211.221.31
Bundesgesetz
zum Haager Adoptionsübereinkommen
und über Massnahmen zum Schutz des Kindes
bei internationalen Adoptionen
(BG-HAÜ)
vom 22. Juni 2001 (Stand am 1. Januar 2013)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
in Ausführung des Übereinkommens vom 29. Mai 19931 über den Schutz von
Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Haager Adoptionsübereinkommen, HAÜ),
gestützt auf die Artikel 54 Absatz 1, 122 und 123 der Bundesverfassung2,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 19. Mai 19993,
beschliesst:
1 Dieses Gesetz regelt das Verfahren zur Aufnahme eines Kindes nach dem Haager Adoptionsübereinkommen.
2 Es sieht Massnahmen zum Schutz von Kindern aus dem Ausland vor, die von Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz zur Adoption aufgenommen werden.
1 Zentrale Behörde des Bundes ist die vom Bundesrat bezeichnete Verwaltungsstelle.
2 Sie hat die Aufgabe:
- a.
- die Mitteilungen und Berichte im grenzüberschreitenden Verkehr (Art. 6 Abs. 2, 9 Bst. a, d und e, 13, 15 Abs. 2, 16 Abs. 2, 17, 18, 20 und 21 Abs. 1 Bst. b HAÜ) zu übermitteln und entgegenzunehmen, soweit sie nicht die Zentralen Behörden der Kantone dazu ermächtigt hat;
- b.
- die Zentralen Behörden der Kantone in Rechtsfragen zu beraten;
- c.
- die Schweiz gegenüber ausländischen Zentralen Behörden zu vertreten;
- d.
- allgemeine Weisungen über den Vollzug des Haager Adoptionsübereinkommens zu erlassen;
- e.
- den Erfahrungsaustausch zwischen den Zentralen Behörden der Kantone, den Adoptionsvermittlungsstellen und den Bundesbehörden sowie die Koordination auf dem Gebiet des Adoptionswesens zu fördern.
1 Zentrale Behörde eines Kantons ist die nach Artikel 316 Absatz 1bis des Zivilgesetzbuches4 (ZGB) bezeichnete Behörde (Art. 6 HAÜ).
2 Soweit Artikel 2 nichts anderes bestimmt, ist sie für die Aufgaben zuständig, die das Haager Adoptionsübereinkommen den Zentralen Behörden zuweist, namentlich für:
- a.
- die Untersuchung und das Erstellen der Berichte über die Eignung der künftigen Adoptiveltern und des Kindes zur Adoption (Art. 9 Bst. a, 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 und 20 HAÜ);
- b.
- den Entscheid, das Kind den künftigen Adoptiveltern anzuvertrauen, die Zustimmung zum entsprechenden Entscheid der ausländischen Zentralen Behörde sowie die Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens (Art. 17 HAÜ);
- c.
- den Entscheid über die Rückkehr des Kindes in seinen Heimatstaat (Art. 21 Abs. 1 Bst. c HAÜ);
- d.
- die Ausstellung der Adoptionsbescheinigung (Art. 23 Abs. 1 HAÜ), wenn die Adoption in der Schweiz ausgesprochen worden ist.
1 Wer ein Kind aus einem Vertragsstaat adoptieren will, hat gegebenenfalls unter Mithilfe einer Adoptionsvermittlungsstelle bei der Zentralen Behörde des Kantons ein Gesuch um Erteilung einer vorläufigen Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekindes5 einzureichen.
2 Das Verfahren richtet sich nach der Verordnung vom 19. Oktober 19776 über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO).
1 Die Zentrale Behörde des Kantons erstellt ein Dossier über die künftigen Adoptiveltern. Es muss namentlich enthalten:
- a.
- die vorläufige Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekindes7;
- b.
- den Bericht über die künftigen Adoptiveltern (Art. 15 Abs. 1 HAÜ);
- c.
- die nötigen Übersetzungen.
2 Wird das Dossier von einer Adoptionsvermittlungsstelle vorbereitet, so prüft die Zentrale Behörde des Kantons, ob es vollständig und richtig ist, und veranlasst die nötigen Ergänzungen.
3 Die Zentrale Behörde des Bundes prüft, ob das Dossier vollständig ist, und leitet die erforderlichen Dokumente an die Zentrale Behörde des Heimatstaates des Kindes weiter; stellt sie Mängel fest, so weist sie das Dossier an die Zentrale Behörde des Kantons zur Verbesserung zurück.
Erhält die Zentrale Behörde des Kantons den Bericht über das Kind sowie den Nachweis, dass die erforderlichen Zustimmungen vorliegen (Art. 16 HAÜ), so vergewissert sie sich, dass die künftigen Adoptiveltern mit der Aufnahme des Kindes einverstanden sind (Art. 17 Bst. a HAÜ). Sie müssen eine entsprechende Erklärung unterzeichnen.
1 Die Zentrale Behörde des Kantons entscheidet nach Massgabe der Artikel 8 und 9, ob das Verfahren fortgesetzt wird (Art. 17 Bst. b und c HAÜ).
2 Sie übermittelt ihren Entscheid zusammen mit der Erklärung der künftigen Adoptiveltern (Art. 6) sowie den nötigen Übersetzungen der Zentralen Behörde des Bundes zwecks Weiterleitung an die Zentrale Behörde des Heimatstaates des Kindes.
3 Die Zentrale Behörde des Kantons benachrichtigt die Kindesschutzbehörde8 am Wohnsitz der künftigen Adoptiveltern.
1 Soll das Kind erst nach seiner Aufnahme in der Schweiz adoptiert werden, so wird das Verfahren fortgesetzt, wenn:
- a.
- die Zentrale Behörde des Kantons als Pflegekinderaufsichtsbehörde den künftigen Adoptiveltern die Aufnahme des betreffenden Kindes nach den entsprechenden Bestimmungen der PAVO9 bewilligt; und
- b.
- die Fremdenpolizei das Visum erteilt oder die Aufenthaltsbewilligung zusichert.
2 Soll das Kind vor der Ausreise in seinem Heimatstaat adoptiert werden, so wird das Verfahren fortgesetzt, wenn:
- a.
- die Zentrale Behörde des Kantons die Adoption im Heimatstaat (Art. 9) bewilligt; und
- b.
- die Fremdenpolizei das Visum erteilt oder die Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung zusichert, falls die Adoption nicht den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts bewirkt.
3 Soll das Kind in seinem Heimatstaat, aber nach seiner Aufnahme in der Schweiz adoptiert werden, so ist Absatz 1 anwendbar.
1 Die Zentrale Behörde des Kantons bewilligt die Adoption im Heimatstaat, wenn:
- a.
- das Kind wenigstens 16 Jahre jünger ist als die Adoptiveltern;
- b.
- anzunehmen ist, die Adoption diene dem Wohl des Kindes, ohne andere Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückzusetzen;
- c.
- die Adoptiveltern die Voraussetzungen nach den Artikeln 264a und 264b des Zivilgesetzbuches10 erfüllen; und
- d.
- die Zentrale Behörde des Kantons sich vergewissert hat, dass die erforderlichen Zustimmungen vorliegen (Art. 4 Bst. c und d HAÜ).
2 Verlangt der Heimatstaat keine Pflegezeit vor einer Adoption und hatten die Adoptiveltern und das Kind noch keinen persönlichen Kontakt, so bewilligt die Zentrale Behörde des Kantons die Adoption nur unter der Auflage, dass die Adoptiveltern das Kind zuvor besuchen.
Bewirkt die Adoption im Heimatstaat den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts, so stellt die Zentrale Behörde des Bundes ein Dokument aus, das dem Kind die Einreise in die Schweiz erlaubt.
1 Die Adoptiveltern müssen die Einreise des Kindes unverzüglich der Zentralen Behörde des Kantons melden.
2 Diese benachrichtigt die Kindesschutzbehörde, die Zentrale Behörde des Bundes und gegebenenfalls die Fremdenpolizei.
Ist das Kind in der Schweiz adoptiert worden, so stellt die Zentrale Behörde des Kantons die Adoptionsbescheinigung (Art. 23 Abs. 1 HAÜ) aus.
1 Soll ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz im Ausland adoptiert werden, so veranlasst die Zentrale Behörde des Kantons die Untersuchung (Art. 4 und 16 HAÜ).
2 Sie vergewissert sich, dass die künftigen Adoptiveltern mit der Aufnahme des Kindes einverstanden sind (Art. 17 Bst. a HAÜ).
3 Sie trifft den Entscheid über die Fortsetzung des Verfahrens (Art. 17 Bst. b und c HAÜ).
Die zuständigen kantonalen Behörden erteilen der Zentralen Behörde des Bundes auf Verlangen Auskunft über die Verfahren, die sie in Anwendung des Haager Adoptionsübereinkommens durchführen.
1 Die Zentrale Behörde des Bundes erhebt für ihre Dienstleistungen eine Gebühr von den Adoptiveltern.
2 Sie kann von den Adoptiveltern die Bezahlung eines Vorschusses verlangen.
3 Der Bundesrat setzt die Gebühren fest.
1 …11
2 Die Zentrale Behörde des Bundes ist berechtigt, gegen Verfügungen der Zentralen Behörden der Kantone die Rechtsmittel des kantonalen und des eidgenössischen Rechts zu ergreifen.
1 Ist das Kind vor seiner Einreise in die Schweiz adoptiert worden und ist zu erwarten, dass die Adoption in der Schweiz anerkannt wird, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind unverzüglich einen Beistand.
2 Der Beistand unterstützt die Adoptiveltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat. Hat die Adoption die Rechtsbeziehungen des Kindes zu den leiblichen Eltern nicht erlöschen lassen, so hilft er den Adoptiveltern, wenn sie eine Adoption nach schweizerischem Recht anstreben (Art. 27 HAÜ).
3 Der Beistand erstattet der Kindesschutzbehörde spätestens ein Jahr nach seiner Ernennung Bericht über die Entwicklung des Adoptionsverhältnisses.
4 Die Beistandschaft fällt spätestens 18 Monate nach der Mitteilung der Einreise des Kindes oder, falls keine Mitteilung erfolgt ist, nach ihrer Errichtung von Gesetzes wegen dahin. Vorbehalten bleibt die Anordnung von Kindesschutzmassnahmen nach den Artikeln 307 ff. des Zivilgesetzbuches12.
Wird das Kind erst nach seiner Einreise in die Schweiz adoptiert oder kann eine im Ausland ausgesprochene Adoption in der Schweiz nicht anerkannt werden, so ernennt ihm die Kindesschutzbehörde für die Dauer des Pflegeverhältnisses einen Vormund.
1 Ist ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland zum Zweck der späteren Adoption in der Schweiz aufgenommen worden, ohne dass die Voraussetzungen für die Einreise nach Artikel 17 des Haager Adoptionsübereinkommens und Artikel 8 dieses Gesetzes oder nach der PAVO13 erfüllt waren, so bringt die Pflegekinderaufsichtsbehörde des Kantons (Art. 316 Abs. 1bis ZGB14) es unverzüglich in einer geeigneten Pflegefamilie oder in einem Heim unter. Erfordert es das Kindeswohl, so kann das Kind auch bei der Aufnahmefamilie bleiben, bis eine Lösung gefunden wird.
2 Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung.
3 Die Pflegekinderaufsichtsbehörde ordnet die Rückkehr des Kindes in seinen Heimatstaat an, wenn dies seinem Wohl dient. Bleibt das Kind in der Schweiz, so trifft die Kindesschutzbehörde15 die zur Wahrung des Kindeswohls erforderlichen Massnahmen.
1 Wer ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland mit oder ohne Zustimmung der zuständigen Behörde zur Adoption in der Schweiz aufnimmt, muss für dessen Unterhalt wie für den eines eigenen Kindes aufkommen. Die Artikel 276 ff. des Zivilgesetzbuches16 gelten sinngemäss.
2 Ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls die Unterhaltspflicht für die pflichtige Person eine unbillige Belastung, so kann das Gericht sie ermässigen oder aufheben.
3 Die Unterhaltspflicht erlischt, sobald das Kind von Drittpersonen adoptiert worden ist oder in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist.
Der Bund kann privaten Institutionen Finanzhilfen gewähren für:
- a.
- die Dokumentation des ausländischen Adoptionsrechts;
- b.
- wissenschaftliche Studien und Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Adoptionswesens.
1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer:17
- a.
- ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat des Haager Adoptionsübereinkommens zum Zweck der späteren Adoption in der Schweiz aufnimmt, ohne dass die Bewilligungen nach Artikel 17 des Haager Adoptionsübereinkommens und Artikel 8 dieses Gesetzes vorliegen; oder
- b.
- ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Staat zum Zweck der späteren Adoption in der Schweiz aufnimmt, ohne dass die Voraussetzungen für die Einreise nach der PAVO18 erfüllt sind.
2 Mit Busse wird bestraft, wer Auflagen oder Bedingungen zuwiderhandelt, welche die zuständige kantonale Behörde mit den Bewilligungen nach diesem Gesetz oder nach der Pflegekinderverordnung verknüpft hat.19
Wer vorsätzlich den leiblichen Eltern oder anderen Sorgeberechtigten des Kindes, einer Behörde oder am Adoptionsverfahren beteiligten Personen unstatthafte Vermögens- oder sonstige Vorteile verschafft und damit bewirkt, dass das Kind ihm zum Zweck der Adoption anvertraut wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.20
1 Wer gegen das Versprechen eines unstatthaften Vermögens- oder eines sonstigen Vorteils an die leiblichen Eltern oder andere Sorgeberechtigte des Kindes, eine Behörde oder am Adoptionsverfahren beteiligte Personen bewirkt, dass ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland einer Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz zum Zweck der Adoption anvertraut wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.21
2 Handelt die Täterin oder der Täter gewerbsmässig oder als Mitglied einer Bande oder einer kriminellen Organisation, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren und Geldstrafe.22
Die Verfolgung und die Beurteilung der Straftaten nach diesem Gesetz obliegen den Kantonen.
Der Bundesrat kann Ausführungsbestimmungen erlassen.
1 Dieses Gesetz gilt für alle hängigen Verfahren, es sei denn, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Haager Adoptionsübereinkommens bereits eine vorläufige Bewilligung zur Aufnahme eines Pflegekindes erteilt worden ist.
2 Hängige Gesuche um Erteilung einer solchen Bewilligung sind der Zentralen Behörde des Kantons zu überweisen.
1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
2 Es tritt am Tag in Kraft, an dem das Haager Adoptionsübereinkommen für die Schweiz in Kraft tritt.23
Die nachstehenden Erlasse werden wie folgt geändert:
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