0.351.941.6

 AS 2003 650; BBl 2001 147

Originaltext

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der
Besonderen Verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China über Rechtshilfe in Strafsachen

Abgeschlossen am 15. März 1999

Von der Bundesversammlung genehmigt am 7. Juni 20011

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 16. Oktober 2002

(Stand am 8. April 2003)

Der Schweizerische Bundesrat
und
die Regierung der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China («Besondere Verwaltungsregion Hongkong»), welche von der
Zentralregierung der Volksrepublik China gehörig bevollmächtigt wurde,
dieses Abkommen abzuschliessen,

nachfolgend «die Parteien» genannt

haben im Bestreben, die Wirksamkeit der Rechtsanwendung in beiden Parteien bei der Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung strafbarer Handlungen zu verbessern,

Folgendes vereinbart:

Kapitel I Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Verpflichtung zur Rechtshilfe

1.  Die Parteien verpflichten sich, einander nach den Bestimmungen dieses Abkommens weitestgehende Rechtshilfe zu leisten bei Ermittlungen, Verfolgungen oder in Verfahren wegen strafbarer Handlungen, deren Ahndung im Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, unter die Gerichtsbarkeit der ersuchenden Partei fällt.

2.  Die Rechtshilfe umfasst alle Massnahmen, einschliesslich Zwangsmassnahmen, zur Unterstützung von Ermittlungen, Strafverfolgungen oder von damit zusammenhängenden Verfahren in der ersuchenden Partei, insbesondere:

(a)
die Identifikation von Personen und die Ermittlung ihres Aufenthaltes;
(b)
die Zustellung von Schriftstücken;
(c)
die Entgegennahme von Zeugenaussagen oder anderen Aussagen;
(d)
die Herausgabe von Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweis-mitteln, einschliesslich der Beweisstücke;
(e)
die Rückerstattung von Vermögenswerten und Geldern;
(f)
die Übermittlung von Informationen;
(g)
die Ausführung von Ersuchen um Durchsuchung und Beschlagnahme;
(h)
das Hinwirken auf das Erscheinen von Personen, die aussagen oder ein Verfahren in anderer Weise unterstützen können;
(i)
die Herausgabe von Gerichtsakten oder öffentlich zugänglichen und amt­lichen Schriftstücken;
(j)
das Aufspüren, die Blockierung und die Einziehung von Erträgen, die aus strafbaren Handlungen stammen, sowie von Tatwerkzeugen.
Art. 2 Nichtanwendbarkeit des Abkommens

Dieses Abkommen ist nicht anwendbar auf:

(a)
die Auslieferung flüchtiger Straftäter;
(b)
die Vollstreckung rechtskräftiger Strafurteile, welche Freiheitsentzug aussprechen, ausser soweit das Recht der ersuchten Partei und dieses Abkommen es zulassen;
(c)
Ermittlungen oder Verfahren im Zusammenhang mit einer nach Militär­gesetzgebung strafbaren Handlung, die nach gemeinem Recht nicht strafbar ist.
Art. 3 Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub

1.  Die ersuchte Partei verweigert die Rechtshilfe, wenn:

(a)
das Ersuchen die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ord­nung der Schweiz oder, im Fall der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong, der Volksrepublik China beeinträchtigt;
(b)
sie der Ansicht ist, dass ihre wesentlichen Interessen in schwer wiegender Weise beeinträchtigt werden könnten, wenn dem Ersuchen entsprochen würde;
(c)
das Ersuchen eine strafbare Handlung mit politischem Charakter betrifft;
(d)
das Ersuchen eine strafbare Handlung betrifft, die von der ersuchten Partei als Fiskaldelikt angesehen wird; die ersuchte Partei kann jedoch dem Er-suchen entsprechen, wenn Gegenstand der Ermittlung oder des Verfahrens ein Abgabebetrug ist;
(e)
ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass das Ersuchen dazu führt, dass eine Person wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder ihrer politischen Anschauungen benachteiligt wird;
(f)
das Ersuchen die Verfolgung einer Person wegen einer strafbaren Handlung betrifft, für welche diese Person in der ersuchten Partei verurteilt, frei­gesprochen oder begnadigt wurde; oder
(g)
bei Ersuchen um Anwendung von Zwangsmassnahmen die Handlungen oder Unterlassungen, die angeblich zum Straftatbestand führten, nicht strafbar wären, wenn die Handlungen oder Unterlassungen im Bereich der Gerichtsbarkeit der ersuchten Partei stattgefunden hätten.
2.  Die ersuchte Partei kann die Rechtshilfe verweigern, wenn:
(a)
das Ersuchen die Strafverfolgung einer Person betrifft, die infolge Ver­jährung nicht mehr verfolgt werden könnte, wenn die strafbare Handlung im Bereich der Gerichtsbarkeit der ersuchten Partei begangen worden wäre;
(b)
die ersuchende Partei die Bedingungen betreffend Vertraulichkeit oder Beschrän­kung der Verwendung des erhaltenen Beweismaterials nicht einhalten kann; oder
(c)
das Ersuchen eine strafbare Handlung betrifft, die nach dem Recht der ersuchenden Partei mit der Todesstrafe bedroht ist, für die jedoch nach dem Recht der ersuchten Partei die Todes­strafe entweder nicht vorgesehen ist oder normalerweise nicht vollstreckt wird; dies gilt nicht, wenn die ersuchende Partei der ersuchten Partei eine von dieser als ausreichend angesehene Zusicherung gibt, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder, falls sie verhängt wird, nicht vollstreckt wird.

3.  Die ersuchte Partei kann die Rechtshilfe aufschieben, wenn die Ausführung des Ersuchens sich nachteilig auf eine in dieser Partei laufende Ermittlung oder Strafverfolgung auswirkt.

4.  Bevor die ersuchte Partei die Rechtshilfe nach diesem Artikel verweigert oder aufschiebt, muss sie über ihre Zentralbehörde:

(a)
der ersuchenden Partei umgehend mitteilen, warum sie die Rechtshilfe zu verweigern oder aufzuschieben gedenkt; und
(b)
mit der ersuchenden Partei Rücksprache nehmen, um abzuklären, ob die Rechtshilfe unter den von der ersuchten Partei als erforderlich erachteten Bedingungen gewährt werden kann.

5.  Nimmt die ersuchende Partei die an die Rechtshilfe geknüpften Bedingungen nach Absatz 4 (b) an, so muss sie diese einhalten.

Art. 5 Zwangsmassnahmen

Wird zur Beschaffung von Beweismitteln, zur Herausgabe von Schriftstücken einschliesslich Bankdokumenten, zur Durchsuchung und Beschlagnahme oder zur Blockierung und Einziehung von Erträgen, die aus strafbaren Handlungen stammen, um Zwangsmassnahmen ersucht, so können diese nicht durch andersartige Massnahmen ersetzt werden, sofern die ersuchende Partei dem nicht zuvor zustimmt.

Kapitel II Beschaffung von Beweismitteln

Art. 6 Allgemeine Grundsätze

1.  Wird ein Ersuchen um Beweiserhebung gestellt für eine Ermittlung, eine Verfolgung oder ein Verfahren betreffend eine strafbare Handlung, die der Gerichtsbarkeit der ersuchenden Partei unterliegt, so veranlasst die ersuchte Partei die Beweiserhebung.

2.  Die Beweiserhebung nach diesem Abkommen umfasst die Herausgabe von Schriftstücken, Akten, Beweismaterial oder Gegenständen.

Art. 7 Beschränkte Verwendung

Ohne vorgängige Zustimmung der Zentralbehörde der ersuchten Partei darf die ersuchende Partei die erhaltenen Informationen und Beweismittel nicht aus anderen als den im Ersuchen angegebenen Gründen weitergeben oder verwenden.

Art. 8 Durchsuchung und Beschlagnahme

1.  Die ersuchte Partei führt Ersuchen um Durchsuchung und Beschlagnahme sowie um Herausgabe sämtlichen Beweismaterials an die ersuchende Partei aus, welches für eine Ermittlung oder ein Verfahren betreffend eine strafbare Handlung von Bedeutung ist.

2.  Die ersuchte Partei liefert die von der ersuchenden Partei gewünschten Informationen über das Ergebnis von Durchsuchungen, über den Ort und die Umstände der Beschlagnahme sowie über die anschliessende Aufbewahrung der beschlagnahmten Vermögenswerte.

3.  Die ersuchende Partei hält sämtliche Bedingungen ein, welche ihr die ersuchte Partei betreffend die beschlagnahmten und ihr ausgehändigten Vermögenswerte auf­erlegt.

Art. 9 Anwesenheit von Personen

1.  Die Zentralbehörde der ersuchten Partei unterrichtet die ersuchende Partei auf deren ausdrückliches Begehren über Zeit und Ort der Ausführung des Ersuchens.

2.  Die beteiligten Behörden und Personen sowie ihre Rechtsvertreter können bei der Ausführung anwesend sein, wenn die ersuchte Partei dem zustimmt.

Art. 10 Entgegennahme von Zeugenaussagen oder anderen Aussagen

1.  Eine Person, die gestützt auf ein Ersuchen zur Aussage in der ersuchten Partei aufgefordert wird, kann die Aussage verweigern, wenn:

(a)
ihr nach dem Recht der ersuchten Partei unter ähnlichen Umständen in einem Verfahren, das in der ersuchten Partei statt­fände, ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde; oder
(b)
ihr nach dem Recht der ersuchenden Partei in einem Ver­fahren, das in der ersuchenden Partei stattfände, ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde.

2.  Beruft sich eine Person darauf, dass ihr nach dem Recht der ersuchenden Partei ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, so stützt sich die ersuchte Partei diesbezüglich auf eine Bescheinigung der Zentralbehörde der ersuchenden Partei ab.

3.  Bei Ersuchen nach diesem Artikel führt die ersuchende Partei die Fragen auf, die der Person gestellt werden sollen, oder den Gegenstand, über den diese befragt werden soll.

4.  Falls es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde der ersuchten Partei entweder aus eigenem Entschluss oder auf Begehren einer der in Artikel 9 Absatz 2 genannten Personen der Person zusätzlich zu den Fragen nach Absatz 3 dieses Artikels weitere Fragen stellen.

Art. 11 Herausgabe von Gegenständen, Schriftstücken, Akten und Beweismitteln

1.  Machen Dritte in der ersuchten Partei Rechte an Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder anderen Beweismitteln geltend, so hindert dies deren Herausgabe an die ersuchende Partei nicht.

2.  Falls nichts anderes vereinbart wurde, erstattet die ersuchende Partei das Herausgegebene so rasch als möglich, spätestens aber bei Abschluss des Verfahrens, zurück.

Art. 12 Rückerstattung von Vermögenswerten und Geldern

Vermögenswerte und Gelder, die im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung erlangt und von der ersuchten Partei beschlagnahmt wurden, können der ersuchenden Partei auch zum Zweck der Rückerstattung herausgegeben werden, sofern Ansprüche aus Rechten, die Dritte an den Vermögenswerten geltend machen, berücksichtigt worden sind.

Art. 13 Öffentlich zugängliche und amtliche Schriftstücke

1.  Die ersuchte Partei liefert Kopien von öffentlich zugänglichen Schriftstücken.

2.  Die ersuchte Partei kann Kopien aller nicht öffentlich zugänglichen Schrift­stücke, Akten und Unterlagen eines Ministeriums, einer Amts- oder Regierungsstelle im selben Umfang und unter den gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen, wie diese auch den eigenen Gesetzesvollzugs- und Gerichtsbehörden zugänglich gemacht würden.

Art. 14 Gerichtsakten

Die ersuchte Partei stellt den Behörden der ersuchenden Partei die Akten ihrer Gerichts- oder anderer Justizbehörden, einschliesslich Urteile und Entscheide, unter den gleichen Bedingungen und im selben Umfang zur Verfügung wie ihren eigenen Behörden.

Art. 15 Austausch von Informationen über Strafakten

Jede Partei unterrichtet nach den Vorschriften ihres internen Rechts die andere Partei über alle Strafurteile, die eine Freiheitsstrafe enthalten und die in der Schweiz verurteilte Daueraufenthalter der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong bzw. in der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong verurteilte schweizerische Staatsangehörige betreffen. Diese Informationen werden mindestens einmal jährlich über die Zentralbehörden übermittelt.

Art. 16 Übermittlung von Informationen zum Zweck der Strafverfolgung

1.  Jede Partei kann der anderen Partei zum Zweck der Strafverfolgung in dieser Partei ohne vorheriges Ersuchen Informationen oder Beweismittel übermitteln.

2.  Die Partei, der solche Informationen oder Beweismittel übermittelt wurden, teilt der anderen Partei jede getroffene Massnahme mit und stellt ihr eine Kopie sämt­licher ergangenen Entscheide zu.

Kapitel III Zustellung von Schriftstücken – Erscheinen von Personen

Art. 17 Zustellung von Schriftstücken

1.  Die ersuchte Partei bewirkt die Zustellung von Verfahrensurkunden, Gerichtsentscheiden und anderen Schriftstücken, die ihr zu diesem Zweck von der ersuchenden Partei übermittelt werden.

2.  Die Zustellung kann durch einfache Übergabe der Urkunde, des Entscheids oder anderer Schriftstücke an den Empfänger erfolgen. Auf ausdrückliches Verlangen der er­suchenden Partei bewirkt die ersuchte Partei die Zustellung in einer der Formen, die in ihren Rechtsvorschriften für die Zustellung gleichartiger Schriftstücke vorgesehen sind, oder in einer besonderen Form, die sich mit diesen Rechtsvorschriften vereinbaren lässt.

3.  Die Zustellung wird durch eine datierte und vom Empfänger unterschriebene Empfangsbestätigung nachgewiesen oder durch eine Erklärung der zuständigen Behörde der ersuchten Partei, welche die Tatsache, die Form und das Datum der Zustellung beurkundet. Die eine oder andere dieser Urkunden wird der ersuchenden Partei unverzüglich übermit­telt. Auf deren Verlangen gibt die ersuchte Partei an, ob die Zustel­lung nach dem Recht der ersuchten Partei erfolgt ist. Konnte die Zustellung nicht vorgenommen werden, so teilt die ersuchte Partei der ersuchenden Partei den Grund unverzüglich mit.

4.  Ein Ersuchen um Zustellung einer Vorladung an eine beschuldigte oder angeklagte Person, die sich in der ersuchten Partei befindet, muss der Zentralbehörde dieser Partei spätestens 30 Tage vor dem für das Erscheinen festgesetzten Zeitpunkt übermittelt werden. Ist die Person, der die Vorladung zugestellt werden soll, nicht beschuldigt oder angeklagt, so muss das Ersuchen um Zustellung der Zentralbe­hörde der ersuchten Partei innerhalb einer angemessenen Zeit übermittelt werden.

Art. 18 Erscheinen von Zeugen oder Sachverständigen in der ersuchenden Partei

1.  Jede Person, die sich in der ersuchten Partei befindet, kann als Zeuge oder Sachverständiger in einer laufenden Ermittlung oder in einem hängigen Verfahren der ersuchenden Partei zum Erscheinen angehalten wer­den, sofern sie nicht Gegenstand der Ermittlung oder des Verfahrens ist.

2.  Die ersuchte Partei fordert den Adressaten auf, dem Ersuchen Folge zu leisten, und lässt der ersuchenden Partei die Antwort des Adressaten unverzüglich zukommen.

3.  Entschädigungen und Auslagen sind von der ersuchenden Partei zu tragen. Der Zeuge oder Sachverständige wird über die Entschädigungen und Auslagen, auf die er Anspruch hat, unterrichtet; er kann für diese einen Vorschuss verlangen.

Art. 19 Überführung inhaftierter Personen

1.  Verlangt die ersuchende Partei zum Zweck der Rechtshilfe nach diesem Abkommen das Erscheinen einer Person, die in der ersuchten Partei in Haft ist, so wird die Person, vorbehaltlich Absatz 2, zu diesem Zweck von der ersuchten Partei in die ersuchende Partei überführt, sofern die ersuchende Partei die Aufrechterhaltung der Haft dieser Person und die nachfolgende Rückführung in die ersuchte Partei garantiert hat.

2.  Die Überführung kann abgelehnt werden, wenn:

(a)
die inhaftierte Person dem Erscheinen nicht zustimmt;
(b)
ihre Anwesenheit für eine in der ersuchten Partei laufende Ermittlung oder ein hängiges Verfahren notwendig ist;
(c)
die Überführung geeignet ist, die Haft zu verlängern; oder
(d)
andere zwingende Gründe der Überführung entgegenstehen.

3.  Die überführte Person muss in der ersuchenden Partei in Haft bleiben, sofern nicht die ersuchte Partei ihre Freilassung verlangt.

4.  Ist die Freiheitsstrafe einer nach diesem Artikel überführten Person verbüsst, während sich diese in der ersuchenden Partei befindet, so muss die ersuchte Partei die ersuchende Partei darüber unterrichten; letztere hat die Entlassung aus der Haft zu veranlassen.

Art. 20 Nichterscheinen

Eine Person, die einem Ersuchen um Erscheinen nicht Fol­ge leistet, darf selbst dann, wenn ein ihr zugestelltes Schriftstück eine Strafandrohung enthält, nicht bestraft oder einer Zwangsmassnahme unterworfen werden, sofern sie sich nicht später freiwillig in die ersuchende Partei begibt und dort erneut ordnungsgemäss vorgeladen wird.

Art. 21 Freies Geleit

1.  Eine Person, die dem Erscheinen nach den Artikeln 18 und 19 zustimmt, darf in der ersuchenden Partei weder wegen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus der er­suchten Partei erfolgter strafbarer Handlungen verfolgt, in Haft gehalten oder in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt werden noch wegen Handlungen oder Unterlassun­gen aus dieser Zeit einer Zivilklage unterworfen werden, die gegen die Person nicht hätte eingereicht werden können, wenn sich die Person nicht in der er­suchenden Partei aufhielte.

2.  Eine Person, die dem Erscheinen nach den Artikeln 18 und 19 zustimmt, darf auf Grund ihrer Aussage keiner Strafverfolgung ausgesetzt wer­den, ausgenommen wegen Meineids.

3.  Eine Person, die dem Erscheinen nach den Artikeln 18 und 19 zustimmt, darf zu keiner Aussage in einem anderen Verfahren angehalten werden als in demjenigen, auf welches sich das Ersuchen bezieht.

4.  Eine Person, die einer Vorladung der ersuchenden Partei Folge leistet, um sich wegen einer ihr zur Last gelegten Handlung strafrechtlich zu verantworten, darf dort wegen nicht in der Vorladung angeführter Handlungen oder Unterlassungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus der ersuchten Partei weder verfolgt noch in Haft gehalten noch in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt werden.

5.  Die Absätze 1 und 4 sind nicht anwendbar, wenn die Person, welche die Möglichkeit hatte, die ersuchende Partei zu verlassen, diese nicht innerhalb von 30 Tagen verlassen hat, nachdem ihr mitgeteilt wurde, dass ihre Anwesenheit nicht länger erforderlich sei, oder wenn sie nach Verlassen der ersuchenden Partei wieder dorthin zurückgekehrt ist.

Kapitel IV Erträge aus strafbaren Handlungen

Art. 22 Aufspüren von Erträgen aus strafbaren Handlungen oder von Tatwerkzeugen

Auf Ersuchen bemüht sich die ersuchte Partei in Erfahrung zu bringen, ob sich im Bereich ihrer Gerichtsbarkeit Erträge oder Tatwerkzeuge befinden, die aus Ver­stössen gegen das Recht der ersuchenden Partei stammen; sie teilt das Ergebnis ihrer Nachforschungen der ersuchenden Partei mit. In ihrem Ersuchen gibt die ersuchende Partei den Grund an für ihre Vermutung, dass sich solche Erträge oder Tatwerk-zeuge im Bereich der Gerichtsbarkeit der ersuchten Partei befinden könnten.

Art. 23 Vorläufige Massnahmen

Findet die ersuchte Partei in Anwendung von Artikel 22 mutmassliche Erträge aus strafbaren Handlungen oder Tatwerkzeuge, so trifft sie die nach ihrem Recht zulässigen Massnahmen, um den Handel mit diesen Erträgen oder Tatwerkzeugen oder deren Übertragung oder Veräusserung zu verhindern, bis in der ersuchenden Partei ein endgültiger Gerichtsentscheid bezüglich dieser Erträge oder Tatwerkzeuge vorliegt.

Art. 24 Einziehung

1.  Wird ein Ersuchen gestellt, um die Einziehung von Erträgen aus strafbaren Handlungen oder von Tatwerkzeugen sicherzustellen, so wird die Rechtshilfe so weit als möglich gewährt. Die Rechtshilfe kann die Vollstreckung eines Gerichtsentscheids der ersuchenden Partei und die Einleitung oder Unterstützung eines Verfahrens, das sich auf die im Ersuchen angegebenen Erträge aus strafbaren Handlungen oder Tatwerkzeuge bezieht, umfassen.

2.  Nach diesem Abkommen eingezogene Erträge aus strafbaren Handlungen oder Tatwerkzeuge werden von der ersuchten Partei zurückbehalten, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben.

Art. 25 Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen

Unbeschadet ihrer eigenen Ermittlungen oder Verfahren kann die eine Partei der anderen Partei ohne vorheriges Ersuchen Informationen über Erträge aus strafbaren Handlungen oder über Tatwerkzeuge übermitteln, wenn sie der Auffassung ist, dass die Übermittlung dieser Informationen der anderen Partei bei Ermittlungen oder in Verfahren behilflich sein oder dazu führen könnte, dass diese Partei ein Ersuchen aufgrund dieses Abkommens stellt.

Kapitel V Verfahren

Art. 26 Zentralbehörde

1.  Jede Partei bestimmt eine Zentralbehörde.

2.  Zentralbehörde der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong ist der «Secretary for Justice» oder die gehörig bevollmächtigte Amtsperson. Zentralbehörde der Schweiz ist das Bundesamt für Justiz des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes in Bern.

3.  Ersuchen nach diesem Abkommen werden ausschliesslich von der Zentral­behörde der ersuchenden Partei an die Zentralbehörde der ersuchten Partei gerichtet.

4.  Die Zentralbehörden beider Parteien verkehren direkt miteinander.

5.  Die Zentralbehörden können Ersuchen auch via Interpol übermitteln.

Art. 27 Inhalt der Ersuchen

1.  Ersuchen sind schriftlich abzufassen und müssen enthalten:

(a)
die Bezeichnung der Behörde, von der das Ersuchen ausgeht;
(b)
den Grund des Ersuchens und die Art der gewünschten Rechtshilfe;
(c)
die Art der Ermittlung, der Strafverfolgung, der Tat oder der Strafsache;
(d)
eine kurze Darstellung des erheblichen Sachverhalts (Zeitpunkt, Ort und Um­stände der Tatbegehung), der in der ersuchenden Partei Anlass zur Ermittlung oder zum Verfahren gab, ausgenommen bei Zustellungsersuchen im Sinne von Artikel 17;
(e)
den Wortlaut oder, falls dies nicht möglich ist, eine Darstellung der anwendbaren Rechtsvorschriften;
(f)
soweit möglich den vollständigen Namen, den Geburtsort und das Geburtsdatum, die Staatsange­hörigkeit und die Adresse der Person, die im Zeitpunkt des Ersuchens Gegenstand der Ermittlungen oder des Verfahrens ist;
(g)
alle für die vertrauliche Behandlung notwendigen Angaben;
(h)
Einzelheiten über besondere Verfahren, welche die ersuchende Partei angewendet haben möchte;
(i)
Einzelheiten über den Zeitraum, innerhalb dessen das Ersuchen ausgeführt werden sollte.

2.  Zusätzlich sind beizufügen:

(a)
bei Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken: der Name und die Adresse des Empfängers;
(b)
bei Ersuchen um Entgegennahme von Zeugenaussagen oder von anderen Aussagen: der Gegenstand, über den die Person befragt werden soll, im Bedarfsfall einschliesslich einer Liste der zu stellenden Fragen;
(c)
bei Ersuchen um Überführung einer inhaftierten Person: deren Personalien; die Bezeichnung der Personen, die für deren Überwachung während des Transports verantwortlich sind; die Angabe des Ortes, an den sie überführt wird, und die maximale Dauer der Überführung.

3.  Die ersuchte Partei darf nicht verlangen, dass dem Ersuchen Beweismittel beiliegen; Artikel 16 dieses Abkommens bleibt vorbehalten.

Art. 28 Ausführung der Ersuchen

1.  Die Zentralbehörde der ersuchten Partei führt das Ersuchen umgehend aus oder sorgt für dessen Ausführung durch die zuständigen Behörden.

2.  In dringenden Fällen bemüht sich die Zentralbehörde der ersuchten Partei, erste Massnahmen einzuleiten, bevor sie im Besitz aller Unterlagen ist.

3.  Entspricht ein Ersuchen nicht den Bestimmungen dieses Abkommens, so teilt die Zentralbehörde der ersuchten Partei dies der Zentralbehörde der ersuchenden Partei unverzüglich mit, damit das Ersuchen angemessen verbessert werden kann.

4.  Ein Ersuchen wird nach dem Recht der ersuchten Partei und, wenn möglich, nach den im Ersuchen angegebenen Anweisungen ausgeführt, soweit diese nicht gegen das Recht der ersuchten Partei verstossen.

5.  Die ersuchte Partei unterrichtet die ersuchende Partei umgehend über jegliche Umstände, die geeignet sind, eine erhebliche Verzögerung in der Ausführung des Ersuchens zu verursachen.

6.  Nach Ausführung des Ersuchens übermittelt die zuständige Behörde das Original des Ersuchens sowie die erhaltenen Auskünfte und Beweismittel der Zentralbehörde der ersuchten Partei. Die Zentralbehörde vergewissert sich, dass das Ersuchen vollständig und ordnungsgemäss ausgeführt ist, und teilt die Ergebnisse der Zentral­behörde der ersuchenden Partei mit.

Art. 29 Vertraulichkeit

Vorbehältlich der Bestimmungen ihres internen Rechts behandelt die ersuchte Partei ein Ersuchen und die darin enthaltenen Auskünfte vertraulich, ausser wenn sie von der ersuchenden Partei davon entbunden wird.

Art. 30 Informationspflicht im Ablehnungsfall

Die ersuchte Partei unterrichtet die ersuchende Partei umgehend über den Entscheid, die Ausführung eines Ersuchens ganz oder teilweise abzulehnen, und gibt den Grund für diesen Entscheid an.

Art. 31 Formerfordernisse

1.  Schriftstücke, Abschriften, Akten, Aussagen sowie anderes Beweismaterial oder Gegenstände bedürfen keiner Art von Beglaubigung.

2.  Schriftstücke, Abschriften, Akten, Aussagen sowie anderes Beweismaterial oder Gegenstände, die der ersuchenden Partei übermittelt werden, werden nur bescheinigt, wenn die ersuchende Partei dies verlangt. In diesem Fall genügt die Bescheinigung durch die Zentralbehörde der ersuchten Partei.

3.  Es darf nicht verlangt werden, dass Schriftstücke, Abschriften, Akten, Aussagen sowie anderes Beweismaterial oder Gegenstände durch konsularische oder diplomatische Beamte bescheinigt oder beglaubigt werden müssen.

Art. 32 Sprache

Allen Schriftstücken, die zur Unterstützung eines Ersuchens eingereicht werden, wird eine Übersetzung in eine Amtssprache der ersuchten Partei beigelegt; die gewünschte Amtssprache ist von der ersuchten Partei in jedem einzelnen Fall anzugeben.

Art. 33 Vertretung und Kosten

1.  Die ersuchte Partei trifft alle nötigen Vorkehrungen, um die Vertretung der ersuchenden Partei in allen im Zusammenhang mit einem Ersuchen stehenden Verfahren zu ermöglichen, oder nimmt andernfalls die Interessen der ersuchenden Partei wahr.

2.  Die ersuchte Partei trägt alle bei der Ausführung eines Ersuchens auf ihrem Gebiet üblicherweise entstehenden Kosten, ausgenommen:

(a)
das Honorar des auf Verlangen der ersuchenden Partei beauftragten Anwalts;
(b)
Honorare für Sachverständige;
(c)
Übersetzungs- und Dolmetscherkosten; und
(d)
Reisekosten und Entschädigungen für Personen, die an der Ausführung des Ersuchens beteiligt sind.

3.  Stellt sich während der Ausführung des Ersuchens heraus, dass diese mit aus-serordentlichen Kosten verbunden ist, so nehmen die Parteien Rücksprache miteinander, um die Bedingungen festzusetzen, unter denen die Ausführung des Ersuchens weitergeführt wird.

Kapitel VI Weitere Zusammenarbeit

Art. 34 Polizeiliche Zusammenarbeit

Sofern nicht Zwangsmassnahmen verlangt werden, können die Polizei- oder andere Gesetzesvollzugsbehörden beider Parteien zusammenarbeiten. Mitteilungen im Zusammenhang mit solcher polizeilicher Zusammenarbeit erfolgen üblicherweise via Interpol.

Art. 35 Andere Grundlagen für die Zusammenarbeit

Die Parteien können sich sowohl nach anderen Abkommen oder Vereinbarungen unterstützen wie auch gestützt auf ihr internes Recht zusammenarbeiten, sofern diese Zusammenarbeit mit dem vorliegenden Abkommen vereinbar ist.

Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art. 36 Meinungsaustausch

Die Zentralbehörden können, wenn es ihnen sinnvoll erscheint, ihre Meinungen über Anwendung oder Umsetzung dieses Abkommens im Allgemeinen oder in Bezug auf einzelne Fälle schriftlich oder mündlich austauschen.

Art. 37 Beilegung von Streitigkeiten

Streitigkeiten über Auslegung, Anwendung und Umsetzung dieses Abkommens werden auf diplomatischem Weg gelöst, falls die Zentralbehörden sie nicht selber beilegen können.

Art. 38 Inkrafttreten und Kündigung

1.  Dieses Abkommen tritt 30 Tage nach dem Datum in Kraft, an dem sich die Parteien schriftlich mitgeteilt haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Abkommens erfüllt sind.

2.  Jede der beiden Parteien kann dieses Abkommen jederzeit durch Mitteilung an die andere Partei kündigen. In diesem Fall tritt das Abkommen nach Erhalt dieser Mitteilung ausser Kraft. Ersuchen, die vor Kündigung des Abkommens eingegangen sind, werden nach den Bestimmungen des Abkommens behandelt, wie wenn dieses noch in Kraft wäre.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen gehörig Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet.

So geschehen in Hongkong, am 15. März 1999, im Doppel in deutscher, chinesischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut in gleicher Weise verbindlich ist.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong
der Volksrepublik China:

Rolf Bodenmüller

Regina Ip