(Zu Art. 3 des Übereinkommens)
1. Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates und soll sie als Zeuge oder Sachverständiger von den Justizbehörden des ersuchenden Staates einvernommen werden, kann letzterer verlangen, sofern ein persönliches Erscheinen der einzuvernehmenden Person in seinem Hoheitsgebiet nicht zweckmässig oder möglich ist, dass die Einvernahme per Videokonferenz nach Massgabe der Absätze 2 bis 8 erfolgt.
2. Der ersuchte Staat bewilligt die Videokonferenz, wenn der Einsatz dieser Methode nicht den Grundprinzipien seiner Rechtsordnung zuwiderläuft und er über die technischen Vorrichtungen für eine solche Videokonferenz verfügt. Verfügt der ersuchte Staat nicht über die technischen Vorrichtungen für eine Videokonferenz, so können ihm diese vom ersuchenden Staat in gegenseitigem Einvernehmen zur Verfügung gestellt werden.
3. Die Ersuchen betreffend Videokonferenz enthalten ausser den in Artikel 14 des Übereinkommens und den in Artikel XVI dieses Vertrages erwähnten Angaben auch den Grund dafür, weshalb die Anwesenheit des Zeugen, des Sachverständigen oder der verfolgten Person nicht erwünscht oder möglich ist, sowie die Bezeichnung der Justizbehörde und den Namen der Personen, für die die Videokonferenz verlangt worden ist.
4. Die Justizbehörde des ersuchten Staates lädt die betroffene Person in der von der eigenen Rechtsordnung vorgeschriebenen Form vor.
5. Folgende Regeln gelten für den Zeugen oder den Sachverständigen, der an der Videokonferenz teilnimmt:
- a)
- die Videoverbindung erfolgt in Anwesenheit einer Justizbehörde des ersuchten Staates, bei Bedarf unterstützt von einem Übersetzer; diese Behörde stellt auch die Identität der einzuvernehmenden Person fest und ist für die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates verantwortlich. Werden nach Ansicht der Justizbehörde des ersuchten Staates während der Videoverbindung die Grundprinzipien ihrer Rechtsordnung verletzt, trifft sie umgehend die notwendigen Massnahmen, damit diese unter Einhaltung der oben genannten Prinzipien fortgesetzt werden kann;
- b)
- zwischen den zuständigen Behörden des ersuchenden und des ersuchten Staates können Massnahmen zum Schutz der einzuvernehmenden Person vereinbart werden;
- c)
- die Videokonferenz wird direkt von oder unter Leitung der Justizbehörde des ersuchenden Staates nach dessen innerstaatlichem Recht durchgeführt;
- d)
- auf Verlangen des ersuchenden Staates sorgt der ersuchte Staat dafür, dass die einzuvernehmende Person bei Bedarf von einem Übersetzer unterstützt wird;
- e)
- die einzuvernehmende Person kann sich auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihr nach dem Recht des ersuchten oder des ersuchenden Staates zusteht.
6. Unbeschadet allfälliger zum Schutze von Personen vereinbarter Massnahmen erstellt die Justizbehörde des ersuchten Staates nach Abschluss der Videoverbindung ein Protokoll mit Angaben zu Datum und Ort, zur Identität des Zeugen, des Sachverständigen oder der verfolgten Person, zur Identität und Eigenschaft aller anderen Personen, die an der Videokonferenz teilgenommen haben, zu allen etwaigen eidesstattlichen Erklärungen und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Videoverbindung stattgefunden hat. Die Justizbehörde des ersuchten Staates bestätigt ferner, dass die Durchführung ohne Anwendung psychologischen Druckes oder von Zwang auf die Person erfolgt ist. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates übermittelt das Protokoll der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates.
7. Die Kosten für die Herstellung und den Betrieb der Videoverbindung im ersuchten Staat, die Entschädigung der erforderlichen Übersetzer und Sachverständigen sowie die Spesen für deren Reise in den ersuchten Staat werden vom ersuchenden Staat dem ersuchten Staat zurückerstattet, sofern letzterer nicht auf die Rückerstattung aller oder eines Teils der Kosten verzichtet.
8. Die Staaten treffen die erforderlichen Massnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Zeugen oder Sachverständige nach diesem Artikel auf ihrem Hoheitsgebiet einvernommen werden und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigern oder falsch aussagen, das innerstaatliche Recht zur Anwendung gelangt, als ob die Einvernahmen im Rahmen eines innerstaatlichen Verfahrens durchgeführt würden.
9. Die Videoverbindung kann auch für die verfolgte Person verlangt werden, wenn es für die betroffene Person nicht zweckmässig oder möglich ist, persönlich im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu erscheinen. In diesem Fall kann die Videokonferenz nur dann durchgeführt werden, wenn die Zustimmung der verfolgten Person eingeholt worden ist. Im Übrigen ist die Anwesenheit eines Rechtsbeistandes gewährleistet, der sich an demselben Ort wie die verfolgte Person oder wie die Justizbehörde des ersuchenden Staates aufhalten kann. Im letzteren Fall kann er sich mit seinem Klienten mittels geeigneter technischer Vorrichtungen vertraulich besprechen.