(Stand am 13. Juni 2006)312.4

312.4

Bundesgesetz
über die Teilung eingezogener Vermögenswerte

(TEVG)

vom 19. März 2004 (Stand am 13. Juni 2006)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 54 Absatz 1 und 123 Absatz 1 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 24. Oktober 20012,

beschliesst:

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand

Dieses Gesetz regelt die Teilung eingezogener Gegenstände und Vermögenswerte einschliesslich Ersatzforderungen (eingezogene Vermögenswerte) unter Kantonen, Bund und ausländischen Staaten.

Art. 2 Geltungsbereich

1 Dieses Gesetz gilt für Teilungen zwischen Kantonen und dem Bund von Vermögenswerten, welche in Anwendung von Bundesstrafrecht eingezogen werden; es ist nicht anwendbar, wenn die Vermögenswerte gestützt auf das Militärstrafgesetz vom 13. Juni 19273 oder das Kulturgütertransfergesetz vom 20. Juni 20034 eingezogen werden.

2 Es gilt auch für die Teilung von Vermögenswerten zwischen der Schweiz und ausländischen Staaten, wenn die Vermögenswerte gestützt auf schweizerisches Recht im Rahmen eines internationalen Rechtshilfeverfahrens in Strafsachen eingezogen werden oder gestützt auf ausländisches Recht einer Einziehung oder einer vergleichbaren Massnahme unterliegen.

2. Kapitel: Teilung zwischen Kantonen und Bund

1. Abschnitt: Festsetzung der Anteile

Art. 3 Mindestbetrag

Ein Teilungsverfahren nach den Artikeln 4–10 wird eingeleitet, sofern die eingezogenen Vermögenswerte brutto mindestens 100 000 Franken betragen.

Art. 4 Nettobetrag

1 Vor der Aufteilung sind vom Bruttobetrag der eingezogenen Vermögenswerte folgende Kosten abzuziehen, sofern sie voraussichtlich nicht einzubringen sind:

a.
die Barauslagen, namentlich Kosten für Übersetzung, Vorführung, Gutachten, Ausführung von Rechtshilfeersuchen, Telefonüberwachungen sowie Entschädigungen für die amtliche Verteidigung und andere Aufwendungen im Rahmen der Beweiserhebung;
b.
die Kosten für die Untersuchungshaft;
c.
zwei Drittel der voraussichtlichen Kosten für den Vollzug von unbedingten Freiheitsstrafen;
d.
die Kosten für die Verwaltung der eingezogenen Vermögenswerte;
e.
die Kosten für die Verwertung der eingezogenen Vermögenswerte und die Eintreibung von Ersatzforderungen.

2 Abziehbar sind ferner Vermögenswerte, welche Geschädigten in Anwendung von Artikel 60 Absatz 1 Buchstaben b und c des Strafgesetzbuches5 zugesprochen werden.

5 SR 311.0; mit Inkrafttreten der Änd. vom 13. Dez. 2002 des Allgemeinen Teils des Straf­gesetzbuches (BBl 2002 8240) wird Art. 60 zu Art. 73.

Art. 5 Teilungsschlüssel

1 Der Nettobetrag der eingezogenen Vermögenswerte ist wie folgt aufzuteilen:

a.
5/10 für das Gemeinwesen, welches die Einziehung verfügt hat;
b.
3/10 für den Bund;
c.
2/10 für die Kantone, in denen die eingezogenen Vermögenswerte liegen, aufgeteilt im Verhältnis der in den jeweiligen Kantonen gelegenen Werte.

2 Wird das Strafverfahren vom Bund und einem Kanton je zu einem Teil geleitet, so wird der Teilbetrag von 5/10 nach Absatz 1 Buchstabe a zu gleichen Teilen zwischen ihnen aufgeteilt.

3 Der Kanton, in dem Vermögenswerte im Hinblick auf die Durchsetzung einer Ersatzforderung beschlagnahmt werden (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 Strafgesetzbuch6), ist dem Kanton, in dem die eingezogenen Vermögenswerte liegen, insoweit gleich­gestellt, als deren Verwertungserlös zur Deckung der Ersatzforderung dient. Die 2/10 der Ersatzforderung, deren Inkasso nicht über die beschlagnahmten Vermögenswerte bewerkstelligt wurde, werden unter den anderen beteiligten Gemeinwesen im Verhältnis der ihnen bereits zustehenden Anteile aufgeteilt.

4 Die beteiligten Kantone und der Bund können über ihre Anteile Vereinbarungen treffen, die von den Absätzen 1–3 abweichen.

6 SR 311.0; mit Inkrafttreten der Änd. vom 13. Dez. 2002 des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (BBl 2002 8240) wird Art. 59 Ziff. 2 Abs. 3 zu Art. 71 Abs. 3.

2. Abschnitt: Teilungsverfahren, Rechtsschutz und Vollstreckung7

7 Fassung gemäss Anhang Ziff. 28 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (SR 173.32).

Art. 6 Teilungsverfahren

1 Die kantonalen oder eidgenössischen Behörden teilen dem Bundesamt für Justiz (Bundesamt) rechtskräftige Entscheide über die Einziehung von Vermögenswerten innerhalb von zehn Tagen mit, wenn der Bruttobetrag nicht offensichtlich weniger als 100 000 Franken beträgt (Art. 3).

2 Das Bundesamt setzt ihnen eine Frist, innert welcher sie ihm die für den Teilungsentscheid notwendigen Unterlagen einzureichen haben, namentlich Listen der Kos­ten und Verwendungen zu Gunsten Geschädigter (Art. 4) sowie der Gemeinwesen, die voraussichtlich am Teilungsverfahren beteiligt sind (Art. 5).

3 Das Bundesamt weist sie an, wie ihm die eingezogenen Werte zur Verfügung zu stellen sind.

4 Es setzt den Behörden der Kantone, sowie, in Angelegenheiten, welche in die Zuständigkeit von Bundesbehörden fallen, der Bundesanwaltschaft oder der zuständigen Verwaltungsbehörde des Bundes, eine Frist zur Stellungnahme.

5 Übersteigt der Bruttobetrag der eingezogenen Vermögenswerte 10 Millionen Franken, so holt das Bundesamt die Stellungnahme der Eidgenössischen Finanz­verwaltung ein.

6 Das Bundesamt erlässt eine Verfügung über die Beträge, die den beteiligten Kantonen und dem Bund zustehen.

7 Das Verfahren richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 19688 über das Verwaltungsverfahren.

Art. 7 Rechtsschutz9

1 Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.10

2 Beschwerdeberechtigt sind die von der Verfügung betroffenen Kantone.

9 Fassung gemäss Anhang Ziff. 28 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (SR 173.32).

10 Fassung gemäss Anhang Ziff. 28 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (SR 173.32).

3. Abschnitt: Besondere Bestimmungen

Art. 9 Änderung der Einziehungsverfügung

Wird die Einziehungsverfügung nach der Teilung geändert und dabei die ganze oder teilweise Rückerstattung der eingezogenen Vermögenswerte verfügt, so können der Urteilskanton oder, in Angelegenheiten, welche durch eine Bundesbehörde beurteilt werden, der Bund von den an der Teilung beteiligten Gemeinwesen im Verhältnis der ihnen überwiesenen Beträge die Rückerstattung dieser Werte fordern.

Art. 10 Spätere Teilung abgezogener Beträge

1 Werden den kantonalen oder eidgenössischen Behörden abgezogene Kosten oder Verwendungen zu Gunsten Geschädigter nachträglich erstattet (Art. 4) oder ergibt sich beim Strafvollzug eine Einsparung von Kosten (Art. 4 Abs. 1 Bst. c), so ist dieser Betrag dem Bundesamt zur Verfügung zu stellen, wenn er 10 000 Franken übersteigt.

2 Das Bundesamt führt die Teilung dieses Betrages entsprechend dem nach Artikel 6 Absatz 6 ergangenen Entscheid durch.

3. Kapitel: Teilung zwischen Staaten

Art. 11 Grundsätze

1 Der Bund kann Vereinbarungen über die Teilung von Vermögenswerten abschlies­sen, welche eingezogen werden:

a.
von schweizerischen Behörden gestützt auf schweizerisches Recht in Zusammenarbeit mit dem Ausland;
b.
von ausländischen Behörden gestützt auf ausländisches Recht in Zusammenarbeit mit schweizerischen Behörden.

2 Werden in der Schweiz im Rahmen einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen Vermögenswerte eingezogen, so können diese mit dem ausländischen Staat in der Regel nur geteilt werden, wenn dieser Gegenrecht gewährt.

3 Dieses Gesetz gewährt ausländischen Staaten keinen Rechtsanspruch auf einen Anteil an eingezogenen Vermögenswerten.

Art. 12 Verhandlungen

1 Kommt infolge oder im Hinblick auf eine Einziehung eine Teilung mit einem ausländischen Staat in Betracht, so informieren die Behörden der Kantone oder des Bundes das Bundesamt.

2 Das Bundesamt führt mit den ausländischen Behörden die Verhandlungen über den Abschluss einer Teilungsvereinbarung. Es hört vorgängig die zuständigen Behörden der Kantone sowie, in Angelegenheiten, welche in die Zuständigkeit von Bundes­behörden fallen, die Bundesanwaltschaft oder die zuständige Verwaltungsbehörde des Bundes an und informiert die zuständige Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten.

3 Die Teilungsvereinbarung muss die Teilungsmodalitäten und den Teilungsschlüssel enthalten. In der Regel sind die eingezogenen Vermögenswerte gleichmässig zwischen der Schweiz und dem ausländischen Staat aufzuteilen. Von dieser Regel kann in begründeten Fällen abgewichen werden und dabei auch eine Rückerstattung an den ausländischen Staat vorgenommen werden, namentlich in Anbetracht der Natur des Anlassdeliktes, des Ortes, wo sich die Vermögenswerte befinden, der Bedeutung der von den beteiligten Staaten geleisteten Bei­träge an die Untersuchung, der zwischen der Schweiz und dem ausländischen Staat herrschenden Gepflogenheiten oder Zusicherungen des Gegenrechts sowie wegen des internationalen Kontextes und der Bedeutung der verletzten Interessen des ausländischen Staates.

Art. 13 Abschluss der Teilungsvereinbarung

1 Das Bundesamt schliesst die Teilungsvereinbarung ab. Übersteigt der Bruttobetrag der eingezogenen oder einzuziehenden Vermögenswerte 10 Millionen Franken, so holt es die Genehmigung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ein; dieses hört vorgängig das Eidgenössische Finanzdepartement an.

2 In Fällen von politischer Bedeutung holt das Bundesamt vor Abschluss der Teilungsvereinbarung die Stellungnahme der zuständigen Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten ein.

3 Sind schweizerische Behörden zur Einziehung der Vermögenswerte zuständig, so holt das Bundesamt die Zustimmung der zuständigen Behörden der betroffenen Kantone und des Bundes ein. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Bundesrat endgültig.

Art. 14 Vollstreckung der Teilungsvereinbarung

1 In der Schweiz befindliche Vermögenswerte, welche Gegenstand der Teilungsvereinbarung bilden, sind dem Bundesamt auszuhändigen; dieses überweist dem ausländischen Staat den ihm zustehenden Anteil. Es kann die kantonalen Behörden beauftragen, dem ausländischen Staat seinen Anteil direkt zu überweisen.

2 Befinden sich die Vermögenswerte im Ausland, so ist der Anteil, der gemäss Teilungsvereinbarung der Schweiz zusteht, dem Bundesamt zu überweisen.

Art. 15 Innerstaatliche Teilung

1 Werden die Vermögenswerte von schweizerischen Behörden in der Schweiz eingezogen, ist der nach der Teilungsvereinbarung der Schweiz zustehende Anteil nach Artikel 5 aufzuteilen.

2 Wird die Einziehung von einem ausländischen Staat ausgesprochen, so ist der Teilbetrag von 5/10 nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a zu gleichen Teilen unter den Kantonen, die im Rahmen eines Rechtshilfe- oder Auslieferungsersuchens Ermittlungen durchführten oder der ausländischen Behörde unaufgefordert Beweismittel übermittelt haben, sowie, wenn neben dem Bundesamt noch eine andere Bundes­behörde beteiligt war, dem Bund aufzuteilen.

3 Befinden sich die Vermögenswerte im Ausland, ist der Teilbetrag von 2/10 nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c unter den anderen beteiligten Gemeinwesen im Verhältnis der ihnen zustehenden Anteile aufzuteilen.

4 Das Bundesamt entscheidet über die Verteilung des Betrages, der gemäss Teilungsvereinbarung der Schweiz zusteht. Die Artikel 4 und 6–10 sind sinngemäss anwendbar.

4. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 17 Übergangsbestimmungen

1 Die Bestimmungen über die innerstaatliche Teilung eingezogener Vermögenswerte (2. Kapitel) gelten für Einziehungsverfügungen, welche nach Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig werden.

2 Die Bestimmungen über die internationale Teilung (3. Kapitel) gelten für Teilungs­verfahren, bei welchen die Teilungsvereinbarung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes unterzeichnet wird, selbst wenn der Einziehungsentscheid bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig wurde.

Art. 18 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. August 200411

11 BRB vom 2. Juni 2004 (AS 2004 3509)

Anhang

(Art. 16)

Änderung bisherigen Rechts

Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:

1. Strafgesetzbuch12

12 SR 311.0. Die hiernach aufgeführten Änd. sind eingefügt im genannten BG.

Art. 350bis 13

....

Art. 381 Abs. 314

....

13 Mit Inkrafttreten der Änd. vom 13. Dez. 2002 des Allgemeinen Teils des Straf­gesetzbuches (BBl 2002 8240) wird Art. 350bis zu Art. 344a.

14 Mit Inkrafttreten der Änd. vom 13. Dez. 2002 des Allgemeinen Teils des Straf­gesetzbuches (BBl 2002 8240) wird Art. 381 Abs. 3 zu Art. 374 Abs. 4.

2. Rechtshilfegesetz vom 20. März 198115

15 SR 351.1. Die hiernach aufgeführten Änd. sind eingefügt im genannten BG.

Art. 59 Abs. 8

...

Art. 74a Abs. 7

...

Art. 93 Abs. 2

...

3. Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 199616

16 SR 514.51. Die hiernach aufgeführten Änd. sind eingefügt im genannten BG.

Art. 38

...

Art. 39

...

4. Atomgesetz vom 23. Dezember 195917

17 [AS 1960 541, 1983 1886 Art. 36 Ziff. 2, 1987 544, 1993 901 Anhang Ziff. 9, 1994 1933 Art. 48 Ziff. 1, 1995 4954, 2002 3673 Art. 17 Ziff. 3, 2004 3503 Anhang Ziff. 4. AS 2004 4719 Anhang Ziff. I 1]

Art. 36b18

...

Art. 36c19

...

18 Mit Inkrafttreten des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 (BBl 2003 3665) übernimmt dessen Art. 97 den Wortlaut der vorliegenden Änd.

19 Mit Inkrafttreten des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 (BBl 2003 3665) übernimmt dessen Art. 98 den Wortlaut der vorliegenden Änd.

5. Edelmetallkontrollgesetz vom 20. Juni 193320

20 SR 941.31. Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt im genannten BG.

Art. 52 Abs. 2

...

6. Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 199621

21 SR 946.202. Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt im genannten BG.

Art. 17

...

7. Embargogesetz vom 22. März 200222

22 SR 946.231. Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt im genannten BG.

Art. 13 Abs. 2

...