0.360.349.11 (Stand am 27. Mai 2003)

0.360.349.11

 AS 2003 1202

Übersetzung1

Zusatzprotokoll

zum Abkommen vom 11. Mai 1998 zwischen dem
Schweizerischen Bundesrat und der Französischen Republik
über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz‑,
Polizei- und Zollsachen

Abgeschlossen am 28. Januar 2002
In Kraft getreten am 28. Januar 2002

(Stand am 27. Mai 2003)

1 Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der entsprechenden Ausgabe dieser Sammlung.

Der Schweizerische Bundesrat
und
die Regierung der Französischen Republik,

nachfolgend die Parteien genannt,

zur Umsetzung des Abkommens vom 11. Mai 19982, durch das sich die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Französische Republik verpflichten, in Justiz‑, Polizei- und Zollsachen grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten (Kooperations­abkommen), und in Anbetracht des Abkommens vom 28. Oktober 19983 über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (Rückübernahmeabkommen),

im Bestreben, diese Form der Zusammenarbeit weiter zu fördern, insbesondere im Hinblick auf den Austausch von Informationen und die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt,

haben Folgendes vereinbart:

Titel I: Errichtung von Zentren für Polizei- und Zollzusammenarbeit

(im Folgenden Kooperationszentren genannt)

Art. 1 Errichtung

1 Auf dem Gelände des Flughafens Genf-Cointrin in der Schweizer Gemeinde Meyrin wird entsprechend dem Lageplan4 (Anhang zu diesem Zusatzprotokoll) ein Kooperationszentrum errichtet. In diesem Zentrum arbeiten Beamte der Dienst­stellen beider in Artikel 1 des Kooperationsabkommens genannten Parteien (nachfolgend Dienststellen genannt).

2 Nach Artikel 12 Absatz 2 des Kooperationsabkommens können Zahl und Sitz der  Kooperationszentren nachträglich durch Notenwechsel geändert werden. Die Bestim­mungen dieses Zusatzprotokolls gelten sinngemäss für nachträglich errichtete Zentren.

4 Der Lageplan wird nicht veröffentlicht. Er ist im Bundesamt für Polizei, Abteilung Einsatz und Planung, 3003 Bern, hinterlegt.

Art. 2 Organisation

1 Das Kooperationszentrum Genf-Cointrin wird in einem Gebäude eingerichtet, das im Besitz von Republik und Kanton Genf ist. Artikel 11 Absatz 3 des Kooperationsabkommens sieht vor, dass die Parteien die Bau- und Betriebskosten zu gleichen Teilen tragen. Für jedes Kooperationszentrum wird ein Finanzierungsplan erstellt.

2 Die Dienststellen tragen die gesamten Kosten für die ihren Beamten zur Verfügung gestellten Einrichtungen, Kommunikations- und Informatikmittel. Die Kosten für den Ankauf von Fahrnissen, die für die Gemeinschaftsräume bestimmt sind, werden zu gleichen Teilen von den Dienststellen beider Parteien getragen.

3 Löhne, Repräsentationskosten und sonstige für die Personalbewirtschaftung anfallende Auslagen werden zu vollen Teilen von demjenigen Staat getragen, dem die Beamten angehören.

4 Jede der Parteien bezeichnet unabhängig und nach den jeweiligen innerstaatlichen Modalitäten einen Koordinator. Die Koordinatoren stellen den ordentlichen Betrieb der jeweiligen nationalen Dienststellen sicher und treffen gemeinsam alle erforder­lichen Massnahmen für die Organisation und Abwicklung der laufenden Geschäfte. Sind die Koordinatoren abwesend, so werden ihre Aufgaben von einem Stellvertreter wahrgenommen.

5 Die Koordinatoren regeln den Betrieb der Kooperationszentren im gegenseitigen Einvernehmen. Sie erarbeiten gemeinsam ein internes Reglement. Sie führen ein gemeinsames Sekretariat, in dem Beamte beider Parteien arbeiten.

6 Im Innern der Räumlichkeiten der Kooperationszentren, die der ausschliesslichen Benutzung durch den Nachbarstaat vorbehalten sind, sind Beamte dieses Staates befugt, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Nötigenfalls können sie die Unterstützung der Beamten des Gastlandes anfordern.

7 Die Liste der Beamten und Angestellten sowie die Aufgaben und Aufträge, mit denen die in den Kooperationszentren vertretenen Dienststellen betraut werden, werden von den Koordinatoren beider Parteien ausgearbeitet und aufeinander abgestimmt.

8 Um die Effizienz der Kontrollen und der Zusammenarbeit zu gewährleisten, stehen die Kooperationszentren während vierundzwanzig Stunden in Betrieb. Die zuständigen Dienststellen legen die Präsenzzeiten im gegenseitigen Einvernehmen fest; die Präsenzzeiten können den Bedürfnissen angepasst werden.

Art. 3 Aufgaben

1 Die in den Kooperationszentren tätigen Dienststellen tragen dazu bei, namentlich die folgenden Ziele zu erreichen:

a.
reibungsloser Ablauf der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und des Austauschs von Informationen in Polizei- und Zollsachen, soweit in Artikel 15 des Kooperationsabkommens vorgesehen;
b.
Unterstützung bei Operationen, an denen die Dienststellen beider Parteien beteiligt sind, insbesondere bei grenzüberschreitenden Observationen und grenzüberschreitender Nacheile nach den Artikeln 7 und 8 des Koopera­tions­abkommens;
c.
Koordination gemeinsam getroffener Überwachungsmassnahmen im Grenzgebiet;
d.
Vorbereitung der Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt unter Einhaltung der einschlägigen Abkommen.

2 Die Kooperationszentren werden über jegliche andere Form der direkten Zusammenarbeit zwischen den entsprechenden, in den Artikeln 16–20 des Kooperationsabkommens aufgeführten Einsatzeinheiten informiert und gegebenenfalls miteinbezogen.

Art. 4 Rechtsstatus der in den Kooperationszentren dienstlich tätigen Beamten

1 Die Beamten, die ihren Dienst gestützt auf die Bestimmungen des Kooperations- und des Rückübernahmeabkommens im Hoheitsgebiet der anderen Partei ausüben, unterstehen der Weisungsgewalt ihrer jeweiligen nationalen Behörde, befolgen jedoch das interne Reglement der Kooperationszentren.

2 Das Gastland gewährt den in den Kooperationszentren dienstlich tätigen Beamten der anderen Partei denselben Schutz und Beistand, den es seinen eigenen Beamten gewährt.

3 Die in den Kooperationszentren dienstlich tätigen Beamten unterstehen den zivilrechtlichen Haftungsvorschriften und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Partei, auf deren Hoheitsgebiet sie sich befinden.

4 Diese Beamten können auf dem Weg zur Dienststelle und bei der Ausübung ihres Dienstes ihre nationale Dienstkleidung oder ein sichtbares Kennzeichen tragen; sie können auch ihre Dienstwaffe mit sich führen, dürfen diese jedoch nur in Notwehr gebrauchen.

5 Das Abkommen vom 9. September 19665 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ist auf die in den Kooperationszentren dienstlich tätigen Beamten anwendbar.

6 Gegenstände, die für den Betrieb der Kooperationszentren notwendig sind oder die Beamte des Nachbarstaates während ihrer Dienstzeit im Gastland benötigen, unterliegen weder der Zollpflicht noch den Einfuhrabgaben.

Titel II: Austausch oder Zurverfügungstellung von regionalen Verbindungsbeamten im Grenzgebiet der anderen Partei



Art. 5 Besondere Vereinbarungen

1 Zur Umsetzung von Artikel 10 des Kooperationsabkommens können die opera­tionellen Einsatzeinheiten, die im Grenzgebiet nach Artikel 2 des Kooperations­abkommens tätig sind, den Austausch oder die Zurverfügungstellung von regionalen Verbindungsbeamten zwecks dienstlicher Tätigkeit im Grenzgebiet der anderen Partei vereinbaren.

2 Werden unter den Einsatzeinheiten der Parteien Beamte ausgetauscht oder Beamte einer Einheit der anderen Partei zur Verfügung gestellt, so nehmen die zuständigen Dienststellen Rücksprache mit ihrer Zentralverwaltung. Die Dienststellen erstellen eine Liste der Beamten, die zu einem Dienst der anderen Partei abkommandiert worden sind; sie führen die Liste nach und unterbreiten sie ihrer Zentralverwaltung. Die Dienststelen erstatten ihrer Zentralverwaltung jährlich Bericht über die Tätigkeit der Beamten, die zu einer Einheit der anderen Partei abkommandiert worden sind.

3 Diese Beamten verrichten den Dienst bei den entsprechenden Einsatzeinheiten der anderen Partei gestützt auf einen Vertrag und ein besonderes Pflichtenheft, die den Zentralverwaltungen im Voraus zur Genehmigung unterbreitetet werden.

4 Sie liefern Informationen und erfüllen ihre Aufträge im Rahmen der Weisungen, die sie von ihrer Zentralverwaltung erhalten, und nach Massgabe der Richtlinien der Behörden des Gastlandes.

5 Beamte, die ihren Dienst bei Einsatzeinheiten der anderen Partei versehen, können unter Einhaltung der in Artikel 5 des Kooperationsabkommens festgelegten Bedingungen Auskunftsgesuche der in Artikel 1 des Kooperationsabkommens aufgeführten zuständigen Dienststellen ihrer eigenen Partei beantworten.

Art. 6 Verpflichtungen der gastgebenden Einsatzeinheit

1 Die Einsatzeinheit, in der ein Beamter der anderen Partei seinen Dienst versieht, unterstützt diesen bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Sie trifft die erforderlichen organisatorischen Massnahmen, um:

a.
die Effizienz der Tätigkeit des Beamten zu gewährleisten;
b.
auf Anfragen des Beamten einzugehen und ihm die notwendige Unter­stützung zu leisten;
c.
sicherzustellen, dass der Beamte seine ordnungsgemässen Aufgaben erfüllen kann.

Die Einsatzeinheit trägt die Kosten, die solche Massnahmen verursachen können.

2 Die Einsatzeinheit, in der ein Beamter der anderen Partei seinen Dienst versieht, ergreift alle technischen und sonstigen Massnahmen, um die Vertraulichkeit der Informationen sicherzustellen, die dem Beamten zur Verfügung stehen, und nament­lich, indem sie den Zugriff auf Datenbanken, die dem Beamten zur Verfügung stehen, beschränkt.

Titel III: Allgemeine Bestimmungen

Art. 7 Grenzen der Zusammenarbeit

1 Jede der Parteien kann sich weigern, eine Information zu liefern oder in einer bestimmten Angelegenheit zusammenzuarbeiten, wenn allgemeine Interessen oder die innere Sicherheit des Landes in schwerem Mass gefährdet würden. Die Verweigerung ist zu begründen.

2 Jede der Parteien muss die Bestimmungen anderer internationaler Kooperations­abkommen einhalten, insbesondere Abkommen über Rechtshilfe und über Amtshilfe in Zollsachen.

Art. 8 Regelmässige Bilanz der Zusammenarbeit

1 Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern beider Parteien, überwacht regel­mässig den Stand der Umsetzung dieses Zusatzprotokolls und prüft, ob es allenfalls ergänzt oder aktualisiert werden muss. Die Arbeitsgruppe ist ausserdem für die Beilegung von Streitigkeiten nach Artikel 36 des Kooperationsabkommens zuständig.

2 Nach Artikel 24 des Kooperationsabkommens versammeln sich die zuständigen Dienststellen in den Grenzgebieten und die Koordinatoren der Kooperationszentren mindestens zweimal jährlich, um eine Bilanz der Zusammenarbeit zu erstellen, ein gemeinsames Arbeitsprogramm zu erarbeiten und zuhanden der Arbeitsgruppe einen Geschäftsbericht vorzubereiten. Nach jeder Zusammenkunft wird ein Protokoll erstellt.

Art. 9 Änderungen

Artikel 1 Absatz 1, Artikel 2 Absatz 1 und der Anhang dieses Zusatzprotokolls können durch Notenwechsel zwischen dem Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und dem Innenminister der Französischen Republik jeder­zeit geändert oder ergänzt werden.

Art. 10 Kündigung

1 Jede Partei kann dieses Zusatzprotokoll unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten kündigen.

2 Die Kündigung des Kooperationsabkommens führt gleichzeitig zur Kündigung dieses Zusatzprotokolls.

Art. 11 Inkrafttreten

Dieses Zusatzprotokoll wird für eine unbeschränkte Dauer geschlossen. Es tritt am Tag der Unterzeichnung in Kraft.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen gehörig bevollmächtigten Vertreter beider Vertragsparteien dieses Zusatzprotokoll unterzeichnet.

So geschehen in Genf, am 28. Januar 2002, im Doppel in französischer Sprache.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die
Regierung der Französischen Republik:

Ruth Metzler-Arnold

Daniel Vaillant