund seiner Verwendung ein militärisches Ziel geworden ist.

(2) Unter den Umständen des Absatzes 1 Buchstabe b darf das Gut nur dann Ziel eines Angriffs sein,

a)
wenn der Angriff das einzige praktisch mögliche Mittel ist, die in Absatz 1 Buchstabe b bezeichnete Verwendung zu unterbinden;
b)
wenn bei der Wahl der Angriffsmittel und -methoden alle praktisch mögli­chen Vorsichtsmassnahmen getroffen werden, um diese Verwendung zu unterbinden und eine Beschädigung des Kulturguts zu vermeiden oder in jedem Fall auf ein Mindestmass zu beschränken;
c)
wenn – sofern die Umstände es nicht auf Grund der Erfordernisse der unmittel­baren Selbstverteidigung verbieten –
i)
der Angriff auf der höchsten Befehlsebene angeordnet wird,
ii)
eine wirksame Warnung an die gegnerischen Streitkräfte vorausgegan­gen ist, in der die Beendigung der in Absatz 1 Buchstabe b bezeichne­ten Verwendung verlangt wird, und
iii)
den gegnerischen Streitkräften ausreichend Zeit eingeräumt wird, die Verwendung aufzugeben.
Art. 14 Aussetzen oder Aufheben des verstärkten Schutzes

(1) Erfüllt Kulturgut die Kriterien des Artikels 10 nicht mehr, so kann der Aus­schuss den Status des verstärkten Schutzes aussetzen oder aufheben, indem er das Kulturgut von der Liste streicht.

(2) Bei einem schweren Verstoss gegen Artikel 12 durch die Verwendung von Kulturgut unter verstärktem Schutz zur Unterstützung militärischer Handlungen kann der Ausschuss den Status des verstärkten Schutzes aussetzen. Sind diese Ver­stösse anhaltend, so kann der Ausschuss den Status des verstärkten Schutzes aus­nahmsweise aufheben, indem er das Kulturgut von der Liste streicht.

(3) Der Generaldirektor notifiziert dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und allen Vertragsparteien dieses Protokolls unverzüglich jeden Beschluss des Aus­schusses über die Aussetzung oder Aufhebung des verstärkten Schutzes.

(4) Bevor der Ausschuss einen solchen Beschluss fasst, gibt er den Vertragsparteien Gelegenheit zur Stellungnahme.

Kapitel 4: Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Gerichtsbarkeit

Art. 15 Schwere Verstösse gegen dieses Protokoll

(1) Eine Straftat im Sinne dieses Protokolls begeht, wer vorsätzlich und unter Verstoss gegen das Abkommen oder dieses Protokoll

a)
Kulturgut unter verstärktem Schutz zum Ziel eines Angriffs macht;
b)
Kulturgut unter verstärktem Schutz oder seine unmittelbare Umgebung zur Unterstützung militärischer Handlungen verwendet;
c)
Kulturgut, das nach dem Abkommen und diesem Protokoll geschützt ist, in grossem Ausmass zerstört oder sich aneignet;
d)
Kulturgut, das nach dem Abkommen und diesem Protokoll geschützt ist, zum Ziel eines Angriffs macht oder
e)
Kulturgut, das nach dem Abkommen geschützt ist, stiehlt, plündert, unter­schlägt oder böswillig beschädigt.

(2) Jede Vertragspartei trifft die notwendigen Massnahmen, um die in diesem Artikel genannten Straftaten nach innerstaatlichem Recht als Straftaten zu umschrei­ben und um diese Straftaten mit angemessenen Strafen zu bedrohen. Dabei beachten die Vertragsparteien allgemeine Rechtsgrundsätze und das Völkerrecht einschliess­lich der Vorschriften, welche die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit auf Personen ausdehnen, welche die Handlung nicht unmittelbar verübt haben.

Art. 16 Gerichtsbarkeit

(1) Unbeschadet des Absatzes 2 trifft jede Vertragspartei die notwendigen gesetz­geberischen Massnahmen, um ihre Gerichtsbarkeit über die in Artikel 15 genannten Straftaten in den folgenden Fällen zu begründen:

a)
wenn die Straftat im Hoheitsgebiet dieses Staates begangen wird;
b)
wenn die verdächtige Person eine Angehörige dieses Staates ist;
c)
wenn sich bei den in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–c genannten Straf­taten die verdächtige Person in ihrem Hoheitsgebiet befindet.

(2) Im Hinblick auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit und unbeschadet des Arti­kels 28 des Abkommens

a)
schliesst dieses Protokoll weder aus, dass nach anwendbarem innerstaatli­chen Recht oder Völkerrecht individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet oder Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, noch berührt es die Ausübung der Gerichtsbarkeit nach dem Völkergewohnheitsrecht;
b)
entsteht für die Mitglieder der Streitkräfte und die Angehörigen eines Nicht­vertragsstaats, mit Ausnahme derjenigen seiner Staatsangehörigen, die in den Streitkräften eines Vertragsstaats Dienst tun, nach diesem Protokoll keine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit, und macht dieses Pro­tokoll es nicht zur Pflicht, die Gerichtsbarkeit über solche Personen zu begründen oder sie auszuliefern; dies gilt nicht, wenn ein Staat, der nicht Vertragspartei dieses Protokolls ist, dessen Bestimmungen nach Artikel 3 Absatz 2 annimmt und anwendet.
Art. 17 Strafverfolgung

(1) Die Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet sich die Person, die einer der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–c genannten Straftat verdächtigt wird, befindet, unterbreitet den Fall, wenn sie diese Person nicht ausliefert, ausnahmslos und unver­züglich ihren zuständigen Behörden zum Zweck der strafrechtlichen Verfolgung in einem Verfahren nach ihrem innerstaatlichen Recht oder nach den einschlägigen Regeln des Völkerrechts, falls diese anwendbar sind.

(2) Unbeschadet der einschlägigen Regeln des Völkerrechts, sofern anwendbar, werden jeder Person, gegen die ein Verfahren im Zusammenhang mit dem Abkom­men oder diesem Protokoll eingeleitet wird, in allen Verfahrensstufen faire Be­handlung und ein faires Gerichtsverfahren in Übereinstimmung mit dem innerstaat­lichen Recht und dem Völkerrecht gewährleistet; keinesfalls geniesst eine solche Person weniger vorteilhafte Garantien, als ihr durch das Völkerrecht zuerkannt werden.

Art. 18 Auslieferung

(1) Die in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–c genannten Straftaten gelten als in jeden zwischen Vertragsparteien vor dem Inkrafttreten dieses Protokolls geschlosse­nen Auslieferungsvertrag einbezogene auslieferungsfähige Straftaten. Die Vertrags­parteien verpflichten sich, diese Straftaten in jeden künftig zwischen ihnen zu schliessenden Auslieferungsvertrag aufzunehmen.

(2) Erhält eine Vertragspartei, welche die Auslieferung vom Bestehen eines Ver­trags abhängig macht, ein Auslieferungsersuchen von einer anderen Vertragspartei, mit der sie keinen Auslieferungsvertrag hat, so steht es der ersuchten Vertragspartei frei, dieses Protokoll als Rechtsgrundlage für die Auslieferung in Bezug auf die in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–c genannten Straftaten anzusehen.

(3) Vertragsparteien, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, anerkennen unter sich die in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–c genannten Straftaten als auslieferungsfähige Straftaten vorbehaltlich der im Recht der ersuchten Vertragspartei vorgesehenen Bedingungen.

(4) Die in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a–c genannten Straftaten werden für die Zwecke der Auslieferung zwischen den Vertragsparteien nötigenfalls so behandelt, als seien sie nicht nur an dem Ort, an dem sie sich ereignet haben, begangen worden, sondern auch in den Hoheitsgebieten der Vertragsparteien, die ihre Gerichtsbarkeit nach Artikel 16 Absatz 1 begründet haben.

Art. 19 Rechtshilfe

(1) Die Vertragsparteien gewähren einander die weitestgehende Hilfe im Zusam­menhang mit Ermittlungen sowie Straf- und Auslieferungsverfahren, die in Bezug auf die in Artikel 15 genannten Straftaten eingeleitet werden, einschliesslich der Hilfe bei der Beschaffung der ihnen zur Verfügung stehenden und für das Verfahren erforderlichen Beweismittel.

(2) Die Vertragsparteien erfüllen ihre Verpflichtungen nach Absatz 1 im Einklang mit den zwischen ihnen bestehenden Verträgen oder sonstigen Übereinkünften über Rechtshilfe. In Ermangelung solcher Verträge oder Übereinkünfte gewähren die Vertragsparteien einander Rechtshilfe nach ihrem innerstaatlichen Recht.

Art. 20 Gründe für die Verweigerung der Rechtshilfe

(1) Für die Zwecke der Auslieferung werden die in Artikel 15 Absatz 1 Buchsta­ben a–c genannten Straftaten und für die Zwecke der Rechtshilfe die in Artikel 15 genannten Straftaten nicht als politische Straftaten, als mit politischen Straftaten zusammenhängende oder als auf politischen Beweggründen beruhende Straftaten angesehen. Folglich darf ein Ersuchen um Auslieferung oder Rechtshilfe, das auf solchen Straftaten beruht, nicht allein mit der Begründung verweigert werden, dass es sich um eine politische Straftat, um eine mit einer politischen Straftat zusammen­hängende oder um eine auf politischen Beweggründen beruhende Straftat handle.

(2) Dieses Protokoll ist nicht so auszulegen, als enthalte es eine Verpflichtung zur Auslieferung oder Rechtshilfe, wenn die ersuchte Vertragspartei ernstliche Gründe für die Annahme hat, dass das Auslieferungsersuchen wegen der in Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben a bis c genannten Straftaten oder das Ersuchen um Rechtshilfe in Bezug auf die in Artikel 15 genannten Straftaten gestellt worden ist, um eine Person wegen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die Lage dieser Person aus einem dieser Gründe erschwert werden könnte, wenn dem Ersuchen stattgegeben würde.

Art. 21 Massnahmen bezüglich anderer Verletzungen

Unbeschadet des Artikels 28 des Abkommens trifft jede Vertragspartei die notwen­digen gesetzgeberischen sowie Verwaltungs- und Disziplinarmassnahmen, um fol­gende Handlungen, wenn vorsätzlich verübt, zu unterbinden:

a)
jede Verwendung von Kulturgut unter Verstoss gegen das Abkommen oder dieses Protokoll;
b)
jede unerlaubte Ausfuhr oder sonstige Entfernung von Kulturgut oder die unerlaubte Übertragung des Eigentums an Kulturgut aus besetztem Gebiet unter Verstoss gegen das Abkommen oder dieses Protokoll.

Kapitel 5: Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten nicht internationalen Charakters


Art. 22 Bewaffnete Konflikte nicht internationalen Charakters

(1) Dieses Protokoll findet im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen inter­nationalen Charakter hat und im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei stattfindet, Anwendung.

(2) Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung.

(3) Dieses Protokoll darf nicht zur Beeinträchtigung der Souveränität eines Staates oder der Verantwortung der Regierung herangezogen werden, mit allen rechtmässi­gen Mitteln die öffentliche Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wiederherzu­stellen oder die nationale Einheit und territoriale Unversehrtheit des Staates zu verteidigen.

(4) Dieses Protokoll berührt nicht den Vorrang der Gerichtsbarkeit der Vertrags­partei, in deren Hoheitsgebiet ein bewaffneter Konflikt stattfindet, der keinen inter­nationalen Charakter hat, über die in Artikel 15 genannten Verstösse.

(5) Dieses Protokoll darf nicht zur Rechtfertigung einer wie immer begründeten unmittelbaren oder mittelbaren Einmischung in den bewaffneten Konflikt oder in die inneren oder äusseren Angelegenheiten der Vertragspartei herangezogen werden, in deren Hoheitsgebiet dieser Konflikt stattfindet.

(6) Die Anwendung dieses Protokolls auf die in Absatz 1 bezeichnete Situation berührt nicht die Rechtsstellung der an einem Konflikt beteiligten Parteien.

(7) Die UNESCO kann den an dem Konflikt beteiligten Parteien ihre Dienste an­bieten.

Kapitel 6: Institutionelle Fragen

Art. 23 Tagungen der Vertragsparteien

(1) Die Tagung der Vertragsparteien wird zur selben Zeit einberufen wie die Gene­ralkonferenz der UNESCO und in Abstimmung mit der Tagung der Hohen Ver­tragsparteien, wenn eine solche vom Generaldirektor einberufen worden ist.

(2) Die Tagung der Vertragsparteien gibt sich eine Geschäftsordnung.

(3) Die Tagung der Vertragsparteien hat folgende Aufgaben:

a)
Wahl der Mitglieder des Ausschusses nach Artikel 24 Absatz 1;
b)
Billigung der vom Ausschuss nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe a erstell­ten Richtlinien;
c)
Bereitstellung von Richtlinien für die Verwendung des Fonds durch den Aus­schuss und Überwachung der Verwendung;
d)
Prüfung des vom Ausschuss nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe d vorge­legten Berichts;
e)
Erörterung von Problemen im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Protokolls und gegebenenfalls Abgabe von Empfehlungen.

(4) Auf Antrag von mindestens einem Fünftel der Vertragsparteien hat der General­direktor eine ausserordentliche Tagung der Vertragsparteien einzuberufen.

Art. 24 Ausschuss für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten

(1) Hiermit wird der Ausschuss für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten eingesetzt. Ihm gehören zwölf Vertragsparteien an; sie werden von der Tagung der Vertragsparteien gewählt.

(2) Der Ausschuss tritt einmal im Jahr zu einer ordentlichen Sitzung zusammen und immer dann, wenn er es für notwendig erachtet, zu ausserordentlichen Sitzungen.

(3) Bei der Festlegung der Zusammensetzung des Ausschusses sind die Vertrags­parteien bemüht, eine ausgewogene Vertretung der verschiedenen Regionen und Kulturen der Welt zu gewährleisten.

(4) Die Vertragsparteien, die Mitglieder des Ausschusses sind, wählen zu ihren Vertretern Personen, die Sachverständige auf dem Gebiet des Kulturerbes, der Verteidigung oder des Völkerrechts sind, und sie sind bestrebt, in gegenseitiger Abstimmung zu gewährleisten, dass im Ausschuss insgesamt angemessener Sach­verstand auf allen diesen Gebieten vereinigt ist.

Art. 25 Amtszeit

(1) Eine Vertragspartei wird für vier Jahre in den Ausschuss gewählt; eine unmittel­bare Wiederwahl ist einmal zulässig.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 endet die Amtszeit der Hälfte der bei der ersten Wahl gewählten Mitglieder mit Ablauf der ersten ordentlichen Tagung der Ver­tragsparteien nach der Tagung, auf der sie gewählt wurden. Diese Mitglieder werden vom Präsidenten der Tagung nach der ersten Wahl durch das Los ermittelt.

Art. 26 Geschäftsordnung

(1) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

(2) Der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse des Ausschusses bedürfen der Zweidrittelmehrheit seiner abstimmenden Mitglieder.

(3) Die Mitglieder dürfen an der Abstimmung über Beschlüsse im Zusammenhang mit Kulturgut, das von einem bewaffneten Konflikt berührt wird, an dem sie betei­ligt sind, nicht teilnehmen.

Art. 27 Aufgaben

(1) Der Ausschuss hat folgende Aufgaben:

a)
Erstellung von Richtlinien zur Durchführung dieses Protokolls;
b)
Gewährung, Aussetzung oder Aufhebung des verstärkten Schutzes für Kultur­gut und Erstellung, Aktualisierung und Förderung der Liste des Kul­turguts unter verstärktem Schutz;
c)
Beobachtung und Überwachung der Durchführung dieses Protokolls und För­derung der Erfassung von Kulturgut unter verstärktem Schutz;
d)
Prüfung der Berichte der Vertragsparteien und Stellungnahme dazu, erforderli­chenfalls deren Klärung und Erstellung eines eigenen Berichts über die Durchführung dieses Protokolls für die Tagung der Vertragsparteien;
e)
Entgegennahme und Prüfung von Anträgen auf internationale Unterstützung nach Artikel 32;
f)
Festlegung der Verwendung des Fonds;
g)
Wahrnehmung anderer Aufgaben, die ihm von der Tagung der Vertragspar­teien zugewiesen werden.

(2) Die Aufgaben des Ausschusses werden in Zusammenarbeit mit dem General­direktor wahrgenommen.

(3) Der Ausschuss arbeitet mit internationalen und nationalen staatlichen und nicht­staatlichen Organisationen zusammen, die ähnliche Ziele verfolgen wie das Abkommen, das Erste Protokoll und dieses Protokoll. Zur Unterstützung der Wahr­nehmung seiner Aufgaben kann der Ausschuss bedeutende Fachorganisationen wie etwa solche, die formelle Beziehungen zur UNESCO unterhalten, einschliesslich des Internationalen Komitees vom Blauen Schild (ICBS) und der Organisationen, aus denen es gebildet wird, einladen, in beratender Eigenschaft an seinen Sitzungen teilzunehmen. Vertreter der Internationalen Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (Römische Zentrale) (ICCROM) und des Internationa­len Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) können ebenfalls eingeladen werden, in beratender Eigenschaft teilzunehmen.

Art. 28 Sekretariat

Dem Ausschuss steht das Sekretariat der UNESCO zur Seite, das die Dokumenta­tion des Ausschusses und die Tagesordnung seiner Sitzungen vorbereitet und für die Durchführung seiner Beschlüsse verantwortlich ist.

Art. 29 Fonds für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten

(1) Hiermit wird ein Fonds für die folgenden Zwecke errichtet:

a)
Bereitstellung finanzieller oder anderer Hilfe zur Unterstützung von vor­berei­tenden und sonstigen Massnahmen, die in Friedenszeiten unter anderem nach Artikel 5, Artikel 10 Buchstabe b und Artikel 30 getroffen werden, und
b)
Bereitstellung finanzieller oder anderer Hilfe im Zusammenhang mit Notfall­massnahmen oder vorläufigen oder sonstigen Massnahmen, die ge­troffen werden, um Kulturgut während eines bewaffneten Konflikts oder während der Bergung und Sicherung unmittelbar nach Ende der Feindselig­keiten unter anderem nach Artikel 8 Buchstabe a zu schützen.

(2) Der Fonds stellt ein Treuhandvermögen im Sinne der Finanzordnung der UNESCO dar.

(3) Die Auszahlungen aus dem Fonds werden nur für die vom Ausschuss nach den Richtlinien im Sinne des Artikels 23 Absatz 3 Buchstabe c beschlossenen Zwecke verwendet. Der Ausschuss kann Beiträge entgegennehmen, die nur für ein be­stimmtes Programm oder Vorhaben verwendet werden sollen, sofern er die Durch­führung dieses Programms oder Vorhabens beschlossen hat.

(4) Die Mittel des Fonds bestehen aus

a)
freiwilligen Beiträgen der Vertragsparteien;
b)
Beiträgen, Spenden oder Vermächtnissen
i)
anderer Staaten,
ii)
der UNESCO oder anderer Organisationen des Systems der Vereinten Nationen,
iii)
sonstiger zwischenstaatlicher oder nichtstaatlicher Organisationen und
iv)
von Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Rechts oder von Einzel­personen;
c)
den für den Fonds anfallenden Zinsen;
d)
Mitteln, die durch Sammlungen und Einnahmen aus Veranstaltungen zu Gunsten des Fonds aufgebracht werden, und
e)
allen sonstigen Mitteln, die durch die auf den Fonds anzuwendenden Richtli­nien genehmigt sind.

Kapitel 7: Verbreitung von Informationen und internationale Unterstützung


Art. 30 Verbreitung

(1) Die Vertragsparteien bemühen sich unter Einsatz geeigneter Mittel, insbeson­dere durch Erziehungs- und Informationsprogramme, die Würdigung und Respektie­rung von Kulturgut durch ihre gesamte Bevölkerung zu stärken.

(2) Die Vertragsparteien verbreiten dieses Protokoll so weit wie möglich, und zwar sowohl in Friedenszeiten als auch in Zeiten eines bewaffneten Konflikts.

(3) Die militärischen oder zivilen Dienststellen, die in Zeiten eines bewaffneten Konflikts Verantwortlichkeiten bei der Anwendung dieses Protokolls zu überneh­men haben, müssen mit seinem Wortlaut voll und ganz vertraut sein. Zu diesem Zweck werden die Vertragsparteien gegebenenfalls

a)
Richtlinien und Anweisungen zum Schutz von Kulturgut in ihre Militärvor­schriften aufnehmen;
b)
in Zusammenarbeit mit der UNESCO und einschlägigen staatlichen und nicht­staatlichen Organisationen Ausbildungs- und Erziehungsprogramme in Friedenszeiten entwickeln und durchführen;
c)
einander über den Generaldirektor Informationen über die nach den Buchsta­ben a und b erlassenen Gesetze oder Verwaltungsvorschriften und die nach den Buchstaben a und b getroffenen Massnahmen übermitteln;
d)
einander über den Generaldirektor so bald wie möglich die Gesetze und Ver­waltungsvorschriften übermitteln, die sie zur Sicherstellung der Anwendung dieses Protokolls erlassen werden.
Art. 31 Internationale Zusammenarbeit

Die Vertragsparteien verpflichten sich, im Fall schwerer Verstösse gegen dieses Protokoll gemeinsam durch den Ausschuss oder einzeln in Zusammenarbeit mit der UNESCO und den Vereinten Nationen und im Einklang mit der Charta der Verein­ten Nationen4 zu handeln.

Art. 32 Internationale Unterstützung

(1) Eine Vertragspartei kann beim Ausschuss internationale Unterstützung für Kulturgut unter verstärktem Schutz und Unterstützung für die Vorbereitung, Ent­wicklung oder Durchführung der in Artikel 10 bezeichneten Gesetze, Verwaltungs­vorschriften und Massnahmen beantragen.

(2) Eine an dem Konflikt beteiligte Partei, die nicht Vertragspartei dieses Protokolls ist, aber nach Artikel 3 Absatz 2 dessen Bestimmungen annimmt und anwendet, kann beim Ausschuss geeignete internationale Unterstützung beantragen.

(3) Der Ausschuss beschliesst Vorschriften über das Antragsverfahren in Bezug auf internationale Unterstützung und bestimmt die Form, welche die Unterstützung annehmen kann.

(4) Die Vertragsparteien werden ermutigt, über den Ausschuss den Vertragsparteien oder den an einem Konflikt beteiligten Parteien, die darum ersuchen, technische Unterstützung aller Art zu gewähren.

Art. 33 Unterstützung durch die UNESCO

(1) Die Vertragsparteien können um die technische Unterstützung der UNESCO bei der Organisierung der Schutzmassnahmen für ihr Kulturgut, wie etwa Vorbereitun­gen zur Sicherung von Kulturgut, vorbeugende und organisatorische Massnahmen für Notfälle und nationale Verzeichnisse des Kulturguts, oder in Zusammenhang mit jedem anderen Problem, das sich aus der Anwendung dieses Protokolls ergibt, nachsuchen. Die UNESCO gewährt diese Unterstützung im Rahmen ihrer Zielset­zung und ihrer Mittel.

(2) Die Vertragsparteien werden ermutigt, technische Unterstützung auf zwei- oder mehrseitiger Ebene zu gewähren.

(3) Die UNESCO kann in dieser Hinsicht den Vertragsparteien von sich aus Vor­schläge unterbreiten.

Kapitel 8: Durchführung dieses Protokolls

Art. 34 Schutzmächte

Dieses Protokoll wird unter Mitwirkung der Schutzmächte angewandt, die mit der Wahrnehmung der Interessen der an dem Konflikt beteiligten Vertragsparteien betraut sind.

Art. 35 Schlichtungsverfahren

(1) Die Schutzmächte stellen ihre guten Dienste in allen Fällen zur Verfügung, in denen sie dies im Interesse des Kulturguts für angezeigt erachten, insbesondere wenn zwischen den an dem Konflikt beteiligten Vertragsparteien über die Anwen­dung oder Auslegung dieses Protokolls Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(2) Zu diesem Zweck kann jede der Schutzmächte entweder auf Einladung einer Vertragspartei oder des Generaldirektors oder von sich aus den an dem Konflikt beteiligten Vertragsparteien eine Zusammenkunft ihrer Vertreter und insbesondere der für den Schutz des Kulturguts verantwortlichen Behörden vorschlagen, gegebe­nenfalls im Hoheitsgebiet eines Staates, der nicht an dem Konflikt beteiligt ist. Die an dem Konflikt beteiligten Vertragsparteien sind gehalten, den ihnen gemachten Vorschlägen von Zusammenkünften Folge zu leisten. Die Schutzmächte schlagen den an dem Konflikt beteiligten Vertragsparteien eine Persönlichkeit, die einem Staat angehört, der nicht an dem Konflikt beteiligt ist, oder eine vom Generaldirek­tor bezeichnete Persönlichkeit zur Genehmigung vor; diese wird aufgefordert, an der Zusammenkunft als Vorsitzender teilzunehmen.

Art. 36 Schlichtung ohne Schutzmächte

(1) In einem Konflikt, bei dem keine Schutzmächte bestellt sind, kann der General­direktor seine guten Dienste anbieten oder durch eine andere Art der Schlichtung oder Vermittlung handeln, um die Meinungsverschiedenheit beizulegen.

(2) Auf Einladung einer Vertragspartei oder des Generaldirektors kann der Vorsit­zende des Ausschusses den an einem Konflikt beteiligten Vertragsparteien eine Zusammenkunft ihrer Vertreter und insbesondere den für den Schutz des Kulturguts verantwortlichen Behörden vorschlagen, gegebenenfalls im Hoheitsgebiet eines Staates, der nicht an dem Konflikt beteiligt ist.

Art. 37 Übersetzung und Berichte

(1) Die Vertragsparteien übersetzen dieses Protokoll in ihre Amtssprachen und übermitteln dem Generaldirektor diese amtlichen Übersetzungen.

(2) Die Vertragsparteien legen dem Ausschuss alle vier Jahre einen Bericht über die Durchführung dieses Protokolls vor.

Art. 38 Verantwortung der Staaten

Die Bestimmungen dieses Protokolls über die individuelle strafrechtliche Verant­wortlichkeit berühren nicht die völkerrechtliche Verantwortung der Staaten, ein­schliesslich der Pflicht, Reparationen zu leisten.

Kapitel 9: Schlussbestimmungen

Art. 39 Sprachen

Dieses Protokoll ist in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist.

Art. 40 Unterzeichnung

Dieses Protokoll trägt das Datum des 26. März 1999. Es liegt vom 17. Mai 1999 bis zum 31. Dezember 1999 in Den Haag für alle Hohen Vertragsparteien zur Unter­zeichnung auf.

Art. 41 Ratifikation, Annahme oder Genehmigung

(1) Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Hohen Vertragsparteien, die dieses Protokoll unterzeichnet haben, nach Mass­gabe ihrer eigenen verfassungsrechtlichen Verfahren.

(2) Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Gene­raldirektor hinterlegt.

Art. 42 Beitritt

(1) Dieses Protokoll steht den anderen Hohen Vertragsparteien ab dem 1. Januar 2000 zum Beitritt offen.

(2) Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim General­direktor.

Art. 43 Inkrafttreten

(1) Dieses Protokoll tritt drei Monate nach Hinterlegung von zwanzig Ratifika­tions‑, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden in Kraft.

(2) Danach tritt es für jede Vertragspartei drei Monate nach Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

Art. 44 Inkrafttreten während bewaffneter Konflikte

Die in den Artikeln 18 und 19 des Abkommens bezeichneten Situationen bewirken, dass die vor oder nach Beginn der Feindseligkeiten oder der Besetzung von an dem Konflikt beteiligten Parteien hinterlegten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- und Beitrittserklärungen mit sofortiger Wirkung in Kraft treten. In diesen Fällen macht der Generaldirektor auf dem schnellsten Weg die in Artikel 46 vorgesehenen Mitteilungen.

Art. 45 Kündigung

(1) Jede der Vertragsparteien kann dieses Protokoll kündigen.

(2) Die Kündigung wird durch eine Urkunde notifiziert, die beim Generaldirektor hinterlegt wird.

(3) Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Kündigungsurkunde wirk­sam. Ist jedoch die kündigende Vertragspartei bei Ablauf dieser Frist an einem bewaffneten Konflikt beteiligt, so wird die Kündigung erst nach Einstellung der Feindseligkeiten oder nach Abschluss der Rückführung des Kulturguts wirksam, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.

Art. 46 Notifikationen

Der Generaldirektor benachrichtigt alle Hohen Vertragsparteien und die Vereinten Nationen von der Hinterlegung aller in den Artikeln 41 und 42 vorgesehenen Ratifi­kations-, Annahme-, Genehmigungs- und Beitrittsurkunden sowie von den in Arti­kel 45 vorgesehenen Kündigungen.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Den Haag am 26. März 1999 in einer Urschrift, die im Archiv der UNESCO hinterlegt wird; beglaubigte Abschriften werden allen Hohen Vertrags­parteien übermittelt.

(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 29. April 20205

5 Diese Veröffentlichung ergänzt die früheren in AS 2005 149 4787, 2007 431, 2008 4125, 2010 845, 2013 279, 2015 1227, 2018 1161, 2020 1577. Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (http://www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Beitritt (B)

Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Afghanistan

12. März

2018 B

12. Juni

2018

Ägypten

  3. August

2005

  3. November

2005

Äquatorialguinea

19. November

2003 B

  9. März

2004

Argentinien

  7. Januar

2002 B

  9. März

2004

Armenien

18. Mai

2006

18. August

2006

Aserbaidschan*

17. April

2001 B

  9. März

2004

Bahrain

26. August

2008 B

26. November

2008

Barbados

  2. Oktober

2008 B

  2. Januar

2009

Belarus

13. Dezember

2000

  9. März

2004

Belgien*

13. Oktober

2010

13. Januar

2011

Benin

17. April

2012 B

17. Juli

2012

Bosnien und Herzegowina

22. Mai

2009 B

22. August

2009

Brasilien

23. September

2005 B

23. Dezember

2005

Bulgarien

14. Juni

2000

  9. März

2004

Burkina Faso

  5. Februar

2018 B

  5. Mai

2018

Chile

11. September

2008 B

11. Dezember

2008

Costa Rica

  9. Dezember

2003 B

  9. März

2004

Dänemark a

  5. September

2018 B

  5. Dezember

2018

Deutschland

25. November

2009

25. Februar

2010

Dominikanische Republik

  3. März

2009

  3. Juni

2009

Dschibuti

  9. April

2018 B

  9. Juli

2018

Ecuador

  2. August

2004

  2. November

2004

El Salvador

27. März

2002 B

  9. März

2004

Estland

17. Januar

2005

17. April

2005

Finnland

27. August

2004

27. November

2004

Frankreich*

20. März

2017

20. Juni

2017

Gabun

29. August

2003 B

  9. März

2004

Georgien

13. September

2010 B

13. Dezember

2010

Griechenland

20. April

2005

20. Juli

2005

Guatemala

  4. Februar

2005 B

  4. Mai

2005

Honduras

26. Januar

2003 B

  9. März

2004

Iran*

24. Mai

2005 B

24. August

2005

Irland

17. Mai

2018 B

17. August

2018

Italien

10. Juli

2009

10. Oktober

2009

Japan

10. September

2007

10. Dezember

2007

Jordanien

  5. Mai

2009 B

  5. August

2009

Kambodscha

17. September

2013

17. Dezember

2013

Kanada

29. November

2005 B

28. Februar

2006

Katar

  4. September

2000

  9. März

2004

Kolumbien

24. November

2010

24. Februar

2011

Kroatien

  8. Februar

2006

  8. Mai

2006

Libyen

20. Juli

2001 B

  9. März

2004

Liechtenstein

31. Januar

2017 B

30. April

2017

Litauen

13. März

2002 B

  9. März

2004

Luxemburg

30. Juni

2005

30. September

2005

Madagaskar

  3. Juli

2018

  3. Oktober

2018

Mali b

15. November

2012 B

15. November

2012

Marokko

  5. Dezember

2013

  5. März

2014

Mexiko

  7. Oktober

2003 B

  9. März

2004

Montenegro

26. April

2007 N

  3. Juni

2006

Neuseeland c

23. Oktober

2013 B

23. Januar

2014

Nicaragua

  1. Juni

2001 B

  9. März

2004

Niederlande

30. Januar

2007

30. April

2007

    Karibische Gebiete (Bonaire,
    Sint Eustatius und Saba)

10. Januar

2011

10. Januar

2011

Niger

16. Juni

2006 B

16. September

2006

Nigeria

21. Oktober

2005

21. Januar

2006

Nordmazedonien

19. April

2002

  9. März

2004

Norwegen

  5. September

2016 B

  5. Dezember

2016

Oman

16. Mai

2011

16. August

2011

Österreich*

  1. März

2002

  9. März

2004

Palästina

22. März

2012 B

22. Juni

2012

Panama

  8. März

2001 B

  9. März

2004

Paraguay

  9. November

2004 B

  9. Februar

2005

Peru

24. Mai

2005

24. August

2005

Polen

  3. Januar

2012 B

  3. April

2012

Portugal

  9. April

2018 B

  9. Juli

2018

Rumänien

  7. August

2006

  7. November

2006

Saudi-Arabien

  6. November

2007 B

  6. Februar

2008

Schweden

10. November

2017

10. Februar

2018

Schweiz

  9. Juli

2004

  9. Oktober

2004

Serbien

  2. September

1999 B

  9. März

2004

Slowakei

11. Februar

2004

11. Mai

2004

Slowenien

13. April

2004 B

13. Juli

2004

Spanien

  6. Juli

2001

  9. März

2004

Südafrika

11. Februar

2015 B

11. Mai

2015

Tadschikistan

21. Februar

2006 B

21. Mai

2006

Togo

24. Januar

2017 B

24. April

2017

Tschechische Republik

  8. Juni

2007 B

  8. September

2007

Turkmenistan

22. Januar

2018 B

22. April

2018

Ungarn

26. Oktober

2005

26. Januar

2006

Uruguay

  3. Januar

2007 B

  3. April

2007

Vereinigtes Königreich*

12. September

2017 B

12. Dezember

2017

Zypern

16. Mai

2001

  9. März

2004

*
Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO): www.unesco.org/ > Français > Ressources > Documents et publications eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
a
Das Protokoll gilt nicht für die Färöer und Grönland.
b
Beitritt mit sofortiger Anwendung gemäss Art. 44 des Protokolls.
c
Das Protokoll gilt nicht für Tokelau.