0.351.945.41

 AS 2003 2005; BBl 1999 1485

Übersetzung1

Vertrag

zwischen der Schweiz und Italien zur Ergänzung
des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe
in Strafsachen vom 20. April 1959 und zur Erleichterung
seiner Anwendung

Abgeschlossen am 10. September 1998

Von der Bundesversammlung genehmigt am 20. April 19992

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 1. Juni 2003

(Stand am 15. Juli 2003)

1 Die Originaltexte finden sich unter der gleichen Nummer in der französischen und italienischen Ausgabe dieser Sammlung.

2 Art. 1 Abs. 1 Bst. e des BB vom 20. April 1999 (AS 2001 1524)

Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
die Republik Italien,

im Wunsch, die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die
Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 19593 im Verhältnis zwischen beiden
Staaten zu vereinfachen und die darin enthaltenen Bestimmungen zu ergänzen,

sind wie folgt übereingekommen:

Art. I Allgemeine Bestimmungen

1.  Dieser Vertrag soll die Bestimmungen des Übereinkommens vom 20. April 1959 – nachfolgend: das Übereinkommen – ergänzen und dessen Anwendung zwischen den Vertragsstaaten erleichtern.

2.  Absatz 1 berührt weder die Anwendung von günstigeren Bestimmungen der zwischen den Vertragsstaaten geltenden bilateralen oder multilateralen Verträge noch möglicherweise günstigere Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen.

Art. II Geltungsbereich

(Zu Art. 1 des Übereinkommens)

1.  Das Übereinkommen und dieser Vertrag sind auch auf Verfahren wegen Taten anwendbar, die nach dem Recht eines der beiden Staaten oder beider Staaten straf­rechtlich geahndet werden und für deren Verfolgung oder Untersuchung eine Ver­waltungsbehörde zuständig ist, sofern während des Verfahrens eine in Strafsachen zuständige Gerichtsbehörde angerufen werden kann.

2.  Die Rechtshilfe wird auch geleistet:

a)
für die Zustellung von Schriftstücken betreffend den Vollzug einer Strafe oder einer Massnahme sowie die Zahlung von Bussen oder Verfahrenskos­ten;
b)
in Verfahren betreffend den bedingten Vollzug, den Vollzug einer Strafe oder Massnahme, die bedingte Entlassung, den Aufschub des Antritts einer Strafe oder Massnahme oder die Unterbrechung ihres Vollzugs;
c)
in Gnadensachen;
d)
in Verfahren über Ansprüche auf Entschädigung für ungerechtfertigte Haft.

3.  Die Rechtshilfe wird auch gewährt, wenn sich das Verfahren auf Handlungen bezieht, die nach dem Recht des ersuchten Staates als Abgabebetrug zu qualifizieren sind.

Art. III Ne bis in idem

(Zu Art. 2 des Übereinkommens)

1.  Die Rechtshilfe wird verweigert, wenn sich das Ersuchen auf Handlungen bezieht, auf Grund deren die verfolgte Person im ersuchten Staat aus materiellrecht­lichen Gründen rechtskräftig freigesprochen oder für eine im Wesentlichen gleiche Tat verurteilt worden ist, sofern die allenfalls verhängte strafrechtliche Sanktion noch vollzogen wird oder bereits vollzogen ist.

2.  Die Rechtshilfe kann aber dennoch gewährt werden:

a)
wenn sich das Urteil auf Handlungen bezieht, die ganz oder teilweise auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangen worden sind, es sei denn, dass diese Handlungen zum Teil auch auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates begangen worden sind;
b)
wenn sich das Urteil auf strafbare Handlungen bezieht, die gegen die Sicherheit oder gegen andere wesentliche Interessen des ersuchenden Staates gerichtet sind;
c)
wenn sich das Urteil auf Handlungen bezieht, die von einem Beamten des ersuchenden Staates in Verletzung seiner Amtspflicht begangen worden sind.

3.  Absatz 1 ist nicht anwendbar, wenn:

a)
das im ersuchenden Staat eröffnete Verfahren sich nicht nur gegen die in Ab­satz 1 erwähnte Person richtet ist, oder
b)
die Ausführung des Ersuchens ihrer Entlastung dient.
Art. IV Verwendung von Auskünften (Spezialität)

1.  Die durch Rechtshilfe erhaltenen Auskünfte dürfen im ersuchenden Staat in einem Verfahren wegen einer strafbaren Handlung, derentwegen Rechtshilfe nicht zulässig ist, weder für Ermittlungen benützt noch als Beweismittel verwendet wer­den.

2.  Das Verwertungsverbot für die erhaltenen Auskünfte bezieht sich auf Taten, die für den ersuchten Staat politischen, militärischen oder fiskalischen Charakter haben. Eine Tat ist dann fiskalischer Natur, wenn sie auf die Verkürzung fiskalischer Abga­ben gerichtet erscheint oder Vorschriften über währungs‑, handels- oder wirtschafts­politische Massnahmen verletzt. Dieses Verwertungsverbot betrifft auch Verwal­tungsverfahren fiskalischer Natur. Vorbehalten bleiben die Fälle von Abgabebetrug im Sinne von Artikel II Absatz 3 dieses Vertrages.

3.  Für die Weiterleitung von Informationen im Sinne von Absatz 1 des vorliegenden Artikels an einen Drittstaat ist die Zustimmung des ersuchten Staates erforderlich.

Art. V Verlangte Ausführungsmodalitäten

(Zu Art. 3 des Übereinkommens)

1.  In den Fällen, in denen Rechtshilfe gewährt wird, tut der ersuchte Staat sein Möglichstes, um alle vom ersuchenden Staat ausdrücklich angegebenen Modalitäten bei der Ausführung der Rechtshilfeersuchen zu respektieren, sofern diese Modalitä­ten nicht den Rechtsgrundsätzen des ersuchten Staates widersprechen.

2.  Gibt der ersuchende Staat an, dass die Ausführung des Ersuchens dringend ist, so legt er in geeigneter Form die Gründe für die Dringlichkeit dar.

3.  Kann das Ersuchen nicht oder nicht vollständig nach den in den Absätzen 1 und 2 erwähnten Modalitäten ausgeführt werden, so teilt dies der ersuchte Staat dem ersuchenden Staat umgehend mit.

4.  In Fällen besonderer Verspätung richtet die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ein diesbezügliches Begehren an die Zentralbehörde des ersuchten Staates. Diese wird, wenn die Verspätung ungerechtfertigt ist, ihr Möglichstes tun, um die Ausführung des Rechtshilfeersuchens zu beschleunigen.

5.  Die Staaten können sich darüber verständigen, welche Folge dem Ersuchen zu geben ist.

6.  Falls notwendig, kann der ersuchende Staat verlangen, dass der ersuchte Staat das Ersuchen und alle dazugehörigen Informationen vertraulich behandelt, sofern dies nicht den Rechtsgrundsätzen des ersuchten Staates widerspricht.

Art. VI Videokonferenz

(Zu Art. 3 des Übereinkommens)

1.  Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates und soll sie als Zeuge oder Sachverständiger von den Justizbehörden des ersuchenden Staates einvernommen werden, kann letzterer verlangen, sofern ein persönliches Erscheinen der einzuvernehmenden Person in seinem Hoheitsgebiet nicht zweckmässig oder möglich ist, dass die Einvernahme per Videokonferenz nach Massgabe der Ab­sätze 2 bis 8 erfolgt.

2.  Der ersuchte Staat bewilligt die Videokonferenz, wenn der Einsatz dieser Me­thode nicht den Grundprinzipien seiner Rechtsordnung zuwiderläuft und er über die technischen Vorrichtungen für eine solche Videokonferenz verfügt. Verfügt der ersuchte Staat nicht über die technischen Vorrichtungen für eine Videokonferenz, so können ihm diese vom ersuchenden Staat in gegenseitigem Einvernehmen zur Verfügung gestellt werden.

3.  Die Ersuchen betreffend Videokonferenz enthalten ausser den in Artikel 14 des Übereinkommens und den in Artikel XVI dieses Vertrages erwähnten Angaben auch den Grund dafür, weshalb die Anwesenheit des Zeugen, des Sachverständigen oder der verfolgten Person nicht erwünscht oder möglich ist, sowie die Bezeichnung der Justizbehörde und den Namen der Personen, für die die Videokonferenz verlangt worden ist.

4.  Die Justizbehörde des ersuchten Staates lädt die betroffene Person in der von der eigenen Rechtsordnung vorgeschriebenen Form vor.

5.  Folgende Regeln gelten für den Zeugen oder den Sachverständigen, der an der Videokonferenz teilnimmt:

a)
die Videoverbindung erfolgt in Anwesenheit einer Justizbehörde des ersuch­ten Staates, bei Bedarf unterstützt von einem Übersetzer; diese Behörde stellt auch die Identität der einzuvernehmenden Person fest und ist für die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates verantwortlich. Werden nach Ansicht der Justizbehörde des ersuchten Staa­tes während der Videoverbindung die Grundprinzipien ihrer Rechtsordnung verletzt, trifft sie umgehend die notwendigen Massnahmen, damit diese unter Einhaltung der oben genannten Prinzipien fortgesetzt werden kann;
b)
zwischen den zuständigen Behörden des ersuchenden und des ersuchten Staa­tes können Massnahmen zum Schutz der einzuvernehmenden Person vereinbart werden;
c)
die Videokonferenz wird direkt von oder unter Leitung der Justizbehörde des ersuchenden Staates nach dessen innerstaatlichem Recht durchgeführt;
d)
auf Verlangen des ersuchenden Staates sorgt der ersuchte Staat dafür, dass die einzuvernehmende Person bei Bedarf von einem Übersetzer unterstützt wird;
e)
die einzuvernehmende Person kann sich auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihr nach dem Recht des ersuchten oder des ersuchenden Staates zusteht.

6.  Unbeschadet allfälliger zum Schutze von Personen vereinbarter Massnahmen erstellt die Justizbehörde des ersuchten Staates nach Abschluss der Videoverbindung ein Protokoll mit Angaben zu Datum und Ort, zur Identität des Zeugen, des Sachver­ständigen oder der verfolgten Person, zur Identität und Eigenschaft aller anderen Personen, die an der Videokonferenz teilgenommen haben, zu allen etwaigen eides­stattlichen Erklärungen und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Videoverbindung stattgefunden hat. Die Justizbehörde des ersuchten Staates bestä­tigt ferner, dass die Durchführung ohne Anwendung psychologischen Druckes oder von Zwang auf die Person erfolgt ist. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates übermittelt das Protokoll der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates.

7.  Die Kosten für die Herstellung und den Betrieb der Videoverbindung im ersuch­ten Staat, die Entschädigung der erforderlichen Übersetzer und Sachverständigen sowie die Spesen für deren Reise in den ersuchten Staat werden vom ersuchenden Staat dem ersuchten Staat zurückerstattet, sofern letzterer nicht auf die Rückerstat­tung aller oder eines Teils der Kosten verzichtet.

8.  Die Staaten treffen die erforderlichen Massnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Zeugen oder Sachverständige nach diesem Artikel auf ihrem Hoheitsgebiet einvernommen werden und trotz Aussagepflicht die Aussage verwei­gern oder falsch aussagen, das innerstaatliche Recht zur Anwendung gelangt, als ob die Einvernahmen im Rahmen eines innerstaatlichen Verfahrens durchgeführt wür­den.

9.  Die Videoverbindung kann auch für die verfolgte Person verlangt werden, wenn es für die betroffene Person nicht zweckmässig oder möglich ist, persönlich im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu erscheinen. In diesem Fall kann die Videokonferenz nur dann durchgeführt werden, wenn die Zustimmung der verfolg­ten Person eingeholt worden ist. Im Übrigen ist die Anwesenheit eines Rechtsbei­standes gewährleistet, der sich an demselben Ort wie die verfolgte Person oder wie die Justizbehörde des ersuchenden Staates aufhalten kann. Im letzteren Fall kann er sich mit seinem Klienten mittels geeigneter technischer Vorrichtungen vertraulich besprechen.

Art. VII Fiskalische Pfandrechte

(Zu Art. 3 des Übereinkommens)

Der ersuchte Staat macht bei der Herausgabe von Gegenständen, auf deren Rück­gabe er verzichtet, kein Zollpfandrecht oder keine sonstige dingliche Haftung nach den Vorschriften des Zoll- oder Steuerrechtes geltend, es sei denn, dass der durch die strafbare Handlung geschädigte Eigentümer der Gegenstände die Abgabe selber schuldet.

Art. VIII Herausgabe von Deliktsgut

(Zu Art. 3 des Übereinkommens)

1.  Ausser den in Artikel 3 des Übereinkommens erwähnten Beweisstücken, Akten oder Schriftstücken können dem ersuchenden Staat, insbesondere zum Zwecke der Rückgabe an den Geschädigten oder zu ihrer Einziehung, auch Vermögenswerte herausgegeben werden, die aus einer strafbaren Handlung herrühren, sowie deren Verwertungserträge, die nach dem Recht des ersuchten Staates beschlagnahmt werden können.

2.  Vorbehalten bleiben die Ansprüche, die eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person an diesen Vermögenswerten geltend macht und die weder befrie­digt noch sichergestellt worden sind.

Art. IX Anwesenheit ausländischer Personen im ersuchten Staat

(Zu Art. 4 des Übereinkommens)

1.  Der ersuchte Staat gestattet auf Verlangen des ersuchenden Staates dessen Behördenvertretern und den am Strafverfahren beteiligten Personen sowie ihren Rechtsbeiständen, am Vollzug auf seinem Hoheitsgebiet teilzunehmen, wenn dies den Rechtsgrundsätzen des ersuchten Staates nicht widerspricht.

2.  Den fraglichen Personen kann gestützt auf Absatz 1 insbesondere bewilligt werden, Fragen zu stellen, die Akte einzusehen und bei den Behörden des ersuchten Staates Fragen oder zusätzliche Massnahmen anzuregen.

3.  Die fraglichen Personen können im ersuchenden Staat Informationen aus dem Geheimbereich, die zu ihrer Kenntnis gelangen, weder zu Ermittlungszwecken noch als Beweismittel verwenden, bevor die zuständige Behörde nicht endgültig über die Gewährung und den Umfang der Rechtshilfe entschieden hat.

Art. X Zwangsmassnahmen

(Zu Art. 5 des Übereinkommens)

1.  Die Rechtshilfe, die prozessualen Zwang erfordert, wird nur gewährt, wenn die dem Ersuchen zu Grunde liegende Handlung nach dem Recht beider Staaten strafbar ist.

2.  Unter prozessualem Zwang ist zu verstehen:

a)
die Durchsuchung von Personen;
b)
die Durchsuchung;
c)
die Beschlagnahme von Beweismitteln einschliesslich der Gegenstände, mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde, sowie des Erzeugnisses oder des Erlöses aus der strafbaren Handlung;
d)
jede Massnahme, die die Preisgabe eines strafrechtlich geschützten Geheimnis­ses bewirkt;
e)
jede andere Massnahme, die die Anwendung von Zwang beinhaltet und als solche vom Verfahrensrecht des ersuchten Staates vorgesehen ist.

3.  Bei Weigerung in den unter Absatz 2 Buchstaben b und e erwähnten Fällen, führt die ersuchte Behörde die entsprechende rechtliche Grundlage an.

Art. XII Zustellung mit der Post

(Zu Art. 7 des Übereinkommens)

1.  Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen in Strafsachen können den Personen, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Staates aufhalten, unmittelbar mit der Post zugestellt werden.

2.  Vorladungen an verfolgte Personen, die sich im ersuchten Staat aufhalten, müs­sen diesen spätestens dreissig Tage vor dem für das Erscheinen festgesetzten Zeit­punkt zukommen.

3.  Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Empfänger die Sprache, in der das Schriftstück abgefasst ist, nicht versteht, so muss das Schriftstück – oder zumindest die wichtigen Textstellen – in die Sprache oder eine der Sprachen des Staates über­setzt werden, in dessen Hoheitsgebiet sich der Empfänger aufhält. Hat die Behörde, die das Schriftstück zustellt, Kenntnis davon, dass der Empfänger nur eine andere Sprache versteht, so muss das Schriftstück – oder zumindest die wichtigen Textstel­len – in diese Sprache übersetzt werden.

4.  Zu diesem Zweck gibt die zuständige Behörde des ersuchten Staates auf Ersu­chen der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates jeden nützlichen Hinweis auf die Identität und die Adresse der Person, der die Urkunde oder die Entscheidung zugestellt werden soll.

Art. XIII Kostenvorschuss an Zeugen oder Sachverständige

(Zu Art. 10 des Übereinkommens)

1.  Artikel 10 Absatz 3 des Übereinkommens ist auf jede Vorladungen von Zeugen oder Sachverständigen anwendbar, auch wenn die Voraussetzungen von Artikel 10 Absatz 1 des Übereinkommens nicht erfüllt sind.

2.  Übermittelt ein Staat die Vorladung in der in Artikel XII vorgesehenen Form, so kann der andere Staat, auf dessen Hoheitsgebiet sich der Zeuge oder Sachverstän­dige aufhält, ebenfalls einen Kostenvorschuss gewähren.

Art. XIV Zeitweilige Zuführung von Häftlingen in den ersuchten Staat

(Zu Art. 11 und 12 des Übereinkommens)

1.  Artikel 11 des Übereinkommens gilt sinngemäss für den Fall, dass der ersuchte Staat auf Verlangen des ersuchenden Staates die Zuführung einer im ersuchenden Staat inhaftierten Person in sein Hoheitsgebiet zur Ausführung eines Rechtshilfe­ersuchens bewilligt.

2.  Der ersuchte Staat hält die in Anwendung des vorstehenden Absatzes zugeführte Person für die Dauer ihres Aufenthaltes in seinem Hoheitsgebiet in Haft. Er kann sie wegen einer strafbaren Handlung, die sie vor ihrer Zuführung begangen hat, nicht verfolgen.

3.  Der ersuchte Staat wird dem ersuchenden Staat den Häftling unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit sofort nach Vollzug der Rechtshilfemassnahme oder auf dessen Ersuchen wieder übergeben.

4.  Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäss für die Durchbeförderung eines Häftlings durch das Hoheitsgebiet eines der beiden Staaten.

Art. XV Zeitweilige Zuführung von Häftlingen in den ersuchenden Staat

(Zu Art. 11 des Übereinkommens)

1.  Zusätzlich zu den in Artikel 11 des Übereinkommens aufgeführten Personen werden dem ersuchenden Staat zeitweilig auch Personen zugeführt, die im ersuchten Staat inhaftiert sind und ihrer Anwesenheit im ersuchenden Staat zustimmen, um sich dort für die Taten zu verantworten, für die sie strafrechtlich verfolgt werden.

2.  Die zeitweilige Zuführung der in Absatz 1 erwähnten Personen wird unter den in Artikel XIV dieses Vertrages vorgesehenen Bedingungen gewährt, sofern sie mit­einander vereinbar sind und sich nicht nachteilig auf die im ersuchten Staat laufen­den Strafverfahren auswirkt.

3.  Dieser Artikel findet auch auf die Übergabe nach Artikel 19 Absatz 2 des Euro­päischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 19574 anwendbar, bevor ein Entscheid über die Auslieferung gefällt worden ist.

Art. XVI Form und Inhalt der Ersuchen

(Zu Art. 14 des Übereinkommens)

1.  Ausser den in Artikel 14 Absatz 1 des Übereinkommens vorgesehenen Angaben müssen die Ersuchen Folgendes enthalten:

a)
bei der Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen den Namen und die Adresse des Empfängers, dessen Stellung im Verfahren sowie die Art des zuzustellenden Schriftstücks;
b)
gegebenenfalls genaue Angaben über die Gründe, weshalb die ersuchende Behörde den Fall, für den um Rechtshilfe ersucht wird, als komplex und von besonderer Bedeutung im Sinne von Artikel XVIII dieses Vertrages erachtet.

2.  Um eine schnellere Behandlung der Verfahren zu gewährleisten, vereinbaren das Bundesamt für Justiz5 und das «Ministero di Grazia e Giustizia», gemeinsam Muster vorzubereiten, die für das Abfassen von Rechtshilfeersuchen verwendet werden können und mit den notwendigen Unterlagen übermittelt werden.

5 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikations­verordnung vom 17. Nov. 2004 (SR 170.512.1) angepasst. Die Anpassung wurde im ganzen Text vorgenommen.

Art. XVII Übermittlungsweg

(Zu Art. 15 des Übereinkommens)

1.  Rechtshilfeersuchen, einschliesslich Ersuchen von Verwaltungsbehörden nach Artikel II dieses Vertrages, können direkt an die zum Vollzug der Rechtshilfemass­nahme zuständige Behörde gerichtet und auf demselben Weg zurückgesandt wer­den6. Vorbehalten bleiben die Fälle nach den Artikeln XVIII und XIX dieses Vertra­ges.

2.  Anzeigen nach Artikel 21 des Übereinkommens können direkt der zuständigen Justizbehörde des ersuchten Staates übermittelt werden.

3.  Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement und das «Ministero di Grazia e Giustizia» übermitteln einander ein Verzeichnis der Behörden, an welche Rechts­hilfeersuchen sowie die vorgenommenen Änderungen zu richten sind.

4.  Ersuchen um zeitweilige Zuführung oder Durchbeförderung von Häftlingen sind durch das Bundesamt für Justiz und das «Ministero di Grazia e Giustizia» zu übermitteln.

5.  Ersuchen um Auszüge aus dem Strafregister zu strafrechtlichen Zwecken ein­schliesslich derjenigen, die der Löschung von Einträgen im genannten Register dienen, sind an das Bundesamt für Justiz beziehungsweise an das «Ufficio del Casellario presso il Ministero di Grazia e Giustizia» zu richten.

6 Die örtlich zuständige italienische Procura Generale della Repubblica presso la Corte di Appello kann auf folgender Internetseite ermittelt werden; Verwaltungsbehörden senden die Ersuchen an die örtlich zuständige italienische Procura della Repubblica presso il Tribunale: http://www.giustizia.it/giustizia/it/mg_4.wp Ein aktuelles Verzeichnis der schweizerischen Behörden findet sich über folgenden Link: http://www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/straf/behoerden.html http://www.rhf.admin.ch/etc/medialib/data/rhf.Par.0002.File.tmp/direktverkehr-d.pdf

Art. XVIII Rechtshilfeersuchen in Fällen von organisierter Kriminalität, Korruption und anderen schweren Verbrechen

1.  In komplexen oder besonders wichtigen Straffällen, welche die organisierte Kriminalität, Korruptionsfälle oder andere schwere Straftaten betreffen:

a)
wird in der Schweiz der Entscheid über die Rechtshilfeersuchen und die Ergänzungsersuchen von einer Zentralstelle im Bundesamt für Justiz des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes gefällt;
b)
wird in Italien, wenn dies verlangt wird, die Prüfung der Rechtshilfe­ersu­chen und der Ergänzungsersuchen vom «Ufficio II della Direzione Generale degli Affari Penali del Ministero di Grazia e Giustizia» vorgenommen.

2.  Die in Absatz 1 erwähnten Behörden prüfen die Rechtshilfeersuchen und Ergän­zungsersuchen und ergreifen alle nach innerstaatlichem Recht notwendigen Mass­nahmen, um eine rasche Ausführung des Ersuchens zu gewährleisten.

3.  Diese Behörden können direkt miteinander verkehren.

Art. XIX Behandlung von Fällen, die mehrere Behörden betreffen

Erfordert die Ausführung eines Ersuchens Ermittlungen, die von mehreren zuständi­gen Behörden im ersuchten Staat vorzunehmen sind, so ist dieses Ersuchen der Zentralbehörde des ersuchten Staates zu übermitteln; diese ergreift alle vom inner­staatlichen Recht vorgesehenen Massnahmen, um eine rasche Ausführung des Ersuchens zu gewährleisten.

Art. XX Vereinfachte Ausführung

1.  Die verlangten Schriftstücke, Auskünfte oder Vermögenswerte können der ersu­chenden Behörde nach den vom Recht des ersuchten Staates vorgesehenen verein­fachten Verfahren herausgegeben werden, wenn alle Berechtigten ihre Zustimmung erteilt haben.

2.  Umfasst die Herausgabe nur einen Teil der Schriftstücke, Auskünfte oder Ver­mögenswerte, so führt der ersuchte Staat das Rechtshilfeverfahren für den restlichen Teil weiter.

Art. XXI Gemeinsame Ermittlungen

Bei Taten, die Gegenstand eines Strafverfahrens in jedem der beiden Staaten sind, können die betroffenen Justizbehörden, allenfalls begleitet von Polizeiorganen, nach vorheriger Mitteilung an das «Ministero di Grazia e Giustizia Direzione Generale degli Affari Penali Ufficio II» und an das Bundesamt für Justiz in gemein­samen Ermittlungsgruppen zusammenarbeiten.

Art. XXII Sprache

(Zu Art. 16 des Übereinkommens)

Es wird keine Übersetzung der gestützt auf das Übereinkommen und diesen Vertrag gestellten Ersuchen sowie der Beilagen verlangt.

Art. XXIII Erstattung von Kosten

(Zu Art. 20 des Übereinkommens)

Nebst der Erstattung von Kosten im Sinne von Artikel VI Absatz 7 dieses Vertrages werden die Kosten für die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten zum Zweck der Rückgabe an den Geschädigten sowie die durch die Ausführung von Rechtshilfeersuchen nach Artikel V Absatz 1 dieses Vertrages entstandenen ausser­ordentlichen Kosten zurückerstattet.

Art. XXIV Annahme der Anzeige zum Zwecke der Strafverfolgung

(Zu Art. 21 des Übereinkommens)

1.  Auf Grund einer nach Artikel 21 des Übereinkommens übermittelten Anzeige prüfen die Justizbehörden des ersuchten Staates, ob nach dessen Recht eine Strafver­folgung einzuleiten ist.

2.  Verlangt das innerstaatliche Recht beider Staaten einen Strafantrag, so ist der vom Geschädigten bei der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates fristgerecht gestellte Strafantrag auch im ersuchten Staat wirksam. Ist der Strafantrag nur nach dem Recht des ersuchten Staates erforderlich, so muss er nachträglich innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist bei der zuständigen Behörde dieses Staates gestellt werden, wobei der Fristenlauf am Tag beginnt, an dem diese die Anzeige erhalten hat.

Art. XXV Unterlagen für eine Anzeige zum Zwecke der Strafverfolgung

Der Anzeige sind beizufügen:

a)
eine kurze Darstellung des Sachverhaltes;
b)
das Original oder eine Kopie der massgebenden Schriftstücke sowie allfäl­lige Beweismittel;
c)
eine Kopie der nach dem Recht des ersuchenden Staates anwendbaren Strafbe­stimmungen;
d)
jede nützliche Information bezüglich Identität und Adresse der zu verfolgen­den Person.
Art. XXVI Wirkungen bei Annahme der Anzeige zum Zwecke der Strafverfolgung

1.  Sobald der ersuchte Staat dem ersuchenden Staat mitgeteilt hat, dass er die Straf­verfolgung übernimmt, setzen die zuständigen Behörden des ersuchenden Staates das Verfahren aus, das sie allenfalls bereits gegen diese Person und für die in der Anzeige aufgeführten Taten eröffnet hatten.

2.  Im Fall von Absatz 1 sehen die Behörden des ersuchenden Staates von weiteren Verfolgungs- oder Vollstreckungsmassnahmen ab, wenn im ersuchten Staat:

a)
das Strafverfahren von einer Justizbehörde aus materiellrechtlichen Gründen endgültig abgeschlossen worden ist;
b)
die gegen die betroffene Person ausgesprochene strafrechtliche Sanktion voll­streckt, erlassen oder verjährt ist;
c)
der Vollzug der strafrechtlichen Sanktion teilweise oder ganz ausgesetzt oder der Entscheid über die strafrechtliche Sanktion aufgeschoben worden ist.

3.  Die dem ersuchten Staat übermittelten Gegenstände und Originalschriftstücke werden dem ersuchenden Staat spätestens nach Abschluss des Verfahrens zurück­gegeben, sofern der ersuchende Staat nicht auf deren Rückgabe verzichtet.

4.  Die durch die Übernahme der Strafverfolgung entstandenen Kosten werden nicht erstattet.

5.  Die Artikel XXIV – XXVI dieses Vertrages sind auch auf Verfahren nach Arti­kel 6 Absatz 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 19577 anwendbar.

Art. XXVII Austausch von Strafurteilen

(Zu Art. 22 des Übereinkommens)

Auf ausdrückliches Ersuchen und in Einzelfällen übermitteln einander die Justiz­behörden der beiden Staaten amtlich als richtig bescheinigte Kopien von Strafurtei­len gegen ihre Staatsangehörigen, damit die ersuchende Justizbehörde prüfen kann, ob sich innerstaatliche Massnahmen aufdrängen.

Art. XXVIII Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen

1.  Unter Vorbehalt des innerstaatlichen Rechts und im Rahmen ihrer Zuständigkei­ten können die Justizbehörden eines der beiden Staaten einer Justizbehörde des anderen Staates ohne vorheriges Ersuchen Informationen betreffend Straftaten übermitteln, wenn:

a)
sie der Auffassung sind, dass die Mitteilung dieser Informationen der empfan­genden Behörde bei der Einleitung oder Durchführung von Ermitt­lungen oder Verfahren behilflich sein kann, oder
b)
diese Informationen dazu führen könnten, dass diese Behörde ein Ersuchen nach dem Übereinkommen oder diesem Vertrag stellt.

2.  Die Mitteilung dieser Informationen darf die eigenen Ermittlungen oder Strafver­fahren nicht beeinträchtigen.

Art. XXIX Folgen der Kündigung des Übereinkommens

(Zu Art. 29 des Übereinkommens)

1.  Kündigt einer der beiden Staaten das Übereinkommen, so wird die Kündigung im Verhältnis zwischen den beiden Staaten nach Ablauf einer Frist von zwei Jahren nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretariat des Europarates wirksam.

2.  Dieser Vertrag wird am Tag hinfällig, an dem die Kündigung des Übereinkom­mens wirksam wird.

Art. XXX Meinungsaustausch und Beilegung von Streitigkeiten

1.  Die Vertreter des Bundesamtes für Justiz und des «Ministero di Grazia e Giustizia» können, wenn sie es als sinnvoll erachten, einen mündlichen oder schrift­lichen Meinungsaustausch durchführen oder sich treffen, um allfällige Fragen und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Auslegung, der Anwendung oder der Umsetzung des Übereinkommens oder dieses Vertrages im Allgemeinen oder im Einzelfall zu klären. Fallen die zu prüfenden Fragen in die Zuständigkeit anderer Ministerien, so werden diese zur Mitwirkung eingeladen.

2.  Streitigkeiten über Auslegung, Anwendung und Umsetzung des Übereinkom­mens und dieses Vertrages, die von den in Absatz 1 bezeichneten Behörden im Rahmen des Meinungsaustausches nicht innerhalb von zwölf Monaten seit deren Entstehen beigelegt werden konnten, sind auf Ersuchen des einen oder anderen Staates einem Schiedsgericht, bestehend aus drei Mitgliedern, zu unterbreiten. Jeder der beiden Staaten ernennt einen Schiedsrichter. Die beiden Schiedsrichter bezeich­nen einen Vorsitzenden, der weder Staatsangehöriger des einen noch des anderen Staates sein darf.

3.  Unterlässt es einer der beiden Staaten, einen Schiedsrichter zu ernennen, und leistet er der Einladung des anderen Staates, die Ernennung innerhalb von zwei Monaten vorzunehmen, keine Folge, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen dieses letzteren Staates vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.

4.  Können sich die beiden Schiedsrichter innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Ernennung nicht auf einen Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Ersuchen eines der beiden Staaten vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.

5.  Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den Fällen der Absätze 3 und 4 Artikels verhindert, sein Mandat auszuführen oder ist er selbst Staatsangehö­riger eines der beiden Staaten, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten durchgeführt oder, wenn dieser verhindert oder Staatsangehöriger eines der beiden Staaten ist, vom amtsältesten Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger eines der beiden Staaten ist.

6.  Falls die beiden Staaten nichts anderes vereinbaren, legt das Schiedsgericht sein Verfahren fest.

7.  Die Entscheide des Schiedsgerichts sind endgültig und für beide Staaten verbind­lich.

Art. XXXI Vorbehalte und Erklärungen zum Übereinkommen

Die von der Schweiz und von Italien zum Übereinkommen angebrachten Vorbehalte und Erklärungen sind auf die Beziehungen zwischen den beiden Staaten so weit anwendbar, als sie nicht durch die Bestimmungen dieses Vertrages geändert werden.

Art. XXXII Inkrafttreten

1.  Jeder der beiden Staaten teilt dem anderen durch Notifikation den Abschluss des für das Inkrafttreten dieses Vertrages verfassungsmässig erforderlichen Verfahrens mit.

2.  Dieser Vertrag tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach Eingang der zweiten Notifikation in Kraft.

Art. XXXIII Kündigung

Dieser Vertrag kann von jedem der beiden Staaten jederzeit gekündigt werden. Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der auf diplomatischem Weg übermit­telten Notifikation wirksam.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen gehörig Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet.

So geschehen in Rom, am 10. September 1998 in zwei Urschriften in italienischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut in gleicher Weise verbindlich ist.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die
Republik Italien:

Arnold Koller

Giovanni Maria Flick