(1) Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Polizeiwesen5 übermitteln einander auf Antrag der Justizbehörden Ersuchen um Ausschreibungen zur Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung in einem geschützten elektronischen Nachrichtenübermittlungssystem. Ein Ersuchen um Ausschreibung nach diesem Absatz ist einem Ersuchen um vorläufige Festnahme im Sinne des Artikels 16 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 19576 gleichgestellt. Die in Satz 1 genannten Zentralstellen der Vertragsstaaten sind berechtigt, den übrigen Polizeibehörden im automatisierten Verfahren den Zugriff auf die so erlangten Daten zu dem in Satz 1 genannten Zweck zu ermöglichen.
(2) Es werden ausschliesslich Daten zur Verfügung gestellt, die für den in Absatz 1 vorgesehenen Zweck erforderlich sind. Der ausschreibende Vertragsstaat prüft, ob die Bedeutung des Falles eine Übermittlung rechtfertigt.
(3) Es werden höchstens die folgenden Angaben mitgeteilt:
- a)
- Name und Vorname, gegebenenfalls Aliasname;
- b)
- erster Buchstabe des zweiten Vornamens;
- c)
- Geburtsort und -datum, bei Übermittlungen aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft kann statt des Geburtsortes der Bürgerort angegeben werden;
- d)
- Geschlecht;
- e)
- Staatsangehörigkeit;
- f)
- besondere unveränderliche physische Merkmale;
- g)
- der personenbezogene Hinweis «bewaffnet»;
- h)
- der personenbezogene Hinweis «gewalttätig»;
- i)
- Ausschreibungsgrund;
- j)
- zu ergreifende Massnahmen.
Andere Angaben, insbesondere die Daten, die in Artikel 6 Satz 1 des Übereinkommens des Europarates vom 28. Januar 19817 zum Schutz der Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten erwähnt sind, sind nicht zulässig.
(4) Der ersuchende Vertragsstaat teilt dem ersuchten Vertragsstaat zugleich folgende, für den zugrunde liegenden Sachverhalt wesentliche Informationen mit:
- a)
- die um die Festnahme ersuchende Behörde;
- b)
- das Bestehen eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder eines rechtskräftigen Urteils;
- c)
- die Art und die rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung;
- d)
- die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschliesslich der Zeit, des Orts und der Art der Täterschaft;
- e)
- soweit möglich die Folgen der Straftat.
Auf der Grundlage dieser Informationen kann der ersuchte Vertragsstaat in der Regel binnen 24 Stunden die Ausschreibung überprüfen und so lange auf den Vollzug der begehrten Massnahme in seinem Hoheitsgebiet verzichten. Wird als Ergebnis dieser Prüfung auf den Vollzug der begehrten Massnahme endgültig verzichtet, so ist dies dem ersuchenden Vertragsstaat unter Angabe von Gründen mitzuteilen.
(5) Ersucht ein Vertragsstaat auf Veranlassung einer Justizbehörde wegen besonderer Eilbedürftigkeit um eine Sofortfahndung, nimmt der ersuchte Vertragsstaat die Prüfung sofort vor und trifft die notwendigen Vorkehrungen, damit die begehrte Massnahme für den Fall, dass die Ausschreibung gebilligt wird, unverzüglich vollzogen werden kann.
(6) Ist eine Festnahme wegen einer noch nicht abgeschlossenen Prüfung oder wegen einer ablehnenden Entscheidung des ersuchten Vertragsstaates ausnahmsweise nicht möglich, so ist die Ausschreibung von diesem, soweit nach innerstaatlichem Recht zulässig, als Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung zu behandeln.
(7) Der ersuchte Vertragsstaat trifft die aufgrund des Ersuchens um Ausschreibung begehrten Massnahmen auf der Grundlage der geltenden Auslieferungsübereinkommen und nach Massgabe des nationalen Rechts. Unbeschadet der Möglichkeit, den Betroffenen nach Massgabe des nationalen Rechts festzunehmen, ist er nicht verpflichtet, die Massnahmen zu vollziehen, wenn ein eigener Staatsangehöriger betroffen ist.
(8) Sofern der ersuchte Vertragsstaat eine Ausschreibung für nicht vereinbar hält mit seinem nationalen Recht, mit internationalen Verpflichtungen oder wesentlichen nationalen Interessen, ist er berechtigt, die mit der Ausschreibung begehrten Massnahmen in seinem Hoheitsgebiet nicht zu vollziehen. Hierüber ist der andere Vertragsstaat unter Angabe von Gründen zu unterrichten.